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Jesu Salbung durch eine Sünderin

von Maike Kniese (Birlenbach)

Predigtdatum : 20.08.2023
Lesereihe : V
Predigttag im Kirchenjahr : 11. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Lukas 7,36-50
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Wochenspruch: "Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade." (1. Petrus 5,5)

Psalm: 145,1-2.14.17–21 (EG 756)

Predigtreihen

Reihe I: Hiob 23
Reihe II: Lukas 18,9-14
Reihe III: Epheser 2,4-10
Reihe IV: 2. Samuel 12,1-10.13-15a
Reihe V: Lukas 7,36-50
Reihe VI: Galater 2,16-21

Liedvorschläge

Eingangslied: EG+ 94,1-3 Danke für die Sonne
Wochenlied: EG 299,1-3 Aus tiefer Not
Predigtlied: EG 584,1-4 Meine engen Grenzen
Schlusslied: EG 590,1-3 Herr, wir bitten: Komm und segne uns

Predigttext: Lukas 7,36-50

36 Es bat ihn aber einer der Pharisäer, mit ihm zu essen. Und er ging hinein in das Haus des Pharisäers und setzte sich zu Tisch. 37 Und siehe, eine Frau war in der Stadt, die war eine Sünderin. Als die vernahm, dass er zu Tisch saß im Haus des Pharisäers, brachte sie ein Alabastergefäß mit Salböl 38 und trat von hinten zu seinen Füßen, weinte und fing an, seine Füße mit Tränen zu netzen und mit den Haaren ihres Hauptes zu trocknen, und küsste seine Füße und salbte sie mit dem Salböl. 39 Da aber das der Pharisäer sah, der ihn eingeladen hatte, sprach er bei sich selbst und sagte: Wenn dieser ein Prophet wäre, so wüsste er, wer und was für eine Frau das ist, die ihn anrührt; denn sie ist eine Sünderin. 40 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Simon, ich habe dir etwas zu sagen. Er aber sprach: Meister, sag es! 41 Ein Gläubiger hatte zwei Schuldner. Einer war fünfhundert Silbergroschen schuldig, der andere fünfzig. 42 Da sie aber nicht bezahlen konnten, schenkte er’s beiden. Wer von ihnen wird ihn mehr lieben? 43 Simon antwortete und sprach: Ich denke, der, dem er mehr geschenkt hat. Er aber sprach zu ihm: Du hast recht geurteilt. 44 Und er wandte sich zu der Frau und sprach zu Simon: Siehst du diese Frau? Ich bin in dein Haus gekommen; du hast mir kein Wasser für meine Füße gegeben; diese aber hat meine Füße mit Tränen genetzt und mit ihren Haaren getrocknet. 45 Du hast mir keinen Kuss gegeben; diese aber hat, seit ich hereingekommen bin, nicht abgelassen, meine Füße zu küssen. 46 Du hast mein Haupt nicht mit Öl gesalbt; sie aber hat meine Füße mit Salböl gesalbt. 47 Deshalb sage ich dir: Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel geliebt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig. 48 Und er sprach zu ihr: Dir sind deine Sünden vergeben. 49 Da fingen die an, die mit zu Tisch saßen, und sprachen bei sich selbst: Wer ist dieser, der auch Sünden vergibt? 50 Er aber sprach zu der Frau: Dein Glaube hat dir geholfen; geh hin in Frieden!

Zum Bibeltext

Die Erzählung von der Salbung durch eine Frau bei einem Gastmahl gibt es auch bei den anderen Evangelisten. Dort ist sie bei Mt., Mk. und Joh. in die Nähe der Passion gerückt als Vorgriff auf die Salbung zu seinem Begräbnis. Außerdem weisen dort die Jünger auf die Verschwendung des kostbaren Öls hin: „Was hätte man mit diesem Geld den Armen Gutes tun können?“

Lukas hat die Erzählung an einer andere Stelle in seinem Evangelium und einen anderen Schwerpunkt gesetzt. Die Erzählung von der Salbung folgt der Anfrage des Täufers Johannes: „Bist du der, der da kommen soll?“ und Jesu öffentlichem Zeugnis über den Täufer, dass in ihm – dem Täufer – schon Gottes Geist wirkte.

Bei Lukas wird die Frau, die Jesus die Füße salbt, als Sünderin qualifiziert und damit wird der Schwerpunkt dieser Perikope auf die Sündenvergebung und die Liebe gelegt. Die Frau weiß um ihre Sünden und erwartet nichts von Jesus. Der Pharisäer weiß um sein Bemühen, sich gottgefällig zu verhalten und sieht hochmütig auf die Sünderin herab.

Hinführung zur Predigt

Der Text aus dem Lukasevangelium ist für den 11. Sonntag nach Trinitatis vorgeschlagen und steht damit in einer Reihe mit Bibeltexten, in denen es um Hochmut und Demut geht. Bei Jesus müssen wir nichts vorweisen, nichts repräsentieren. Bei ihm zählt keine Leistung, keine Selbstdarstellung, keine Lebenseinstellung. Bei ihm zählt die Liebe. Das ist eine ungewohnte Erfahrung für uns – wie für den Pharisäer.

Ich habe mich für eine narrative Predigt entschieden, die die biblische Geschichte nacherzählt und in die heutige Zeit setzt. Dabei soll deutlich werden, wie schnell auch wir gedanklich Urteile über Menschen und Sachverhalte fällen und dabei in die Falle der Selbstgefälligkeit tappen – wie der Pharisäer bei Lukas.

Predigt

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und unserm Herrn Jesus Christus.

Liebe Gemeinde,

neulich hatte Carsten einen interessanten jungen Mann kennengelernt. Er war auch bei dem Sommerfest und sie saßen am selben Tisch, allerdings recht weit auseinander. Es war ziemlich voll da und laut. Und um den jungen Mann hatte sich eine ganze Gruppe versammelt, die aufmerksam zuhörte, wenn er sprach.

Carsten und seine Frau wollten sich dort mit ein paar Freunden treffen, einen Wein trinken, ein bisschen der Musik zuhören und dann weiter ins Theater fahren. In der nächsten Stadt wurde eine moderne Inszenierung aufgeführt. Sie trug den vielversprechenden Titel „Oben und Unten – Kein Licht ohne Schatten“. Carsten und seine Freunde fanden es wichtig, wenn soziale Themen zur Sprache kamen. Corona und die Inflation hatte schließlich vielen Menschen zu schaffen gemacht, vor allem auch der Kulturbranche und die musste man unterstützen.

Es kam Carsten bekannt vor, was der junge Mann sagte: „Selig die Armen, denn das Reich Gottes ist euer.“ „Selig seid ihr, wenn ihr hungert, denn ihr sollt satt werden.“ Es waren nur einzelne Satzfetzen, die er verstand. Schade. Er hätte gerne mehr gehört.

Die Menschen an seinem Tisch hingen an seinen Lippen. Eine junge Frau fiel ihm ins Auge, die saß auch mit an diesem Tisch. Ganz selbstverständlich war sie da und redete mit, hörte zu. Und die anderen hatten sie anscheinend in ihren Kreis mit aufgenommen. War das nicht die, die sich Minou nannte und in den Anzeigen der Tageszeitung in der Stadt ihre Liebesdienste anbot? So sagte man jedenfalls. Carsten kannte sie nicht, hatte noch nie ein Wort mit ihr gewechselt.

Wenn der junge Mann sprach und Wortfetzen zu ihnen hinüberdrangen, spürte Carsten eine Sehnsucht in sich aufsteigen, die er schon so lange nicht mehr gespürt hatte. Der junge Mann erinnerte ihn an seine eigene Jugendzeit.

Ja, früher in der Ausbildung, als junger Mann, da hatten er und seine Freunde auch bis in die Nacht debattiert, über Gott und die Welt und wie man die Welt zu einem besseren Ort für die Menschen machen könnte.

Da saßen sie am Brunnen auf dem Marktplatz in der Altstadt, tranken billigen Rotwein, rauchten viel zu viel und redeten. Manchmal setzte sich ein Obdachloser zu ihnen, diskutierte mit und hoffte auf ein bisschen Fladenbrot, ein Stück Käse und einen Schluck Wein. Und sie rückten zusammen und ließen ihn erzählen. Sie kamen sich so weltoffen und tolerant vor.

Dann packte jemand die Gitarre aus und sie sangen Arbeiterlieder und Lieder vom Frieden, auf Deutsch, Spanisch, Englisch, Französisch. Sie waren doch international. So wie abends auf dem Marktplatz, so müsste das Leben für alle Menschen überall auf der Welt sein. Davon träumten sie.

Und die jungen Frauen, die himmelten sie an. Ab und zu hatte er auch eine Freundin. Nichts Ernstes. Dazu war jetzt nicht die Zeit. Es war schön, einen Menschen zu haben, der zu einem gehörte, aber sie wollten sich jetzt nicht festlegen. Er nicht und die Frauen auch nicht. Sie wollten leben, die Liebe und die Freiheit genießen. Ab und zu Sex miteinander zu haben, war schön, aber keine gemeinsame Wohnung, keine Verpflichtungen. Wer weiß schon, was die Zukunft für sie bereithalten würde, wo es sie hin verschlagen würden.

Nun, Carsten hatte jetzt ein Einfamilienhaus, eine Frau und zwei Kinder, aber die gingen schon ihre eigenen Wege und hatten ihren eigenen Kopf. Er war Abteilungsleiter einer Verwaltung, Mitglied der Synode seiner Kirche. Ja, er war nicht ausgetreten wie viele seiner Bekannten. Er hielt noch an den Idealen seiner Jugend fest. Dafür trat er auch in der Synode an: Den jungen Menschen in der Kirche Mitsprache zu geben, das war ihm wichtig. Man musste sie schon früh in die Verantwortung integrieren. Dann hatten sie auch eine Chance, die Zukunft zu gestalten. Davon war er überzeugt.

Seine Kinder wollten nicht immer diskutieren. Sie wollten Spaß haben, etwas unternehmen mit Freunden, sich verlieben und chillen. Sie wollten nicht immer nur beurteilt werden und Leistung bringen. Aber er war davon überzeugt: von nichts, kommt nichts. Leistung zahlt sich aus. Sah man doch an ihm und da musste er doch seine Kinder anspornen.

Sie brachen auf ins Theater. Und er konnte dem jungen Mann nicht länger zuhören und seinen Gedanken nachhängen. Aber diese Begegnung ließ ihn nicht los. Die Sehnsucht nach etwas Unbestimmtem blieb. Und neulich traf er ihn wieder und sie kamen ins Gespräch. Da sagte er ganz spontan: „Willst du nicht übermorgen zu mir zum Abendessen kommen? Wir sind draußen auf der Terrasse, sitzen ein bisschen mit Freunden zusammen, grillen und reden. Da können wir uns besser kennenlernen. Du kannst auch gerne ein paar Freunde mitbringen. Machen wir oft so bei uns im Viertel.“

Und der junge Mann kam tatsächlich. Er hieß Jeschua, so hatte er sich vorgestellt. Er nahm Platz. Es war nur noch einer an einer Ecke in der grellen Sonne frei. Die Schattenplätze waren alle besetzt. Er bekam ein Bier, ein dickes Steak auf den Teller und ein Stück Brot. Die Salatschüssel wurde auch herumgereicht. Und bevor Jeschua überhaupt mit dem Essen beginnen konnte, prasselten schon die Fragen auf ihn ein. Wie sehen Sie das denn mit den Klimaaktivisten? Darf man so provozieren, um auf die Klimaveränderung aufmerksam zu machen? Oder sollten die jungen Leute nicht auch daran denken, dass wir nationale und internationale Handelsverpflichtungen haben. Was würde passieren, wenn wir jetzt die fossile Energie herunterfahren würden? Das Gespräch kam so richtig in Gang, die Meinungen flogen hin und her. Und Jeschua hörte erst mal nur zu. Von diesem Thema kam man dann auf die Einführung eines sozialen Pflichtjahres, auf die Kirchenaustritte, die Inflation und die Zuwanderung zu sprechen. Es ging um Moral und Vernunft, um Anstand und um Verantwortung.

Da ging plötzlich die Gartenpforte auf und Minou kam herein. Sie hatte wohl schon eine Weile draußen vor der Hecke gestanden und hinübergeschaut. War immer mal wieder auf und abgegangen. War verschwunden und kam dann wieder, soweit Carsten es aus den Augenwinkeln beobachtet hatte. Was wollte sie hier? Was sollten die anderen Gäste denken oder die Nachbarn, wenn sie hier dauernd auf und ab ging.

Leicht bekleidet war sie, wie so oft. Oberteil und Hose, alles ein bisschen zu kurz. Aber es stand ihr. Ihr langes Haar trug sie offen. Die Sonnenbrille hoch auf den Kopf geschoben. In der einen Hand hatte sie einen Strohhut, in der anderen eine teure Sonnencreme aus der Apotheke. So eine für Allergiker, mit hohem Lichtschutzfaktor. Carsten nahm sie auch. Sie ging geradeweg auf Jeschua zu. Eigentlich stolperte sie eher in ihren Sandalen mit den hohen Absätzen. Für Gartenparties waren die wohl nicht gedacht, bemerkte Carsten. Sie war aufgeregt. Alle starrten sie an. Die Gespräche verebbten langsam.

Sie setzte Jeschua den Hut auf den Kopf und begann, die die Sonnencreme zu öffnen und cremte ihm das Gesicht ein, ganz sorgfältig, die Stirn, die Wangen, den Nasenrücken, sogar die Lippen. Dann rieb sie seinen Hals ein, die Arme und Hände und dabei liefen ihr Tränen übers Gesicht und vermischten sich mit der Sonnencreme. Sie versuchte, mit ihren Haaren die verschlierte Creme an manchen Stellen wegzuwischen. Doch sie machte immer weiter. Jeschua ließ es sich einfach gefallen. Er hielt ihr dann sogar den anderen Arm hin. Und als sie auch die Finger eingerieben hatte, wollte sie nach vorn um den Tisch gehen. Dabei knickte sie um und fiel Jeschua gerade vor die Füße.

„Das passt zu ihr“, dachte Carsten. „Wenn sie jetzt anfängt seine Beine einzureiben, muss er doch endlich merken, was das für eine ist und den peinlichen Auftritt beenden und sie wegscheuchen.“

Jetzt zog sie ihm die Sandalen aus und cremte vorsichtig seinen roten verbrannten Fußrücken, der schon viel zu lange der Sonne ausgesetzt gewesen war.

Carsten wollte gerade ihr gerade die Sonnencreme aus der Hand nehmen, da sagte Jeschua: „Ihr philosophiert hier über Verantwortung und Moral. Was meint ihr, wer sich mehr über Anerkennung und Zuwendung freut: Die, die an den Schaltstellen der Macht sitzen oder jemand, der nicht weiß, wie er seinen Lebensunterhalt verdienen soll?“

„Naja, sehr wahrscheinlich der oder die, die von Sozialleistungen leben“, gibt Carsten zurück.

„Sehr richtig“, sagt Jeschua. „Aber warum reagierst du so ungehalten gegen Minou? Sie ist auch eine Freundin von mir.

Sie ist um mich besorgt. Sie hat ein weites Herz und gespürt, wie es mir hier geht. Ich kenne sie schon länger; Sie achtet sehr genau auf die Bedürfnisse ihrer Mitmenschen. Sie hat mir Sonnenschutz gebracht, mich eingecremt. Ihre Berührungen haben meine Kopfschmerzen weggestreichelt. Und du hast mir nicht einmal einen Sonnenschirm angeboten oder gefragt, ob ich überhaupt Fleisch esse und Alkohol trinke.“

Carsten war betroffen. So hatte er es gar nicht wahrgenommen. War er schon immer so, dass nur seine Meinung zählte? Wann war er so geworden, so selbstsicher, so arrogant, dass er meinte, grundsätzlich auf der richtigen Seite zu sein? Seit wann sah und hörte er nicht mehr hin, sondern steckte alles und jeden gleich in eine Schublade? Wo war der junge Mann am Brunnen mit seinen Träumen geblieben?

Seine Brust tat richtig weh. Sein Kopf begann zu hämmern.

„Tut mir leid“, sagte er und reichte Minou ein Bier und fragte: „Oder willst du lieber ein Wasser? Da ist noch ein freier Platz, Essen ist auch noch genug da.“ Und zu Jeschua sagte er: „Komm hier herüber unter den Baum. Da ist Schatten und wir können trotzdem reden.“

An die Begegnung mit Jeschua und Minou musste Carsten noch lange denken. Er wollte aufmerksamer werden, offener, nicht so schnell urteilen. Doch wie sollte er das schaffen. Er musste lächeln. Wer konnte ihm dabei besser helfen als seine Tochter. Die sagte immer zu ihm: „Oh du, und deine schnellen Urteile.“

Liebe Gemeinde, kommt Ihnen diese Geschichte vielleicht bekannt vor? So hat Lukas sie in seinem Evangelium erzählt.

[Predigttext]

Und der Friede Gotte, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Verfasserin: Pfarrerin Maike Kniese


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