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Jesu Kreuzigung

von Frederike Reif (Neustadt)

Predigtdatum : 19.04.2019
Lesereihe : I
Predigttag im Kirchenjahr : Karfreitag
Textstelle : Johannes 19,16-30
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Wochenspruch: "So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben." (Johannes 3,16)

Psalm: 22, 2 - 9.12.16.19 - 20 (EG 709)

Predigtreihen

Reihe I: Johannes 19,16-30
Reihe II: 2. Korinther 5,(14b-18)19-21
Reihe III: Jesaja 52,13-15;53,1-12
Reihe IV: Lukas 23,32-49
Reihe V: Kolosser 1,13-20
Reihe VI: Matthäus 27,33-54

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 91 Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken
Wochenlied: EG 85 O Haupt voll Blut und Wunden
Predigtlied: EG 98 Korn, das in die Erde
Schlusslied: EG 97 Holz auf Jesu Schulter

Predigttext Johannes 19, 16 – 30

16 Da überantwortete er ihnen Jesus, dass er gekreuzigt würde. Sie nahmen ihn aber,

Jesu Kreuzigung und Tod

17 und er trug selber das Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, auf Hebräisch Golgatha.
18 Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber in der Mitte.

19 Pilatus aber schrieb eine Aufschrift und setzte sie auf das Kreuz; und es war geschrieben: Jesus von Nazareth, der Juden König.
20 Diese Aufschrift lasen viele Juden, denn die Stätte, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nahe bei der Stadt. Und es war geschrieben in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache.
21 Da sprachen die Hohepriester der Juden zu Pilatus: Schreibe nicht: Der Juden König, sondern dass er gesagt hat: Ich bin der Juden König.
22 Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.
23 Die Soldaten aber, da sie Jesus gekreuzigt hatten, nahmen seine Kleider und machten vier Teile, für jeden Soldaten einen Teil, dazu auch den Rock. Der aber war ungenäht, von oben an gewebt in einem Stück.
24 Da sprachen sie untereinander: Lasst uns den nicht zerteilen, sondern darum losen, wem er gehören soll. So sollte die Schrift erfüllt werden, die sagt (Psalm 22,19): »Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über mein Gewand das Los geworfen.« Das taten die Soldaten.
25 Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria Magdalena.
26 Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn!
27 Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.
28 Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet.
29 Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und legten ihn um einen Ysop und hielten ihm den an den Mund.
30 Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht. Und neigte das Haupt und verschied.

Liebe Gemeinde,

„Er neigte das Haupt und verschied.“ Jesus ist tot – wir versetzen uns hinein in diesen Tag vor annähernd 2000 Jahren. Jesus ist tot – was macht dieser Gedanke mit uns? Was fühlen wir, wenn wir diese Worte hören, wenn wir alljährlich an Karfreitag aufs Neue erfahren, was sich damals zugetragen hat? [Platz für eigene Gedanken …]

Jesus ist tot. Viele Menschen waren dabei damals. Wie haben sie sich gefühlt? Den Soldaten mag es egal gewesen sein, sie hatten einen Befehl, den haben sie ausgeführt. Derjenige, der Jesu Gewand beim Los gewonnen hat, mag sich gefreut haben. Die Hohepriester mögen zufrieden gewesen sein. Der Störenfried war zum Schweigen gebracht. Die Aufschrift am Kreuz missfiel ihnen, doch ihr Ziel war erreicht. Die Frauen und der Jünger aus Jesu engstem Kreis, die müssen verzweifelt gewesen sein. Der Mensch, auf den sie all ihre Hoffnung gesetzt hatten, starb vor ihren Augen! Der charismatische Mann, den sie liebten, wurde unter Schmerzen zu Tode gebracht! Es mag für sie kaum auszuhalten gewesen sein.

Und Jesus selbst, direkt bevor er stirbt? Kaum vorzustellen, was er erlitten hat. Wir kennen die Einzelheiten und können es doch nicht begreifen. Was Menschen sich einfallen lassen, um andere zu quälen. Was Menschen aushalten müssen ohne Hoffnung auf Rettung. Auch heute, gerade jetzt, da wir hier Gottesdienst feiern, sind Menschen irgendwo in Todesangst – weil andere ihnen Gewalt antun aus persönlichem Hass, aus Geldgier, oder im Namen irgendeines Krieges. Die meisten von ihnen werden dem nicht entkommen. Es gibt keine Hoffnung.

Genauso bei Jesus. Es gibt keine Hoffnung auf Rettung. Ans Kreuz genagelt, spürt er, wie sein Körper stirbt. Unter unvorstellbaren Schmerzen, geplagt von Durst, Hitze, Übelkeit, den sicheren Tod vor Augen. Er weiß, dass er sterben wird. Er ist angelangt am Ende seines Weges.

Die Evangelien des Neuen Testamentes berichten im Detail etwas unterschiedlich von Jesu Hinrichtung: Bei Matthäus und Markus wird geschildert, dass Jesus schreit in seiner Qual. Er fühlt sich von Gott verlassen, zeigt sich tief verzweifelt. Dagegen drückt Jesus bei Lukas Gottvertrauen aus. Hier tröstet er noch den einen Mitgekreuzigten und bittet für die um Vergebung, die ihn verspotten und töten. Im Johannes-Evangelium, dessen Schilderung wir gehört haben, wirkt Jesus fast ein wenig distanziert von den Vorgängen. Seine letzten Worte: „Es ist vollbracht.“

Er ist angelangt am Ende seines Weges. Durchs Land war er gezogen, um den Menschen die Botschaft Gottes nahezubringen. Vom Himmelreich hat er gepredigt, in dem Gerechtigkeit herrscht – ganz anders als in der Welt, in der wir leben, heute wie damals. Gottes Weisung hat Jesus ausgelegt. Er hat uns Menschen von Gottes Liebe erzählt – und er hat diese Liebe gelebt. Er wollte, dass die Menschen Gottes Liebe erfahren, dass sie selbst diese Liebe leben – der Ursprung von mehr Gerechtigkeit im Hier und Jetzt.

Stattdessen hängt er nun am Kreuz, leidet auf grausame Art, während die Masse johlt. Der Weg der Liebe ist – aus dieser Sicht – gescheitert.

Gescheitert sein – kennen Sie dieses Gefühl? Es klingt nach Versagen, nach eigenen Fehlern, nach Untergang. „Was werden andere von mir denken?“, schwingt mit. Oft bestimmt uns das schon auf unserem Weg, bei Entscheidungen, die wir treffen müssen.

[Folgendes Beispiel ist bewusst unpersönlich gehalten, damit es übernommen werden kann, es kann ebenso durch ein eigenes Beispiel ersetzt werden.]

Eine Bekannte blieb lange auf einer Arbeitsstelle, auf der sie sich unwohl fühlte. Es gab ständig Auseinandersetzungen mit dem Vorgesetzten, ihre Arbeit wurde nicht anerkannt oder aber kleinlich kritisiert, es gab keine Entwicklung mehr, und das in einem kreativen Arbeitsbereich. Schließlich hat sie gekündigt. Im Rückblick sagte sie: „Warum habe ich das so lange mitgemacht? Weil ich gedacht habe, ich bin dann gescheitert, wenn ich aufhöre. Ich wollte nicht scheitern.“

Scheitern – ich nehme mir etwas vor und erreiche es dann nicht. Genauso gut könnte ich sagen: Es hat halt nicht geklappt. Aber es ist mehr als das. Scheitern lässt den Blick nach vorn nicht zu, etwas ist vorbei und nicht wiedergutzumachen, es beinhaltet die Missachtung anderer, vor allem aber die eigene Missachtung sich selbst gegenüber.

Ist Scheitern etwas, das der Karfreitag beinhaltet? Ist Jesus gescheitert? Ist die Liebe gescheitert? „Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren gehen“, schreibt Paulus. Diese Worte machen deutlich, was viele damals von den Ereignissen um Jesus dachten: Er war bejubelt worden, er war gefangen genommen und hingerichtet worden, Schluss, Ende. Die Mehrheit damals sah Jesu Tod als genau das: Scheitern auf der ganzen Linie. Selbst die, die ihm nachfolgten, fühlten das Scheitern. Denken wir an ihre Trauer, ihre Verzweiflung, ihre Beschämung und Angst angesichts von Jesu Tod.

Wenn es hier geendet hätte, würde von uns heute niemand etwas von Jesus wissen. Er wäre beerdigt und schnell vergessen worden. Die Menge hätte (und hat ja wohl auch) das Interesse verloren, denn die Befreiung, die man von ihm erwartet hatte, war so nicht eingetreten. Die ihn liebten, hätten sich an ihn erinnert, hätten von ihm erzählt, aber wer hätte es weitergeben wollen? Nein, aus Sicht des Karfreitages ist es vorbei. Jesus hat das, was er sich vorgenommen hat, nicht erreicht, er hat mit dem Leben bezahlt, starb unter Schande und Qual.

Wider allen Anschein aber war hier der Weg Jesu eben nicht zu Ende. Wir heute sehen Karfreitag immer aus der Sicht nach Ostern. Die, die ihm nachfolgten und ihn liebten, die konnten eben nicht nur von seinem Leben und seinem Tod erzählen, sondern auch vom leeren Grab und den Begegnungen mit dem Auferstandenen. Und immer wieder ließen sich Menschen davon berühren, begannen, Jesus nachzufolgen, auch als er selbst nicht mehr unter ihnen weilte. Bis zu uns heute, die wir als Christinnen und Christen leben. Der Ostermorgen hat alles verändert.

Wir leben von Ostern her. Es wäre allerdings falsch, den Karfreitag deshalb unter den Tisch fallen zu lassen. Die Bedeutung von Ostern begreifen wir nur, wenn wir uns den Karfreitag bewusst machen. Umgekehrt wird der Karfreitag, mit seiner Konzentration auf das Leid, erträglich dadurch, dass wir um Ostern wissen. Alljährlich begehen wir daher den Karfreitag aus gutem Grund.

Der Aspekt des Scheiterns ist dabei auch enthalten in diesem Geschehen. Das Johannesevangelium, das wir heute gehört haben, betont es zwar weniger als das Markus- und das Matthäusevangelium, doch es ist da. Jesus wird auf qualvolle und erniedrigende Art hingerichtet, viele, die ihn vorher bejubelt haben, haben nun nur noch Verachtung für ihn.

Auch in unserem Leben gibt es Aspekte des Scheiterns. Schmerzhaftes Scheitern, das auch nicht umgedeutet werden kann.

[Mögliche Beispiele: Ein angesehener Chirurg, dem bei einer an sich einfachen Operation eine Patientin stirbt, weil er unachtsam war für einen Moment, sich zu sehr auf seine Routine verlassen hat. Eine Frau, die überzeugt war, ihr Auto im Griff zu haben, und dann durch riskante Fahrweise einen Fußgänger in den Rollstuhl bringt. Eine Unternehmerfamilie, die sich verspekuliert hat, und in der Folge sind die Familien von über 100 Mitarbeiter*innen in ihrer Existenz bedroht.]

Sie, liebe Gemeinde, haben eigene Erfahrungen mit Scheitern gemacht, mehr oder weniger heftig, sicher schmerzhaft. Danach ist nicht mehr wie vorher.

Es muss aber nicht das Ende sein. Wenn wir heute das Geschehen von Karfreitag betrachten, sehen wir – aus der Sicht der Ereignisse an diesem Tag selbst – auch ein Scheitern. Doch wenn wir heute Karfreitag begehen, tun wir dies im Vertrauen auf Gottes Liebe, im Bewusstsein, dass Ostern folgt.

In unserer Gegenwart ist oft allein die Angst vor einem möglichen Scheitern so groß, dass manches gar nicht erst versucht wird. Karfreitag und Ostern aber wollen uns Mut machen, Mut machen, es dennoch zu versuchen. Auch wenn Scheitern möglich ist. Karfreitag und Ostern wollen uns Mut machen, selbst im erlebten Scheitern nicht aufzugeben. Auch das heißt Auferstehungshoffnung: Scheitern ertragen und weiter gehen.

Amen

Verfasserin: Pfarrerin Friedericke Reif, Hohenzollernstraße 9, 67433 Neustadt


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