Jesus, das Brot des Lebens
von Jörg Stähler (Biedenkopf)
Predigtdatum
:
03.04.2011
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Okuli
Textstelle
:
Johannes 6,55-65
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Wochenspruch: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ (Johannes 12, 24)
Psalm: 84, 6 – 13
Lesungen
Altes Testament: Jesaja 54, 7 – 10
Epistel: 2. Korinther 1, 3 – 7
Evangelium: Johannes 12, 20 – 26
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 155
Herr Jesus Christ, dich zu uns wend
Wochenlied: EG 98 Korn, das in die Erde
Predigtlied: EG 229 Kommt mit Gaben und Lobgesang oder Wo Menschen sich vergessen (Thomas Laubach)
Schlusslied: EG 396 Jesu meine Freude
Vorüberlegungen:
Der von der Perikopenordnung vorgegebene Text aus Johannes 6, 55 – 65 ist meiner Meinung nach für eine Predigt zu lang und zu dogmatisch-abstrakt. Eine Vielfalt von theologischen Themen klingt an: Abendmahl und die Bedeutung von Brot und Wein, Fleisch und Blut, Eucharistie und Sakrament, Opfer und Menschwerdung, Himmelbrot und Manna, Unverständnis der Jünger und Verrat, Himmelfahrt, Präexistenz des Menschensohnes, Gott-Mensch, Fleisch contra Geist, Erwählung etc.
Exegeten sind sich darin einig, dass dieser Text ein Nachtrag der kirchlichen Redaktion ist. Klaus-Peter Jörns hat sich in seinem Buch „Lebensgaben Gottes feiern, Gütersloh 2007“ mit dem Predigttext kritisch auseinandergesetzt. Der folgende Predigtentwurf hat Johannes 6,58 als thematischen Schwerpunkt: das Brot, das vom Himmel kam.
Liebe Gemeinde,
heute ist der 4. Sonntag in der Passionszeit. Und dieser Sonntag wird ‚Lätare‘ genannt, zu Deutsch: sich freuen. Aber wie kommt so ein Sonntag mitten in die Passionszeit? Worüber kann man sich freuen? Schon mal zu Beginn der Versuch einer Antwort. Vielleicht darüber, dass Christen wissen, was Leib und Seele, was Himmel und Erde zusammenhält? Davon jedenfalls spricht der heutige Predigttext aus Johannes 6,55-65.
Text (beginnend mit Johannes 6, 51a) kann auch schon vorher als Schriftlesung gelesen werden.
Liebe Gemeinde,
mit dem Predigttext werden wir Zeugen eines Gespräches, das einem beim ersten Lesen und Hören merkwürdig vorkommt. Wer nicht die Vorgeschichte des Gesprächs kennt, wird sich mit Recht fragen, um was es hier geht.
Angefangen hatte es mit einem großen Menschenauflauf. Tausende von Menschen waren auf Jesus neugierig geworden. Es hatte sich herumgesprochen, dass er Kranke heilte, dass er Wichtiges zu sagen hatte. So wurde aus dem geplanten Rückzug Jesu in die Abgeschiedenheit eine Großveranstaltung mit großen organisatorischen Herausforderungen. 5000 Männer, und dazu Frauen und Kinder müssen versorgt werden. Fünf Brote und zwei Fische reichen, um alle satt zu machen. Das Wunder dabei ist weniger, dass nur 5 Brote und zwei Fische für diese große Menschenmenge reichen. Das Wunder ist, dass die Menschen miteinander teilen, was sie haben. Miteinander teilen ist immer ein Wunder, eines das wir heute immer weniger erleben. Denn zu oft fragen wir – auch in der Kirche – uns selbst: Was bringt das mir? und immer weniger: was bringt das uns? Damit geht das Wunder des Teilens verloren. Es entsteht eine Schieflage. Wir meinen, durch Egoismus und Ellbogen mehr rausholen zu können und merken erst im Nachhinein, dass wir mehr verlieren als gewinnen.
Jesus konnte sich am Ende des Tages der Menschenmenge entziehen. Am nächsten Tag suchen sie ihn. Wo ist er? Sie hören, in Kapernaum. So fahren sie mit Booten auf die andere Seite des Sees und finden dort Jesus. Sie fragen ihn, und Jesus beginnt davon zu reden, dass der Mensch nicht allein vom Brot lebt. Dass es im Leben mehr geben muss, als ich besitzen kann. Dass der Mensch von Gottes Wort lebt. Und dass der Mensch deswegen nicht allein ist, weil dadurch eine Verbindung besteht zwischen Gott, der Quelle des Lebens und den Menschen.
Vor diesem Hintergrund sagt Jesus: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist.“ Damit geht es um viel mehr als um Essen und Trinken, um Kochduelle, Rezepte, Hygienevorstellungen und Lifestyle. Vielmehr geht es um Leben und Tod, um Auferstehung und ewiges Leben.
Wie aber kann einer den Himmel verkörpern und gleichzeitig den Himmel versprechen? Jesus erklärte seine Botschaft mit Gleichnissen und Geschichten, mit Bildern, die seinen Zuhörenden vertraut waren. So erinnert er an die Geschichte des Volkes Israel in der Wüste. Auch da kam Brot vom Himmel.
Damals befand sich das Volk Israel auf der Wanderung durch die Wüste. Auf dem Weg in die Freiheit musste das Volk einige Durststrecken durchstehen. Einmal schien das Ende gekommen sein, als alle Vorräte aufgebraucht waren und es nichts mehr zu essen gab. Da ließ Gott Brot vom Himmel regnen. So erlebte das Volk Israel, dass Gott mit ihm ist auf dem Weg in das verheißene Land.
Jesus knüpft an diese wundervolle Geschichte an, wenn er sagt: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist.“ Genauso wie das Volk Israel kennen auch wir Wüstenerfahrungen, kennen auch wir Durststrecken. Wir haben einen Lebensplan. Sind gut auf dem Weg, bis sich Dinge ereignen, die danach aussehen, als sei das Ende der Fahnenstange erreicht. Und dann geschehen kleine oder auch große Wunder, und es geht weiter. Anders als geplant, aber so, dass wir erkennen können, Gott kann auch aus Schwierigem Gutes entstehen lassen.
Jesus sagt: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist.“ Mit anderen Worten. Wer von diesem Brot isst, der wird Leben empfangen, das stärker ist als der Tod. Diese Worte erinnern uns an das Abendmahl: „Nimm hin und iss, das ist mein Leib. Nimm hin und trink, das ist mein Blut.“ Wir haben diese Worte im Konfirmandenunterricht durchbuchstabiert. Wir haben sie so oft gehört. Einerseits sind sie uns so vertraut. Andererseits sind sie uns so fremd. Fleisch und Blut, Jesus selbst, in Brot und Wein, Geheimnis des Glaubens.
Die Jünger konnten vor dem letzten Abendmahl mit Jesus erfahren, was es heißt, wenn das lebendige Brot vom Himmel kommt. Jesus, ihr Lehrer, ihre Meister, ihr Herr, ging vor ihnen, den Schülern, in die Knie und wusch ihnen die Füße (Johannes 13). Einen Dienst, den sonst nur die Haussklaven taten. Auch hier ist das das Abendmahl mehr als etwas, was die Seele erwärmt, sondern das auch dem Körper guttut. Das lebendige Brot, das vom Himmel kommt, hält Leib und Seele, Irdisches und Himmlisches zusammen.
Und das können auch wir heute erfahren. Es gibt Zeiten, da erleben wir Angst und das Gefühl der Einsamkeit. Ich werde krank und habe nur den einen Wunsch, wieder gesund zu werden. Schlimm ist, wenn ich nicht weiß, was mit mir los ist, wenn ich Schmerzen habe, und ich weiß nicht, warum und was ich dagegen machen kann. Noch hilfloser und ohnmächtiger komme ich mir vor, wenn jemand aus der Familie oder dem Freundeskreis krank wird und ich daneben stehe, gerne helfen würde, aber nicht kann. Ähnlich fühlen Menschen, die sich darum sorgen, ob sie auch morgen noch ihren Arbeitsplatz halten können. Und dann kommt einer uns sagt zu mir: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist“.
Das heißt: Gemeinschaft mit Gott ist möglich. Das heißt: Ich bin nicht alleine auf mich gestellt – wie es auch immer mir geht. Jesus Christus kommt mir nahe in einem kleinen Stück Brot und einem kleinen Schluck Wein. Er kommt mir nahe mit seiner Person und Lebensgeschichte. Er begegnet mir als Mensch, zerbrechlich, zerbrochen und zertreten, wie das Stück Brot in meiner Hand oder die Trauben in der Kelter. Und doch ist er auch der allmächtige Gott, der Anfang und das Ende. Und so kann ich mich von guten Mächten wunderbar geborgen fühlen inmitten meiner Angst, meiner Not, meinem Schmerz und das ist der Anfang der Heilung, der Besserung.
Jesus sagt: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist.“ „Wir essen das Brot, aber leben vom Glanz“, dichtete die Lyrikern Hilde Domin. Nahrung für den Leib. Glanz für die Seele. Jesus ist das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist und das Leib und Seele zusammenhält.
Und wo berühren sich Himmel und Erde? Auch das dürfen wir wunderbarerweise immer wieder erfahren, so wie es in dem Kirchentagslied heißt: „Wo Menschen sich verschenken, die Liebe bedenken, und neu beginnen, ganz neu, da berühren sich Himmel und Erde, dass Friede werde unter uns“.
Amen.
Verfasser: Pfarrer Jörg Stähler, Fritz-Henkel-Straße 32, 35216 Biedenkopf
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