Menü

Irdische Güter

von Mechthild Gäntzle (64354 Reinheim)

Predigtdatum : 20.09.1998
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 13. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : 1. Petrus 5,5c-11
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Ihre E-Mail

Wochenspruch:

Alle eure Sorger werft auf ihn, denn er sorgt für euch. (1. Petr. 5, 7)

Psalm: 127,1-2

Lesungen:

Altes Testament:
1. Mose 2,4b-9 (10-14) 15
Epistel:
1. Petr. 5,5c-11
Evangelium:
Matthäus 6,25-34

Liedvorschläge:

Eingangslied:
EG 625
Wir strecken uns nach dir
Wochenlied:
EG 345
oder EG 369
Auf meinen lieben Gott
Wer nur den lieben Gott läßt walten
Predigtlied:
EG 417
oder EG 357
Laß die Wurzel unsers Handelns
Ich weiß, woran ich glaube
Schlußlied:
EG 351
oder EG 628
Ist Gott für mich, so trete
Herr, gib mir Mut zum Brückenbauen

5 Alle aber miteinander haltet fest an der Demut; den Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. 6 So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit. 7 Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch.
8 Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. 9 Dem widersteht, fest im Glauben, und wißt, daß ebendieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen. 10 Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen. 11 Ihm sei die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Unser heutiger Predigttext, liebe Gemeinde, könnte überschrieben werden: „Vom Zusammenleben in der Gemeinde“. Er ist ein Abschnitt eines Briefes, der einst an Gemeinden im östlichen Mittelmeer geschrieben wurde. Damals herrschten in Staat und Gesellschaft andere Normen und andere Verhältnisse als heute.
In einer nichtchristlichen Umgebung galt es, den Glauben zu bewahren, fest und standhaft ein neues Leben zu führen, das sich gegen die heidnische Umwelt abgrenzte. Die christlichen Gemeinden hatten unter einer allgemeinen Christenverfolgung im ganzen Römischen Reich zu leiden, wahrscheinlich stand eine neue Verfolgung sogar kurz bevor.
Seiner Zeit gemäß findet der Schreiber des Briefes die rechten Worte als Hilfe, Mahnung und Ermutigung. Er erkennt auch die vorhandenen Probleme, die im christlichen Zusammenleben der jungen Gemeinden entstanden waren und greift sie auf. Denn auch damals blieben im Leben der Gemeinde und im menschlichen Miteinander die Schwierigkeiten nicht aus. Es waren zwar andere Zeiten, es herrschten andere Traditionen und es war eine andere Kultur, aber ich denke, die Menschen damals und wir, die Menschen einer modernen Welt, sind garnicht so verschieden voneinander. Schwierigkeiten in der Gemeinde und Probleme des menschlichen Zusammenlebens, sie gab es damals und sie gibt es heute. Und damals wie heute ist es wichtig, Hilfen zu bekommen, um sie zu bewältigen oder mit ihnen leben zu können.
Auch zeigt sich die Lebendigkeit des Wortes Gottes darin, daß es in jeder Zeit und jeder Gesellschaftsform neu entdeckt und zur Sprache gebracht werden muß, damit seine hilfreiche und heilende Kraft erfahren werden kann. So wollen wir uns heute diesem Text stellen und fragen, welche Bedeutung er für unser Leben haben könnte.
Dieser Brief ist also an Menschen geschrieben, die ein anderes, ein neues Leben führen wollten (1. Petr. 4 ); ein Leben in der Verantwortung vor Gott, in der Liebe zueinander und nach dem Maßstab, den Jesus Christus selbst vorgelebt hat (Philipper 2).
Er, der sich selbst erniedrigte und den Weg des Gehorsams bis in die tiefste Tiefe seines Lebens ging; lehrte seine Jünger: „Wer der Größte unter euch sein will, der sei euer aller Diener!“(Mt. 23,11)
So beginnt unser heutiger Predigttext mit der Aufforderung: „Alle miteinander haltet fest an der Demut!“
Allerdings, das wissen wir heute auch, daß diese Worte oft gebraucht wurden, um Menschen klein zu halten; mißbraucht, um auch besonders Frauen in ihre Rolle zu lenken und ihnen den Platz der Untertänigkeit zuzuweisen. Nicht selten wurden Menschen mit wenig Selbstwertgefühl durch die Forderung einer falsch verstandenen Demut lebensuntüchtig, manchmal sogar krank. Menschen, die sich selbst nicht für wertvoll halten, werden es nicht erfassen können, daß Gott sie so wert achtet, daß er für sie das Beste, das er hatte, seinen Sohn, hingab, damit sie das Leben in Fülle haben sollen.
Wird Demut gefordert, um einen faulen Frieden oder eine heile Welt vorzuspielen? Führt nicht eine vermeintliche Demut zur Handlungsunfähigkeit oder wird als Ausrede benutzt? Ist es nur Feigheit, um Verhältnisse oder Dinge hinzunehmen, die geändert werden müßten? Mit einer falsch verstandenen Demut wurden Menschen sehr schnell „mundtot“ gemacht.
Doch, nun klingen uns aber die Worte des Petrusbriefes mit der Forderung im Ohr: Jede Überheblichkeit abzulegen; denn, „denen, die gering von sich denken, wendet er seine Liebe zu“. (Übersetzung: Gute Nachricht)
Gewiß gibt es auch heute im Zusammenleben, ob in der Gemeinde, beruflich oder auch privat, einen wunden Punkt. Denn Hochmut und Selbstsucht machen uns Menschen blind und engstirnig, kalt und berechnend, weil nur der eigene Vorteil bedacht wird. Überheblichkeit, Hochmut, und Lieblosigkeit sind Eigenschaften, die nicht nur das Zusammenleben und die Gemeinschaft zerstören, sondern uns den Frieden, die Freude und die Gesundheit rauben.
Doch, wer befreit von Hochmut und Überheblichkeit?
Geschieht dies durch Ermahnungen, durch Appelle an unsere Einsicht, durch mühevolles Ringen und Kämpfen? Sind diese Worte des Apostels als fordernder Aufruf zur absoluten Demut zu verstehen? Sind sie ein dringender Befehl zur Selbstlosigkeit bis hin zur Selbstaufgabe?
Vielleicht könnte dies auf den ersten Blick so erscheinen. Doch dieser Brief sollte den Gemeinden vor allem Hilfe sein und Orientierung geben, um in einer nichtchristlichen Umwelt, von der sie abgelehnt und verfolgt wurden, sich im Glauben zu bewähren und fest und standhaft zu bleiben.
Beugt euch unter Gottes starke Hand!
Wir beugen uns lieber vor Menschen, aber wir widerstehen Gott. Entstehen vielleicht damit unsere Probleme? Sich unter Gottes starker Hand zu beugen, heißt: ein Ja zu finden zu den Führungen meines Lebens, heißt: eine andere Lebensperspektive zu haben, vielleicht sogar andere Prioritäten in meinem Leben zu setzen!
Nein, es sind keine Duckmäuser und ewigen Jasager gefragt. Keine friedlichen „Kopfnicker“ und angepaßte, opportunistische Menschen. Mut braucht es, um „gegen den Strom zu schwimmen“. Doch das können nur Menschen, die einen starken Halt, einen festen Standpunkt haben. Selbst die Leiden der Verfolgung können diese Menschen nicht schrecken, denn Gott selbst wird die Kraft geben, daß der Glaube stark und fest bleibt, um auch dem Bösen zu widerstehen.
Die Zustimmung zu Gottes Wegen und Willen, das ist die wahre Demut, aus der heraus auch die Kraft zum Widerstand wachsen kann. Das „Ja“ zu Gottes Wegen mit mir, ist die Stärke des Schwachen, ist der Mut für andere dazusein, der Mut gegen Unrecht und Ungerechtigkeit die Stimme zu erheben und tätig zu werden. In dieser Wechselbeziehung von Demut und Widerstand muß und wird sich auch heute noch unser Leben als Christ abspielen.
Darum seid nüchtern und wachet!
Eine klare Sicht muß man haben, um realistisch die Dinge dieser Welt und unseres Lebens einzuschätzen. Es bedarf eines wachen und hellen Geistes. Denn die Forderung nach Nüchternheit beinhaltet auch die Fähigkeit zu erkennen, unter wessen Hand wir uns beugen sollen. Ebenso braucht man Nüchternheit und Wachsamkeit, um das Böse zu erkennen. Die Versuchung schleicht um uns her, wie ein hungriger Löwe, der ein Opfer sucht, wie es im Bild des damaligen Denkens ausgedrückt wird.
Doch sind es heute nicht eher die sanften Versuchungen, die uns vom festen Glauben abringen wollen? Finden wir es noch zeitgemäß, uns zu diesem Christus zu bekennen? Fürchten wir uns, gegen Ungerechtigkeit und Unrecht unsere Stimme zu erheben?
Fest im Glauben zu sein, bedeutet nicht alle Glaubenssätze nachzuplappern, sondern einen festen Standpunkt zu haben. Vor mehr als 50 Jahren schrieb Bonhoeffer im Mai 1944: „Was Versöhnung und Erlösung, was Wiedergeburt und Heiliger Geist, was Feindesliebe, Kreuz und Auferstehung, was Leben in Christus und Nachfolge Christi heißt, das alles ist so schwer und so fern, daß wir es kaum mehr wagen, davon zu sprechen.“ (Widerstand und Ergebung, S.206)
Welch ein Zuspruch und welche Ermutigung liegen in diesem Wissen: Gott, der uns in Jesus Christus liebt und in seine Nachfolge ruft, er wird uns aufrichten, wenn wir nicht mehr weiter wissen. Er wird uns stärken, wenn Lasten, Sorgen und Ängste des Alltags uns niederdrücken. Er wird uns kräftigen und gründen in seinem Wort, das Hilfe und Wegweisung für unser Leben sein will. In diesem Wissen steht die Tür der Hoffnung offen.
Hoffnung auch gerade für Menschen, die vor einer ungewissen Zukunft, vor Verfolgung und vielleicht vor dem Tod für ihren Glauben standen. So steht im Mittelpunkt unseres Textes die tröstliche Zusage: „Alle eure Sorgen werfet auf ihn, denn er sorgt für euch.“
Ein Wort, das in unserer veränderten Gesellschaft hinterfragt wird. Könnte es nicht im negativen Sinn verstanden, nur ein Abschieben von Verantwortung bedeuten? Brauchen wir, die wir durch Technik und Fähigkeiten fast alles selbst bewältigen können, noch dieses Angebot?
Dieses fast naive, absolute Vertrauen bedeutet eben nicht, fatalistisch „den Kopf in den Sand zu stecken“, wenn Schwierigkeiten des Lebens sich vor uns auftürmen, sondern, auch darin zeigt sich die Demut, daß wir unsere Lebensführungen akzeptieren, weil wir uns unter seine Hand beugen können.
So kann dieses Wort Angebot und Aufforderung auch für unser Leben werden. Denn alle unsere Sorgen abzugeben, ist die Aufforderung: Macht aus Sorgen ein Gebet! Hier ist Lebensbewältigung, die der Glaube schenkt, Zuspruch, Trost, aber auch Mut für ein Leben zwischen Widerstand und Ergebung.
Jedoch das Bedürfnis, die schweren Sorgen und Lasten abzuwerfen hat nur der, der nicht in Selbstüberschätzung seiner eigenen Leistungsfähigkeit steht. Wer den Mut hat, auch zu seinen eigenen Schwächen und Unzulänglichkeiten zu stehen, der ist bereit das, was er nicht bewältigen kann, abzugeben.
Weil Gott uns liebt, dürfen wir uns selbst loslassen. Wenn wir uns von ihm und seinem Wort bestimmen lassen, werden wir uns weder in falscher Demut „mundtot“ machen lassen, noch in Überheblichkeit und Selbstüberschätzung das Zusammenleben in der Gemeinde oder privat zerstören. Wir werden eine ausgewogene Stellung zwischen Demut und Widerstand finden, wie es in dem Gebet zum Ausdruck kommt:
„Herr, gib mir Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann
Gib mir die Gelassenheit, die Dinge hinzunehmen,
die ich nicht ändern kann
und schenke mir die Weisheit der Unterscheidung,
das eine von dem anderen zu trennen.
Amen.

Verfasserin: Prädikantin Mechthild Gäntzle, Egerländer Str. 33, 64354 Reinheim

Herausgegeben vom

Logo Zentrum Verkündigung

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de

in Kooperation mit dem

Logo Gemeindedienst der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland

Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97

Logo MÖD – Missionarisch Ökumenischer Dienst
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de
Die „Predigtvorschläge“ sind auch auf CD-ROM (Text- und MS WORD-Datei) erhältlich (Bestellformular).