Wochenspruch: Gott erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Süder waren. (Römer 5,8)
Psalm: 25,1-9
Reihe I: Johannes 3,14-21
Reihe II: Römer 5,1-5(6-11)
Reihe III: Jesaja 5,1-7
Reihe IV: Matthäus 26,36-46
Reihe V: Markus 12,1-12
Reihe VI: 4. Mose 21,4-9
Eingangslied: EG 88 Jesu, deine Passion
Wochenlied: EG 96 Du schöner Lebensbaum des Paradieses
Predigtlied: EG 95 Seht, er ist allein im Garten
Schlusslied: EG 346,4.5. Such, der da will
36 Da kam Jesus mit ihnen zu einem Garten, der hieß Gethsemane, und sprach zu den Jüngern: Setzt euch hierher, solange ich dorthin gehe und bete.
37 Und er nahm mit sich Petrus und die zwei Söhne des Zebedäus und fing an zu trauern und zu zagen.
38 Da sprach Jesus zu ihnen: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibt hier und wachet mit mir!
39 Und er ging ein wenig weiter, fiel nieder auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst!
40 Und er kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend und sprach zu Petrus: Konntet ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen?
41 Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt! Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach.
42 Zum zweiten Mal ging er wieder hin, betete und sprach: Mein Vater, ist's nicht möglich, dass dieser Kelch vorübergehe, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille!
43 Und er kam und fand sie abermals schlafend, und ihre Augen waren voller Schlaf.
44 Und er ließ sie und ging wieder hin und betete zum dritten Mal und redete abermals dieselben Worte.
45 Dann kam er zu den Jüngern und sprach zu ihnen: Ach, wollt ihr weiter schlafen und ruhen? Siehe, die Stunde ist da, dass der Menschensohn in die Hände der Sünder überantwortet wird.
46 Steht auf, lasst uns gehen! Siehe, er ist da, der mich verrät.
Beten, so habe ich einmal gelesen, sei so einfach wie das Zuknöpfen einer Jacke. „Beten kann doch jedes Kind“, sagt mir jemand. „Aber als Erwachsene scheinen wir es zu verlernen“, wirft ein anderer ein. Es beten jedenfalls viel mehr Menschen als sich zu Gottesdiensten einfinden. Auf die Frage, ob sie beten – gelegentlich oder regelmäßig – antwortet fast die Hälfte aller befragten Deutschen, dass sie beten – die einen gelegentlich, die anderen durchaus auch regelmäßig.
Beten ist einfach und manchmal tut es einfach gut. So sagen viele, die gerne die Chance einer offenen Kirchentür nutzen, um in einem unbewachten Augenblick ein Gespräch mit Gott zu suchen, wortlos, mit dem Anzünden einer Kerze oder in einem Gebetbuch festgehalten.
Viel gegensätzlicher geht es nicht: „Ich habe aufgehört zu beten. Ich habe das Gefühl, dass ich nur noch Worte mache, aber meine Seele bleibt stumm. Ich weiß auch gar nicht mehr, ob ich für mein Beten noch eine Adresse habe.“ So sagt jemand zu mir und ich nicke. Nicht, weil ich nicht gleich weiß, wie ich antworten soll. Nicht, weil es mir die Sprache verschlagen hat. Ich kenne das, was mir da gesagt wird, aus eigener Erfahrung.
So geht es mir auch manchmal. Beten geht nicht immer. Manchmal geht es einfach nicht. Das kann an einem Ereignis liegen, das mich aus der Bahn geworfen hat. Manchmal sind das Geschehnisse im eigenen Leben, im eigenen Lebensumfeld. Krankheit in der Familie, der plötzliche Tod eines Freundes, Unrecht, das mir widerfährt – all das geht nicht spurlos am eigenen Beten vorbei. Manchmal macht es aus dem Beten einen Aufschrei voller Zorn und Wut, lässt Gott auf der Anklagebank landen. Manchmal werde ich aber auch einfach stumm.
Wir sind in guter Gesellschaft, wenn es uns mit dem Beten nicht so leicht von der Hand geht. Aus dem Mund geht. Wenn uns manchmal das Beten einfach vergehen will. Wir bleiben – regelmäßige Gottesdienst-Besucher und Besucherinnen, Pfarrerinnen und Pfarrer, engagierte Gemeindeglieder und gelegentliche Zufallsgäste im Gottesdienst – ein Leben lang Anfänger in Sachen Beten. Immerhin – wir können auch jedes Tag neu anfangen mit dem Beten, auch wenn wir aus der Übung gekommen sind
Wir sind damit in guter Gesellschaft. „Als Jesus hier auf der Erde lebte, brachte er seine Gebete und sein Flehen vor Gott - mit lautem Rufen und unter Tränen, Denn der konnte ihn vom Tod retten.“ Hinter diesen Worten aus dem Hebräerbrief steht Gethsemane. Wir hören, was Matthäus erzählt:
(Predigttext lesen)
Der Weg Jesu mit seinen Jüngern führt an den Fuß des Ölberges. Dorthin, wo noch heute der Garten Gethsemane zu finden ist mit seinen uralten Ölbäumen. Ein Platz in der Nähe der Stadt und doch still. Jesus sucht diese Stille um zu beten. Nicht allein. Seine Jünger sind bei ihm. Drei von ihnen, Petrus und die zwei Söhne des Zebedäus, nimmt er mit auf diesen Weg des Betens.
Jesus macht sein Trauern und Zagen nicht mit sich allein aus. Auch nicht nur mit dem Vater im Himmel! Er sucht die Nähe, den Beistand seiner Jünger. Jesus ist nicht der einsame Held, der seinen Weg unbeirrt geht. Meine Seele ist betrübt bis an den Tod – So spricht keiner, der nicht weiß, was Todesangst ist. Der keine Furcht kennt. An dem alles Harte abperlt. In seinem Zagen, seiner Betrübnis ist er einer wie wir.
Jesus kennt den Willen des Vaters und fragt doch nach einem anderen Weg, nach einer Alternative. Es ist zutiefst fragwürdig, wenn wir manchmal vom Glauben so reden, als sei Glauben, dass man sich fraglos seinem Schicksal ergibt. Es steht über Jesu Lebensweg, von der ersten bestandenen Versuchung an: Jesus will kein Leben an dem Vater vorbei. Jesus will kein Ansehen an dem Vater vorbei. Jesus will keine Macht an dem Vater vorbei. Er geht seinen Weg in diesem festen Willen: Ich will nichts tun, als was der Vater will. Ich will keinen anderen Weg gehen, als ihn mir der Vater zeigt. Und doch muss er in dieser Stunde in Gethsemane genau darum kämpfen – im Willen des Vaters zu bleiben.
Jesus steht, modern gesprochen, vor der Frage: Darf ich über mein Leben selbst bestimmen oder hat der Vater in Himmel nicht nur ein Mitsprachrecht, sondern sogar das letzte Wort? Natürlich gibt es für jeden von uns das Recht auf Selbstbestimmung – der Firma, der Familie, den Freunden und dem Staat gegenüber, auch im Gegenüber zur Gesellschaft. Ich muss an dieser Stelle darum kämpfen dürfen, nicht fremdbestimmt leben zu müssen. Wahrscheinlich verzichten wir sogar zu oft freiwillig auf dieses Recht, weil Anpassen einfacher ist und Kraft spart.
Aber Gott gegenüber, wenn es um die letzte Bindung des Lebens geht, ist anderes gefragt. Das Vertrauen, das den Weg des Lebens als Gottes Weg mit mir annimmt. Das sich birgt mit dem eigenen Willen in den Willen des väterlichen und mütterlichen Gottes.
Das ist die letzte Versuchung, die Jesus zu bestehen hat: Dem Weg des Vaters auszuweichen. Steht am Anfang seines Weges die Versuchung in der Wüste, es in die eigenen Hände zu nehmen, Gottes Sohn zu sein und etwas nach dem eigenen Willen daraus zu machen, so steht jetzt am Ende die Versuchung vor ihm, sich den eigenen Weg zu wählen als Ausweg aus dem Weg und Willen des Vaters.
Jesus unternimmt einen zweiten betenden Anlauf. Geht man zu weit, wenn man diese zweite Formulierung als eine Annäherung an das Unvermeidliche liest? Aus ist's möglich als Frage wird hier: ist's nicht möglich, so … Aus der Suche nach einem Ausweg wird die Suche nach einer zitternden Zustimmung. Dennoch - das Thema des Aus-Weges ist nicht mit einem Mal erledigt. Auch nicht, erst recht nicht durch das Schweigen des Himmels zu dieser Bitte. Es ist auffallend genug: Nirgends wird uns davon erzählt, dass Jesus auf sein Beten Antworten durch eine Himmelsstimme erhält!
Wie ist das mit dem Beten – bei uns? Es geht leicht, wenn unsere Wünsche Schlange stehen. Gott aufzuzählen, was wir von ihm erhoffen, vielleicht sogar erwarten – das geht uns mitunter gut über die Lippen. Es wird erheblich schwieriger, wenn es darum geht, einverstanden zu werden mit Wegen, die wir lieber nicht gehen wollen. Erst recht, wenn sie alle unsere Lebenswünsche in Frage stellen. Es ist nicht einfach zu sagen: Nicht wie ich will, sondern wie du willst. Und, auch das nicht einfach, sondern eher belastend – müssen wir lernen, wie Jesus, dass der Himmel manchmal zu unserem Beten schweigt!
Für mich ist diese Gethsemane-Szene eine, die mir die Menschlichkeit Jesu lieb macht. Diesem so Bittenden fühle ich mich nahe, ohne den Abstand zu übersehen, der zwischen uns ist. Gehöre ich doch viel eher zu den Schlafenden, von denen hier auch erzählt wird.
Schließlich: Es ist ein überaus einprägsames Bild: Der einsame, betende Jesus und die Jünger mit Augen voller Schlaf. Es könnte sein, das damit sichtbar gemacht wird: Dieser Kampf verträgt keine Zuschauer. Dieser Kampf muss in einer letzten Einsamkeit durchgestanden werden. Aber unser Beten lebt davon, dass er diesen Kampf auf sich genommen hat. Und weit über Gethsemane hinaus – der erhöhte Christus steht in Himmel für seine Leute ein – für die Betenden und – zu unserem Glück – auch für die Schlafenden. Amen.
Mein Jesus
ich danke Dir
dass Du im Willen des Vaters geblieben bist
dass Du seinen Weg gegangen bist
mit allen Ängsten
allem Schmerz
in das Dunkel der Welt
Ich danke Dir
dass Du Dich durchgerungen hast
das Vertrauen bewahrt hast
Das lässt mich hoffen auf Deine Kraft und Hilfe
dass ich mich auch durchringen kann zum Vertrauen
das dem Weg des Vaters folgt. Amen
Verfasser: Pfarrer i. R. Paul Ulrich Lenz, 63679 Schotten
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