Jesus auf dem Weg Gottes.
von Eberhard Dieterich (89518 Heidenheim)
Predigtdatum
:
15.02.2015
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Estomihi
Textstelle
:
Markus 8,31-38
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Wochenspruch:
"Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn." (Lukas 18, 31)
Psalm: 31, 2 - 6 (EG 716)
Lesungen
Altes Testament: Amos 5, 21 - 24
Epistel: 1. Korinther 13, 1 - 13
Evangelium: Markus 8, 31 - 38
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 391, 1 - 4 Jesu geh voran
Wochenlied: EG 384, 1 – 4 Lasset uns mit Jesus ziehen
Predigtlied: EG 394, 1 – 5 oder EG 385, 1 – 6 oder EG 396, 1.4 – 6 Nun aufwärts froh den Blick gewandt oder Mir nach, spricht Christus, unser Held oder Jesu, meine Freude
Schlusslied: EG 395, 1 –3 Vertraut den neuen Wegen
Hinführung
Mit dem Bekenntnis des Petrus und der ersten Leidensankündigung Jesu beginnt ein neuer Hauptteil des Markusevangeliums: Jesus auf dem Weg nach Jerusalem, Jesus auf dem Weg zum Leiden. (8, 27 - 10, 52). Zu dem von Petrus (8, 29) bekannten Christus gehört das Leiden.
Das versteht niemand. Die scharfe Auseinandersetzung mit Petrus zeigt das. Markus erzählt so, damit dieser Gegensatz deutlich wird: Jesu Macht liegt nicht im Vermeiden des Leidens.
Aber er geht noch weiter: Jesus ruft in die Nachfolge unter dem Kreuz. Man kann sein Leben nicht für sich allein und nicht auf Kosten anderer gewinnen.
Ulrich Fick hat 1991 seine „Geschichten von unterwegs“ erzählt, die ihm als Generalsekretär des Weltbibelbunds begegnet sind. Die Erzählung von Raffael Varon macht deutlich, wie weit Nachfolge gehen kann.
Gliederung
I. Eine Geschichte aus unserer Zeit
II. Jesus und Petrus
III. Die Angst Jesu
IV. Nachfolge
V. Ostern
Predigt
Liebe Gemeinde,
Ich weiß nicht, wie oft Sie das schon gehört haben. Jesus sagt sein Leiden voraus. Wir haben uns daran gewöhnt. Wir kennen es. Es regt nicht mehr auf. Schade.
Schade, dass ich mich gewöhnt habe - an was sich mein Herz nie gewöhnen darf: an Leiden und Tod dessen, den ich lieb habe. Ich versuche nachzudenken.
Was mag das heißen, dass Jesus nicht nur leidet, sondern auch das Kreuz für seine Nachfolger zum bestimmenden Lebenselement macht? Er stellt damit ja alles auf den Kopf, was wir so denken. Ein Kreuz in den Spuren Jesu auf mich nehmen? Wie soll das gehen?
I. (Eine Geschichte aus unserer Zeit)
Doch da ist eine Geschichte, die Ulrich Fick erzählt hat. Sie macht manches ein wenig deutlich. Ich will sie erzählen:
Es war irgendwo in Mittelamerika. Der Krieg zwischen Regierungstruppen und Freiheitskämpfern tobte. Und die Dorfbewohner waren die Opfer. Denn wenn die Untergrundkäm-pfer einen Hinterhalt legten, dann hielt sich die Armee an den Dorfbewohnern schadlos. Sie behauptete: Ihr steckt mit ihnen unter einer Decke.
Wieder war in der Nähe des Dorfes eine Mine hochgegangen. Zwei Offiziere in ihrem Jeep waren getötet worden. Die Armee kam schnell und trieb das ganze Dorf zusammen. Da standen sie auf dem Dorfplatz. Männer - Frauen - Kinder.
Die Männer extra.
Der Hauptmann sagte: "20 Männer müssen für die beiden Offiziere sterben."
Er ließ sich einen Bogen Papier bringen, und als er ihn hatte, gab er ihn Rafael, dem alten Bürgermeister, und sagte: "Ich will die 20 Namen von Dir haben, alter Mann. Du schreibst die 20 Namen auf von denen, die sterben müssen und zwar jetzt gleich."
Rafael schaute den Hauptmann einen Augenblick an. Dann ließ er das Papier aus der Hand fallen. Er ließ es einfach fal-len und sagte: "Nein, das mache ich nicht."
„Schade,“ sagte der Hauptmann, „dann müssen wir eben alle Männer des Dorfes erschießen, und dich dazu, alter Mann. Was möchtest du haben? Dass wir alle erschießen, oder nur die 20, die du uns nennst?"
Rafael schüttelte den Kopf und sagte: „Das kannst du nicht verlangen.“ Da kam die Frau von Rafael. Sie warf sich auf den Boden, umklammerte Rafaels Knie und schrie. Man verstand kaum, was sie schrie, aber es war klar, was sie wollte. Sie wollte, dass ihr Mann schnell die Namen schreiben würde - sonst wären alle Männer verloren und er mit.
Der Hauptmann sagte: "Hör auf deine Frau! Tu was ich dir sage." Rafael sagte: "Gut, ich tu es." Er ging in die Hütte. Auf dem Dorfplatz war es totenstill. Atemlos lag die Spannung über dem Platz. Und Rafael schrieb in der Hütte die 20 Namen von denen, die jetzt sterben mussten.
Auf einmal stand Rafael in der Tür. Er ging auf den Hauptmann zu und gab ihm das Papier. Der nahm es ohne Eile und fing an zu lesen. Dann ließ er das Blatt sinken, schaute Rafael an, hob das Blatt wieder und begann laut zu lesen, was Rafael geschrieben hatte.
"Rafael Veron, Rafael Veron, Rafael Veron, Rafael Veron, Rafael Veron, Rafael Veron, ...“ Rafael hatte 20mal seinen eigenen Namen geschrieben.
Der Hauptmann lachte und sagte: "Gut. Das kannst du haben." Er gab ein Zeichen mit der Hand, die Soldaten stießen Rafael an die Wand der nächsten Hütte, traten ein paar Schritte zurück - und dann schoss auch schon einer von ihnen - ein kurzer Feuerstoß aus der Maschinenpistole - und Rafael lag tot am Boden. Der Hauptmann vergewisserte sich, dass Rafael tot war - dann gab er den Soldaten den Befehl zum Abmarsch.
Dies ist die Geschichte.
Eine Geschichte ohne fromme Worte.
Die Geschichte eines Mannes, der sein Kreuz auf sich nahm - gegen die Bitte und den Rat der Frau, die ihn lieb hatte.
Die Geschichte hat mich betroffen gemacht. Auf einmal merke ich so, wie unerhört es ist, dass ich mich daran gewöhnt habe, dass Jesus einfach sagt: "Ich werde leiden und sterben und auferstehen."
(II. Jesus und Petrus)
Anscheinend habe ich mich an das Leiden Jesu gewöhnt. Petrus noch nicht. Und so gibt es Krach. Richtigen Krach - zwischen Jesus und Petrus. Gott sei Dank widerspricht Petrus. Er sagt: "Nein. so nicht. Der, den ich liebe, der dem ich nachfolge, der den ich für den Gesandten Gottes halte - der soll nicht sterben.“ Und er sagt das mit Nachdruck. Energisch. Er fängt an, Jesus zu wehren, ihm in den Arm zu fallen.
Ich kann Petrus verstehen. Wenn ich aufhorche, wenn ich nicht einfach die Geschichte an mir vorbei gehen lasse aus Gewohnheit: dann bin ich auf der Seite des Petrus. Jesus soll nicht leiden. Der, den ich lieb habe, soll nicht sterben.
Und so trifft mich auch die Antwort Jesu: Jesus sieht sich um. Er sieht die Jünger an und sagt mit ganzer Schärfe zu Petrus: Geh weg von mir, Satan! denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist. Du hast ja nicht Gottes Sache, sondern die der Menschen im Sinn. Da meine ich es gut. Und Jesus sagt: Du bist ein Satan! Weg! Hinter mich!
(III. Die Angst Jesu)
Es fällt auf, wie entschieden Jesus reagiert. Was macht es nötig, dass Jesus so scharf wird? Was macht es nötig, dass er laut wird? Wenn ich laut werde, dann bin ich in der Regel unsicher. Ist Jesus auch unsicher? Ich weiß es nicht. Aber ich kann es mir denken. Er geht seinen Weg nicht als Held.
Er geht ihn nicht ohne Angst. Gott sei Dank.
Noch in Gethsemane zittert er und ist verzweifelt und bittet seine Freunde um Beistand.
Und am Kreuz schreit er:
"Mein Gott, warum hast du mich verlassen?"
Es ist nicht so einfach, wie es aussieht. Auch für Jesus nicht.
Er wird hart gegen sich selbst und gegen den Freund - und ich denke, er ist uns so noch näher.
Aus Liebe will Petrus Jesus von seinem Weg abhalten. Für Jesus ist das wie eine Versuchung. So weist er seinen Freund zurecht. Du denkst, wie Menschen denken. Du denkst: Leiden ist immer Unglück. Du denkst: Leiden sei immer vermeidbar. Du meinst: ich dürfte mich retten - auf Kosten anderer.
Petrus hat noch nicht begriffen: es gibt Leiden, das sich nicht vermeiden lässt. Petrus hat noch nicht begriffen, was Rafael begriffen hat. Er weiß noch nichts davon, dass man sich nicht immer schonen, nicht immer retten kann - auf Kosten anderer.
Und es ist ja auch bei uns so: Der Weg ins Leiden kann nicht einfach normal werden.
So erzählt Markus ja auch weiter. Mit dem Kopf hat Petrus von Jesus gelernt. Aber mit dem Herzen läuft er in der Nacht der Gefangennahme davon. Er will sich selbst retten und lässt Jesus allein. Und Jesus selbst schreit verzweifelt am Kreuz nach Gott. Sein Leiden wird nicht harmlos. Auch nicht durch das bewusste Ja und durch die Ankündigung.
(IV: Nachfolge)
Und nun lädt Jesus ein zur Nachfolge. Und er rief zu sich das Volk samt seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben erhalten will, der wird's verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird's erhalten. Denn was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und nähme an seiner Seele Schaden?
Jesus lädt ein auf seinen Kreuzweg. Er lädt ein, das Kreuz hinter ihm hertragen. Das scheint das Kennzeichen der Christen zu sein.
Will ich das? Kann ich das? Ich weiß viel öfter etwas davon, dass ich es nicht kann - und auch nicht will. Es geht dabei gar nicht gleich um Leben oder Sterben. Es geht nur darum, ob ich bereit bin, mich von dem Leiden anderer betreffen zu lassen und nicht auszuweichen. Es geht darum, Farbe zu bekennen zur rechten Zeit. Es geht darum, Konflikten nicht auf Kosten anderer auszuweichen um des angeblichen Friedens willen. Dazu lädt Jesus ein - und sagt: es bleibt euch gar nichts anderes übrig. Ihr könnt euch nicht retten. Ihr müsst euch nicht retten.
Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne...
Mit dem Verstand habe ich es begriffen: Eine Kirche, die an sich denkt - statt an die Menschen - verrät ihren Auftrag. Eine Gemeinde, die wegsieht - und übersieht, was es in ihr zu tun gibt, ist auf dem Irrweg. Ein Mensch, der sich selbst retten will - auf Kosten anderer- weiß nichts von der Art Jesu. Aber: Dann schweige ich doch lieber, damit ich mir den Mund nicht verbrenne. Ich halte mich raus. Ich schaue weg. Und vielleicht meine ich es auch noch gut.
(V. Ostern)
Die Jünger Jesu haben ihren Jesus verloren. Er wurde gekreuzigt, und sie sind davon gelaufen. Sie haben ihn nicht gerettet, und sie sind ihm im entscheidenden Augenblick nicht nachgefolgt.
Nur: Gott hat es Ostern werden lassen. Als sie ihn endgültig verloren hatten, da ließ er sich von ihnen finden. Als sie ihn verraten hatten, da kam er und ließ sie nicht allein. Der Auferstandene sucht seine entlaufenen Freunde. Er traut ihnen zu, dass sie ihm nachfolgen. Der auferstandene Christus ist barmherziger als der Jesus, der Petrus zurechtweist.
Vielleicht begreifen wir: Gott hat am Kreuz nicht verloren, sondern gewonnen. Gott ist nicht auf der Seite der Starken, sondern der Leidenden. Gott ist da. Gerade auch im Leid und wenn es Nacht wird. Alles ist umfangen von seiner Güte.
Amen.
Gebet zum Eingang
Wir bitten, Gott, um deine Nähe.
Wir spüren sie oft nicht.
Wir zweifeln an ihr oder übersehen sie.
Gib uns Ohren nach innen, deine Stimme zu erlauschen.
Gib uns Augen nach innen, deine Wegspur zu entdecken,
wenn sie durchs Dunkel führt.
Du hast verheißen, dass dein Engel uns leiten werde,
sodass wir einander bei der Hand nehmen können,
auch als Gemeinde in diesem Gottesdienst.
Amen.
Nach Wolf-Dietrich Hardung, in:
Gottesdienstpraxis Serie A, II/3, hrsg. von E. Domay, Gütersloh 1992
Fürbittengebet
Gott, wir danken dir, dass du uns in Jesus Christus nahe gekommen bist.
Als unser Bruder ist er den Weg der Liebe gegangen.
Er ist den Schwierigkeiten nicht ausgewichen,
er hat das Leiden auf sich genommen.
Hilf uns, dass wir uns nicht festhalten wollen,
an dem, was wir sind und was wir haben.
Lass uns frei werden von ängstlichem Besorgt sein um uns selbst.
Lass uns immer wieder neu den Weg zum Leben finden.
Wir bitten dich für die Menschen,
die gefangen sind in Angst und in Misstrauen,
für die, die nur die Probleme sehen und nicht herausfinden.
Lass in ihnen Vertrauen wachsen und Freude am Leben.
Vor dich bringen wir die Not in . . .
Wir denken an . . .
Lass uns leben im Vertrauen darauf, dass du alles zu deinem Ziel bringst;
und lass uns unseren Auftrag in dieser Welt erkennen
und entschlossen die nötigen Schritte gehen.
Amen.
Richard Haug, Lektoren Vorlage, Estomihi 2003
Verfasser: Dekan i. R. Eberhard Dieterich
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