Jeder Streit kann hilfreich sein
von Ralf Friedrich (Dieburg)
Predigtdatum
:
17.08.2008
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
11. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Apostelgeschichte 6,1-7
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Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
Amen
Liebe Gemeinde,
heute feiern wir eine silberne Konfirmation in unserem Gottesdienst. Ich habe eine Frage an die Jubilare: Gab es bei Ihnen während der Konfi-Zeit auch mal Streit? Und wie sieht es heute bei den Konfis aus, gibt es ab und zu mal Streit? Und denken Sie doch bitte einmal an Zuhause, wann gab es dort das letzte Mal Streit? Vielleicht heute morgen?
Manchmal bricht Streit aus, auch wenn man es nicht darauf anlegt. Streiten ist eine menschliche Schwäche. Die Gründe können unterschiedlich sein: vielleicht weil wir zu wenig Geduld mit anderen haben, vielleicht weil wir uns zu schnell von Misstrauen und Vorurteilen lenken lassen, vielleicht weil wir so schnell Angst haben, zu kurz zu kommen. Streit gab es auch schon in der ersten christlichen Gemeinde. Ich lese den heutigen Predigttext aus dem 6.Kapitel der Apostelgeschichte:
6 1 In diesen Tagen aber, als die Zahl der Jünger zunahm, erhob sich ein Murren unter den griechischen Juden in der Gemeinde gegen die hebräischen, weil ihre Witwen übersehen wurden bei der täglichen Versorgung.
2 Da riefen die Zwölf die Menge der Jünger zusammen und sprachen: Es ist nicht recht, dass wir für die Mahlzeiten sorgen und darüber das Wort Gottes vernachlässigen.
3 Darum, ihr lieben Brüder, seht euch um nach sieben Männern in eurer Mitte, die einen guten Ruf haben und voll Heiligen Geistes und Weisheit sind, die wir bestellen wollen zu diesem Dienst.
4 Wir aber wollen ganz beim Gebet und beim Dienst des Wortes bleiben.
5 Und die Rede gefiel der ganzen Menge gut; und sie wählten Stephanus, einen Mann voll Glaubens und Heiligen Geistes, und Philippus und Prochorus und Nikanor und Timon und Parmenas und Nikolaus, den Judengenossen aus Antiochia.
6 Diese Männer stellten sie vor die Apostel; die beteten und legten die Hände auf sie.
7 Und das Wort Gottes breitete sich aus und die Zahl der Jünger wurde sehr groß in Jerusalem. Es wurden auch viele Priester dem Glauben gehorsam.
Amen
Da wurde in der Urgemeinde in Jerusalem also darüber gestritten, ob griechische Witwen benachteiligt wurden. Vielleicht geschah das unabsichtlich. Zunächst einmal schafften die Christen es, ein soziales Netz für die Schwachen in der Gemeinde aufzuspannen. Von Staats wegen gab’s so etwas nicht. Dafür wurden die Christen erst einmal bewundert, ja beneidet.
Trotzdem: Streit! Vielleicht waren zu der Zeit viele Witwen zu versorgen und ausgerechnet eine griechische Witwe, eine Ausländerin, wurde übersehen. Vielleicht war die Anklage auch gerechtfertig. Egal, was diesen Streit ausgelöst hat, die Situation war ernst und es musste eine Lösung gefunden werden. Was tun? Was würden wir heute machen? Eine Arbeitsgruppe gründen. tolle Präsentationen ausarbeiten, Konzepte verabschieden und einen Mehrheitsentscheid herbeiführen. Es lebe die Demokratie!
Was haben die Apostel gemacht? Sie haben sich gefragt, machen wir eigentlich das Richtige? Was ist unsere Aufgabe? Eine ähnliche Situation gab es in der Bibel schon einmal.
In der hebräischen Bibel können wir lesen, dass Mose sich einen Berater in Gestalt seines Schwiegervaters holte und der sagte ihm: Junge, du muss Strukturen aufbauen. Du kannst nicht alles allein managen."
Ähnlich haben es die Apostel auch gemacht. Unsere Aufgabe ist es zu beten und die Gemeinde zu vergrößern. "Wir aber wollen ganz beim Gebet und beim Dienst des Wortes bleiben." heißt es da.
Die Witwenversorgung, eine wichtige Aufgabe in einer Zeit ohne Sozialversicherungen, dass können andere in der Gemeinde übernehmen. Also, soll die Gemeinde bestimmen, wer gerecht und vertrauenswürdig ist.
Die Wahl viel auf sieben Männer, wobei es auch eine "Quotenregelung" nach der Herkunft gab, sodass alle Witwen unbesorgt sein konnten, dass sie berücksichtigt wurden.
Wichtig ist, dass die neuen Helfer Gottes Segen erhielten, bevor sie mit der Aufgabe begannen. Das ist im Predigttext so beschrieben: "Diese Männer stellten sie vor die Apostel; die beteten und legten die Hände auf sie."
Was passierte danach? "Und das Wort Gottes breitete sich aus und die Zahl der Jünger wurde sehr groß in Jerusalem. Es wurden auch viele Priester dem Glauben gehorsam." Nachdem die Rollen wieder geklärt waren, wuchs die Gemeinde schnell weiter.
Was lehrt uns diese Geschichte heute? Für mich sind das drei wesentliche Punkte.
1. Es wird bei der Streitlösung nicht gefragt, was ist richtig und was ist verkehrt, sondern: Wie lösen wir das Problem? Wie stellen wir sicher, dass es bei uns gerecht zugeht. Wenn ich einem Streit zuhöre oder mich auch selbst streite, dann geht es meist darum herauszufinden, wer ist denn jetzt schuldig.
Ein Beispiel: Meine zweitälteste Tochter kommt später nach Hause als verabredet. Die erste Frage meiner Frau: Wo warst du? warum kommst zu spät? Wie reagiert wohl unsere Tochter? Genau. Eine weitere Kommunikation ist nicht möglich. Was wäre eine Alternative: Zuerst einmal Mitgefühl und Verständnis zeigen, und danach die Regel überprüfen. Wie muss die Regel angepasst werden, damit alle unsere Bedürfnisse erfüllt werden, das Bedürfnis nach Freiheit auf der Seite der Tochter und das Bedürfnis nach Sicherheit auf Seiten der Eltern?
2. Jeder fragt sich, verbringe ich eigentlich meine Zeit mit den richtigen Aufgaben? Sollte ich vielleicht etwas anderes machen? Wo liegen meine Stärken? Ich denke, diese Fragen sind auch für unsere heutige Gemeindearbeit wichtig. Wenn jemand eine Veranstaltung organisieren soll und hat keine sinnvolle Reihenfolge in der Vorbereitung und kein Talent, andere mit zu begeistern, dann wird es schwer für denjenigen erfolgreich zu sein und die Gemeinde stagniert. Dabei gibt es heute in unseren Gemeinden so viele Aufgaben, die wir organisieren müssen. Ich denke da an ein Thema welches der Jerusalemer Witwenversorgung nahe kommt: Die Mittagstafeln für Bedürftige. Auch in unserer Zeit, in unserem Land, gibt es eine neue Armut. Diese Armut ist versteckt und doch genauso grausam. Vor allem Kinder sind davon betroffen.
Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit der Christen, ob sie Lösungen auch für die Schwachen suchen. Oder wie es bereits Martin Luther King sagte: „Jede Religion, die sich um die Seelen der Menschen, aber nicht um die Slums und ihre verelendende Wirkung, um die erstickenden wirtschaftlichen Verhältnisse und die lähmenden sozialen Bedingungen sorgt, ist trocken und unfruchtbar wie Staub.“
Jede erfolgreiche Arbeit einer christlichen Gemeinde braucht ausgeglichen starke Stützpfeiler: Verkündigung, Diakonie und Seelsorge. Sie haben einen gleichen Stellenwert und alle Aktivitäten müssen ineinander greifen.
3. Ohne Gottes Hilfe geht es nicht. Für das, was wir machen, brauchen wir eine Unterstützung von außerhalb unseres Einflussbereiches, und da wirken Gott und der Heilige Geist. Die Jerusalemer Gemeinde wuchs wieder, als die Apostel sich auf ihre Kernaufgabe konzentrieren konnten und andere Mitglieder mit gleicher Würde geachtet wurden, die andere wichtige Aufgaben übernommen hatten. Bevor die Männer ihre Aufgabe übernahmen, betete die Gemeinde für sie und erbat Gottes Segen für sie. Kein Missgünstiger sollte ihnen unterstellen, sie hätten sich in ein Amt gedrängt, sie würden nur um des eigenen Ego eine Aufgabe an sich reißen. Nein: die Gemeinde beauftragt und Gott hat ihre Wahl für gut geheißen. So konnten sie ihre Aufgabe erfolgreich ausrichten.
Ja, liebe silberne Konfirmanden und Konfirmandinnen, schön, dass Sie sich heute hier im Gottesdienst z.T. von weit her wieder zusammen-gefunden haben. Sie sind in einem Alter, wo sich noch einmal ein Wechsel anbahnt. Ihre Kinder sind größer geworden und vielleicht schon aus dem Haus, im Job ist eine gewisse Routine eingekehrt und vielleicht sind Sie ja heute hier und fragen sich, wie kann ich selbst wieder aktiv in der Gemeinde werden, wenn Sie es nicht schon sind. Unsere Gesellschaft ist auf eine aktive Kirche angewiesen, eine aktive Kirche gibt es nur, wenn viele auch ehrenamtlich tätig sind und mit ihren Gaben das Gemeindeleben bereichern. Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, aktiv in der Gemeinde tätig zu sein ist eine erfüllende Aufgabe. Vielleicht spüren Sie einen Impuls und, wenn ja, dann geben Sie ihm nach. Aufgaben gibt es genug, damals in Jerusalem und heute in Beerfurth oder wo immer Sie wohnen.
Ich möchte Ihnen auch eine Idee mit auf dem Weg geben, wie Sie Ihren Glauben ganz einfach stärken können: Kommen Sie doch regelmäßig in den Gottesdiesnt. Vielleicht so alle 14 Tage. Der Rest kommt dann von alleine.
So wünsche ich Ihnen ein freudiges Wiedersehensfest, die Auffrischung Ihrer Jugenderlebnisse und eine enge Verbundenheit mit unserem Gott und dem Herrn Jesus Christus.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen