Im Danken Gott finden
von Joachim Meyer (Reinheim)
Predigtdatum
:
06.09.2015
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
12. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Lukas 17,11-19
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Wochenspruch:
„Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ (Psalm 103, 2)
Psalm: 103
Lesungen
Altes Testament: 1. Mose 28, 10 – 19a
Epistel: Römer 8, 14 – 17
Evangelium: Lukas 17, 11 – 19
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 440 All Morgen ist ganz frisch und neu
Wochenlied: EG 365 Von Gott will ich nicht lassen
Predigtlied: EG 552 Einer ist unser Leben
Schlusslied: EG 170 Komm, Herr segne uns
Vorbemerkung
Der 14. Sonntag nach Trinitatis fällt in diesem Jahr auf den 6. September. Es ist der letzte Tag der Sommerferien. Mor-gen beginnt das neue Schuljahr. Manche Gemeindeglieder sind aus dem Sommerurlaub zurückgekehrt, manche Kon-firmandinnen und Konfirmanden das erste Mal wieder im Gottesdienst nach einer längeren Pause. Da hilft der Wo-chenspruch „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!“ zu einem dankbaren Rückblick auf hoffentlich schöne Wochen. Das Gute im Leben nicht zu vergessen gehört zur Lebenskunst. Obwohl die Erinnerung erfahrungsgemäß eher schön färbt. Dennoch verleiht der Wochenspruch dem Gottesdienst ein schönes Motto, das sich in Liedern und Gebeten – vielleicht auch in der ein oder anderen phantasievollen Gestaltungsform widerspiegeln kann.
Der Predigttext aus der 1. Reihe stammt aus dem Lukas-evangelium. Lukas versteht sein Evangelium als Heils-geschichte: Gott wendet sich den Menschen grenzüber-schreitend als Retter zu. Nicht nur seinem Volk Israel, son-dern auch den Nachbarvölker bzw. den in Kontakt mit den Juden stehenden Fremden. Sein barmherziges Handeln ist nicht irgendwelchen Vorleistungen geschuldet. Es entspringt der Gnade, also seiner tätigen, herzlichen, überwältigenden Freundlichkeit. Dies vermittelt Jesus im Reden und Handeln. Er ist kommen zur Freude für das Volk Israel und darüber hinaus. Alleinstellungsmerkmal des Evangelisten sind Ge-schichten, in denen die Parteinahme Jesu für die Armen und Kranken zum Ausdruck kommt, also für die Menschen, die sich selbst sowieso nicht helfen oder irgendwelche frommen Vorleistungen erbringen können. In der Mitte des Evangeli-ums lesen wir Geschichten von der Zuwendung Gottes zu Menschen, die umkehren. Auch das ist ein Thema des Lu-kasevangeliums. Schließlich handelt Jesus, indem er Sünden vergibt und damit den Kontakt und die gestörte oder zerbrochene Beziehung wiederherstellt.
Unsere Geschichte steht im dritten Hauptteil des Lukas-evangeliums, der Reise Jesu nach Jerusalem (9, 51 - 19, 28 – siehe 17, 11). Zuvor bitten die Apostel (= die in die Welt Gesandten): „Stärke unseren Glauben“. (V.5.) In diesem Kontext ist auch unsere Geschichte zu verstehen: sie zeigt auf, wie Glauben gestärkt wird. In Vv 7 - 10 plädiert Jesus für eine demutsvolle Haltung gegenüber Gott (Herr-Knecht).
Unmittelbar nach der Heilung lässt Lukas die Pharisäer Jesus nach dem Kommen des Reiches Gottes fragen – das heißt, sie haben die Heilung der Aussätzigen nicht in diesen Zusammenhang gebracht und darum auch nicht vollends verstanden. Jesus verweist sie auf das Reich Gottes nicht irgendwann und irgendwo, sondern jetzt und mitten unter ihnen – eben in Taten wie der Heilung der Aussätzigen.
Erklärungen zu einzelnen Aspekten des Textes:
- V.12: Aussatz: eine Form der hochansteckenden Lepra-Erkrankung, die zu Lebzeiten Jesu häufig vorkam, aber auch schon früher im Alten Testament benannt wird. Kranke Menschen wurden aus der Gemeinschaft ausge-schlossen und in Quarantäne gesteckt, in eigene Kolo-nien, fernab der Öffentlichkeit. Die Priester hatten die Menschen zu untersuchen und zu entscheiden, ob sie krank oder wieder gesund sind. In der Personalunion von Krankheitsdienst und Priester kommt vermittelt durch die Religionsträger der Krankheit noch eine zweite Bedeu-tung zu: Aussatz wird als Strafe Gottes verstanden. Als Ausdruck von Sünde. Wer Aussatz bekam, wurde für un-rein erklärt. Er durfte auch am Gottesdienst nicht mehr teilnehmen. Er war wirklich ausgesetzt, getrennt. So wie „Sünde“ beschrieben werden kann als „Trennung“ von Gott und den Menschen („Sund“ als geographisches Bild für Trennung – eine Meerenge, die zwei Landteile vonein-ander trennt). Die Priester waren damit im Judentum Herren über Reinheit oder Unreinheit, über Verbunden-sein oder Getrenntsein, über Gemeinschaft oder Einsam-keit. Und da sich die Menschen damals viel mehr als heute über die Gemeinschaft z. B. der Familie definier-ten, war die Trennung ein hartes Urteil, war Sünde exis-tenzbedrohend.
- V.16 Samariter: ein Mischvolk aus der Mitte des Heiligen Landes, südlich von Galiläa, dem anfänglichen Wirkungs-ort Jesu, und nördlich des judäischen Zentrallandes mit Jerusalem als Zentrum. Die Samariter wurden von den Juden verachtet. Sie hatten deren Geschichte als dem abgefallenen Nordreich in Erinnerung, dem Volk, das sich eins mit dem Baalskult vermischte. Sie waren für die gläubigen Juden Menschen zweiter Klasse.
- V.18: Gottes Herrlichkeit: die heilsame Wirkungsmacht Gottes nach außen. Im Alten Testament als „strahlender Lichtglanz“ Gottes verstanden.
- V.19 Glaube: die Kraft, die Lebenshaltung, welche Verbindung schafft – zu Gott und den Menschen. Alter-nativ: Vertrauen. Verbindungskraft der Seele und des Herzens nach außen und innen.
Zur Gestaltung des Gottesdienstes:
Lieder: Als Eingangslied schlage ich das Morgenlied EG 440 vor. Es ist bekannt und bringt den Neuanfang zur Sprache. Lied vor der Predigt EG 552, das das Heilshandeln Gottes durch Jesus thematisiert.
Psalm im Wechsel: Verse aus dem Psalm 103 (EG 742), aus dem der Wochenspruch entstammt. Es muss nicht der ganze abgedruckte Psalm sein.
Lesung: Hier schlage ich die alttestamentliche Lesung vor: 1. Mose 28, 10 – 19a. Es ist eine wunderschöne Geschichte. Sie thematisiert die grundlose Zuwendung Gottes im Leben eines Menschen wie den damit verbundenen Neuanfang wie die Dankbarkeit des Betroffenen – schließlich die geheimnis-volle Kraft der Träume.
In die Fürbitte würde ich die Situation des Schulanfangs nach den Ferien, die Schulkinder, Familien, Lehrerinnen und Lehrer sowie die Bitte um die Haltung der Dankbarkeit für das Empfangene, aber auch ganz konkret kranke Menschen benennen. Ein allgemeiner Formulierungsvorschlag:
„Wir bitten dich für die Frauen und Männer und Kinder, die ausgegrenzt werden und deren Würde mit den Füßen ge-treten wird. Gib uns Einfühlungsvermögen, damit wir sie nicht übersehen und Mut, auf sie zuzugehen und uns für sie einzusetzen. Wir bitten dich für uns selbst mit all unseren Belastungen an Körper und Seele: Lass uns nicht freudlos werden und hart. Schenke uns immer wieder deine Güte, dass wir uns im Glauben dir zuwenden und erkennen, was die Menschen neben uns brauchen.“
Die Predigt
Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen. Amen
Liebe Gemeinde,
„Wenn ich morgens aufwache und habe nichts, was mir wehtut, dann bin ich tot“, sagte mir neulich bei einem Besuch ein älterer Herr schmunzelnd auf meine Frage, wie es ihm denn gehe. Und dann etwas ernster: “Man muss dankbar sein, wenn man morgens aufstehen kann.“ Diesen Satz habe ich schon öfters von älteren Menschen gehört. Und ich habe den Eindruck, wer so spricht, weiß was er sagt. Das Alter hinterlässt seine Spuren an unsrem Körper, so dass das Aufstehen am Morgen nicht selbstverständlich ist. Wer so spricht, der hat eben auch schon andere Tage erlebt, an denen das Aufstehen nicht möglich war. Und er/sie weiß, dass Gesundheit nicht automatisch da ist, son-dern ein Geschenk von Leben und Lebendigkeit.
Ist die Dankbarkeit für Gesundheit nur eine Erfahrung des Lebensalters? Junge Menschen höre ich kaum so reden wie ältere. Im Blick auf das Aufstehen höre ich eher: „Äh - schon wieder! Ich würde viel lieber Ausschlafen! Erst recht am Sonntag, wenn keine Schule ist.“ Da fällt der Schul-anfang ab morgen alleine wegen des frühen Aufstehens ganz schön schwer.
Junge Leute erleben zum Glück eher wenig Mangel an Ge-sundheit. Sind sie deswegen weniger dankbar? Ist Dankbar-keit nur eine Reaktion auf Mangel?
Dankbarkeit ist das Thema des heutigen Predigttextes. Ge-nau genommen: Dankbarkeit für das was man geschenkt bekommt, weil man es sich selbst nicht geben oder machen kann. Und da gehören schöne Ferienerlebnisse genauso da-zu wie die Gesundheit.
Ich lese die Geschichte aus dem Neuen Testament,
Lukas 17, 11 - 19: lesen.
Aussatz war und ist eine schlimme Krankheit. Heute heißt sie Lepra. Heute kann man sie mit Medikamenten bekämp-fen. Damals, zurzeit Jesu, war sie so gut wie ein Todes-urteil. Wer Lepra bekam, war dem Tode geweiht. Er ver-faulte unter großen ‚Schmerzen am lebendigen Leib. Und weil die Krankheit so extrem ansteckend ist und man nicht mit Kranken in Berührung kommen durfte, wurden diese ausgesetzt. Aus ihrer Familie, aus ihrem Dorf, aus ihrem Le-benszusammenhang. Deswegen heißt die Krankheit „Aus-satz“.
Solchen Menschen begegnet Jesus. Sie stehen von ferne – sie sind isoliert. Und was macht Jesus? Er hat keine Angst vor Ansteckung. Vor der Nähe. Er hört ihr Rufen, ihr ver-zweifeltes Schreien. Sie wissen, wer ihnen da entgegen-kommt. Er geht auf sie zu. Vielleicht hält er noch einen kleinen Sicherheitsabstand. Aber er lässt sie nicht links lie-gen. Er hilft ihnen. Er schickt die noch Kranken zur Begut-achtung zum Priester des Dorfes. Denn Amtsärzte gab es damals nicht. Und siehe da: das Wunder geschieht auf dem Weg: als sie beim Priester ankommen, sind sie geheilt und er schreibt sie gesund.
Doch dann folgt das Überraschende: von zehn Geheilten nimmt sich nur einer die Zeit und kehrt zu Jesus zurück. Und dankt dem, der ihn gesund gemacht hat. Und der ihm dankt, ist ein Samariter. In den Augen der Juden ein Mensch zweiter Klasse. Ein Ausländer. Ein Ungläubiger. Und der scheint als einziger Jesus wirklich erkannt zu haben. Und wert zu schätzen, was ihm widerfahren ist. Der hat gemerkt, dass er die Gesundheit nicht sich selbst verdankt. Sondern der Hilfe Jesu.
Jesus fragt nach den anderen neun, die nicht gekommen sind. Und am Ende, ganz am Ende der Geschichte - sozu-sagen an ihrem Höhepunkt - bescheinigt er dem vermeint-lich Gottlosen und Ungläubigen: „Dein Glaube hat Dir gehol-fen. Du bist gesund, rein und – gläubig.“
Die Geschichte, liebe Gemeinde, ist eine Provokation, eine Ohrfeige für die rechtgläubigen und frommen Juden damals. Eine Geschichte vom Glauben und der Dankbarkeit eines Fremden, eines Ungläubigen, der nicht dazugehört, zur Gemeinde. Eine Geschichte, die erzählt, wie sehr Glauben und Dankbarkeit Geschwister sind - Geistesgeschwister.
Die Glaubenden und Dankbaren sind in der Minderheit – statistisch gesehen: 9 : 1 für die anderen. Aber Glauben gepaart mit Dankbarkeit führt zum Leben. Glauben und Dankbarkeit werden in unserer Geschichte als Kulturleistung beschreiben. Als Haltungen. Als Persönlichkeitseinstellun-gen.
„Dankbarkeit ist das Gedächtnis des Herzens“, sagt man. Wer dankt, denkt weiter. Vielleicht ahnt der ein oder andere von Ihnen, was damit gemeint ist. Im Blick auf die eigene Gesundheit. Im Blick auf die Gesundheit seiner Lieben. Im Blick auf schöne Erlebnisse in den vergangenen Ferien. Das Wichtigste und Schönste im Leben kann man sich nicht selbst geben. Den Sonnenaufgang am Morgen. Die Liebe eines Menschen. Das eigene Leben. Man kann es sich neh-men – aber das Leben sich selbst geben? Man bekommt es geschenkt mit jedem Atemzug, den man tut, mit jedem Herzschlag, den man spürt. Dankbarkeit. Wer dankt, denkt weiter. Nicht umsonst klingen die beiden Worte sehr ähn-lich: danken und denken.
Und am Ende der Glaube? Der ist mehr als „Interesse ha-ben“. Glauben heißt „in Beziehung treten“. Vertrauen fas-sen. Die unsichtbaren Fäden des Vertrauens belasten und spüren: sie tragen. Vertrauen und Glauben ist die Sprache des Herzens. So wie der Aussätzige sich auf den Weg macht, als er noch krank ist. Und so wie er nach der Heilung Jesus aufsucht, obwohl er nicht weiß, ob er ihn findet. Glauben und Vertrauen heißt „In Beziehung treten“. Im Glauben gründen wir uns auf den, der die Welt geschaffen hat. Obwohl wir ihn leibhaftig nicht sehen. Aber wir ris-kieren, dass er da ist. Und hilft. Und diese Beziehung ist Quelle von Kraft und Energie. Im Glauben blicken wir über unseren sichtbaren und hörbaren Tellerrand hinaus. Wir blicken auf den, der die Welt vollendet nach allem Leiden und allen Schmerzen, nach aller Krankheit und allem Tod. Darum ist einer, der glaubt, stärker als 99, die nur In-teressen haben.
Ich habe mich gefragt, wie die Geschichte für den Samariter wohl weitergegangen ist. Ich vermute, dass er im Sinne unseres Wochenspruchs nicht vergessen hat, was ihm Gutes widerfahren ist. Was Jesus an ihm Gutes getan hat. Dass er sein Leben erneut geschenkt bekommen hat. Und dass die-se Erinnerung an das Schöne für ihn zur Kraftquelle im Le-ben geworden ist.
Erinnerungen beschönigen. Das kennen wir. Aber dennoch führen manche Menschen ein Tagebuch oder ein Fotoalbum, in das sie die schönen Erlebnisse ihres Lebens eintragen, damit sie diese nicht vergessen. Denn die Erinnerung behält doch nicht alles. Und das Schöne gibt mir so viel Kraft. Zu solch einem Tagebuch – analog oder digital - zu solch einem Fotoalbum möchte ich Sie ermutigen. Und vielleicht gehört das ein oder andere Erlebnis der vergangenen Wochen auch dort hinein – verbunden mit der Erkenntnis: Was ich da er-lebt habe, war ein Geschenk. Vielleicht sogar ein Vorge-schmack des Himmelreichs … Mit dem im Gepäck können die Herausforderungen der nächsten Tage ruhig kommen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere menschliche Vernunft es fassen kann, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Heiland. Amen
Verfasser: Dekan Joachim Meyer
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