Wochenspruch:
„Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn.“ (Lukas 18, 31)
Psalm: 31, 2 – 6
Lesungen
Altes Testament: Amos 5, 21 – 24
Epistel: 1. Korinther 13, 1 – 13
Evangelium: Markus 8, 31 – 38
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 449 Die güldne Sonne
Wochenlied: EG 413 Ein wahrer Glaube Gotts Zorn stillt
Predigtlied: EG 414 Lass mich, o Herr, in allen Dingen
Schlusslied: EG 295 Wohl denen, die da wandeln
Liebe Gemeinde,
grade ging die Meldung durch die Presse: Ein chinesischer Multimillionär beabsichtigt ein große Stück Land auf Island zu kaufen. Weltweit kaufen sich reiche Leute in meist ärmeren Ländern der Erde ein, zum Teil recht große Landstücke. Auch große Ackerflächen gehen in den Besitz ausländischer Investoren über und die einheimischen Bauern können das Land nicht mehr bebauen. Hier bezahlen die Armen für den Wohlstand der Reichen.
Ist Ihnen aufgefallen, dass in Supermärkten fast keine krummen Karotten mehr angeboten werden? Lebensmittel, die nicht der Norm entsprechen, werden in unseren Supermärkten aussortiert. Von den Äckern werden bereits zu kleine oder verformte Kartoffeln nicht abgeerntet. Jedes fünfte Brot wird weg-geworfen. Die Hälfte unserer Lebensmittel landet im Müll: Statt frisch auf den Tisch gilt hier eher das Motto: Frisch in die Tonne. Manche Supermärkte schließen ihre Mülltonnen ab, damit niemand die frischen Lebensmittel herausnimmt. Von den weltweit weggeworfenen essbaren Lebensmitteln können alle Hungernden dieser Erde satt werden. Können wir noch stolz sein auf unsere Esskultur, bei der die Tonne genau so voll ist wie der Tisch?
Auch in anderen Bereichen unseres Verbraucherverhaltens frönen wir der Verschwendungs- und Wegwerfkultur: Immer neuer, immer schöner und immer größer soll es sein. Für unsere Verschwendung wird der Regenwald abgeholzt. Unsere Verschwendung verstärkt den Hunger in der dritten Welt. Wieder bezahlen die Armen für den Wohlstand der Reichen.
Ein Blick hinter die Kulissen des Finanzmarktes lässt es uns kalt den Rücken runter laufen. Führende deutsche Finanzdienstleister finanzieren Geschäfte von Streumunitionsherstellern. Dabei interessiert offenbar nicht, dass Deutschland - wie auch über 100 weitere Staa-ten - diese Waffen seit 2010 ächten und die Oslo-Konvention zum Verbot von Streumunition unterzeichnet haben. Streubomben breiten sich, sobald sie vom Flugzeug abgeworfen sind, zu einem Bombenteppich aus und zerstören großflächig Land und Lebewesen. Wegen der sehr hohen Anzahl der Blindgänger bleiben sie auch nach Kriegs-ende gefährlich. 100 000 Menschen, fast ausschließlich Zivilisten, sind Opfer dieser Streubomben. Ungeachtet dessen bauen deutsche Finanzinstitute ihre Geschäfte mit Streubombenherstellen tatsächlich noch weiter aus: Nicht nur große deutsche Banken, sondern auch Versicherungsunternehmen, sogar mit zum Teil steuerlich geförderten Riesterfonds! Dagegen gelten in 16 anderen Staaten wie z. B. Frankreich und England bereits Investitionen in Streubomben durch die Osloer Konvention als verboten. Während wir auf günstige Zinssätze und vorteilhafte Versicherungsbedingungen schauen, werden Kinder und Erwachsene in ehemaligen Kriegsländern zu Krüppeln oder in die Luft gesprengt. Und wieder zahlen die Armen mit Leib und Gesundheit für unseren Wohlstand.
Außer den hier genannten Beispielen gibt es noch viele andere Zusammenhänge und Verstrickungen, die nicht auf den ersten Blick zu durchschauen sind. Wegen der weltweiten Vernetzung von Handel, Wirtschaft und Finanzen sollten wir beim Einkaufen informiert sein. Es lohnt sich, die Augen vor diesen Zusammenhängen nicht zu verschließen, sondern wachsam zu sein und sich immer wieder zu informieren, was miteinander verknüpft ist. Bei der Wahl unserer Produkte, durch unser Konsumverhalten bestimmen wir mit, ob Mitmenschen ausgebeutet werden oder nicht.
In dem Predigttext geht es um Recht und Gerechtigkeit, die Säulen des Staates. Im günstigsten Fall ist der Staat eine Gemeinschaft, in der sich jeder und jede um Gerechtigkeit bemüht. Alle sind nicht nur um das eigene Wohlergehen besorgt, sondern auch um das der Anderen. Zurzeit des Propheten Amos war das wohl noch besser zu überschauen; da endete der Staat an den geografischen Grenzen; heute geht es über die nationalen und kontinentalen Grenzen hinaus.
Der Prophet Amos platzte damals mitten in den Gottesdienst hinein und übte heftige Kritik aus. Er sprach mit Vollmacht Gottes in der Ich-Form: Ich bin euren Feiertagen gram und verachte sie und mag eure Versammlungen nicht. Auch habe ich keinen Gefallen an euren Opfern. Lieder und Harfenspiel mag ich nicht hören. Amos wendet sich nicht gegen den Gottesdienst an sich oder gegen die Opfergaben, sondern Amos deckt auf: Was war für die Menschen damals, was ist für uns heute „Gottesdienst“. Denn davon, wie wir Gottesdienst verstehen und feiern, hängt ab, was und wie wir es mit Gott meinen. Auf die Motivation kommt es an. Reiche Opfergaben oder großzügige Geldspenden heben soziales Unrecht und das Fehlverhalten in mitmenschlichen Beziehungen nicht auf. Wo die Nächstenliebe mit Füßen getreten wird, sind Spenden umsonst.
Entscheidend für den Gottesdienst sind nicht die Formen, mit denen wir feiern, sondern wie er sich im Alltagsleben auswirkt. Wie verhält sich der Gottesdienst zum Menschendienst, wie die Sammlung vor Gott zur Sendung in die Welt? Wie wird aus unverbindlichem Feiern ein verbindlicher Dienst? Wer zu Jesus Christus kam und nach Gott oder Gottes Reich fragte, den verwies Jesus an seine Mitmenschen und fragte ihn nach seinem Tun. Im Gottesdienst hören wir zu, um im Alltag richtig zu reden. Im Gottesdienst beten wir, um im Alltag diese Gottesgemeinschaft durchzuhalten. Gottesdienst ist Kraftquelle für den Alltag.
Gottesdienst in der Kirche wird zum Auftrag in der Welt. Gott dient uns im Gottesdienst mit seinem Wort und Sakrament und wartet auf Antwort sonntags und werktags. Im Gottesdienst kann man sich selbst suchen, aber darauf kommt es nicht an, sondern auch im Alltag sollen wir lebendige Glieder der christlichen Kirche sein. Die Worte von Amos, unser heutiger Predigtext, wollen zum rechten Gottesdienst führen, der auch das ganze Leben umfasst. Ziel ist die Umkehr zum Leben. Wir können uns fragen, war der Gottesdienst nur Sammlung oder diente er auch der Sendung, zum Dienst für Menschen und für die Schöpfung, führt er uns neu in die Welt hinaus?
Klaus Nagorni hat eine “Kleine Selbsterforschung“ geschrieben:
Auf welchen Schultern stehst du?
In wessen Spuren gehst du?
Mit welchen Augen siehst du?
In welchen Büchern liest du?
Mit welchem Segen lebst du?
An welchen Plänen webst du?
An welchen Orten weilst du?
Und wessen Leben teilst du?
Amos fordert: Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.
Das Recht ist verschüttet und die Gerechtigkeit bleibt auf der
Strecke. Amos vergleicht das Recht mit Wasser und die Gerechtigkeit mit einem beständigen Bach, der nie versiegt. Wasser ist lebensnotwendig, ohne Wasser ist kein Leben möglich. So wie wir Menschen Wasser brauchen, so brauchen wir auch das Recht. Das Recht ist da, Gott hat es aufgestellt. Wir Menschen dürfen es nicht beugen und nicht verschütten, sondern es soll strömen wie Wasser.
Die Antwort der Menschen auf das von Gott aufgestellte Recht ist die ausgeübte Gerechtigkeit. Sie soll sprudeln wie ein nie versiegender Bach, der das Gedeihen der Vegetation gewährleistet, weil er auch in der Trockenheit der Sommer nicht versickert. Einen solchen Quell der Gerechtigkeit braucht die Gemeinschaft der Menschen, unsere „Eine Welt“. Der sprudelnde Bach weist auf die Dynamik der Gerechtigkeit hin, die in Bewegung ist, voranschreitet und weiter um sich greift. Wie es auf die Beständigkeit des fließenden Wassers ankommt, kommt es auch auf die Kontinuität der Rechtsausübung an. Die Beständigkeit entscheidet über die Brauchbarkeit und Glaubwür-digkeit eines Rechtssystems.
Die Realisierung des Rechts, die Gerechtigkeit, ist das Lebenswasser, ohne das eine Gemeinschaft keine Zukunft hat. In einer Gemeinschaft, in der jeder Einzelne das Gute liebt und das Böse hasst, wird sich das Recht wie Wasser ergießen und die Gerechtigkeit wie ein immer fließender Bach, treu und beständig. Hier geht es um die Menschlichkeit, um die Hingabe an den Mitmenschen.
Ohne die Überwindung des Egoismus und ohne dem Mitmenschen zu seinen legitimen Ansprüchen zu helfen, entsteht keine Gerechtig-
keit. Hier beginnt für Christen der Gottesdienst im Alltag und für Nichtchristen der Dienst am Menschen. So wird uns Gott zum starken Felsen.
Verfasserin: Dr. Marilott Grosch
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