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Hiobs Bewährung

von Friederike F. Spengler (99636 Ostramondra)

Predigtdatum : 26.02.2023
Lesereihe : V
Predigttag im Kirchenjahr : Invokavit
Textstelle : Hiob 2,1-13
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Wochenspruch: "Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre." (1. Johannes 3,8b)

Psalm: 91,1-6.9–12 (EG 736)

Predigtreihen

Reihe I: Hebräer 4,14-16
Reihe II: 1. Mose 3,1-19(20-24)
Reihe III: Johannes 13,21-30
Reihe IV: 2. Korinther 6,1-10
Reihe V: Hiob 2,1-13
Reihe VI: Matthäus 4,1-11

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 361 Befiehl du deine Wege
Wochenlied: EG 347 Ach bleib mit deiner Gnade
Predigtlied: EG 382 Ich steh vor dir mir leeren Händen, Herr
Schlusslied: EG 171 Bewahre uns, Gott

Predigttext: Hiob 2,1-13

[wird später verlesen]

1 Es begab sich aber eines Tages, da die Gottessöhne kamen und vor den HERRN traten, dass auch der Satan mit ihnen kam und vor den HERRN trat. 2 Da sprach der HERR zu dem Satan: Wo kommst du her? Der Satan antwortete dem HERRN und sprach: Ich habe die Erde hin und her durchzogen. 3 Der HERR sprach zu dem Satan: Hast du acht auf meinen Knecht Hiob gehabt? Denn es ist seinesgleichen auf Erden nicht, fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und meidet das Böse und hält noch fest an seiner Frömmigkeit; du aber hast mich bewogen, ihn ohne Grund zu verderben. 4 Der Satan antwortete dem HERRN und sprach: Haut für Haut! Und alles, was ein Mann hat, lässt er für sein Leben. 5 Aber strecke deine Hand aus und taste sein Gebein und Fleisch an: Was gilt's, er wird dir ins Angesicht fluchen! 6 Der HERR sprach zu dem Satan: Siehe da, er sei in deiner Hand, doch schone sein Leben! 7 Da ging der Satan hinaus vom Angesicht des HERRN und schlug Hiob mit bösen Geschwüren von der Fußsohle an bis auf seinen Scheitel. 8 Und er nahm eine Scherbe und schabte sich und saß in der Asche. 9 Und seine Frau sprach zu ihm: Hältst du noch fest an deiner Frömmigkeit? Fluche Gott und stirb! 10 Er aber sprach zu ihr: Du redest, wie die törichten Frauen reden. Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen? In diesem allen versündigte sich Hiob nicht mit seinen Lippen.

11 Als aber die drei Freunde Hiobs all das Unglück hörten, das über ihn gekommen war, kamen sie, ein jeder aus seinem Ort: Elifas von Teman, Bildad von Schuach und Zofar von Naama. Denn sie wurden eins, dass sie kämen, ihn zu beklagen und zu trösten. 12 Und als sie ihre Augen aufhoben von ferne, erkannten sie ihn nicht und erhoben ihre Stimme und weinten, und ein jeder zerriss sein Kleid, und sie warfen Staub gen Himmel auf ihr Haupt 13 und saßen mit ihm auf der Erde sieben Tage und sieben Nächte und redeten nichts mit ihm; denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war.

Predigt

Ein paar graue Krümel liegen noch auf ihrer Stirn. Hinterlassen eine Spur, wenn sie darüberwischt. Jetzt ist sie auf dem Weg nach Hause. Doch sie spürt noch deutlich die Berührung zwischen den Augen. Ein Kreuz aus Asche. Ein merkwürdiges Zeichen.

Angelika war neugierig gewesen. „Asche auf mein Haupt streuen“, „in Sack und Asche gehen“ – diese Sprichwörter kannte sie. Aber sie wollte unbedingt einmal selbst erleben, was die Katholiken da machten, am Aschermittwoch: dem Tag, der den gewohnten Trott unterbricht. Der einen anhalten und zu-sich-kommen lässt: „Von Erde bist du genommen, zu Erde sollst du werden, Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub“. Selbsterkenntnis. Einsehen, dass man weder sich, noch anderen, noch Gott die Zeit einräumt, die dafür nötig wäre.

Sicher, sie selbst begann die Passionszeit auch bewusst. Schokolade, Gummibärchen und Eis, darauf verzichtete sie. Nicht, dass sie sich was beweisen musste, vielmehr ging es ihr darum, sieben Wochen lang bis Ostern anders zu gestalten. Es nervte sie, dass bereits im Februar die ersten Schokohasen die Regale bevölkerten.

Angelika geht mit leichten Schritten. Der Gottesdienst, der Segen, die Musik, das alles hatte ihr gut getan. Und dann war da das Zeichen aus Asche auf ihrer Stirn … Ihre Gedanken verlieren sich und gehen mit ihr in ungeahnte Tiefen.

Vor ihrem inneren Auge steigt plötzlich ein Bild auf. Sie sieht einen Mann. Er sitzt in einem Aschehaufen. Sein Körper ist über und über mit Geschwüren bedeckt, die Haut an Armen und Beinen zerkratzt. Blut rinnt in dünnen Streifen über seine Füße. Er schaukelt mit dem Oberkörper vor und zurück. Seine Lippen bewegen sich stumm.

Angelika kann ihren Blick nicht abwenden. Sie will zu ihm gehen und herantreten, um genauer zu sehen. Aber sie kann den Mann nicht erreichen. So sehr sie sich auch müht: er bleibt weit weg.

Da entdeckt sie noch etwas: Über dem Mann ist eine Horizontale eingezogen, wie eine zweite Ebene auf einer Bühne. Auf ihr sind zwei Personen zu sehen. Angelika starrt abwechselnd auf den Mann und dann wieder auf die beiden Gestalten.

Auch sie scheinen den Mann wahrzunehmen, und bleiben doch ungerührt. So als stünden sie darüber. Würden zusehen, wie dieser da unten zugrunde geht. Jetzt schabt sich der arme Mann mit einer Tonscherbe und stöhnt vor Schmerz. Er windet sich. Was für ein entsetzliches Leid! denkt Angelika. Sie will sich bemerkbar machen. „Hört ihr mich?“, ruft sie den beiden zu. „Wer seid ihr und wer ist der Mann in der Asche?“

Die Antwort steht im Predigttext. Wir hören Verse aus dem Buch Hiob im 2. Kapitel.

[Predigttext verlesen: zunächst Hiob 2,1-10]

Liebe Gemeinde,

Hiobs Geschichte ist wie ein Theaterstück. Der erste Akt erzählt von einem frommen Mann mit Namen Hiob, reich an Familie und Gütern. Er fühlt sich wie im Schoße Gottes sitzen, so gut geht es ihm. Dann überschlagen sich die Ereignisse. Hiob verliert Kinder und Schwiegerkinder, Mägde, Knechte, Herden und Hof. Nun beginnt der zweite Akt des Stückes, inszeniert und auf die Bühne gebracht: Hiob als leidender Mensch.

Wie auf einer Bühne: Auch wir sehen das Leid oft nur aus der Distanz. Manchmal trennen uns lediglich eine Wand oder ein paar Straßen, manchmal Kontinente. Der leidende Hiob hat viele Gesichter, junge und alte, Frauen, Männer und Kinder tragen Hiobsschmerz. Hier und überall auf der Welt.

Das Buch Hiob steht im Alten Testament zwischen den Geschichtsbüchern und dem Buch der Psalmen. Die Geschichtsbücher erzählen von der Schöpfung der Welt, von Abraham, Isaak und Jakob. Von Mose und dem Volk auf dem Weg ins gelobte Land bis zu den Königen, die das Volk regierten. Die Psalmen bringen dann Lob und Stoßseufzer ins Gebet. Bis heute. Und zwischen der Weltgeschichte und dem Gebetsbuch finden wir über zweiundvierzig Kapitel die Leidensgeschichte eines einzelnen Mannes. Warum an dieser Stelle? Vielleicht, weil man Lebensgeschichten hören und ansehen muss, um mit den Worten der Psalmen beten zu können. Vielleicht, weil die Welt-Geschichte zum Glauben an Gott, Lebensgeschichten aber ins Gebet führen?

Das Buch Hiob erzählt vom Ringen zwischen Gott und dem Satan.

Wer sich dieser Szene aussetzt, bewegt sich zwischen zwei Abgründen. Wandert auf einem schmalen Grat. Immer in der Gefahr, abzustürzen. Denn die Geschichte hinterlässt viele Fragen: Gehört auch das Böse zu Gott? Warum lässt Gott Leid zu? Wer gibt dem Leben Sinn? Wenn wir jetzt ins Gespräch untereinander gehen würden, kämen sicher weitere Fragen hinzu. Ich habe keine Antworten, nur Gedanken. Für heute vielleicht diese zwei:

Erstens: Der Satan, der Diabolus, der „Durcheinanderbringer“ ist zu Gott gekommen. Gerade war er von einem Streifzug auf der Erde zurückgekehrt. Nun führt er wieder Böses im Schilde. Wie bei einer Wette, einem Kräftemessen zwischen Gott und Satan, wird alles in die Waagschale geworden, was Hiob ausmacht: Familie und Haus, Angestellte, Tiere und Ländereien und zum Schluss, wir haben es gehört „Haut für Haut!“. Gott lässt zu, dass der Satan den frommen und gerechten Hiob angeht. Nichts bleibt ihm: kein Ort, keine Sicherheit, kein Schutz. Hiob sitzt auf freiem Feld, außerhalb der Stadt. Ausgesondert. Ob nun wegen seines Leidens, das niemand ertragen kann oder wegen seiner Krankheiten - er muss in Quarantäne.

Und nun auch noch „Haut für Haut!“ Den letzten Schutz eines schutzlosen Menschen darf der Satan antasten. Das ist – wenn man es recht bedenkt – eine Ungeheuerlichkeit. Macht Gott sich nicht gemein mit dem Bösen? Hätte er Hiob nicht schützen müssen? - Das sind Fragen, die im Hiobbuch keine Antwort finden und bis heute angesichts der Hiobsgestalten unserer Zeit zum Himmel schreien.

„(Und) der HERR sprach zu Satan: Siehe da, er sei in deiner Hand, doch schone sein Leben.“

Schone sein Leben. Das ist die Grenze, in die Gott den Bösen weißt. Das Leben ist heilig. Dein und mein Leben gehört Gott. Nackt und verletzlich, ohne Schutz mag es sein, immer aber gehört es Gott. Jedes Leben, überall. Auch am Lebensanfang und am Lebensende. Wer das infrage stellt, steckt mit dem Teufel unter einer Decke. „Weg mit dir, Satan!“ ruft Jesus!

Zweitens: Der Predigttext geht noch weiter. Wir lesen:

[Predigttext verlesen: Hiob 2,11-13]

Gott setzt Menschen in Bewegung, Leidenden beizustehen. Die Namen der Freunde Hiobs deuten auf verschiedene Gegenden der damals bekannten Welt. Vielleicht ist hier gemeint, dass Leid nie zu weit weg ist, um den zu sehen, der leidet. Die Freunde Hiobs hören von seinem Unglück und machen sich sofort auf den Weg. In seiner Not ist Hiob nicht allein. Auf seine Freunde kann er sich verlassen. Sie lassen es sich Zeit und Kraft kosten, ihm beizustehen. Sie versetzen sich in seine Lage, wollen mitfühlen: Ohne schützende Kleider sitzen sie mit ihm in Asche und Staub. Sie schweigen. Halten aus, dass dieses Leid nicht in Worte zu fassen ist. Was für Freunde! Wahre Mitmenschen. Solche, die nichts zerreden und erklären und schon gar nicht besser wissen. So halten sie gemeinsam aus, was einer nicht tragen könnte.

Der Vorhang senkt sich, die Bühne wird dunkel. Der nächste Akt wird heute nicht gezeigt.

Angelika taucht aus der Tiefe ihrer Gedanken auf und findet sich unweit ihres Hauses wieder. Sie tastet sich an die Stirn. Da ist Asche. Und plötzlich steht ihr Entschluss fest: Dieses Jahr wird sie in der Passionszeit nicht auf Süßigkeiten verzichten. Dieses Jahr will sie darauf verzichten, auf Distanz zum Leid zu gehen. Sie will hinsehen, wo Menschen in der Asche ihres Lebens sitzen. Und wo ihr Leid begegnet, will sie da sein, wie die Freunde Hiobs. Sitzen und schweigen, aushalten, was einer allein nicht aushalten kann, auch Fragen und Klagen: um Gottes und des Menschen Willen.

Amen.

Verfasserin: Regionalbischöfin Dr. Friederike F. Spengler, Augustinerstraße 10, 99084 Erfurt


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