Wochenspruch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. (Johannes 12,24)
Psalm: 84,2-13
Reihe I: Johannes 6,47-51
Reihe II: Jesaja 66,10-14
Reihe III: Johannes 12,20-24
Reihe IV: 2. Korinther 1,3-7
Reihe V: Jesaja 54,7-10
Reihe VI: Lukas 22,54-62
Eingangslied: EG 398 In dir ist Freude
Wochenlied: EG 396 Jesu, meine Freude
Predigtlied: EG 372 Was Gott tut, das ist wohlgetan
Schlusslied: EG 79 Wir danken dir, Herr Jesu Christ
10 Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über die Stadt, alle, die ihr sie lieb habt! Freuet euch mit ihr, alle, die ihr über sie traurig gewesen seid.
11 Denn nun dürft ihr saugen und euch satt trinken an den Brüsten ihres Trostes; denn nun dürft ihr reichlich trinken und euch erfreuen an ihrer vollen Mutterbrust.
12 Denn so spricht der HERR: Siehe, ich breite aus bei ihr den Frieden wie einen Strom und den Reichtum der Völker wie einen überströmenden Bach. Da werdet ihr saugen, auf dem Arm wird man euch tragen und auf den Knien euch liebkosen.
13 Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet; ja, ihr sollt an Jerusalem getröstet werden.
14 Ihr werdet's sehen und euer Herz wird sich freuen, und euer Gebein soll grünen wie Gras. Dann wird man erkennen die Hand des HERRN an seinen Knechten und den Zorn an seinen Feinden.
Liebe Gemeinde,
in vielen Kirchengemeinden ist der heutige Sonntag Lätare – mitten in der Passionszeit – mehr als nur ein Passions-sonntag. Sommertag heißt er vor allem in Gemeinden der Vorderpfalz. Umzüge gehören dazu; Stäbe werden mit Bändern und einer Brezel geschmückt und in einem Umzug durch den Ort getragen. Der Höhepunkt dieses festlichen Tages ist mancherorts das Verbrennen des Winters. Eine Strohpuppe, im Umzug mitgeführt, wird verbrannt. Die Menschen singen Spottlieder, der Winter geht zu Ende.
Freude ist angesagt. Die traurige und trostlose Winterzeit ist so gut wie vorbei. Heute darf, heute soll gefeiert werden! Wer fände das nicht schön?
Das passt auch traditionell gut mitten in die Passionszeit. Die Menschen haben sich immer ein wenig schwergetan, Fasten-zeiten ohne Unterbrechung zu begehen. Sieben Wochen ohne – in der Passionszeit – sind schon ambitioniert; genauso wie vier Wochen ohne - auch noch im Advent! – ja so gut wie gar nicht geht. Da muss man schon sehr engagiert religiös sein wollen.
Im dritten Teil des Jesaja- Buches geht es nicht um jahres-zeitliche Feste. Es geht auch nicht um ein kurzes religiöses Entspannen in einer Zeit von Passionsandachten, zusätzlich zu den üblichen Gottesdiensten. Die Worte des Autors sind vor gut zweieinhalbtausend Jahre geschrieben worden. Aber es gibt überraschende Ähnlichkeiten zum heutigen Sonntag Lätare. Und die Botschaft lässt sich gut auch an diesem Tag erfragen und sagen.
Der Einfachheit halber nennen wir den Autor auch Jesaja. Er hat sich in Jesajas Tradition gesehen. Er schreibt; er ruft auf; er malt lebendige Bilder: Freut euch mit Jerusalem! Seid fröhlich über die Stadt, alle, die ihr sie liebt! Freut euch mit ihr, alle, die ihr über sie traurig gewesen seid. Denn nun dürft ihr saugen und euch satt trinken an den Brüsten ihres Trostes; denn nun dürft ihr reichlich trinken und euch erfreuen an ihrer vollen Mutterbrust.
Das ist Lätare! Freude um Gottes Willen ist nicht nur erlaubt. Sie ist geradezu erwünscht! Da ist das pralle Leben! Da ist pure Lust! Weicht, ihr Trauergeister, denn mein Freudenmeister, Jesus, tritt herein. Denen, die Gott lieben, muss auch ihr Betrüben lauter Sonne sein. So klingt es in unserem Gesangbuch. Das dürfen wir herzlich und lustvoll mitsingen.
Natürlich will sich nicht jedermann zum Freuen auffordern lassen. Wir sagen deshalb manchmal, dass Leute zum Lachen in den Keller gehen. Am Beispiel von Fasnacht kann man es zeigen. Manche Menschen sagen dazu: Ich lass mir doch nicht vorschreiben, wann und warum ich lustig oder fröhlich zu sein habe! Stimmt! Das muss jeder Mensch für sich allein entscheiden.
Aber die Aufforderung Gottes und der Ruf des Propheten haben eine andere Qualität. Da wird gesagt was er zum Freuen findet. Jesaja schaut auf die gesellschaftlichen und politischen Zustände. Es ist schier zum Verzweifeln! Die Menschen sehnen sich nach Freiheit. Die Menschen sehnen sich nach Wohlergehen. Die Menschen sehnen sich nach Leben! Es soll keine Bedrohung, keine Gewalt und keinen Krieg mehr geben. Flucht und Verschleppung sollen endlich Vergangenheit sein!
Der Prophet will, dass die Menschen nicht vergessen, was gewesen ist. All das Unheil, das Menschen einander angetan haben. All die Katastrophen, die sich einander gegenseitig zugefügt haben. Dieses schier endlose Spiel um Sieger und Besiegte, Gewinner und Verlierer. Das ist alles, bloß kein Spiel. Dieses nicht-enden-wollende Gieren nach Macht. Da werden Menschen in Ohnmacht und Verderben gestürzt. Und das Ganze wird mit blutigem und verbissenem Ernst betrieben.
[Hier eventuell aktuelle Beispiele aus der Tagespolitik oder dem gesellschaftlichen Leben.]
Diesen Hintergrund muss man sich vorstellen. Dann kann man verstehen, wie und warum der Prophet zur Freude aufruft. Die Menschen haben genug gelitten; damit muss jetzt Schluss sein. Trost wird den Menschen zugesprochen, Trost von Gott her. Ein Labsal, das sie saugen und einschlürfen dürfen. So saugen Kinder an der Mutterbrust. Und sie leben davon.
Siehe, ich breite aus bei ihr – also bei Jerusalem – den Frie-den wie einen Strom und den Reichtum der Völker wie einen überströmenden Bach. So sagt Gott selbst. Und mit Jerusa-lem ist gewiss nicht nur Jerusalem gemeint. Diesen Frieden breitet Gott selbst aus. Er strömt von hier aus zu allen, die ihn nötig haben. Der Reichtum der Völker läuft über wie ein Bach bei Hochwasser. Er fließt zu allen, damit sie alle Leben in Fülle haben. Niemand muss mehr mit anderen um Frieden oder Wohlergehen streiten. Niemand muss mehr andere um das beneiden, was sie anscheinend mehr haben. Eine neue Zeit bricht an – und sie ist schon zu sehen und zu erleben!
[Hier eventuell konkrete Beispiele, die zeigen, dass Frieden und Gerechtigkeit und Trost schon gegenwärtig sind.]
Viele Menschen werden diese Worte damals gern gehört und angenommen haben: Mehr Menschen werden sie vielleicht noch als Wunschtraum abgelehnt und abgelegt haben. Es könnten genauso gut Worte in unsere Tage sein. Sie passen auch in die aktuelle Weltsituation. Und auch jetzt werden manche diese Worte als Stärkung empfinden. Aber vermutlich mehr Menschen werden sie als fromme Utopie abtun.
Was aber Menschen auch in unseren Tagen sehr persönlich annehmen, das ist das Gotteswort: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet. Alle Menschen erleben traurige Zeiten. Alle erfahren Zeiten der Bedrängnis. Alle kommen manchmal in seelische Nöte. Und alle erleiden Zeiten des Abschieds. Und wir alle dürfen glauben, was Gott durch den Propheten sagt. Wir dürfen es glaubend weiterleben und weitergeben. Gott, der das gesagt und versprochen hat, der wird uns auch in allem andern begleiten. Das allein ist schon ein wunderbarer Grund zur Freude, nicht bloß in der Mitte der Passionszeit. AMEN
Verfasser: Dekan i. R. Christian Rust, Rockenhausen
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