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Jesus, das Brot des Lebens

von Gundula Guist (Usingen)

Predigtdatum : 14.03.2021
Lesereihe : III
Predigttag im Kirchenjahr : Lätare
Textstelle : Johannes 12,20-24
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Wochenspruch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. (Johannes 12,24)

Psalm: 84,2–13

Lesungen

Reihe I: Johannes 6,47–51
Reihe II: Jesaja 66,10–14
Reihe III: Johannes 12,20–24
Reihe IV: 2. Korinther 1,3–7
Reihe V: Jesaja 54,7–10
Reihe VI: Lukas 22,54–62

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 444, 1.4.5 Die güldene Sonne
Wochenlied: EG 396, 1-3 Jesu, meine Freude
Predigtlied: EG 98 Korn, das in die Erde
Schlusslied: EG 398 In dir ist Freude

Predigttext Johannes 12,20-24

20 Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest.
21 Die traten zu Philippus, der aus Betsaida in Galiläa war, und baten ihn und sprachen: Herr, wir wollen Jesus sehen.
22 Philippus kommt und sagt es Andreas, und Andreas und Philippus sagen's Jesus.
23 Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde.
24 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.

Hinführung

Der Text gehörte schon vor der neuen Perikopenordnung zum Sonntag Lätare, ist aber verkürzt worden. Die Verse, die die Nachfolge betonen (Vers 25 und 26 in der alten Perikopenordnung), sind weggefallen. Damit verschiebt sich der Schwerpunkt zugunsten der Frage der Griechen und dem Bild Jesu vom Weizenkorn. Ich habe für meine Predigt, die Frage der Griechen als Ausgangspunkt genommen und von dort aus versucht, das Bild vom Weizenkorn zu interpretieren.

Predigt

(K)ein Videobeweis für ein Weizenkorn

„Wir wollen Jesus sehen“ – hier kommen welche und fordern einen Videobeweis.

Ich denke, Sie kennen das alle – sei es aus dem Stadion direkt oder aus den Übertragungen von Fußballspielen: Es gibt eine ungeklärte Situation. Meist geht es darum, ob nun ein elf Meter gegeben wird oder nicht, oder ob das Tor zählt oder nicht. Wenn der Schiedsrichter einen Videobeweis braucht, dann ist er sich nicht sicher: War das nun ein Foul oder nur Fake, also eine Schwalbe? War der Ball im Tor oder nicht? Jubelt die eine Mannschaft zurecht – oder muss ich sie zurückpfeifen? In diesem Fall macht er diese typische Handbewegung (Handbewegung vormachen), spurtet zum Spielfeldrand, um dann erst einmal vor den Bildschirmen zu verschwinden. Da können dann schon einige Minuten vergehen. Diese Zwischenzeit nutzt die Übertragung, um nochmal Szenen aus dem Spiel Revue passieren zu lassen. Vor allem natürlich die umstrittene letzte wird nochmal ganz langsam, in Zeitlupe gezeigt. Manchmal wird der Videobeweis auch von den Spielern, dem Trainer oder dem Publikum eingefordert. Video ist lateinisch und heißt übersetzt: „Ich sehe“.

Wir wollen Jesus sehen“ – den Videobeweis fordern in unserer kleinen Szene heute einige Griechen ein. Sie wenden sich an die Jünger, deren Namen ebenfalls eine griechische Herkunft nahelegen: an Philippus und Andreas. Die beiden wiederum laufen zu Jesus um sich mit ihm zu beraten.

In der Zwischenzeit haben die Griechen mit den anderen Jüngern Zeit, nochmal Revue passieren zu lassen, warum sie Jesus denn sehen wollen.

Das ist leicht zu erklären. Wahrscheinlich haben die Griechen gehört, wie Jesus gerade mit viel Applaus und Zustimmung in Jerusalem eingezogen war. Dumm, wenn man so einen Event verpasst. Da will man doch wenigstens anschließend mal schauen, was das für ein Mann ist. Und man will wissen: Jubeln die da zu Recht? Ist das dieser Mann wirklich wert?
Außerdem wird erzählt, dass er kurz vor dem Einzug den totgeglaubten Lazarus auferweckt. Der soll schon gestunken haben, als er aus der Grabhöhle herauskam. Eine Totenauferweckung - kaum glaubhaft für aufgeklärte Griechen. Ist das nun Fake oder echt? Der von dem das behauptet wird, den möchte man doch zu gern einmal persönlich sehen und ihm vielleicht auch auf den Zahn fühlen. Die Griechen wollen sich also nachträglich vergewissern, wer dieser Jesus ist – und ob er wirklich so toll ist, wie alle Welt sagt. Sie fordern einen Videobeweis für sich ganz persönlich.

Die Antwort von Jesus ist zunächst vielversprechend: „Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde.“ Er scheint sich also auf diesen Beweis einzulassen. Wie so eine Verherrlichung wohl aussieht? Das kann spannend werden.

Dann aber werden die Zuschauer*innen und Zuhörer*innen enttäuscht: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein. Wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“

Was soll das jetzt heißen? Ein sterbendes Weizenkorn verschwindet in der Erde. Das ist das Gegenteil von Verherrlichung. Nur wenn es mit Erde bedeckt ist, wenn es begraben wird, kann es Frucht bringen. Sehen tut man da erst einmal gar nichts. Im Gegenteil: man sieht noch weniger als vorher. Hat man das Weizenkorn erst noch in der Hand, ist es dann im Nirgendwo des Ackers verschwunden. Bis zur Frucht muss man sich schon eine ganze Weile gedulden!! Soll das heißen, dass Jesus erst einmal verschwindet?

Platt gesagt: Ja! Hier scheint ein Problem auf, dass wir bis heute haben: Jesus ist verschwunden. Man sieht ihn nicht mehr. Tausende von Jahre decken ihn für uns zu. So ein Videobeweis wäre klasse. Müsste ja auch gar nicht viel sein. Nur mal so eine Erscheinung – sagen wir mal alle 40 Jahre – das würde ja schon reichen. Aber: seit 2000 Jahren sehen wir eigentlich NICHTS. Nur ein paar Jüngerinnen und Jünger, ganz am Anfang, die hatten es gut. Die bekamen den Videobeweis. Die waren dabei bei der Auferstehung und haben ihn gesehen. Wir aber, wir sehen nur den anscheinend toten Acker, die nackte Erde, den Staub von Jahrhunderten.

Und da kann man sich schon fragen: Trägt das denn alles? Hat Jesus wirklich die Macht gehabt, Menschen aufzuerwecken – oder war das Fake? Ist er wirklich der Messias auf den alle gewartet haben? Ist er tatsächlich auferstanden – oder war das nur ein großer Betrug? Die Welt hat sich nicht wirklich verändert seit damals. Immer noch Krieg und Leid, Krankheit, Tod und Furcht. Für wen oder was steht das Weizenkorn, von dem Jesus hier spricht? Und wer oder was ist die Frucht? Was heißt das für uns, für mich heute?

Im Vorderen Orient war es damals Brauch, bei der Aussaat zu weinen. Denn das Aussäen der Getreidekörner war jedes Mal auf’s Neue riskant. Damals gab es keine Rückversicherung, keine Reserve, kein soziales Netz, das einen auffing, wenn man sich selbst nicht versorgen konnte. Es stand immer die ganze Existenz auf dem Spiel. Wer weiß schon bei der Aussaat, ob die Ernte gelingen wird?!

Jesus nimmt das Weizenkorn, das gesät wird, als Bild für sich selbst. Auch er riskiert alles, sein Leben. Wie ein Weizenkorn wird auch er begraben werden, nicht mehr sichtbar sein, verborgen sein. Und doch wird sich im Verborgenen etwas ereignen, das wächst, dann immer größer wird und schließlich viel Frucht bringt: also eine große Wirkung hat. Das, so können wir sagen, stimmt, aus der Sicht des Glaubens heraus. Jesu Auferstehung hatte wirklich eine große Wirkung. Kurzgesagt zeigt sie uns, dass Sünde und Tod überwunden sind und allen Menschen der Weg zu Gott offensteht. Diese Botschaft von der Auferstehung Jesu war die Grundlage für das Entstehen der ersten Christusgläubigen und sie ist die Grundlage der Kirche bis heute. Sie war und ist das Lebenselixier und die Hoffnung für Abermilliarden von Menschen durch viele Jahrhunderte hindurch. Dieses Weizenkorn Jesus bewegt bis heute. Ist das nicht Beweis genug?

Trotzdem: Ich kann die Griechen gut verstehen. Sie wollen es genau wissen. Sie wollen selbst sehen und es nicht von anderen erzählt bekommen. Waren Sie mit der Antwort von Jesus zufrieden?

Wir wissen es nicht. Es wird nicht erwähnt, ob sie das einsichtig fanden, was Jesus gesagt hatte. Wir wissen nicht, ob ihre Neugier damit befriedigt wurde, ob sie sich Jesus vielleicht sogar angeschlossen haben. Es wird nicht einmal erwähnt, ob die Jünger zu ihnen wieder zurückgekehrt sind, um ihnen die Antwort mitzuteilen. Es ist also nicht klar, ob die Griechen damals ihren Videobeweis bekommen haben oder nicht.

Für uns allerdings ist klar: wir werden den Videobeweis nicht bekommen. Die Zeit vor Ostern, die Fastenzeit ist eine Zeit des Vorbereitens und des Wartens auf die Kar- und Osterwoche. Sie ist ein wenig so, als ob der Schiedsrichter sich am Spielrand vor den Wiedergabegeräten befindet und wir auf dem Spielfeld stehen und uns nun fragen: Tor oder nicht Tor? Tot oder nicht tot? Auferstehung oder nicht Auferstehung? Den Beweis, den wir dann an Ostern geliefert bekommen, erfolgt durch die Berichte der ersten Zeugen. Worte bekommen wir, aber keine Video-Bilder. Das überzeugt viele – aber nicht alle. Auch das wissen wir. Der Blickwinkel ist unterschiedlich. Mancher sieht mit Jesus damit den Messias als gekommen an, andere nicht. Manche glauben, andere nicht. Und bis zur endgültigen Wiederkunft Christi wird sich daran wohl auch nichts ändern.

Unser Glaube hält das aus, den Zweifel. Niemand verurteilt die Griechen dafür, dass sie sehen wollen. Das ist verständlich und menschlich. Der zweifelnde Thomas hat es an Ostern gut. Ihm hilft der Auferstandene, indem er ihn auffordert, seine Wunden zu berühren. Doch auch er bekommt gesagt: „Glücklich sind die zu nennen, die nicht sehen und trotzdem glauben.“ (Joh. 20,29)

In Glaubensdingen gibt keine letzten Beweise, keine Video-Bilder.  Aber es gibt Bilder, die von Hoffnung sprechen.  
Jesus drückt durch das Bild vom Weizenkorn aus, dass er in der Zuversicht ans Kreuz geht, dass sein Tod Wirkung haben wird. Er stirbt in der Gewissheit, dass Gott ihn nicht im Tod lässt, sondern ihn zu sich ruft. Er gibt sein Leben mit der Überzeugung, dass dadurch eine große Wirkung entsteht: Menschen werden ihr Leben nach der Liebe zum Nächsten ausrichten und in Ehrfurcht vor Gott leben. Sie werden sich taufen lassen und sich Christinnen und Christen nennen, Abendmahl feiern und ihre Gemeinschaft pflegen. Und viele von ihnen werden sich nicht mehr fürchten, nicht einmal mehr vor dem Tod.

In diese Gewissheit haben sich seit Jahrhunderten viele Menschen eingeklinkt – mal mit viel, mal mit weniger Überzeugung – mal mit mehr, mal mit weniger Zweifel. Wie wir alle heute Morgen hier. Zweifel sind also erlaubt, aber auch Glauben.

Amen.

Verfasserin: Pfarrerin Gundula Guist, Hintergasse 6a, 61381 Friedrichsdorf   


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