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Jesus wird begrüßt wie ein König, geht aber den Weg des Leidens

von Mechthild Böhm (55122 Mainz)

Predigtdatum : 14.04.2019
Lesereihe : I
Predigttag im Kirchenjahr : Palmsonntag
Textstelle : Jesaja 50,4-9
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Wochenspruch: "Der Menschensohn muss erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Le-ben haben." (Johannes 3, 14 b.15)

Psalm: 69,2-4.8-10.14.21b-22.30 (EG 731)

Predigtreihen

Reihe I: Jesaja 50,4-9
Reihe II: Markus 14,(1-2)3-9
Reihe III: Hebräer 11,1-2(8-12.39-40);12,1-3
Reihe IV: Johannes 17,1-8
Reihe V: Johannes 12,12-19
Reihe VI: Philipper 2,5-11

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 452 Er weckt mich alle Morgen
Wochenlied: EG 91 Herr, stärke mich, dein Leiden
Predigtlied: EG 384 Lasset uns mit Jesus ziehen
Schlusslied: EG 222 Im Frieden dein

Predigttext Jesaja 50, 4 – 9

Der Knecht Gottes im Leiden

4 Gott der HERR hat mir eine Zunge gegeben, wie sie Jünger haben, dass ich wisse, mit den Müden zu rechter Zeit zu reden. Er weckt mich alle Morgen; er weckt mir das Ohr, dass ich höre, wie Jünger hören.
5 Gott der HERR hat mir das Ohr geöffnet. Und ich bin nicht ungehorsam und weiche nicht zurück.
6 Ich bot meinen Rücken dar denen, die mich schlugen, und meine Wangen denen, die mich rauften. Mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel.
7 Aber Gott der HERR hilft mir, darum werde ich nicht zuschanden. Darum hab ich mein Angesicht hart gemacht wie einen Kieselstein; denn ich weiß, dass ich nicht zuschanden werde.
8 Er ist nahe, der mich gerecht spricht; wer will mit mir rechten? Lasst uns zusammen vortreten! Wer will mein Recht anfechten? Der komme her zu mir!
9 Siehe, Gott der HERR hilft mir; wer will mich verdammen? Siehe, sie alle werden wie ein Kleid zerfallen, Motten werden sie fressen.

Liebe Gemeinde,

wer spricht hier? Irritierend und fremd klingen diese uralten Worte aus dem zweiten Teil der Jesajabuches. Irritierend ist, wie sehr da ein Mensch - um Gottes Willen - bereit ist zu leiden. Und zugleich klingt aus diesen fremden Worten großes Vertrauen. Dieser Mensch weiß: er ist mit Gott verbunden, auf jeden Fall. Das gibt ihm Kraft.

Wer spricht so? Es ist ein Mensch, der sich Gottes Willen ganz und gar zur Verfügung stellt. Im Hören auf Gott. Im Reden von Gott. Sogar dann noch, wenn er dafür angefeindet wird. Und, schlimmer noch, als ihm körperliche Gewalt nicht nur droht, sondern auch angetan wird. Auch dann noch ist dieser Mensch unerschütterlich bei Gott.

Hier spricht eine Person, die vor alldem nicht zurückweicht, so sagt sie selbst. Um Gottes Willen. Sie fragt nicht, was will ich? Wie wird es mir ergehen? Die Person, die hier spricht, ist sich ganz sicher, Gottes Willen zu tun. Und sogar zweimal sagt sie in großem Vertrauen: Gott hilft mir.

Wer spricht hier? Eine Frau? Ein Mann?

Die christliche Theologie nennt diesen Text und drei weitere, verwandte Texte aus dem zweiten Teil des Jesajabuches „Gottesknechtslieder“. Sie meint, hier spricht ein „Gottesknecht“, ein Mensch, der sich Gottes Willen völlig hingibt und daraus seine Kraft schöpft. Diese Gottesknechtslieder sind ganz besondere Glaubenszeugnisse. Aus einer Zeit lange vor Jesus. Die Theologie vermutet ihren Ursprung bei Menschen aus Israel, die als Migranten im Exil in Babylon leben mussten. Und die dort trotzdem versuchten, ihren Glauben zu bewahren.

Für uns Christen klingt in diesem uralten Glaubenszeugnis auch die Geschichte Jesu mit. Gerade heute an Palmsonntag. Auch er ist ein Gottesknecht, weil er mit seinem Leben und mit seinem Leiden ganz unbedingt und rückhaltlos für Gottes Willen eingetreten ist.

Das, was dem „Gottesknecht“ angetan wird, ist drastisch. Er wird verprügelt und bespuckt. Auch das, was Jesus auf dem Weg zum Kreuz angetan wurde, war brutal. Er wurde gegeißelt und verspottet. Und das sind nicht nur alte Geschichten aus einer fernen Zeit. Das geschieht bis heute. Menschen nehmen anderen Menschen ihre Würde. Menschen werden misshandelt und gefoltert. Sie werden aus ihrer Heimat vertrieben. Eine Wirklichkeit, die der des Gottesknechts im zweiten Teil des Jesajabuches sehr nah ist. Obwohl so viele Jahrhunderte vergangen sind, ist das sehr aktuell.

Mitten in der Anfeindung und im Leiden sagt der Gottesknecht: Ich habe mein Angesicht hart gemacht wie einen Kieselstein.

Ich habe solche Gesichter gesehen, hart wie ein Kieselstein, bei Menschen in ihrem Leiden.  

Als der alte Mann beginnt, aus seinem Leben zu erzählen, kann ich mir ausmalen, was er schon alles verloren hat. Nicht nur seine Kraft und seine Gesundheit. Auch seine liebsten Menschen. Viele Verluste und viele Enttäuschungen hat er hinnehmen müssen. Als er davon berichtet, wird sein Gesicht reglos, seine Mimik ist starr. Ich ahne: er will nicht zeigen, wie nah ihm das alles geht. Um jeden Preis will er die Fassung bewahren.   

Ich habe mein Angesicht hart gemacht wie einen Kieselstein.

In den Nachrichten wird kurz das Gesicht eines Mädchens gezeigt, das aus der syrischen Stadt Idlib fliehen musste. Ihre Augen sind völlig ausdruckslos, glanzlos. Wahrscheinlich können sie schon gar nicht mehr weinen. Welches Grauen haben sie sehen müssen? Ihr zerbombtes Zuhause? Getötete Menschen? Dieses versteinerte Gesicht zeigt keine Regung. Es hat mich erschüttert.

Ich habe mein Angesicht hart gemacht wie einen Kieselstein.

Manchmal geht es uns vielleicht selbst so. Da geht es mir so elend. Mitten unter all den anderen in ihrem „normalen Alltag“ ahnt wohl niemand, wie es in mir aussieht. Meine ganze Kraft muss ich dafür aufbringen, dass mir bloß keine Träne über die Wange kullert, dass bloß kein Mundwinkel zuckt, dass bloß niemand wahrnimmt, wie jämmerlich mir zumute ist. 

Ich habe mein Angesicht hart gemacht wie einen Kieselstein.

Manche hat auch die Arbeit und die Erschöpfung völlig stumpf gemacht. Sie rennen im Hamsterrad. Die Leistungsansprüche auf der Arbeit und dann noch die eigenen Ansprüche, alles gut hinzukriegen, lassen sie überhaupt nicht mehr zur Ruhe kommen. Freude und Entspannung sind weit weg. 

Was – und wer! – kann Ohren und die Herzen der Menschen erreichen. Wer kann ihre Gesichter wieder weich und lebendig werden lassen?

Der, der um Gottes Willen so leidet, der Gottesknecht im Jesajabuch, bewahrt sein Vertrauen zu Gott. Als sein Gesicht hart wie ein Kieselstein wird, da wird sein Glaube ganz fest: Gott hilft mir!

Das möchte ich auch glauben für die Menschen, die ich gesehen habe, deren Gesichter sich verhärtet haben im Leiden: dass Gott ihnen hilft. Und dass Gott gerade für sie und ihr Leiden kein hartes Gesicht hat, sondern dass er sie mit barmherzigen Augen ansieht. Nicht hart wie ein Kieselstein, sondern weich und voll Mitgefühl. Ich glaube, der, der gelitten hat wie der Gottesknecht, Jesus, der hatte solch einen mitfühlenden und wohlwollenden Blick auf die Menschen.

Um diesen wohlwollenden, mitfühlenden Blick möchte ich Gott bitten für die Menschen, die ihr Gesicht im Leiden verhärtet haben. Dass sie spüren und glauben können: Gott hilft mir. Vielleicht auch darin, dass sie es erleben: da hört mir jemand zu. Da spricht mir eine Mut zu.

Denn das ist es, worin der Gottesknecht seine Aufgabe sieht. Und seine Gabe: Mit den Müden zur rechten Zeit zu reden. 

Das ist es, was er auf jeden Fall tun will. Und worin er sich nicht aufhalten lässt. Und wofür er auch Anfeindung in Kauf nimmt. Mit den Müden zur rechten Zeit reden.

Dazu braucht es erst einmal ein Ohr, das den Menschen gut zuhört. Hören auf das, was sie sagen.

  • Ich habe solche Angst
  • Ich weiß nicht weiter
  • Das ist so ungerecht!
  • Ich bin so erleichtert, dass das gut gegangen ist
  • Alles auf der Welt wird immer schlimmer!

Um mit den Müden zur rechten Zeit zu reden, braucht es auch ein Ohr, das hören kann auf das, was die Menschen nicht sagen können. Weil sie glauben, niemand hört zu. Weil es ihnen die Sprache verschlagen hat. Oder weil sie meinen, sich und ihre Not niemandem zumuten zu können.

Allein schon, dass jemand so zuhört, auf die gesprochenen und die unausgesprochenen Worte, kann eine Wohltat sein. Und dann reden. Worte finden. Worte, die nicht die Angst wegwischen, sondern sie ernst nehmen. Und damit letztlich leichter machen.

Worte, die sich auf neue Wege tasten, um gemeinsam einen Ausweg zu finden. Ich denke da natürlich auch an den Slogan der Telefonseelsorge „Worte können Wege werden“. Wie gut, wenn Menschen das erfahren, indem ihnen zugehört wird. Und im Gespräch mit einem anderen Menschen können sich plötzlich neue Wege auftun.

Ich denke aber auch an Worte, die mutig genug sind, die Ungerechtigkeit anzuprangern, das Unrecht beim Namen zu nennen und nicht zu schweigen, wenn Menschen Unterstützung brauchen.

Jesus, in der Nachfolge des Gottesknechtes, hat so den Müden zugehört. Und zu den Müden gesprochen. Und für die Müden gesprochen. Voll Trost. Mit großer Zuwendung. Manchmal auch kritisch. Und immer hatte er sein Ohr bei Gottes Willen. Er weiß: er ist mit Gott verbunden, auf jeden Fall. Das gibt ihm Kraft.

Solches Zuhören und solches Reden kann Leben wenden. Solches Zuhören und solches Reden kann neues Leben schenken. Selbst über den Tod hinaus. Diese Stimme lässt sich nicht zum Schweigen bringen. Und das soll auch uns Mut geben, die Ohren zu öffnen und die Stimmen zu erheben.

Amen    

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn.

Amen

Verfasserin: Pfarrerin Mechthild Böhm, Im Münchfeld 2, 55122 Mainz


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