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In Versuchung bewahrt und bewährt werden

von Uwe Handschuch (Dietzenbach-Steinberg)

Predigtdatum : 25.02.2007
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Aschermittwoch
Textstelle : Lukas 22,31-34
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Wochenspruch:

Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.

(1. Johannes 3, 8b)

Psalm:

91 (EG 736)

Lesungen

Altes Testament:

1. Mose 3, 1 – 19 ( 20 – 24 )

Epistel:

Hebräer 4, 14 – 16

Evangelium:

Matthäus 4, 1 – 11

Liedvorschläge

Eingangslied:

EG 91

Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken

Wochenlied:

EG 362

Ein feste Burg ist unser Gott

Predigtlied:

EG 347

Ach bleib mit deiner Gnade

Schlusslied:

EG 171

Bewahre uns Gott

Lukas 22, 31 – 34

31 Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. 32 Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder. 33 Er aber sprach zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen. 34 Er aber sprach: Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst.

Zwanzig Sekunden waren das, zwanzig Sekunden eines langen, ereignisreichen Tages. Zwanzig Sekunden aus einer unendlichen Reihe von Gesprächen und Diskussionen, Begegnungen und Handlungen. Zwanzig Sekunden eines Abends, an dem nach den Turbulenzen des vergangenen Tages eigentlich alles wieder in ruhigeren Fahrwassern hätte laufen können. Zwanzig Sekunden aus vielen Monaten, die zwei Menschen Seite an Seite erlebt haben. Zwanzig Sekunden, in denen ein bester Freund in die Ecke der größten Feinde gestellt wird. Zwanzig Sekunden vom standhaften Bekenner zum bitterlich weinenden Verleugner. Zwanzig Sekunden, die durch das Sieb der Zeit rinnen, und wir müssen uns fragen: Was bleibt davon hängen, was bleibt da zurück? Ich frage mich, welches Bild von dem Verhältnis zwischen Jesus und Simon Petrus bei uns hängen geblieben wäre, wenn uns nur dieser kurze Gesprächsausschnitt überliefert worden wäre: Das Bild zweier Menschen, die aneinander vorbeireden? Das Bild einer merkwürdigen Freundschaft, in der der einer dem anderen nicht über den Weg traut und ihm unterstellt, er würde ihn in den kommenden Stunden schmählich im Stich lassen? Das Bild einer seltsamen Gemeinschaft, die wenig auf Gegenseitigkeit beruht und in der nur einer die Belastungen aller zu tragen hat?

Zwanzig Sekunden: Was ist das schon, ein Nichts, schneller vorbei und vergangen als sinnvoll genutzt, eher Vergangenheit denn als Gegenwart wahrgenommen. Doch diese zwanzig Sekunden haben es in sich. Diese zwanzig Sekunden thematisieren Grundsätzliches: Zwanzig Sekunden werfen Simon Petrus wieder zurück in die Wirklichkeit dieser Welt, und erst beim ersten Hahnenschrei wird er in dieser Wirklichkeit ankommen.

Zwanzig Sekunden: Mit einer ganz ähnlichen, kurzen Diskussion hatte alles zwischen den beiden angefangen. Der Evangelist Lukas (Lk 5,1-11) erzählt uns, wie Jesus das Boot des Fischers Simon besteigt und ihn nach einer fanglosen Nacht wieder auf den See hinaus zu fahren und die Netze auszuwerfen heißt. Simon zögert kurz, weist Jesus auf die Aussichtslosigkeit des Unterfangens hin und folgt Jesus dann doch aufs Wort. Als die Boote dann von Fischen überquellen, macht sich Entsetzen breit: „Herr, geh weg von mir, ich bin ein sündiger Mensch!“ sagt Simon, und doch: Nicht Jesus, sondern Petrus geht weg, weil er bei Jesus bleibt. Er verlässt sein Boot und alles, was er hat, er folgt Jesus bedingungslos nach.

Nun, das war - weiß Gott - in jener Nacht vor der Kreuzigung Jesu lange her und viel Jordanwasser war inzwischen durch „seinen“ See Genezareth geflossen: Vielleicht hatte Simon Petrus sich inzwischen damit arrangiert, dass er damals die entscheidende Tat seines Lebens begangen hatte, damals, als er sein Boot und alles, was er besaß und sein eigen nennen durfte, verließ. Seine Glanzleistung, die ihn dazu qualifizierte der Führende im Jüngerkreis zu sein.

Ich kenne so ähnliches aus Biographien. Auch da gibt es solche Glanzleistungen und „Highlights“, von denen sie ein Leben lang zehren und die sie wie eine unsichtbare Auszeichnung durch ihr Leben tragen: Das können die überstandenen Kriegserlebnisse des einen, die Hessenmeisterschaft in der B-Jugend bei dem anderen, die geistesgegenwärtige Handlung bei der einen oder das Bild in der Lokalzeitung bei dem anderen sein. Ja, darauf kann man vielleicht wirklich stolz sein. Und auch Simon Petrus ist ja zu Recht stolz darauf, dass er damals vor allen anderen Menschen erkannt hatte, wer da mit ihm in einem Boot saß. Aber die Leistungen der Vergangenheit garantieren uns nicht, dass wir für Gegenwart und Zukunft gerüstet sind. Heute sind wir eben gefragt und nicht gestern!

„Herr, geh weg von mir, ich bin ein sündiger Mensch!“, so hatte alles angefangen zwischen Petrus und Jesus. „Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.“, das wäre fast das Ende zwischen beiden geworden. Es gibt wohl auch die Versuchung, dass Menschen, die sich im Dunstkreis des Heiligen bewegen, die mit Gott auf Du und Du stehen, die für ihren Glauben viel, wenn nicht sogar alles aufgegeben haben, es gibt wohl die wahrlich teuflische Versuchung, dass diese Menschen von ihrer eigenen Realität abheben, sich selbst falsch einschätzen und dann für etwas Besseres halten.

So muss man wohl sagen, dass Petrus – entgegen seiner eigenen Annahme von sich – in der Zeit, in der er mit Jesus durch Galiläa gezogen war, eben doch kein besserer Mensch geworden ist: Die Bereitschaft, mit der er damals am See Genezareth alles aufgegeben hatte, um Jesus aufgrund eines einzigen wunderbaren Fischfangs, den er mit ihm erlebt hat, nachzufolgen, diese Bereitschaft ist in seiner Selbsteinschätzung noch immer da, aber die Nacht im Hof des Hohenpriesters wird es erweisen, was Jesus ihm jetzt schon auf den Kopf zusagt:

„Simon, du irrst dich gründlich über dich selbst. Es geht gar nicht um unser Verhältnis zueinander, es geht heute Nacht gar nicht so sehr darum, ob du zu mir stehst und dich mit mir kreuzigen lässt. Mag sein, dass du eines Tages wegen deines Glaubens an mich sterben musst. Mag sein, dass du tatsächlich noch mehr aufgeben musst als deine Familie, deinen Beruf und deine Heimat. Aber auf dem Sieb, mit dem euch Satan heute Nacht durchschüttelt, steht nicht mein Name. Es geht um dich. Es geht darum, wie du dich selbst siehst. Du glaubst, du wärest schon fertig mit dir, weil du denkst, du wärst schon ganz bei mir angekommen. Du glaubst, du hättest die große Wende, die entscheidende Umkehr in deinem Leben schon hinter dir. Lass dich nicht von Satan täuschen. Du bist immer noch ein sündiger Mensch, und du hast Umkehr und Bekehrung immer noch nötig. Du kannst viel tun, aber manchmal musst du auch einsehen, dass es für dich nichts mehr zu tun gibt.“

Vieles kann und vermag der Mensch und auch der Christenmensch, und an unserer Einstellung, unserem Willen und unserer Bereitschaft vor Gott und den Menschen bestehen zu wollen, ist tatsächlich viel gelegen. Und doch: Es gibt Momente, wo mit dem guten Willen und mit den besten Vorsätzen nichts, aber auch gar nichts getan ist. Es gibt Situationen, die man aus eigenen Kräften nicht bewältigen kann. Und das sollen wir gerade als Christinnen und Christen ganz nüchtern bedenken: Die Welt ist nicht in unsren Händen. Und selbst wir selbst sind nicht ganz in unsren Händen. Keiner kann für sich seine eigene Hand ins Feuer legen oder eine lebenslange Garantie für sich geben. Unser Heil, das Heil der Welt, es liegt nicht in unserer Regie.

Ich denke, das meint Jesus, wenn er hier vom Satan spricht. Denn immer wenn in der Bibel vom Satan die Rede ist, wird eben kein Teufel an die Wand gemalt. Satan, das ist die geballte Macht der Entfremdung von Gott, Satan, das ist der Feind in mir, der eben nicht mit ein bisschen gutem Willen und ehrlichem Bemühen zu überwinden ist, Satan, das ist der Spiegel, in den wir schauen und der uns immer ein falsches und oft ein besseres Bild von uns selbst zeigt.

Und deshalb fordert Jesus nicht mehr und nicht weniger als Wahrhaftigkeit von uns ein. Das Verheißungsvolle in unserem Leben liegt eben nicht darin, was wir alles werden tun können. Die Verheißung liegt darin, was Jesus schon alles für uns getan hat: „Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“ sagt Jesus zu Petrus, und damit spricht er die Verheißung für sein künftiges Leben aus. Das Verheißungsvolle in seinem Leben ist nicht in seiner Courage begründet: Sein Mut wird schon vor dem ersten Hahnenschrei am nächsten Morgen dreimal zusammengebrochen sein. Simon wird in wenigen Stunden Jesus verleugnen und über sich selbst nur bitterlich weinen müssen. Das Verheißungsvolle in seinem Leben liegt in der Treue dessen, der das gerade zu ihm sagt: „Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.“

Dieses Wort stellt Petrus mit seinem ganzen Versagen, mit seiner allzu hohen Meinung von sich, mit seiner Selbstverblendung und mit all seiner Schwachheit in die Kraft des Gebets seines Meisters Jesus. Sein für ihn betender Herr lässt ihn nicht allein, und er bleibt sich nicht selbst überlassen, auch wenn er von Satan noch so sehr durcheinander gebracht wird. Gott sei Dank hat Petrus sich eben nicht in der Hand. Simon Petrus wird fallen, aber er kann wieder aufstehen. Er wird im Gebet Jesu aufgefangen und aufgerichtet: Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre.

Doch das ist noch nicht das letzte Wort. Die Zusage seiner Fürbitte verbindet Jesus nämlich mit einer Aufforderung: „Wenn du dereinst dich bekehrst, so stärke deine Brüder.“ Wir dürfen also nicht darüber hinwegsehen: Der Weg des Glaubens führt bei Jesus immer zum Bruder und zur Schwester. Das ist nämlich Jesu eigene Logik, die dem falschen Selbstbewusstsein, das Satan verbreitet, widerspricht: Wenn die Hoffnung des Jüngers allein darin begründet liegt, dass er nicht allein ist und Jesus ihn nicht im Stich lässt, so bedeutet dieses hoffnungsvolle „Ich bin nicht allein“ zugleich die Verpflichtung nicht allein zu bleiben.

Das allein ist die Existenzberechtigung von Kirche: Das biblische Heil ist nie nur mein Heil. Es ist das Heil für die Brüder und Schwestern. Also: „Stärke deine Geschwister!“ Ich bin der festen Überzeugung, dass wir uns um unsere Kirche keine Gedanken und Sorgen machen müssen, solange sie dieses „Stärke deine Brüder“ hört und tut. Wenn sie aber in egozentrischer Nabelschau nur um sich selbst kreist, dann hat sie ihre Existenzberechtigung von Jesus her schon verloren.

Der bekehrte Petrus von dem Jesus hier spricht, ist dann aber gerade kein selbstsicherer, vor Selbstbewusstsein strotzender Superjünger; das dachte er wohl vor dem ersten Hahnenschrei von sich. Der bekehrte Petrus ist der arme und stille, nüchtern und selbstkritisch gewordene, ist der gerechtfertigte, tapfere Sünder Petrus. Der auf sich selbst schwörende Simon hat seine Mitmenschen nicht gestärkt. Es war erst der Petrus, der seine eigene Not zutiefst eingesehen hat und der über sich selbst nur noch weinen konnte, der dann als Fels der Kirche die Apostel um sich sammelte und die Sache Jesu in die Welt hinaustrug. Es war dieser bekehrte Petrus, der erst im Wissen um die eigene Schwachheit die Brüder und Schwestern wirklich stärken konnte.

Wie Petrus werden auch wir zu einer solchen Bekehrung aufgerufen: Zu einer Bekehrung der Nüchternheit, zu einer Bekehrung von uns selbst und von einem falschen Selbstbewusstsein; zu einer Bekehrung der Glaubwürdigkeit, zu einer Bekehrung zum Glauben an die rettende Treue Jesu; zu einer Bekehrung der Mitmenschlichkeit, zu einer Bekehrung zu unseren Mitmenschen, zu ihrer Not, für ihr Heil. Eine dreifache Bekehrung, die einer einfachen Hinwendung entspricht: Einer Hinwendung zu dem, der die wahre Mitte ist, zu Jesus Christus, die Kraft unserer Hoffnung im Leben und im Tod. Amen.

Pfarrer Uwe Handschuch

Evangelische Martin-Luther-Gemeinde Dietzenbach-Steinberg

Waldstraße 12, 63128 Dietzenbach-Steinberg

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