Wochenspruch: "Er hat ein Gedächtnis gestiftet seiner Wunder, der gnädige und barmherzige Herr." (Psalm 111,4)
Psalm: 111 (EG 744)
Reihe I: 1. Korinther 11,(17-22)23-26(27-29.33-34a)
Reihe II: 2. Mose 12,1-4(5)6-8(9)10-14
Reihe III: Matthäus 26,17-30
Reihe IV: 1. Korinther 10,16-17
Reihe V: Lukas 22,39-46
Reihe VI: Johannes 13,1-15.34-35
Eingangslied: EG 224 Du hast zu deinem Abendmahl
Wochenlied: EG 223 Das Wort geht von dem Vater aus
Predigtlied: EG 95 Seht hin, er ist allein im Garten
Schlusslied: EG 222 Im Frieden dein, o Herre mein
Predigttext: Lukas 22,39-46
39 Und Jesus ging nach seiner Gewohnheit hinaus an den Ölberg. Es folgten ihm aber auch die Jünger. 40 Und als er dahin kam, sprach er zu ihnen: Betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt! 41 Und er riss sich von ihnen los, etwa einen Steinwurf weit, und kniete nieder, betete 42 und sprach: Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe! 43 [Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. 44 Und er geriet in Todesangst und betete heftiger. Und sein Schweiß wurde wie Blutstropfen, die auf die Erde fielen.] 45 Und er stand auf von dem Gebet und kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend vor Traurigkeit 46 und sprach zu ihnen: Was schlaft ihr? Steht auf und betet, damit ihr nicht in Anfechtung fallt!
Gründonnerstag. Ein Tag voller Wiedersprüche. Ein heller Tag in der dunklen Karwoche, denn wie feiern das Fest der Versöhnung mit Gott im Abendmahl. Und zugleich der Vorabend der Finsternis. Der Tag vor Karfreitag, an dem wir an den grauenvollen Foltertod Jesu am Kreuz denken. Ein Christusfest, darum ist der Altar weiß dekoriert. Die Kirche ist festlich geschmückt, und wir singen Lob- und Danklieder. Und doch wirft schon der Karfreitag seine dunklen Schatten voraus.
Um Jesus und die Seinen spitzt sich an diesem Abend alles dramatisch zu:
Sie feiern Passa, das Fest der Befreiung. Doch noch an diesem Abend gerät Jesus in Gefangenschaft. Er wird verhaftet und an seine Gegner ausgeliefert, an die, die ihn weghaben wollen.
Die Jünger und Jesus kommen zusammen an diesem Abend, feiern das Fest der Gemeinschaft - und noch in dieser Nacht wird ihre Gemeinschaft zerfallen, die Jünger versprengt in alle Richtungen, nur weg.
Sie haben Tischgemeinschaft miteinander. Doch Judas stiehlt sich davon, um Jesus an die Jerusalemer Autoritäten zu verraten. Sie essen miteinander, aber dann streiten die Jünger untereinander, wer als der Größte gelten sollte. (V24)
Petrus legt Treueschwüre ab. Aber Jesus sagt ihm auf den Kopf zu, dass Petrus ihn dreimal verleugnen wird, ehe der Hahn kräht. (V33f) Und wir wissen: so wird es geschehen. Was für ein Drama in diesen letzten Stunden!
Jesus selbst ist offensichtlich aufs äußerste aufgewühlt. „Mich hat herzlich danach verlangt, dies Passalamm mit euch zu essen“, sagt er zu den Jüngern am Anfang der Mahlzeit, und am Ende der Mahlzeit bedankt er sich bei ihnen, dass sie bei ihm ausgeharrt haben in seinen Anfechtungen (V28). Zwischen Sehnsucht und Anfechtung, zwischen Dankbarkeit und Verzweiflung ist er hin und her gerissen.
Dann spricht er sogar davon, wer einen Mantel hat, soll ihn verkaufen und ein Schwert dafür zu kaufen. Wenig später aber, als es tatsächlich zur Konfrontation mit der Tempelpolizei kommt, untersagt er aber den Jüngern den Waffengebrauch.
Doch zuvor zieht er sich zurück zum Gebet, geht hinaus an den Ölberg, geht hin in die Dunkelheit, wirft sich nieder und trägt offensichtlich ungeheure innere Kämpfe aus. Die Jünger, die mit hinaus gegangen sind zum Ölberg, verschlafen diesen dramatischen Moment komplett.
Ein Abend voller Widersprüche und dramatischer Augenblicke. Dass Jesus tatsächlich in Todesangst ist, so dass Blut, Schweiß und Tränen rinnen, dass sogar ein Engel vom Himmel ihn in seiner Schwachheit stärken muss, das erschien manchen Theologen in späterer Zeit so unglaublich, dass diese Stelle aus dem Evangelium gestrichen wurde. Der Gottessohn in solcher Schwachheit und Todesangst? Das schien ihnen unmöglich zu sein. Dabei ist uns das heute das Allerwichtigste: Jesus, der Gottessohn – ein Mensch wie wir: mit Sehnsucht - und in Todesangst. Mit Leidenschaft - und mit Angst vor dem Leiden. Jesus: einer von uns. Und zugleich einer von Gott. Ganz an unserer Seite, und ganz in Gottes Hand. „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist“, wird er schließlich am Kreuz beten.
Aber jetzt sehen wir Jesus im Gebetskampf. Jesus verlässt mit seinen Jüngern den Abendmahlssaal und geht hinaus aus der Stadt an den Ölberg. Das ist die Gegend, von der man auch heute einen Blick auf die ganze Stadt hat. Der Ölberg, das ist der Ort, an dem der Messias, wenn er kommt, erscheinen soll. Dort war Jesus wenige Tage zuvor angekommen und von der Volksmenge begeistert begrüßt worden. „Hosianna. Gelobt sei, der da kommt, im Namen des Herrn.“
Dorthin geht Jesus „nach seiner Gewohnheit.“ Vertraut ist er nicht mit dem Ort, denn in Jerusalem ist er ja erst seit wenigen Tagen. Gewohnt ist er aber, zu beten. Der jüdische Tageslauf ist gerahmt und durchdrungen vom Gebet. Das ist seine Gewohnheit. Die Jünger, die ihn begleitet haben, mahnt er, es ihm gleich zu tun. „Betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt.“ Betet, jetzt erst recht! Jesus sieht ja, wie die Gewissheiten bröckeln in seinem Kreis. Jetzt, in dieser höchst spannungsvollen Situation, in der Stunde der Versuchung, kann nur der Betende bestehen. Jetzt hilft nur noch beten!
Und so sehen wir Jesus beten. Er entfernt sich „einen Steinwurf weit“ von den Seinen; er bleibt auf Hör- und Rufweite. Er kniet nieder. Man hat vor Augen, wie dringlich das Gebet ist. Dass er kniet, zeigt schon eine Demut an vor dem Vater im Himmel, zu dem er betet. Einwilligen in den Willen Gottes, das ist es, worum Jesus im Gebet ringt. Ja sagen zu dem, was Gott will. Zustimmen zu dem, was unvermeidlich ist. Möge der Kelch des Leidens an mir vorrübergehen, möge ich ihn nicht bis zur Neige trinken müssen. Aber „dein Wille geschehe“.
Und dann der wichtigste Satz in den Bericht des Lukas: „Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel und stärkte ihn.“ – Wie würde es mir wohl ergehen in einer solchen Situation? Ich kann nur beten: „O Gott, komm Du auch mir entgegen, wenn ich einmal so in innere Not gerate. Und schick mir einen Boten entgegen, wenn es mit mir so weit ist, wenn es aufs Ende zugeht. Lass deine himmlischen Kräfte mit beistehen.“ – Es erschien ihm ein Engel vom Himmel und stärkte ihn. Möge auch mir ein Engel erscheinen, wenn ich ihn brauche. Eine himmlische Kraft. Ein Mensch der mir beisteht, ein guter Geist, der mich tröstet und stärkt für das letzte Stück Wegs, das jeder allein gehen muss.
Der innere Kampf, den Jesus zu kämpfen hat, geht weiter, heftiger als zuvor. So das Schweiß vom Angesicht Jesu wie Blutstropfen zu Boden fällt. Es bleibt ihm gar nichts erspart. – Wir sagen das so: Jesus ist ganz eins mit dem Vater. Ja, dafür gibt’s viele Beispiele im Evangelium, dass Jesus im Herzen, ja mit seiner ganzen Existenz ganz eins ist mit Gott. Hier sehen wir: Er muss schwer darum kämpfen, eins zu werden, eins zu bleiben mit dem, was Gott will. Blut, Schweiß und Tränen kostet es ihn.
„Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe.“ So betet Jesus. Aber wer von uns kann so beten? Sicher: jedes Mal im Vaterunser beten wir: „Dein Wille geschehe.“ Aber meinen wir das jedes Mal in seiner ganzen Tragweite? Vor allem auch dann, wenn das, was wir wollen und das, was Gott will, so gar nicht zusammenpasst. Nicht mein, sondern Dein Wille geschehe? Wollen, was Gott will, zustimmen zu dem, was Gott will, das ist schon viel. Aber das, was ich will, ganz und gar zurücknehmen oder gar ausschalten? Ich finde das wirklich schwer. Wir müssten ja sicher sein, dass das, was Gott will, jedenfalls besser für uns oder für die Welt ist, als das, was wir wollen. Aber sind wir uns dessen immer so gewiss?
Wir sehen: Selbst Jesus geht nicht sicher und gelassen seinem unvermeidlichen Ende entgegen. Jesus ringt offensichtlich im Gebet um eben diese Gewissheit: Das, was du, Gott, willst, ist zuletzt gut für die Welt. Ich will nicht leiden, aber wenn du, Gott es willst, soll es so sein. Ich will nicht in die Konfrontation, aber wenn es sein muss, Vater, will ich ihr nicht ausweichen.
Gründonnerstag, ein Tag voller Widersprüche, Augenblicke voller Dramatik. Vor diesem Hintergrund begreifen wir, was das Abendmahl für uns sein kann, noch einmal ganz anders.
Abendmahl – das Fest der Gemeinschaft? Ja, aber Gemeinschaft nicht nur der Gleichgesinnten. Alle sind mit am Tisch, sogar der Verräter, auch der Verleugner, und alle die anderen, die bald darauf zerstreut sind in alle Winde. Ihnen allen gibt Jesus das Brot, ihnen allen reicht er den Kelch. Nehmt und esst, nehmt und trinkt, so werdet ihr eins, durch mich.
Abendmahl – Brot des Lebens? Ja, aber kein Zuckerbrot. Keine Nachspeise zum Hauptgang, die man auch weglassen könnte. Bitter erkämpft. Mit Tränen gesalzen. Und lebensnotwendig.
Abendmahl – Vergebung und Neuanfang? Ja, denn da zeigt sich, was Gott für uns will: „nicht den Tod des Sünders, sondern dass er umkehre und lebe“. Gott ist treu, trotz unserer Untreue. Gott ist unter allen Umständen auf der Seite des Lebens, und Gott will, dass wir leben. Ach ja, Vater, dein Wille geschehe.
Abendmahl – Gemeinschaft mit dem auferstandenen Christus? Ja, jedes Abendmahl schon ein Vorgeschmack auf Ostern, auch am Gründonnerstag, auch am Karfreitag. Aber wir vergessen nicht: der Auferstandene, dem wir im Abendmahl begegnen, ist derselbe, der die tiefsten Tiefen der Todesangst durchlitten hat.
Abendmahl – Trost und Stärkung? Ja, und gerade, wenn unser Vertrauen in die Güte Gottes angeknackst oder ganz untergraben ist. Wenn wir kämpfen und zweifeln. Und Trostbrot und Stärkung auch für das letzte Stück Weges, das jeder für sich allein gehen muss. Nein, nicht allein! Das ist sein Leib, das ist er für uns, der selbst Anfechtung und Todesangst erlebt und erlitten hat. So haben wir ihn ganz bei uns, in uns, in den dunkelsten Stunden.
Abendmahl – Tischgemeinschaft des Himmels? Ja, auch das, denn das ist ganz gewiss der Wille des Vaters, dass zuletzt alle seine Menschenkinder versammelt sind an seinem Tisch. Wo alles geteilt wird und alle satt werden. Wo keiner am Katzentisch sitzt und niemand mehr von den Brosamen leben muss, die von der Herren Tische fallen. … Ja, Vater, dieser dein Wille geschehe, und zwar bald. Amen.
Verfasser: Pfarrer Dr. Matthias Rost, Zinzendorfplatz 3, 99192 Neudietendorf
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