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Irdische Güter

von Ernst-Werner Knöß (64372 Ober-Ramstadt)

Predigtdatum : 24.09.2006
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 13. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Galater 5,25-26;6,1-3.7-10
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Wochenspruch:

Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. (1. Petrus 5,7)
Psalm: 127,1-2

Lesungen

Altes Testament:
1. Mose 2,4b-9 [10-14] 15
Epistel:
1. Petrus 5,5c-11
Evangelium:
Matthäus 6,25-34

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 304,1-6
Lobet den Herren
Wochenlied:
EG 345
oder EG 369
Auf meinen lieben Gott
Wer nur den lieben Gott lässt walten
Predigtlied:
EG 378,1-5
Es mag sein, dass alles fällt
Schlusslied:
EG 157
Lass mich dein sein und bleiben

Liebe Gemeinde,
Sie kennen ihn, den Blaumann, die typische Arbeitskleidung im handwerklichen Beruf und für die vielen Hobbybastler. In sein oberes rechtes Hosenbein ist außen eine schmale längliche Tasche eingenäht, die für einen Zollstock gedacht ist. Ein Handwerksgerät, das schon in römischer Zeit bekannt war. Heute hat es in der Regel eine Länge von zwei Metern, besteht aus zehn Gliedern, die sich auf eine Länge von gut 20 Zentimeter zusammenfalten lassen.
Mit diesem Gegenstand bemesse ich heute einen Text, den der Apostel Paulus an die Galater geschrieben hat:
25 Wenn wir im Geist leben, so lasst uns auch im Geist wandeln. 26 Lasst uns nicht nach eitler Ehre trachten, einander nicht herausfordern und beneiden. 6,1 Liebe Brüder, wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid; und sieh auf dich selbst, dass du nicht auch versucht werdest. 2 Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. 3 Denn wenn jemand meint, er sei etwas, obwohl er doch nichts ist, der betrügt sich selbst.
7 Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten. Denn was der Mensch sät, das wird er ernten. 8 Wer auf sein Fleisch sät, der wird von dem Fleisch das Verderben ernten; wer aber auf den Geist sät, der wird von dem Geist das ewige Leben ernten. 9 Lasst uns aber Gutes tun und nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten, wenn wir nicht nachlassen. 10 Darum, solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen.
Der Apostel Paulus klappt zwei Glieder dieses Zollstockes auseinander und beschreibt zwei unterschiedliche Lebensweisen in einer christlichen Gemeinde. Beide werden geprägt von der Verbundenheit jedes Einzelnen mit dem auferstandenen Christus und mit dem Mitmenschen.
Wie sieht das Dasein in der ersten ausgeklappten Hälfte aus? Paulus beschriebt es so: „Denn wenn jemand meint, er sei etwas, obwohl er doch nichts ist, der betrügt sich selbst.“ Zu gerne halten diese Menschen sich für etwas Besseres und sehen überheblich auf den anderen herab. Schnell sind sie dabei, wenn alle über ihn herfallen und seinen Fehltritt in der Öffentlichkeit verbreiten. So stellen sie ihn in das gesellschaftliche Abseits und verwehren ihm das gemeinschaftliche Miteinander.
In der zweiten ausgeklappten Hälfte bringt uns Paulus Menschen näher, die, „wenn ein Mensch etwa von einer Verfehlung ereilt wird, so helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist“. Da leben Menschen, die immer lächeln und eine unverwundbare Herzlichkeit in sich tragen. Sie wirken so ausgeglichen und in sich ruhend. In Auseinandersetzungen können sie dem Gegenüber verzeihen, wenn andere schon längst geplatzt und ausgerastet wären. Und sie können reden und liebevoll auf andere zugehen. Wenn sie sich versammelt haben, geht alles ganz leise. Kein lauter Ton huscht über ihre Lippen und ihre Worte strömen nur Gutes aus. Sie engagieren sich auch dann noch in der Gemeinde, wenn die Schmerzgrenze schon lange überschritten ist. Angetrieben werden sie von der Hoffnung, dass sich das Gute durchsetzt.
Diese beiden aufgefalteten Lebensweisen in einer Gemeinde möchte der Apostel nicht nebeneinander stehen lassen, sondern fordert die Menschen auf, vorurteilsfrei aufeinander zuzugehen. Denn für Gott sind die moralischen Rechtfertigungsversuche auf Kosten der Schwachen durchschaubar. „ Irret euch nicht! Gott lässt sich nicht spotten.“
Diese wichtige Aussage liegt im Gelenk unseres Zollstockes, das beide Hälften in Verbindung hält, sie übereinander schiebt oder ganz weit auseinander, aber immer miteinander verbunden. Egal wo sich gerade jemand befindet, das Verbindende ist das Pauluswort:
„Einer trage des andern Last.“ So finden wir in beiden Hälften Menschen, die zu richtigen Packeseln geworden sind. Sie tragen die Pflegebedürftigkeit, den Tod eines Familienangehörigen oder den Verlust des Arbeitsplatzes über lange Jahre und Jahrzehnte. Doch ohne solche Lastenträger wäre unser Zusammenleben undenkbar. Als wir klein waren, haben uns unsere Eltern getragen. Später die Freunde und Ehepartner, die Enttäuschungen und Kummer teilten und mittrugen.
Bei dem schnellen Wertewandel aber wird das Tragen heute immer schwieriger, weil viele dazu nicht mehr bereit oder in der Lage sind. Sie verlieren sich in der Vielfalt der Möglichkeiten des Zusammenlebens und finden die tragenden Elemente in der klassischen Familie nicht mehr. Ihr Verlorensein findet auch im Staat keinen Halt mehr, denn die Solidargemeinschaft kann die Lasten des anderen nicht mehr tragen.
Da ist der Zollstock als Maßstab der Streichliste von Sozialleistungen auseinander gebrochen. Die Arbeitenden tragen durch ihre Rentenbeiträge die Rentner, die Gesunden die Kranken, die Nichtbehinderten die Behinderten, die Verdienenden die Arbeitslosen und die Starken die Schwachen schon lange nicht mehr. So bleibt die Hoffnung, wenigstens in der Solidargemeinschaft Kirche Sicherheit und Halt zu finden. Doch das Kirchensteuersystem, bei dem die Verdiener belastet werden, um Rentner, Arbeitslose und Nichtverdiener mitzutragen, funktioniert immer weniger, weil sich immer mehr Kirchensteuerzahler dem solidarischen Lastentragen für andere durch Austritt entziehen.
Nun heißt es aber in unserem Predigttext nicht nur „Einer trage des anderen Last“. Das sehen ja viele heute nicht mehr so richtig ein, warum sie für andere mitbezahlen oder ihre Lasten mittragen sollen, wenn sie nicht direkt selbst einen Nutzen davon haben. Es heißt weiter: „So werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“ Was ist das für ein Gesetz? Kein juristisches Gesetz, das man in der letzen Instanz beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe einfordern kann. Sondern es ist ein Lebensgesetz, eine Lebensform, die geprägt ist von Liebe, Gerechtigkeit, Frieden, Geduld und Vergebung. Die eigentliche Bewährungsprobe unseres Glaubens geschieht danach hautnah, im täglichen Miteinander, auch mit denen, die wir uns nicht aussuchen und die uns fremd sind.
Dieses Gesetz Christi kann man nur im Geist Gottes lernen, im Geist der Liebe und der Menschenfreundlichkeit. Dieses gegenseitige Tragen heißt, die Probleme und Lebensschicksale des Anderen mitzutragen. Nicht schnell auf die andere Bürgersteigseite zu laufen, wenn der Trauernde, der Arbeitslose oder der Kranke auf mich zukommt. Gemeinsames Tragen ist ein Bemühen, den Anderen in seiner Lebenssituation und mit seiner Geschichte zu verstehen.
Das ist wahrlich nicht immer einfach, angenehm oder problemlos. An dieser Stelle verlangt uns der Apostel eine gehörige Portion Selbstkritik ab. Doch wir stehen nicht allein bei den Bemühungen. In der Taufe hat Gott uns eingebunden in das neue Leben, das Liebe und Fürsorge für die Schwächeren einschließt. Nur, annehmen und es nutzen, das müssen wir schon selber. Müssen den Kontakt zu Gott auf erhalten, indem wir uns prägen lassen von der Botschaft der Bibel. Dann brauchen wir nicht neidvoll auf den zu blicken, der es leichter hat oder der mehr hat oder der etwas besser kann als ich.
Wenn wir bereit sind innerhalb der Gemeinde Menschen wahrzunehmen, die unsere Unterstützung und Hilfe brauchen, dann setzen wir auch Signale für die Gesellschaft. Wo viele Menschen kleine Schritte tun, können sie das Gesicht der Welt verändern. Amen.

Verfasser: Pfr. Ernst-Werner Knöß, Grafengasse 15, 64372 Ober-Ramstadt

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