Wochenspruch: Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat. (Psalm 103,2)
Psalm: 146
Reihe I: 1. Mose 28,10-19a(19b-22)
Reihe II: Lukas 19,1-10
Reihe III: 1. Thessalonicher 5,14-24
Reihe IV: Jesaja 12,1-6
Reihe V: Lukas 17,11-19
Reihe VI: Römer 8,14-17
Eingangslied: EG+ 97, 1-4 Solang wir Atem holen
Wochenlied: EG 303, 1+3+8 Lobe den Herren, o meine Seele
Predigtlied: EG+ 75, 1-3 Wo Menschen sich vergessen
Schlusslied: EG 590, 1-3 Herr, wir bitten, komm und segne uns
1 Und er ging nach Jericho hinein und zog hindurch.
2 Und siehe, da war ein Mann mit Namen Zachäus, der war ein Oberer der Zöllner und war reich.
3 Und er begehrte, Jesus zu sehen, wer er wäre, und konnte es nicht wegen der Menge; denn er war klein von Gestalt.
4 Und er lief voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um ihn zu sehen; denn dort sollte er durchkommen.
5 Und als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren.
6 Und er stieg eilend herunter und nahm ihn auf mit Freuden.
7 Da sie das sahen, murrten sie alle und sprachen: Bei einem Sünder ist er eingekehrt.
8 Zachäus aber trat herzu und sprach zu dem Herrn: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück.
9 Jesus aber sprach zu ihm: Heute ist diesem Hause Heil wi-derfahren, denn auch er ist ein Sohn Abrahams.
10 Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.
Liebe Gemeinde,
begeben Sie sich mit mir in ein Dorf in Galiläa zur Zeit Jesu:
Man kennt sich.
Man meint genau zu wissen wie man ist.
Genau wie die anderen meinen zu wissen, wie man ist.
Man – das sind die Frauen und Männer im Dorf;
das sind auch die diejenigen,
die Geschichten aus dem Dorf gehört haben,
und meinen es genau zu wissen.
So ist es auch bei Z.
Man kennt ihn.
Man kennt seinen Wohlstand.
Man sieht es ihm an.
Sein Kleid, sein Haus, sein Boot.
Richtige Freunde sieht man jedoch bei ihm nicht.
Mit seinem Beruf macht man sich keine Freunde.
Keine Freunde, die man eigentlich gerne hätte.
Von echten Freundinnen ganz zu schweigen.
Aber jemand muss den Job doch machen.
Wenn nicht er, dann macht es jemand anderes.
Er ist ein Oberzöllner.
Er lebt von den Beträgen, die er auf die römisch festgelegten Steuern zusätzlich drauf schlägt.
Jede Mehreinnahme in seinem Zuständigkeitsgebiet wanderte in seine Tasche.
Die anderen müssen es ihm oder seinen Mitarbeitern bezahlen, sonst drohen Strafen.
Immerhin ist er jetzt jemand.
Als Kind war er ein niemand.
Obwohl er ein schlaues Bürschchen war.
Aber der Körper des Bürschchens war zu schmächtig.
Gegen die Burschen hatte er keine Chancen.
Und sie nutzten jede Chance, ihm das zu zeigen.
Wenn doch sein alter Rabbi noch lebte.
Bei ihm fand er als Kind Zuflucht.
Wenn sie ihn wieder jagten,
fand er in seinem Haus Zuflucht.
Aber sein Rabbi ist schon lange tot.
Und jetzt würde ihn kein Rabbi mehr ins Haus lassen.
Oder vielleicht doch?
Er hatte schon viel von Jesus,
dem Rabbi aus Nazareth, gehört.
Er zieht von Dorf zu Dorf und findet immer mehr Anhänger.
Auch viele Frauen hören ihm zu und unterstützen ihn.
Er hilft vielen Menschen.
Auch den Aussätzigen, Ausgestoßenen und Kranken.
Er heilte sogar den Knecht des Hauptmanns von Kapernaum (Lk 7).
Obwohl der eine römische Uniform trägt.
So wie er selbst als Zöllner für die Römer arbeitet.
Die Frauen und Männer erzählen,
dass Jesus bald in sein Dorf kommt.
Es bildet sich schon eine Menschentraube,
um ihn zu empfangen.
Diesen ungewöhnlichen Rabbi
möchte er wenigstens einmal sehen.
Aber sich einfach unter die Leute zu mischen
kann er sich nicht leisten.
Sie würden ihn verjagen oder in eine Falle locken.
Vielleicht würden sie ihn wie früher verprügeln
oder sogar lynchen.
Z. will Jesus, den Rabbi aus Nazareth,
wenigsten aus der Ferne sehen.
Er steigt auf einen Baum.
Aber er bleibt nicht unbemerkt.
Man kennt sich.
Man kennt ihn.
Böse Blicke, die ihn auf dem Baum erblickt haben, begegnen ihm.
Es sind die Blicke seiner Mitmenschen,
die ihm Geld am Zoll aushändigen mussten.
Die Blicke drücken aus:
„Wie kann er es denn nur wagen,
in die Nähe von Jesus zu kommen.
Dieser Verräter, Ausbeuter und Sünder.
Am besten er falle vom Baum
und breche sich seine Knochen.“
Dann beginnen die Jubelrufe.
Der Rabbi ist im Dorf angekommen.
Jetzt läuft er auf der Hauptstraße.
Z. bleibt nicht unbemerkt.
Der Rabbi aus Nazareth spricht ihn an.
„Zachäus, steig eilend herunter,
denn ich muss heute in deinem Haus einkehren.“
Zachäus zuckt es durch den ganzen Körper.
Kurz kommt ihm in den Sinn:
„Woher kennt er meinen Namen?“
Aber Zachäus vergeudet keine Zeit.
Als ob ihn irgendetwas leiten würde,
steigt er sofort vom Baum herunter.
Er spürt so viel Anspannung und Lebensfreude
wie schon lange nicht.
Das Gemurmel der Menschenmenge
und deren entgeisterte Blicke halten ihn nicht auf.
Ihn erinnert es an seinen Traum, dass die Tür zur Frau,
die er liebte, sich öffnete.
Jetzt ist er bereit alles auf eine Karte zu setzen.
Ohne darüber je nachgedacht zu haben,
spricht Zachäus zu Jesus:
„Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemand betrogen habe,
so gebe ich es vierfach zurück.“
Jesus kehrte in das Haus des Zachäus ein.
Nachdem Jesus das Dorf wieder verlassen hat,
verstummen die Gespräche über den „Fall Zachäus“ nicht.
Hören wir in ein Gespräch hinein:
Einer sagt:
„Jesus von Nazareth hat mir bis jetzt gut gefallen.
Aber diesmal ging er eindeutig zu weit.
Wie kann man nur das Haus dieses Halsabschneiders betreten?
In das Haus dieses Sünders!“
Ein anderer gibt zu bedenken:
„Aber hat Jesus nicht gesagt,
er will das Verlorene suchen und selig machen?
Hast du nicht die seligen Augen des Zöllners gesehen?
Er hat ja auch die Hälfte seines Vermögens der Armenkasse gegeben.“
Der eine erwidert:
Wer einmal mit den Wölfen heult,
wird immer die Schafe reißen!
Er bleibt der Wolf im Schafspelz.“
Der andere antwortet:
„Habt ihr vergessen,
wie oft ihr Zachäus früher Leid zugefügt habt?
Als ihr ein Rudel gemeiner kleinen Wölfe wart?
Hatte er jemals eine Chance, einer von uns zu werden?
Wie viele Wunden habt ihr ihm zugefügt?
Nicht umsonst musste Zachäus auf einen Maulbeerfeigenbaum steigen.
Ihr wisst doch alle,
dass der Saft der Früchte Wunden heilen kann.
Unterhalte dich doch einmal mit Zachäus!
Lass ihn erzählen.
Vielleicht lernst du ihn ganz neu kennen.
Vielleicht erfährst du von seinen Sehnsüchten und Wünschen nach einem Leben mit uns?“
Ja, liebe Gemeinde,
mich berührt es, wenn Menschen die Sehnsucht nach einem Neuanfang beschreiben können.
Und es beschämt mich, wenn ich in meinen Gedanken oder sogar mit meinen Worten in den Chor derer einstimme, die alle Menschen zu kennen meinen; die zu wissen meinen, wer zu den Guten und zu den Schlechten gehört.
So erkenne ich Teile von mir in Zachäus wieder, der seine Sehnsüchte im Verborgenen schlummern lässt. Und ich er-kenne Teile von den murrenden Leuten wieder, die bei ihren Urteilen über andere Menschen hängen bleiben.
Wie dankbar bin ich, dass durch Jesus Christus immer wieder Menschen angesprochen werden, sich zu verändern und so ihre Lebensfreude neu entfalten können.
Verfasser: Pfarrer Dr. Hans-Jörg Wahl, Franz-Liszt-Straße 19, 61250 Usingen
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