Heilung an Leib und Seele
von Rudolf Gümbel (Flecken Zechlin)
Predigtdatum
:
06.10.2013
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
18. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Johannes 5,1-16
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Leitbild:
Heilung an Leib und Seele
Wochenspruch:
Heile du mich, Herr, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen. Jeremia 17,14
Psalm: Psalm 25, 8 - 15
Lesungen
Altes Testament: 2. Mose 34, 4 - 10
Epistel: Epheser 4, 22 - 32
Evangelium: Markus 2, 1 - 12
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 355 Mir ist Erbarmung widerfahren
Wochenlied: EG 320 Nun lass uns Gott dem Herren Dank sagen und ihn ehren
Predigtlied: EG 66, 1. 2. 7.8 oder EG 382 Jesus ist kommen
Ich steh vor dir mit leeren Händen
Schlusslied: EG 383 Herr, du hast mich angerührt
Kurze Hinführung:
Der Wochenspruch gibt das Thema an, das auch in Epistel und Evangelium (und im Wochenlied) sehr deutlich wird, wenn auch mit großen Unterschieden: „Heil, heil werden und die Sünde“.
Wobei die Epistel besonders moralisch wird. Zum eigenen Nachdenken sei auch Johannes 9, 1-3 empfohlen.
Der Predigttext ist deutlich zweigeteilt: Joh 9, 1 - 9 die Heilung am Teich Betesda; Joh 9, 10 - 16 die Auseinandersetzung mit den Juden.
Es soll gelingen, beides in eine Beziehung zu bringen, die dem Thema des Sonntags entspricht. Ich empfehle, um der Verständlichkeit willen, die Verse 3b und 4 auch vorzulesen.
Die Textverlesung geschieht innerhalb der Predigt
Liebe Gemeinde,
stellen Sie sich bitte vor: Sie besuchen einen Kranken. Ihre erste Frage nach der Begrüßung ist: „Willst du gesund werden?“ Das ist doch lächerlich. Natürlich will ein Kranker gesund werden!
Ich käme gar nicht auf die Idee, so zu fragen. Andererseits haben sie sicher auch schon die Erfahrung gemacht: Menschen klagen über eine Notlage. Aber wenn man auf sie eingeht, ihnen Hilfe anbietet, dann ist es plötzlich gar nicht so schlimm. Dann haben sie schon eine andere Lösung oder sie wollen gar keine Hilfe.
Das ist vielleicht eigenartig, aber es passiert immer wieder: Menschen haben sich in ihrer Situation eingerichtet, mit ihrer Lage abgefunden. Ich möchte es überspitzt sagen: Menschen lieben ihre Not.
Und jetzt denken sie einmal an ihre eigenen Schwachstellen, Probleme, Krankheiten. Wollen sie, dass ihnen einer hilft?
„Willst du gesund werden?“
Der Predigttext heute, aus dem Johannesevangelium im 5. Kapitel führt uns an den Stadtrand von Jerusalem, wo es eine heilkräftige Teichanlage gab. König Herodes hatte sie mit einer mit Säulenhallen ausbauen lassen. „Betesda – das heißt: Ort der Barmherzigkeit.
Verlesung des Predigttextes
In Jerusalem wird ein Fest gefeiert. Es ist bemerkenswert, dass im Johannesevangelium viele entscheidende Situationen an einem Fest passieren: Das Weinwunder an einem Hochzeitsfest. Die Speisung der 5000 kurz vor dem Passafest. Die wunderbaren Worte: „Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke.“ auf einem Laubhüttenfest. Könnte das eine unausgesprochene Botschaft sein, die Johannes uns sagen will: Jesus macht dein Leben zu einem Fest!
Jesus kommt nach Jerusalem, aber er mischt sich nicht unter das feiernde Volk oben im Tempelbezirk. Er geht an den Teich Betesda, an den Ort menschlichen Elends. Die Hallen um den Teich liegen voller Menschen, die auf die Wunderkraft des Wassers warten.
Einer der Kranken fällt Jesus auf. Der war 38 Jahre krank. Das konnte ihm so genau keiner ansehen. Auch Jesus nicht. Aber wenn das einem frommen Juden erzählt wird, dann wird die Geschichte seines Volkes bei ihm lebendig: Als das Volk Israel mit Mose durch die Wüste Sinai zieht und gegen Gottes Willen aufbegehrt und den Gehorsam verweigert, da muss es noch einmal zur Strafe 38 Jahre in der Wüste bleiben. (5. Mose 2, 14) Erst dann darf es ins gelobte Land einziehen. 38 Jahre Strafe und nach 38 Jahren Erlösung. 38 Jahre war der Mann krank. Und nun: „Willst du gesund werden?“
Jetzt passieren zwei Dinge, die man so nicht erwartet hätte. Der Mann antwortet nicht auf die Frage. Vielmehr drückt er seine Hoffnungslosigkeit aus: „Ich habe keinen Menschen, der mir hilft.“ Das geht mir unter die Haut. Das könnte ein ganz modernes Wort sein. Für unzählige Menschen in unzähligen Situationen ist es heute so etwas wie eine Grundklage. Wenn ich mich umsehe in unserer Gesellschaft sehe ich ganz viele einsame, müde und verbitterte Menschen und am Ende wie in einem Spiegel auch mich selbst: „Ich habe keinen Menschen.“
„Willst du gesund werden?“
Das passiert das zweite Unerwartete. Jesus sagt: „Steh auf!“ Er durchschaut den Menschen. Er sieht durch alle vordergründigen Erwartungen und eingeschliffenen Verhaltensmuster der müden, erschöpften, enttäuschten, mut- und hoffnungslosen Menschen. Und er „mutet“ ihm einen eigenen Schritt zu.
„Steh auf!“ – Da geht so viel Kraft von Jesus aus; der Mensch steht auf, nimmt seine Liege und geht. Das heilende Wasser ist vergessen.
Hier steht der, der sagen kann: „Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!“ Das ist ein unerhörter Anspruch. Ein Anspruch, wie ihn eigentlich nur Gott selbst haben kann. Hier steht einer an Gottes Stelle. An der Stelle dieses Menschen steht Gott. Für alle, die das sagen oder auch nur denken: „Ich habe keinen Menschen, der mir hilft“, hat sich Gott in Jesus hingestellt: „Du hast mich. Steh auf!“
Aber da sind sie ran! – die lieben Mitmenschen, die Besserwisser, die Ordnungshüter, die Pfennigfuchser. „Wie kannst du am Feiertag Möbel schleppen?“ Wie kannst du unsere heiligen Gesetze übertreten?“ Sie begreifen nicht, dass hier einer nach 38 Jahren Gelähmt sein wieder erste eigene Schritte tut. Sie begreifen nicht, dass hier eine ganz große Befreiung passiert ist. Sie begreifen nicht, dass Gott hier einen Menschen geheilt hat. Sie sehen nur den Buchstaben des Gesetzes. Ihres Gesetzes. Ihr kleines Karo. Und sie fragen, wer das erlaubt hat. Wer sich diese unerhörte Freiheit genommen hat. Und der Geheilte muss es sagen, verkünden wie eine frohe Botschaft: „Jesus hat mich erlöst. Jesus hat mich geheilt!“
Die Fronten sind klar: Auf der einen Seite die Menschen mit ihrer Ordnung, ihrem Recht, ihren Paragrafen. Mit dem Buchstaben des Gesetzes: „Es steht geschrieben...“
Auf der anderen Seite Jesus mit seiner erlösenden Liebe, seiner Phantasie, seiner Mut machenden Kraft, mit seinem Geist der Freiheit. Und mit auf seiner Seite: ein dem Leben wieder geschenkter Mensch. „Ich aber sage euch...“
Auf der einen Seite diejenigen, die die Ordnung und das Gesetz über die Menschen stellen, ja, die bereit sind, Menschen dem Gesetz zu opfern. Am Ende werden sie Jesus töten.
Auf der anderen Seite Jesus, der in Gottes Namen eine ungewöhnliche Liebe übt, die die Grenzen des Gesetzes sprengt um des Menschen willen, am Teich Betesda, das heißt am „Ort der Barmherzigkeit“.
Es ist sicher ein ganz schwieriger Balanceakt – zwischen Recht und Liebe. Aber: „Recht behalten ist in der Liebe das traurigste Geschäft.“
Balance zwischen Sicherheit und Risiko. Aber: „Es gibt für einen Christen kein größeres Risiko, als nichts riskieren zu wollen.“
Balance zwischen dem Buchstaben des Gesetzes und dem Geist der Liebe. Aber: „Der Buchstabe tötet, doch der Geist macht lebendig.“ Jedenfalls sagt das Paulus so. Gott helfe uns durch seinen Menschen Jesus zu Liebe, zum Risiko und zu seinem Geist.
Noch einmal begegnet Jesus dem Geheilten auf dem Fest. Und er sagt zu ihm: „Siehe, du bist gesund geworden, sündige hinfort nicht mehr, dass dir nicht Schlimmeres widerfahre.“ Wir wissen heute sehr viel über den Zusammenhang zwischen Leib und Seele, von Lebensweise, Lebenseinstellung und Gesundheit. Lachen, zum Beispiel, ist gesund. In manchen Krankenhäusern gibt es eine Lachtherapie. Clowns, die über die Stationen gehen.
Positives Denken hilft zum Gesundwerden. Jesus sagt: „Du bist gesund geworden, sündige hinfort nicht mehr!“ Was meint er mit dem „sündigen“?
Ich versuche es, mit den Ohren des Geheilten zu hören und zu verstehen: Verliere nie mehr den Mut, den ich dir geschenkt habe. Behalte das Vertrauen in Gottes Barmherzigkeit, die ich in dir geweckt habe am Teich Betesda. Halte das Seil fest, das ich dir heute zugeworfen habe, das dich mit Gott verbindet. “Willst du gesund werden?“ „Ja, Herr, ich will.“
Sprich das Wort, das tröstet und befreit
und das mich führt in deinen großen Frieden.
Schließ auf das Land, das keine Grenzen kennt
und lass mich unter deinen Kindern leben.
Sei du mein täglich Brot, so wahr du lebst.
Du bist mein Atem, wenn ich zu dir bete. (EG 382, 3)
Amen.
Verfasser: Pfarrer i. R. Rudolf Gümbel
Weinbergsring 9, 16837 Flecken Zechlin
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