Wochenspruch:
„Der Menschensohn muss erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.“
(Johannes 3, 14 b.15)
Psalm: 69, 2 – 4.8 – 10, 21 b – 22.30 (EG 731)
Lesungen
Altes Testament: Jesaja 50, 4 – 9
Epistel: Philipper 2, 5 – 11
Evangelium: Johannes 12, 11 – 19
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 91 Herr, stärke mich, dein Leiden
Wochenlied: EG 452 Er weckt mich alle Morgen
Predigtlied: EG 351 Ist Gott für mich, so trete
Schlusslied: EG 171 Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott
Liebe Gemeinde,
manchmal sagen Leute: „Ich gehe sonntags morgens in den Wald, das ist für mich wie Gottesdienst.“ Auf meinen skeptischen Blick hin verstärken sie noch ihre Aussage: „Ich genieße Gottes herrliche Schöpfung und danke ihm dafür.“ Gewiss, Gott zu danken ist eine wunderbare Sache. Aber ist Gottesdienst nicht vielmehr als das? Ist Gottesdienst nicht auch die Gemeinschaft mit anderen Christen und vor allem das Hören auf Gottes Wort? Und letztendlich das Weitersagen von Gottes Wort!
Der Prophet, der unter dem Namen Jesaja geschrieben hat und deshalb Deuterojesaja – der zweite Jesaja – genannt wird, hat auf Gottes Wort gehört. Er hat lange den Mund gehalten und auf das gelauscht, was Gott ihm zu sagen hatte. Er hat dies alles aufgenommen und in seinem Herzen bewegt, so wie Gott es ihn gelehrt hat, der ihm selbst das Ohr geöffnet hat. Alle Morgen weckt Gott dem Propheten das Ohr, also zur rechten Zeit und nie zu spät.
Auch hat Gott, der Herr, ihm eine Zunge gegeben, wie sie Jünger haben, dass er weiß, wie er zur rechten Zeit mit den Müden rede. Die Müden sind die Glaubensmüden, die schon resigniert haben. Der Prophet soll sie aufrichten und ihr Vertrauen in Gott festigen. Mit fester Zunge, nicht mit Ge-stammel, sondern mit geübter Rede soll er sie Glaubensmüden aufrichten. Seine Aufgabe ist es – wie es eigentlich unser aller Auftrag ist – die Botschaft Gottes weiter zu sagen.
Vom Ohr und von der Zunge ist hier die Rede, also vom Hören und vom Sprechen. Zwischen beiden gibt es einen Zusammenhang. Wir kennen ja die Schwätzer, die sich laufend mitteilen müssen, deren Gerede aber hohl und nichtig ist, weil sie sich nicht die Zeit nehmen, zuerst einmal zuzuhören. Anders der Prophet: Er hat geduldig und gehorsam auf Gottes Botschaft gelauscht und sie dann zur rechten Zeit weitergesagt. Wer Gottes Wort zu sagen hat, braucht also nicht der Eile und dem Geschwätz verfallen, sondern kann sicher und gelassen sprechen. So kann er die Glaubensmüden mit Verständnis und Einfühlungsvermögen wieder aufrichten. Das gilt damals so wie heute.
Der Prophet war gehorsam und ist nicht zurückgewichen. Ohne zu zögern und ohne widerspenstig zu sein, antwortet er auf Gottes Ruf. Er spricht und schreibt für die deportierte israelitische Oberschicht im Exil. Er tröstet sein Volk, die Müden, die im Glauben ermüdet sind, weil sie kaum mehr an eine Heimkehr nach Israel, in ihr Heimatland glauben. Er macht ihnen Mut und spricht von der kommenden Erlösung. JHWH selbst, der Gott Israels wird sein Volk erlösen. Dabei wird sich Gott als der Herr der Geschichte erweisen. Und das ist neu. Bei Jesaja und den anderen bisherigen Propheten war JHWH immer der Gott Israels, der Deuterojesaja aber erkennt ihn als den Herrn der Geschichte. Für Deuterojesaja ist das Schaffen Gottes etwas, das immer wieder neu geschieht, nicht nur in der Schöpfung, sondern auch in der Geschichte der Völker, in der Neuschöpfung und in der Wandlung. Die Völker sollen Gott erkennen: Gott ist der einzige Befreier, der wahrhaftige Gott.
Durch Gottes Führung befreit der Perserkönig Kyros die israelitische Oberschicht aus der babylonischen Gefangenschaft. Aber der Gottesknecht, dem Gottes Wille wichtiger ist als alles Andere, der soll die Völker, nicht nur Israel, von ihrer Schuld erlösen.
Deuterojesaja baut auf den Aussagen von Jesaja (dem ersten Jesaja) auf und entwickelt dabei eine neue Theologie. Sein Buch ist – bis auf einige spätere Einschübe – ein geschlossenes Werk.
Kyros wird also die babylonische Herrschaft beenden und Israel befreien. Deuterojesaja sagt den Niedergang des babylonischen Reiches voraus. Das gefiel den Babyloniern jedoch ganz und gar nicht. Vielleicht hörten es auch einige Israeliten nicht gern, die sich in Babylon arrangiert hatten und möglicherweise dort zu Ansehen gekommen sind. Vor allem die Babylonier demütigten und schlugen den Propheten und rupften ihm die Barthaare aus (wie auch in unserem Land SS-Angehörige wehrlosen alten Juden den Bart ausrissen). Der Prophet beugt seinen Rücken den Schlägern. Zusätzlich wird er beschämt und angespuckt. Er ist der leidensbereite Gottesknecht. Er schlägt nicht zurück. Er erträgt die Schmerzen.
Gegen die Beleidigungen und seelischen Verletzungen (Barthaare ausreißen, anspucken, usw.) aber leistet er passiven Widerstand! Die Schmach empfindet er nicht als solche, da er weiß, dass Gott ihm hilft: „Darum werde ich nicht zuschanden. Deshalb hab ich mein Angesicht hart gemacht wie einen Kiesel-stein; denn ich weiß, dass ich nicht zu Schanden werde.“ Der Gottesknecht verlässt sich ganz und gar auf Gott. Und deshalb muss er die Schläge, das Bartausreißen und das Bespucken nicht als Schande zu empfinden. Er macht sein Gesicht hart wie einen Kieselstein, wie einen Stein, der nichts spürt.
Der Gottesknecht übernimmt den Auftrag Gottes. Aber nicht, weil er dazu besonders geeignet ist, sondern weil er bereit ist, einen schweren und leidvollen Weg mit Gott zu gehen; weil er Gottes Willen zu erfüllen bereit ist. Zwei Mal sagt er: „Gott, der Herr, hilft mir.“ Ohne die Hilfe Gottes kann er diese harten Anfechtungen nicht bestehen. Aber mit Gottes Hilfe kann er das Schlimme erdulden.
Die Hilfe kommt ganz konkret: Sie äußert sich im Rechtsbeistand Gottes, der ihn – wie in einem Prozess – verteidigen wird. Die Unschuld des Gottesknechts wird sich – dank Gottes Hilfe – heraus stellen. Wie gerne würde fast jeder – vor allem auch Nicht-Gläubige – Gottes Botschaft verkünden, wenn er dann vom Volk gefeiert würde, wenn er als Übermittler von Gottes Wort hohes Ansehen erlangen könnte. Heute würden viele dafür alles tun, egal, ob sie der Nachricht trauen würden oder nicht: Der Lohn wäre das Ziel!
Anders der Gottesknecht: Sein Ziel ist Gott! Er handelt im Glauben an Gott und im Vertrauen auf Gottes Botschaft. Er fragt nicht, was werde ich dafür erhalten oder wie wird es mir damit gehen? Sondern er führt ohne zu zögern Gottes Auftrag aus.
In Zeiten der Anfeindungen und in großer Not sind wir Glaubensanfechtungen ausgesetzt, die das Vertrauen in Gott erschüttern können. Wir brauchen dann Menschen, die uns Mut zusprechen und unseren Glauben stärken. Möge Gott uns die Gewissheit geben, wie sie der Gottesknecht hatte. Er weiß: „Gott ist nahe, der mich gerecht spricht“ und „Gott der Herr hilft mir“. Leiden, Qual, Verzweiflung, damit können wir nicht allein fertig werden. Sie werden zu Ende gehen, weil es Gott gibt. In unserer Schwachheit wird Gott uns nicht alleine lassen. Er wird uns ins Recht setzen, damit die härtesten Anfechtungen wirkungslos bleiben. Aus diesem Vertrauen wächst eine große seelische Kraft. Durch diese Kraft sind Qual, Leid und Not leichter zu ertragen und können abprallen wie die Spucke auf kieselsteinharter Gesichtsoberfläche.
Dem Deuterojesaja ging es nicht um sich; er hat unter dem Namen des Jesaja geschrieben und blieb selbst namenlos. Ihm ging es um Gott und darum, was Gott ihm zu sagen hatte. Unser Predigttext ist das dritte der sogenannten Gottesknechtslieder im Buch des Deuterojesaja. Es weist auf Jesus Christus hin, dem auch Gottes Wille wichtiger ist als alles andere und der die Völker von ihrer Schuld erlösen wird. Das Vertrauen auf Gott ermöglicht den passiven Widerstand in den Anfechtungen, den Schmähungen und Folterungen. Zu diesem Vertrauen gehört die Überzeugung, dass Gott nicht gleichgültig die Not mit ansieht, sondern ins Recht setzt; Gott ist der, der hilft und gerecht spricht.
Deshalb werden die, die den Gottesknecht verdammen, „wie Kleider zerfallen, die die Motten fressen“. Die Feinde werden untergehen. Menschliche Bosheit ist letzten Endes zum Scheitern verurteilt. Amen.
Verfasserin: Dr. Marilott Grosch
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