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Jesus geht den Weg der Gerechtigkeit und Liebe

von Christoph Eichert (Halle)

Predigtdatum : 27.02.2022
Lesereihe : IV
Predigttag im Kirchenjahr : Estomihi
Textstelle : Markus 8,31-38
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Wochenspruch: Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn. (Lukas 18,31)

Psalm: 31,2-6.8-9.16–17 (EG 716)

Lesungen

Reihe I: Lukas 10,38-42
Reihe II: Lukas 18,31-43
Reihe III: Jesaja 58,1-9a
Reihe IV: Markus 8,31-38
Reihe V: 1. Korinther 13,1-13
Reihe VI: Amos 5,21-24

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 454 Auf und macht die Herzen weit
Wochenlied: EG 401 Liebe, die du mich zum Bilde
Predigtlied: EG 389 Ein reines Herz, Herr, schaff in mir
Schlusslied: EG 170 Komm, Herr, segne uns

Predigttext: Markus 8,31-38

31 Und er fing an, sie zu lehren: Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen.
32 Und er redete das Wort frei und offen. Und Petrus nahm ihn beiseite und fing an, ihm zu wehren.
33 Er aber wandte sich um, sah seine Jünger an und bedrohte Petrus und sprach: Geh hinter mich, du Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.

34 Und er rief zu sich das Volk samt seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.
35 Denn wer sein Leben behalten will, der wird's verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird's behalten.
36 Denn was hilft es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und Schaden zu nehmen an seiner Seele?
37 Denn was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?
38 Wer sich aber meiner und meiner Worte schämt unter diesem ehebrecherischen und sündigen Geschlecht, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er kommen wird in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln.

Predigt

Vorbemerkung: Sowohl Epistel (1. Kor 13, 1-13) als auch Evangelium (Mk 8, 31-38) sollten vorher gelesen sein.

Er hat schon früh gelernt, sich zu beugen. Der Vater herrisch, die Mutter vorsichtig und angepasst. Wenn er widersprochen hat als Kind, konnte er was erleben. So wurde er immer stiller, machte viel mit sich selbst aus und rebellierte nur in Gedanken. Später tat er nicht einmal das. In der Schule war er fleißig, zu Hause hilfsbereit, seinen Freunden versuchte er es recht zu machen. Damit wurde er gelitten, auch wenn er nicht gerade beliebt war. Bloß nicht anecken, war seine Devise. Bloß nicht auffallen. Und nur ja keinen Ärger provozieren. Mit dieser Maxime kam er durch, wurde erwachsen, schaffte sein Studium mit besten Noten. „Alle Erwartungen hat er stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erfüllt“, war in seinen Arbeitszeugnissen zu lesen. Die Erwartungen der anderen kannte er gut, nur seine eigenen waren ihm fremd. Ein Lebenstraum? – Fehlanzeige. Sein Herzenswunsch? – Danach befragt, wüsste er nichts zu antworten. Wann er das letzte Mal richtig glücklich war? – Er konnte sich nicht erinnern. Da hatte er sich immer zurückgenommen, um sich zu schützen, um sein Leben zu bewahren und an allen Kreuzen vorbeizukommen, und nun diese bittere Erkenntnis! Immerhin, sie ist ein Anfang und der erste Schritt in eine neue Richtung. Jesus sagt: „Wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren. Was hilft es dem Menschen, wenn er Schaden nimmt an seiner Seele?“

Es war ein Kreuz, mit dem sie lange haderte. Dass sie anders empfand als andere Mädchen in ihrem Alter, hatte sie früh bemerkt. Sie wollte nie Prinzessin sein, hatte eine tiefe Abneigung gegen die Farbe Rosa und spielte lieber Fußball als mit Puppen. Das alles war nicht weiter schlimm, im Gegenteil. Sie war zufrieden mit sich und der Welt. Schwierig wurde es erst, als sie sich verliebte – in ein anderes Mädchen. Und noch schwieriger, als sie merkte, dass das immer so sein würde. Und die abwertenden Witze über Schwule und Lesben in der Klasse. Und ihre Eltern, wie würden sie reagieren, wenn sie sich ihnen offenbarte? – Lange wehrte sie sich gegen dieses Kreuz. Und trug schwer an seiner Last. Erst als sie es annahm und Ja zu sich sagte, wurde es leicht. Erst als sie ihren Weg fand, der schmal war und keine breite Bahn wie der der anderen, wurde sie eins mit sich. Was es heißt, sich zu verlieren, wenn man festhält an falschen Bildern von sich selbst, davon kann sie ein trauriges Lied singen. Doch viel lieber erzählt sie davon, wie es ist, im richtigen Leben anzukommen. Jesus sagt: „Wer sein Kreuz auf sich nimmt, der wird sein Leben erhalten!“

Und Jesus selbst, der gerungen hat mit sich und seiner Bestimmung. Im Matthäusevangelium wird erzählt, dass der Teufel ihn in Versuchung führte. Alle Reiche der Welt wollte er ihm zu Füßen legen, wenn er sich vor ihm niederwirft. Doch Jesus widersteht der Versuchung des Reichtums und der Macht. Er will kein Herrscher sein, den alle fürchten, sondern ein Menschenfreund mit nichts als Liebe im Gepäck. Aber diese Liebe, von der auch Paulus in so glühenden, wunderbaren Bildern spricht, hat Feinde. „Er übertritt die Gesetze“, sagen die Pharisäer, „denn er macht Menschen am Sabbat gesund!“ – „Er ist freundlich zu Zöllnern und Kriminellen, nimmt eine Ehebrecherin in Schutz, gibt sich mit Römern und ungläubigen Samaritern ab. Hat er denn gar keine Moral im Leib?“ So fragen die Schriftgelehrten und Hohenpriester. Jesus ahnt, was auf ihn zukommt. Er spürt die Mauer aus Hass, die immer höher wird. Es ist der Hass von jenen, deren Weltbild bedroht wird durch seine Liebe, die alles glaubt und hofft und duldet und nicht bereit ist, irgendjemanden auszuschließen. Er ahnt, dass er leiden, ja sterben muss. Soll er umkehren, sich anpassen, alles zurücknehmen, wofür er eingetreten ist? Soll er die Jünger zurückschicken zu ihren Fischerbooten? Und selbst nach Nazareth wandern und seinem Vater sagen, dass er nun doch die Zimmererwerkstatt übernimmt? Vielleicht quälen ihn solche Gedanken, und gerade deswegen herrscht er Petrus so an, so wie damals die teuflischen Stimmen in der Wüste: „Weiche von mir, Satan!“ Denn es wäre nicht sein Leben, dort in Nazareth in der Werkstatt seines Vaters. Vielleicht würden sie ihn nicht mehr verfolgen. Aber er würde, Tag für Tag, innerlich sterben. Was später zur Redensart wurde, gilt für Jesus ganz wörtlich: Lieber sein Kreuz auf sich nehmen, wenn es gar nicht anders geht! Denn wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren. Und wer sein Leben verliert um des Evangeliums willen, der wird’s erhalten – selbst wenn er stirbt.

Das sind große Worte, die leichter gesagt sind als gelebt. Und doch gibt es Menschen, die ihre Wahrheit bezeugen. Beeindruckend ist der Briefwechsel zwischen Helmut James Graf von Moltke, der wegen seines Widerstands gegen die Nazis hingerichtet wurde, und seiner Frau. Diese Briefe aus der Haft sind das bewegende Zeugnis eines Paares, das sein gemeinsames Leben loslassen muss. Und sie sind das Zeugnis eines Menschen, der weiß, dass er sein Leben verliert und doch etwas gewinnt, das ihm keiner nehmen kann. Seinen beiden Söhnen schreibt er: „Ich habe mein ganzes Leben lang, schon in der Schule, gegen einen Geist der Enge und der Gewalt, der Überheblichkeit und der mangelnden Ehrfurcht vor anderen … angekämpft, … der seinen Ausdruck in dem nationalsozialistischen Staat gefunden hat.“ Diesem Kampf und seiner Überzeugung ist er mit allen Konsequenzen treu geblieben. Jesus sagt: „Was kann ein Mensch geben, um seine Seele auszulösen, wenn er sie einmal verraten hat?“ Deshalb: „Wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird’s erhalten.“

Liebe Gemeinde, man kann die Worte Jesu leicht missverstehen, und sie sind oft auf eine ganz unsägliche Art interpretiert worden. Jesus geht es nicht um eine Verherrlichung des Leidens. Er war kein Masochist und irdischen Genüssen wahrlich nicht abgeneigt. Nicht ohne Grund war er, so berichten die Evangelien, als „Fresser und Weinsäufer“ verschrien. Aber es gibt Situationen, in denen es darauf ankommt, sein Kreuz zu tragen und seinem Weg zu folgen durch alle Widerstände hindurch.

Und, dieses Missverständnis ist noch gefährlicher, Jesus fordert auch nicht auf, sich zu verbiegen und sein Innerstes zu verraten, wie es eine dunkle Pädagogik mit Berufung auf unseren Markustext behauptet hat. Zum Fürchten eindrücklich wird das gezeigt im Film „Das weiße Band“, manche von Ihnen kennen ihn vielleicht. Da wird, am Beginn des 20. Jahrhunderts, in Kinder hineingeprügelt, dass sie sich und ihre Bedürfnisse zu verleugnen haben. Aber Jesus meint das Gegenteil: „Wer mir nachfolgen will, der verleugne, der lasse los, was ihn abhält und hindert, zu wahrem, echtem Leben vorzudringen.“ Mag sein, dass man dabei Sicherheit verliert. Und Ansehen. Oder materielle Vorteile. Doch was hilft es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt und Schaden nimmt an seiner Seele?

Theodor Adorno, ein großer Philosoph der Nachkriegszeit, formuliert: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen.“ Und Angelus Silesius, der Mystiker des 17. Jahrhunderts, fordert kurz und bündig: „Mensch, werde wesentlich!“ Was das richtige Leben ist, für das sich der volle Einsatz lohnt, das ist die Frage des heutigen Sonntags. Und was mich wesentlich macht und mir hilft, das Unwesentliche loszulassen. Die Ängstlichkeit des Petrus gehört nicht dazu, auch wenn ich ihn nur zu gut verstehen kann. Wohl aber die selbstverständliche Konsequenz Jesu. Und sein Vertrauen auf die Stimme Gottes in seinem Inneren, die ihm den Weg weist.

Paulus formuliert in besonderer Klarheit und Schönheit, was für ihn das Wesentliche ist: „Nun bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei. Aber die Liebe ist die größte unter ihnen.“ Die Liebe zu Gott, der mir das Leben schenkt und größer ist als ich selbst. Die Liebe zu anderen Menschen, denn durch sie bekommt mein Leben Glanz. Und die Liebe zu mir selbst, weil ich liebenswert bin und Gottes Kind. Wer dieser Liebe folgt, der tut es Jesus gleich und folgt ihm nach. Wer um ihretwillen leidet, der nimmt, wie Jesus, sein Kreuz auf sich. Und wird heil an seiner Seele. Und gewinnt richtiges, wesentliches Leben. Der Gott Jesu helfe uns dabei. Amen.

Tagesgebet

Gott unseres Lebens,
Du hast Glaube, Hoffnung und Liebe
in uns entzündet.
Lass diese Gaben in uns lebendig sein,
damit wir sehen mit den Augen des Herzens
und tun, worauf es ankommt.
Das bitten wir im Namen Jesu Christi.
Amen.

Fürbittengebet

Gott des Lebens,
wir bitten Dich für alle Menschen,
die schwer tragen an ihrem Kreuz.
Für alle, die fliehen müssen aus ihrer Heimat,
dass sie Schutz und Aufnahme finden.
Für die Opfer von Krieg und Gewalt,
dass sie in Sicherheit leben können
und Menschen sich stark machen für Frieden.
Für die Einsamen in unserem Ort
und in unserer Gemeinde,
dass Menschen freundlich auf sie zugehen,
dass sie Gemeinschaft finden unter uns.
Für die Kranken unter uns,
für die Traurigen und Sorgenvollen,
dass andere ihnen nahe sind und tragen helfen,
sodass die Last leichter wird.

Gott des Lebens,
wir bitten Dich für alle Menschen,
die wahrhaftig, ehrlich und liebevoll
ihren Weg gehen wollen,
wir bitten Dich auch für uns:
Stärke uns.
Gib uns den Mut, Schwierigkeiten nicht auszuweichen
und für uns und andere einzustehen.
Sei bei uns auf unserem Weg.

Verfasser: Pfarrer Christoph Eichert, Robert-Blum-Str. 11a, 06114 Halle (Saale)


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