Im Namen Jesu
von Gerrit Boomgaarden (61191 Rosbach)
Predigtdatum
:
01.01.1999
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Neujahrstag
Textstelle
:
Johannes 14,1-6
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Wochenspruch:
Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn. (Kolosser 3,17)
Psalm: 8,2-10 (EG 705)
Lesungen
Altes Testament:
Josua 1,1-9
Epistel:
Jakobus 4,13-15
Evangelium:
Lukas 4,16-21
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 58
Nun laßt uns gehn und treten
Wochenlied:
EG 64
oder EG 65
Der du die Zeit in Händen hast
Von guten Mächten treu und still umgeben
Predigtlied:
EG 62
Jesus soll die Losung sein
Schlußlied:
EG 346
Such, wer da will, ein ander Ziel
Liebe Gemeinde!
„Ich befahl mein Pferd aus dem Stall zu holen. Der Diener verstand mich nicht. Ich ging selbst in den Stall, sattelte mein Pferd und bestieg es. In der Ferne hörte ich eine Trompete blasen. Ich fragte ihn, was das bedeute. Er wußte nichts und hatte nichts gehört. Beim Tor hielt er mich auf fragte: ‘Wohin reitest du, Herr?’ ‘Ich weiß es nicht’, sagte ich, ‘aber nur so kann ich mein Ziel erreichen.’ ‘Du kennst also dein Ziel?’ fragte er. ‘Ja’, antwortete ich, ‘ich sagte doch: Weg von hier,’ das ist mein Ziel.’ ‘Du hast keinen Proviant mit’, sagte er. ‘Ich brauche keinen’, sagte ich, ‘die Reise ist so lang, daß ich verhungern muß, wenn ich auf dem Weg nichts bekomme. Kein Eßvorrat kann mich retten. Es ist ja zum Glück eine wahrhaft ungeheure Reise.’“
Von Franz Kafka stammen die gerade gelesenen Zeilen, und ich habe das Gefühl, daß der heutige Tag, der erste Januar, auch so ein Aufbruchtag ist. Wir machen uns auf in ein neues Jahr, in das letzte Jahr dieses Jahrhunderts. Wir hören in der Ferne schon die Böller, die das Jahr 2000 begrüßen, vielleicht haben wir für diese Jahrtausendwende schon irgendwo gebucht, wo wir die gigantische Zeitumstellung miterleben werden. Aber wir wissen nicht, was uns in diesem Jahr 1999 auf unserem Lebensweg alles begegnen wird. 365 Tage liegen vor uns. Werden es gute Tage? Werde ich gesund bleiben, bzw. wird meine Krankheit wenigstens nicht schlimmer werden? Werde ich meinen Arbeitsplatz behalten können?
Wie wird es meinen Kindern ergehen? Welchen Weg werden sie einschlagen? Werden wir am Ende dieses Jahres mit unserer Familie noch so zusammensein wie jetzt oder wird jemand fehlen? Was werde ich schaffen, wo werde ich Erfolg haben usw. Viele ungelöste Fragen liegen vor uns. Es ist wie ein großer Nebel, in den wir hineinstochern. Der Weg ist in großen Teilen noch unsichtbar, und wir brauchen Proviant für unterwegs. Vielleicht kann uns der für den heutigen ersten Januar vorgeschlagene Predigttext den Proviant geben, den wir brauchen, der uns zum Ziel bringt.
Interessanterweise ist dieser Text ein Abschnitt aus den Abschiedsreden Jesu, die im Johannesevangelium überliefert sind. Jesus verabschiedet sich von seinen Jüngern und sagt folgendes zu ihnen:
1 Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! 2 In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn's nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten? 3 Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin. 4 Und wo ich hingehe, den Weg wißt ihr.
5 Spricht zu ihm Thomas: Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst; wie können wir den Weg wissen? 6 Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.
„Euer Herz erschrecke nicht!“ Dieser Satz klingt so einfach, und wenn ich mir die Welt mit ihren Problemen und Konflikten anschaue, dann muß mir eigentlich angst und bange werden. Auch wenn es bei mir persönlich erheblich besser aussieht und ich eigentlich ein gutes Jahr erwarten kann, so werde ich doch das Gefühl nicht los: Wir haben längst nicht mehr alles im Griff. Natürlich kann ich mit den Worten des Kaisers ins neue Jahr gehen „Schau’n mer mal“ oder mit der Gelassenheit eines Erich Käster: „Wird’s besser, wird’s schlimmer, fragen wir jährlich, seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich.“
Trotzdem ist gut, die Worte Jesu zu vernehmen und sich zu merken: Euer Herz erschrecke nicht. Denn Jesus sagt sie ebenfalls in eine Übergangssituation hinein, und in einer solchen befinden wir uns ja heute auch. Jesus steht kurz vor seinem Gang ans Kreuz, und die Jünger sind erschrocken und fragen sich, wie der Laden wohl weitergeht, wie der Weg aussehen wird. Jesus bereitet seine Leute auf die Zeit vor, in der er nicht mehr sichtbar unter ihnen sein wird. Und mitten in dieser Abschiedssituation, die gleichzeitig auch die schwierige Aufbruchsituation für die Jünger bedeutet, heißt es: Euer Herz erschrecke nicht! Das gilt für die Wegstrecke, die vor ihnen liegt.
Vor einigen Jahren habe ich ein Bild gesehen, das uns hier weiterhilft. Das Bild zeigt im Nebel einen hoch aufragenden, rot leuchtenden Brückenpfeiler und einen Teil einer an vielen Stahltrossen aufgehängten Autostraße, die sich dann im Nebel verliert.
Es ist die Golden-Gate-Brücke in San Francisco, das meist fotografierte Bauwerk in den USA. Es ist eine 11 Kilometer lange Hängebrücke über den Pazifik in der Einfahrt der Bucht von San Franciso. Die Brücke wird von 2 riesigen Pfeilern getragen, von denen jeder 227 Meter hoch ist. Die Fahrbahn liegt 67 Meter über dem Pazifik. Vor 10 Jahren durfte ich selbst einmal auf dieser gewaltigen Brücke fahren, von einem Ende bis zum anderen.
Auf dem Bild, das ich sah, war wie gesagt nur ein Pfeiler zu sehen, der andere war unsichtbar im Nebel. Die Stadt San Francisco war nur weit entfernt zu ahnen. Dieses Bild macht mir deutlich:
Der Weg in die Zukunft und unser aller Lebensweg wird durch die zwei in der Ewigkeit verankerten Pfeiler getragen und gehalten. Auch wenn ich den zweiten Pfeiler nicht sehe, weiß ich doch, daß er da ist, weil Jesus Christus selbst davon spricht, auch in unserem Text.
Der eine Pfeiler hat uns in den letzten Tagen gerade Freude und Licht gebracht. Er ist das Kommen Jesu in diese Welt - Weihnachten - Gott wird Mensch. Der zweite Pfeiler jedoch, der nach dem Tod und der Auferstehung Jesu kommt, ist seine Wiederkunft und davon handelt auch unser Abschnitt: „Ich werde wiederkommen“ - sagt Jesus. Es ist das zweite Kommen Jesu, an das wir uns in jedem Gottesdienst im Glaubensbekenntnis erinnern: Er kommen zu richten die Lebenden und die Toten.
Heute stehen wir mitten in dieser Zeitstrecke, wir stehen mitten auf der Brücke, die von den beiden mächtigen Pfeilern „Jesus kommt zur Welt“ und „Jesus kommt wieder“ gehalten wird. Und wir befinden uns, wenn wir im Bild bleiben, mitten im Nebel. Wir wissen nicht, was kommt, aber das wichtige ist, daß Jesus zu dem vor uns vorliegenden Zeitabschnitt 1999 sagt: „Euer Herz erschrecke nicht“. Er wußte, was die Jünger erwarten würde, und er weiß, was uns in dem vorliegenden Jahr erwartet, und dazu gehören eben auch Erschütterungen und Ernüchterungen. Er gibt den Jüngern und uns zwei Hilfen mit, mit denen wir keine Angst zu haben brauchen. Er sagt:
1. Glaubt an Gott, den Schöpfer, der uns alle im Vaterhaus erwartet, der sogar schon Wohnungen für uns vorbereitet hat.
2. Glaubt an mich. Vetraut mir, denn nur über mich kommt ihr zum Vater. Ich allein bin es, der euch zum Vaterhaus führen kann.
Zum ersten: Glaubt an Gott, der für euch eine Zukunft bereithält. Ich finde das atemberaubend, daß Christinnen und Christen eine Zukunft haben, auch wenn sich die Zukunft dieser Welt in düsteren Farben darstellt. Wir haben eine Hoffnung, die durch die Auferstehung Jesu begründet und die uns Mut macht, im Alltag Zeichen der Liebe und der Barmherzigkeit zu setzen.
Wir haben auch ein Ziel, zu dem hin wir unterwegs sind: Gott hätte uns nicht geschaffen, wenn er nicht ein Ziel mit uns hätte. Gott fängst nichts an, um es dann wieder liegenzulassen. Gott erwartet uns am Ziel mit ausgebreiteten Armen und schenkt uns Wohnrecht und Heimat. Was für eine Perspektive!
Und zweitens: Glaubt an mich. Vertraut mir, der ich euch zu diesem Ziel bringe. Denn ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Unterwegs zu diesem Ziel sind wir nicht alleine, auch nicht in diesem Jahr 1999, das vor uns im Nebel liegt. Jesus Christus geht mit über die Brücke und lädt ein, sich an ihm zu orientieren wie an einem Kompaß.
Das ist manchmal ganz schön schwierig und wir kennen unseren Zweifel, ob Jesus wirklich das Beste für uns will, ob wir auf seinem Weg wirklich zum Ziel kommen, ob er wirklich die Warhheit in Person ist, ob er wirklich das Leben ist, mir alles Gute gönnt und mein Leben reich und gefüllt macht. Wir sind eingeladen, das Vertrauen wieder aufs Neue zu wagen, uns auf diesen Jesus einzulassen, der uns einzig und allein auf dem richtigen Weg hält und uns durch den Nebel hindurch zum Ziel führt.
Glaubt an Gott und glaubt an mich! Dann braucht ihr keine Angst zu haben, dann braucht sich euer Herz nicht zu erschrecken!
Damit haben wir genug Proviant, den wir bei unseren Aufbruch in die kommenden 365 Tage mitnehmen können. Auch wenn wir oft genug im Nebel stochern sollten, so wissen wir doch, wohin die Reise geht, wohin wir unterwegs sind, und wer uns auf dem richtigen Weg hält. Das ist die Neujahrsbotschaft für 1999.
Amen.
Verfasser: Pfr. Gerrit Boomgaarden, Otzbergring 7, 64846 Groß-Zimmern
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