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Heilung an Leib und Seele

von

Predigtdatum : 22.10.2006
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 18. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Jakobus 5,13-16
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Wochenspruch:

Heile du mich, Herr, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen.
(Jeremia 17,14)
Psalm: 32,1-5.10-11 (EG 717)

Lesungen

Altes Testament:
2. Mose 34,4-10
Epistel:
Epheser 4,22-32
Evangelium:
Markus 2,1-12

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 625
Wir strecken uns nach dir
Wochenlied:
EG 320
Nun lasst uns Gott dem Herren Dank sagen und ihn ehren
Predigtlied:
EG 383
Herr, du hast mich angerührt
Schlusslied:
EG 395
Vertraut den neuen Wegen

Vorbemerkung:
Das Thema des 19. Sonntag nach Trinitatis lautet „Heilung an Leib und Seele“. Das klingt wohltuend, einfach und klar. Schön, wie der Wochenspruch, der zu Beginn des Gottesdienstes genannt werden sollte und Leitwort für die Gebete sein kann: „Heile du mich, Herr, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen.“ (Jeremia 17,14). Das Vertrauen, das sich darin ausdrückt, ist das eigentliche Thema des Gottesdienstes. Kein „Vielleicht“, kein „mal sehen“, kein Konjunktiv. Unbedingt scheint dieses Vertrauen.
Dem stehen aber viele Fragen gegenüber, die in der Predigt geklärt werden müssen. Die Kunst wird sein, die im Raum stehenden Fragen anzusprechen und an ihnen doch nicht hängen zu bleiben. Kindliches Vertrauen begegnet oft nur gebrochen und unter der Last von Fragen, deshalb ist es noch lange nicht ad acta gelegt.
Als Schriftlesung sollte der Evangelientext Markus 2, 1-12 gelesen sein. Vier Freunde bringen einen Gelähmten zu Jesus, damit er ihn heilt. Doch Jesus vergibt ihm zunächst seine Schuld! Das geht an allen Erwartungen der Freunde vorbei und weckt den Vorwurf der Schriftgelehrten, mit welcher Vollmacht Jesus die Vergebung zusagen kann. Dann heilt Jesus den Mann. Nicht weil zuerst die Schuld vergeben werden müsste und die Schuld Ursache der Krankheit wäre, sondern weil Jesus durch die äußerlich sichtbare Heilung die Vollmacht beweist, auch die Schuld vergeben zu können, was man so nicht sehen kann!
Entscheidend ist, dass der Mensch als Ganzer gesehen wird. Er ist weder „die Niere von Zimmer 409“, abgesehen von seiner Seele, noch ist nur die Seele des Menschen wichtig, wie es der Neuplatonismus eingeimpft hat. Vor kausalen Zusammenhängen („das ist so, weil…“), muss man sich hüten – Lebenszusammenhänge sind zu sehen!

Liebe Gemeinde,
an eine Sache ganz offen und unbefangen heran zu gehen, das ist leider nicht so einfach. Wer schon einmal beim Skifahren war, kennt den gut gemeinten Rat, oben an der Kante zur steilen Abfahrt. Da sagt der erfahrene Skilehrer zum Neuling: „Keine Angst, mach dir keine Gedanken, fahr mir einfach hinterher!“ Das ist leicht gesagt und schwer getan. Wie soll ich, wenn ich Angst habe, mir keine Angst machen – wie, wenn mir tausend Gedanken im Kopf herum gehen, mir keine Gedanken machen? Ich habe die Angst doch, ich habe die Gedanken doch! Wie werde ich sie los? Bestimmt nicht, wenn ich oben an der Kante stehen bleibe und lange mit dem Skilehrer diskutiere. Eher wenn ich losfahre und spüre: Es geht. Genug auf flachem Gelände geübt. Genug über Kanteneinsatz und Lockerheit der Knie philosophiert. Nur Erfahrung und Vertrauen nimmt die Angst, beruhigt die sorgenvollen Gedanken.
Ähnlich geht es uns, wenn wir heute die Aufforderung hören, für die Heilung von Kranken zu beten, sie mit Öl einzusalben, und einander gegenseitig die Sünden zu bekennen. Das sollen wir tun?
Worte aus dem 5. Kapitel des Jakobusbriefes:
13 Leidet jemand unter euch, der bete; ist jemand guten Mutes, der singe Psalmen. 14 Ist jemand unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn salben mit Öl in dem Namen des Herrn. 15 Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden getan hat, wird ihm vergeben werden. 16 Bekennt also einander eure Sünden und betet füreinander, dass ihr gesund werdet. Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.
Bevor wir nun fragen, was damit alles gemeint ist und was nicht – bevor wir uns Sorgen machen, was wir – angenommen wir würden das wirklich tun – alles falsch oder richtig machen könnten, schauen wir einfach hin, wer hier angesprochen ist. Wer ist gemeint? Um wen geht es?
Da steht (V. 14): „Ist jemand unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde.“
Die Initiative zum Gebet für den Kranken soll hier vom Kranken ausgehen! Das ist erstaunlich, denn oft geht es in Gemeinden anders zu. Da bekommt der Pfarrer einen erbosten Brief: „Meine Mutter war so lange krank – warum haben Sie sie nicht besucht?“ Vielleicht hat es der Pfarrer gar nicht gewusst. Niemand hat es ihm gesagt. Hier ist es anders: Die Kranken werden aufgefordert, sich zu melden, wenn sie Hilfe brauchen. Und wenn sie es nicht mehr können, dann sollen das die Familienangehörigen tun. Heraus aus dem Schmollwinkel! Man kann nicht wissen, was man nicht erfährt!
Aber wer wird denn dann gerufen? Die „Ältesten“ der Gemeinde sollen kommen und über dem Kranken beten. „Älteste“, das sind die Presbyter, heute die Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher. Ganz deutlich ist nicht nur der Pfarrer oder die Pfarrerin gemeint. Und man kann auch nicht davon ausgehen, dass die Einrichtung der „Ältesten“ in dieser Urzeit der christlichen Gemeinde schon ein fest strukturiertes „Amt“ war wie ein gewählter Kirchenvorstand heute. Genauso gut können auch einfach ältere, erfahrene Christinnen und Christen gemeint und gerufen sein. Viele von uns, viele von Ihnen!
Und damit ändert sich die Ausgangssituation erheblich. Es geht nicht um einen offiziellen, kirchenamtlichen Besuch mit Krankensalbung und Heilungsgebet, sondern ein Mensch in der Gemeinde, der krank geworden ist, bittet um Hilfe. Vielleicht bittet er nur: „Kannst du mich besuchen?“ „Kannst du bei mir sein?“ Wer würde da nicht gehen? Vielleicht sogar mit einem anderen zusammen – gerne gehen?
Aber, es gibt Ängste und Fragen. Und die gilt es jetzt zu klären:
1.) Die erste Frage betrifft das „Öl“. Wir alle kennen Psalm 23: „Du salbest mein Haupt mit Öl“. Wir wissen vielleicht, dass Könige und Priester im Alten Israel in ihr Amt hinein gesalbt wurden. Aber bei Kranken – da fällt uns nur das Wort „letzte Ölung“ ein und alle denken: Steht es so schlecht um den Kranken, dass es schon so weit ist?
Seit dem zweiten Vatikanischen Konzil heißt diese Salbung in der katholischen Kirche „Krankensalbung“ – ist eines der sieben Sakramente. Sie steht aber nicht mehr nur im Zusammenhang mit dem nahenden Tod, sondern auch mit dem Leben, das Gott schenkt. Und das Öl ist, wie das Wasser der Taufe, ein Zeichen dafür, wie Gott sich heilvoll zuwendet. Man muss, wenn man einen Kranken besucht und für ihn betet, kein Öl dabeihaben, aber wohltuend und schön ist es allemal, wenn der Kranke das will, ein wenig Öl auf die Stirn oder die erkrankten Stellen zu salben. Gott wendet sich spürbar zu.
2.) Da gibt es noch etwas, das uns zurückschrecken lässt. Wir würden gerne gehen. Für die Kranken beten, rechte Worte würden wir finden, aber – muss es denn sein, dass der oder die Kranke seine Schuld bekennt?
Was ist das eigentlich für ein Zusammenhang? Denkt die Bibel vielleicht, dass Menschen krank sind, weil sie Schuld auf sich geladen haben? Jesus hat auch dem gelähmten Mann, von dem wir eben gehört haben, zunächst die Schuld vergeben und ihn dann geheilt. War das die zwingende Reihenfolge?
Nein – er wollte nur zweierlei zeigen:
Erstens: Er kann beides tun: Schuld vergeben (was man nicht sehen beweisen kann) und kann einen gelähmten Mann heilen (was man sehen kann). Die äußere Heilung ist ein Zeichen für die innere Heilung.
Und zweitens: Es geht doch um den ganzen Menschen. Ein Mensch ist auch als kranker Mensch ein ganzer Mensch. Und keiner ist nur deshalb ohne Schuld, weil er krank ist. Keinem Kranken, der eine Last des persönlichen Versagens mit sich herumschleppt, ist geholfen, wenn das aus lauter Mitleid nicht zur Sprache kommen kann! Psychosomatisch ist längst klar, dass persönliche Schuld Krankheit auslösen kann. Schon die Sprache verrät das, wenn wir sagen: Das ist mir an die Nieren gegangen, das hat mir auf den Magen geschlagen, das habe ich mir zu Herzen genommen, das liegt auf meinen Schultern, ich zerbreche mir den Kopf…!
Gott sieht immer den ganzen Menschen. Und keiner soll sich über den anderen erheben. Also: Es gilt nicht zu kramen, ob wir beim Kranken eine Schuld als Ursache der Krankheit feststellen, aber wenn der Kranke etwas äußert, was ihm eine Last ist, gilt es nicht abzuwiegeln, sondern zuzuhören und Gottes Liebe und Vergebung zuzusagen.
3.) Vielleicht hält uns aber noch ein dritter Punkt zurück. Die Frage, was denn ist, wenn das Gebet nichts „bringt“! Wenn der Kranke krank bleibt oder noch kränker wird oder am Ende gar stirbt!
War dann alles umsonst? Steht dann das Gebet des Beters oder der Glaube des Kranken in Frage? Hat man nicht fest genug geglaubt und gehofft? Weckt man gar mit dem Gebet um Heilung die Hoffnung auf ein Wunder, das man gar nicht versprechen kann? Und wenn es keine Heilung gibt – wäre es dann nicht besser, gar nicht (so) zu beten, weil man auch keine falsche Hoffnung weckt und Enttäuschungen vorbeugt? Das klingt alles sehr rational:
Es muss dabei die Frage geklärt werden, was man denn erwartet? Was erwartet werden kann.
Und deshalb lohnt es sich, noch einmal genauer hinzuschauen. Was sollen die tun, die beten und salben, was wird dann geschehen?
„Ist jemand unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn salben mit Öl in dem Namen des Herrn.“
Hören wir genau hin: Die beten und salben sollen das „in dem Namen des Herrn“ tun. Wie jeder Gottesdienst – auch dieser – im Namen des dreieinigen Gottes begonnen wurde und gefeiert wird – und das bedeutet eben nicht im eigenen Auftrag, in eigener Berufung, in eigener Verantwortung, so geschieht auch das Gebet und die Salbung von Kranken im Namen Gottes: In seinem Auftrag, in seiner Berufung, in seiner Verantwortung. Erinnern Sie sich an den Wochenspruch? „Heile du mich, Herr, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen.“ Gott geht einen Weg mit dem Kranken – wie auch immer.
Aber schauen wir auf das, was dann passieren kann: Drei Dinge werden genannt:
„Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden getan hat, wird ihm vergeben werden.“
Helfen, aufrichten, vergeben.
Helfen. Da steht wörtlich das Gebet des Glaubens wird „retten“, aber was bedeutet das? Eine Rettung vor dem Tod? Oder eine Rettung im Tod? Irgendwann geht das Leben zu Ende – manche Sterbende wären froh, wenn Angehörige das endlich zur Kenntnis nehmen würden! Ich will jetzt gehen – aber im Tod gerettet und geborgen sein. Es geht nicht nur um ein Gesundwerden im äußerlichen Sinn, gar im Blick auf das Wiederherstellen der Leistungsfähigkeit. Es geht um viel mehr!
Aufrichten. Da kann einer sterbenskrank sein und elend und innerlich aufgerichtet. „Der Herr wird ihn aufrichten“. Das kann natürlich sein – viele haben das erlebt – dass Kranke, denen Ärzten keine Chance mehr gegeben haben, wieder gesund werden. Und es kann sein, dass einer oder eine innerlich aufgerichtet und getröstet in die Zukunft geht, die Gott für ihn oder sie vorbereitet hat. Beide Male gilt: Aufgerichtet.
Vergeben. Noch einmal. Da kann am Ende eines Lebens der Wunsch da sein, dass einem böse Worte, hässliche Untreue oder irgendeine andere Schuld vergeben wird. Nicht weil das die kausale Ursache der Krankheit wäre, sondern weil in der Situation der Krankheit erkannt wird, dass diese Last kein Reisegepäck für die Zukunft sein kann: Weder für die Zukunft des Lebens, noch für die Zukunft des ewigen Lebens. Und wenn Kranke das loswerden wollen, ist es unsere Aufgabe loszusprechen.
„Bekennt also einander eure Sünden und betet füreinander, dass ihr gesund werdet. Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.“
Mit diesen beiden letzten Sätzen wird eine neue Kultur eröffnet. Eine Kultur der Offenheit. „Bekennt also einander eure Sünden und betet füreinander, dass ihr gesund werdet.“ Spielt euch doch nicht länger heile Welt vor und innerlich verbrennt ihr.
Und eine Kultur der Erwartung: „Des Gerechten Gebet vermag viel…“ – da steht nicht „alles“, aber da steht „viel“. Sicher viel mehr, als wir bislang erwartet haben!
Und – wenn heute Abend jemand bei Ihnen anruft? „Ich habe dich heute im Gottesdienst gesehen. Du weißt doch, mein Vater liegt krank im Bett – würdest du kommen, um für ihn zu beten?“
Was wäre Ihre Antwort?
Gehen Sie los?
Amen.

Verfasser: Pfr. Andreas Klein, Goethestr. 7, 64367 Mühltal

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