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Jesus, das Brot des Lebens

von Susanne Bei der Wieden (Frankfurt am Main)

Predigtdatum : 18.03.2012
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Okuli
Textstelle : Philipper 1,15-21
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Wochenspruch:

„Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und er-stirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ (Johannes 12, 24)

Psalm: 84, 6 – 13

Lesungen

Altes Testament: Jesaja 54, 7 – 10

Epistel: 2. Korinther 1, 3 – 7

Evangelium: Johannes 12, 20 – 26

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 440 All Morgen ist ganz frisch und neu

Wochenlied: EG 98 oder EG 396 Korn, das in der Erde

Jesu, meine Freude

Predigtlied: EG 398 In dir ist Freude in allem Leide

Schlusslied: EG 630 Wo ein Mensch Vertrauen gibt

Vorbemerkung:

Der bekannte, steile Schluss (V 21) der Perikope lädt dazu ein, den Text auf die Frage nach dem christlichen Trost angesichts von Leid und Todesnähe hin zu predigen.

Dabei bliebe aber der eingängliche Reflex auf die falsche und wahre Motivation zur missionarischen Christuspredigt und deren Wirkung ausgeklammert. Im Blick auf das Thema des Sonntags „Christus, das Brot des Lebens“ und den Sonntagsnamen Lätare, der im „darüber freue ich mich“ (V 18) seine Entsprechung findet, habe ich mich entschieden, die Predigt auf V 18 zuzuspitzen und die Frage nach der angemessenen Christuspredigt aufzunehmen.

Dabei stellt sich ein homiletisches Problem. Denn V 18 ist aus damaliger wie aus heutiger Sicht – auch angesichts wachsender fundamentalistischer und charismatischer Christusverkündigung – durchaus erklärungs- und diskussionsbedürftig. Er steht auch nicht im Duktus sonstiger Äußerungen des Paulus, sondern ist als Reflex auf die erfahrene Zuwendung durch die Gemeinde in Philippi zu verstehen, in der Paulus die Wirkung seiner eigenen Christuspredigt gespiegelt sieht.

Um der allgemeinen Verwendbarkeit willen bleibt die Predigt eng an die paulinische Erfahrung angelehnt.

Predigt:

Laetare – „es freue sich“, so heißt dieser Sonntag. Und der Predigt-text erzählt von einem, der im Gefängnis sitzt und sich freut, mitten im Leiden: Paulus.

Er freut sich darüber, dass die Gemeinde aus Philippi ihm beisteht. Und er freut sich darüber, dass die Predigt von Jesus Christus weitergeht – wenn auch durch andere, die ganz anders denken und predigen, als er selbst. Zugegeben, seine Freude über diese anderen Prediger ist nicht gerade überschwänglich. Schließlich sind sie eben jetzt dabei, seine Schwäche für sich auszunutzen. Trotzdem - er hat Freude.

Schauen wir doch einmal genauer hin, wie das möglich ist:

Paulus sitzt in Untersuchungshaft. Angeklagt, weil seine Verkündigung für Unruhe gesorgt hat. Das ist keine neue Erfahrung für Paulus. Oft schon ist er gefangen genommen worden. Aber meist wurde er verhört und bestraft und dann wieder freigelassen. Dieses Mal ist es ernster. Dieses Mal droht ihm tatsächlich die Todesstrafe. Und dieses Mal hat er mächtige Gegner. Die wollen ihn kaltstellen und ihn im Vorfeld des Prozesses mürbe machen. Lange schon zieht sich die Haft hin, im feuchten und dunklen Kerker. Paulus hat Hunger, ihn quälen seine chronischen Schmerzen – und dazu kommt jeden Morgen die Frage: „Werden sie kommen, heute, und mich holen? Und dann hinrichten – oder frei sprechen?“ Manchmal hält er es nicht mehr aus, möchte er sterben. Ja, der große Apostel kennt tiefe Verzweiflung. Nur eins hält ihn aufrecht: „Mein Leben steht in Gottes Hand. Jesus Christus, der mich zum Apostel berufen hat, könnte noch etwas mit mir vorhaben“.

Paulus Zustand ist elend, sein Leben ist bedroht. Wie soll da Freude aufkommen? Und das ist noch nicht alles. Da ist eine weitere Sorge - eben diese anderen Prediger. Die ziehen jetzt durch seine Gemeinden, während er im Gefängnis sitzt.

Immer wieder muss er an sie denken: Wie sie auftreten, smart und wortgewandt, wie sie die Menschen begeistern! Mit spritzigen Predigten, mit großen Auftritten – richtigen Events, wo Menschen sich bekehren, in Ekstase geraten, in Zungen reden. In Korinth meinten manche, sie hätten dabei gar schon die Auferstehung, den Himmel selbst erlebt. In Galatien begannen die Leute, Frömmigkeitsregeln aufzustellen. Selbst im kleinen Beröa gab es Ärger.

Ja, diese Prediger haben etwas ganz anderes zu bieten als Paulus mit seiner schwierigen, vielleicht auch ein bisschen langweiligen Predigt vom Kreuz. Bei ihnen ist viel mehr los. Und man ist unter sich, im eigenen Milieu, unter den wahrhaft Bekehrten und Berufenen.

„Nächstenliebe? Rücksicht auf die Schwachen? Das ist nicht so wichtig. Wichtig ist die Gemeinschaft und der gemeinsame Lobpreis Gottes. Wichtig sind feste Glaubensregeln.“ Die Prediger unterscheiden sich, aber ihre Wirkung ist dieselbe: Sie machen sich gegenseitig Konkurrenz, sie sprechen einander den Glauben ab – und wie schnell zerstreiten sich Gemeinden gerade an ihren Predigern!

Paulus hat das in seinen Gemeinden so erfahren: Er und seine Predigt – oder die Anderen? Und diesen Anderen hat er zunächst einmal wenig entgegenzusetzen. Er ist ein eher schwacher Mensch, auch wenn in seiner Schwäche eine innere Stärke liegt. Er ist kein glänzender Redner wie manche seiner Gegner. Kein „Ankommer“, wie wir heute sagen würden. Aber diese „Ankommer“ ziehen offenbar mehr als er. Und das kränkt ihn tief, als Mensch wie als Prediger.

Ich kann ihn auch gut verstehen: Wenn ich predige, zeige ich ja immer etwas von meiner Person. Wenn ich von meinem Glauben erzählen will, dann muss ich mich dem Anderen öffnen, mich ihm ein Stück weit auch aussetzen. Und dabei geht es auch um mein Auftreten, wie ich spreche, wie ich wirke. Da ist es bitter, wenn andere mehr Erfolg haben. Umso mehr für Paulus: Er hat ja doch viele Menschen für den Glauben gewinnen können, er hat seine ganze Existenz für den Glauben riskiert!

Eine bittere Erfahrung für Paulus. Wie es ja auch eine bittere Erfahrung für uns heute ist, wenn wir sehen, dass Menschen einer enthusiastischen und charismatischen Predigt viel mehr zutrauen als dem schlichten Gemeindeleben. Dass Menschen den Event suchen, das Spektakuläre, dass Menschen Sicherheit suchen in klaren Glaubensregeln, auch wenn diese der Komplexität menschlichen Miteinanders nicht gerecht werden...

Paulus hat solche bitteren Erfahrungen gemacht. Und jetzt, im Ge-fängnis, in dieser lebensbedrohlichen Situation, da stürzen die Fragen auf ihn ein: „Was ist denn, wenn ich nun tatsächlich sterben muss, was wird dann aus meinem Lebenswerk? Jetzt, wo ich nicht mehr kann, da kommen die anderen und machen mir meine Arbeit kaputt. Machen mir meine Gemeinden abspenstig. Unter dem Vorwand zu predigen, setzen sie sich selbst in Szene, schreiben sich meine Erfolge auf ihre Fahnen und das nicht mal mehr aus theologischen Gründen, sondern einfach nur weil sie neidisch sind. Nur, um mich zu ärgern...“

Paulus ist verzweifelt. Kein Wunder. Und ein bisschen, so scheint es, sieht er in seiner Verzweiflung auch Gespenster. Aber dann bricht plötzlich, mitten im Schreiben, diese Haltung auf. Beinahe trotzig schreibt er: Was tut's aber? Was soll's? Wenn nur Christus verkündigt wird, auf jede Weise, es geschehe zum Vorwand oder in Wahrheit, so freue ich mich – und ich werde mich auch wei-terhin freuen. Freuen im tatsächlichen Sinn dieses Sonntags Laetare. Mitten in der Passion. Mitten im Leid.

Etwas ist geschehen mit Paulus. Etwas hat ihn geöffnet, ihn verän-dert – und diese Erfahrung schlägt sich hier im Text nieder, sprengt die Verzweiflung auf, die aus den anfänglichen Versen unseres Predigttextes spricht. Denn im Gefängnis, mitten in der Verzweiflung, im tiefsten Elend, da hat Paulus am eigenen Leib erfahren dürfen, was seine Verkündigung bewirkt hat – und was im Glauben daraus erwachsen ist.

Da sind Menschen aus seiner Gemeinde in Philippi angereist, haben eine weite Schiffsreise auf sich genommen, um ihn, Paulus, zu besuchen. Um ihm Brot zu bringen, Fleisch und frisches Obst, Dinge, die er sonst nie bekommen würde. Decken, eine Matratze, Papyrus und Tinte, damit er arbeiten kann. Sie sind gekommen, um ihm seelisch beizustehen. Um mit ihm zu beten. Und um ein politisches Signal zu setzen: Dieser Prozess hier ist von öffentlichem Interesse. Dieser Paulus ist keiner, den ihr still und leise um die Ecke bringen könnt!

„Wenn ein Glied leidet am Leib Christi, so leiden alle anderen Glieder mit“. So hat es Paulus gepredigt, und damit machen die Philipper Ernst. Durch ihr Kommen zeigen sie aufs Liebevollste und Schönste: Wir haben deine Predigt verstanden – und wir halten an ihr fest. Und Paulus geht das Herz auf. Er spürt: „Das hat Gott bewirkt. Das hat das Evangelium von Jesus Christus bewirkt. Diese Liebe“. Die Philipper haben Paulus nicht vergessen und ihre Sorge um seine Person, ihre Wertschätzung macht Paulus gewiss: „Auch Gott hat mich nicht vergessen“. Das verändert ihn. Das lässt ihn von sich selbst wegsehen, von seiner Sorge um sein Leben und sein Ansehen. Und indem Paulus von sich selbst wegblickt, kann er auf einmal wieder auf den sehen, dem sein ganzes Leben gilt, auf Jesus Christus. Und solange der verkündigt wird, egal wie, egal von wem, so lange ist es gut. So lange wird das Evangelium Früchte tragen – selbst wenn er sterben sollte. Dann wird Christus sein Gewinn sein. „Wenn nur Christus verkündigt wird auf jede Weise, es geschehe zum Vorwand oder in Wahrheit, so freue ich mich“.

Laetare: „es freue sich“! Paulus, der so um die richtige Verkündi-gung, die richtige Predigt von Jesus Christus ringt, der darf in seinem eigenen Leben die Früchte dieser Verkündigung ernten. Seine Predigt hat den Samen dafür gesät: Menschen machen sich zu ihm auf. Sie verwandeln seine Traurigkeit in Freude. Sie überwältigen ihn durch ihr liebevolles Andenken, ihr Gebet, ihre Gaben und ihren Protest.

Und Paulus merkt: Es kommt nicht auf den Prediger an, sondern auf die Gemeinschaft, die aus der Predigt erwächst. Es kommt nicht drauf an, smart und spritzig zu predigen, sondern darauf, sich an die Seite derer zu stellen, die in Not sind. Solche Gemeinschaft verwandelt vielleicht nicht das Leid der Anderen. Aber sie lässt sie nicht allein in ihrem Elend. Und dadurch wird sie zum Symbol dafür, dass Gott uns nicht allein lässt.

Und das, so spürt es Paulus, das ist es, was am Ende zählt. Diese tröstende und stärkende Gemeinschaft, in der allein die Gemein-schaft mit Jesus Christus erfahrbar wird. Paulus erfährt sie durch die Philipper - eine Gemeinschaft, die alle Grenzen überwindet, selbst die dunklen Kerkermauern. Jetzt kann Paulus wieder vertrauen. Auf Jesus Christus, auf seinen Glauben und auch auf die Frucht seiner Verkündigung. Und das gibt ihm eine tiefe Gelassenheit: Sollen die anderen doch aus Neid und Streitsucht predigen. Ich freue mich. Denn Christus wird gepredigt. Das ist das einzig Wichtige. Amen.

Verfasserin: Pfarrerin Dr. Susanne Bei der Wieden

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