Jesus wird begrüßt wie ein König, geht aber den Weg des Leidens
von Manuela Rimbach-Sator (55276 Oppenheim)
Predigtdatum
:
09.04.2017
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Judika
Textstelle
:
Markus 14,3-9
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Wochenspruch:
"Der Menschensohn muss erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben." (Johnannes 3, 14 b.15)
Psalm: 69, 2 - 4.8 - 10, 21 b - 22.30 (EG 731)
Lesungen
Reihe I: Johannes 12, 12 - 19
Reihe II: Philipper 2, 5 - 11
Reihe III: Markus 14, 3 – 9
Reihe IV: Jesaja 50, 4 - 9
Reihe V: Johannes 17, 1 (2 - 5). 6 - 8
Reihe VI Hebräer 12, 1 - 3
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 545 Wir gehn hinauf nach Jerusalem
Wochenlied: EG 87 Du großer Schmerzensmann
Predigtlied: EG 66,4 - 8 Jesus ist kommen, der Fürste des Lebens
Schlusslied: EG 586 Herr, der du einst gekommen bist
Predigttext Markus 14, 3 – 9
Salbung in Bethanien
„Und als er in Betanien war im Hause Simons des Aussätzi-gen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Ala-bastergefäß mit kostbarem Öl aus echter Narde, und sie zerbrach das Alabastergefäß und goss es auf sein Haupt.
Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls?
Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an.
Jesus aber sprach: Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan.
Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit.
Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Vo-raus gesalbt für mein Begräbnis.
Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Ge-dächtnis, was sie jetzt getan hat.“
(Hinweis: Bibeltext unbedingt aus „Luther 2017“ (erscheint im Oktober 2016) oder aus der hier mit abgedruckten Bibelüberset-zung verlesen wird, denn in der derzeit noch üblichen Lutherüber-setzung von 1984 steht in Mk 4, 3 „Glas“ und nicht die korrektere Übersetzung „Alabastergefäß“.)
Liebe Gemeinde,
ganz ungewöhnlich für evangelische Verhältnisse: Die Luft ist erfüllt vom süßen Duft eines kostbaren Öls. Mit ein wenig Fantasie können wir uns ausmalen und gewissermaßen hier herholen: Der Duft, von dem in dieser Geschichte die Rede ist, muss sensationell gewesen sein. Der ganze Raum, viel-leicht das ganze Haus erfüllt von kostbarem Parfümduft.
Von Anfang an hat diese Geschichte etwas Überschwängli-ches, etwas Aufregendes und Betörendes.
Was hier geschieht, ist in vieler Hinsicht nicht alltäglich.
Und dass die, die es erlebt haben, aufs Äußerste irritiert sind, muss uns nicht wundern.
Düfte sprechen ihre eigene Sprache. Und sie gelangen an unserem kritischen Bewusstsein vorbei direkt dorthin, wo Erinnerungen gespeichert sind und Gefühle, unser Ahnen und unsere Intuition. Der Apfelkuchen von Oma, der Blütenduft aus dem Garten meiner Kindheit, Bohnerwachs oder Holz, Popcorn oder Zitronen - jeder Duft nimmt uns mit in einen Raum der Erinnerung - ganz unmittelbar. Und holt uns in diesen Raum als wäre er Gegenwart. Überspringt die Zeit als gäbe es sie nicht.
Das aus der Wurzel der indischen Narde gewonnene Öl ver-wendet die Braut im Hohenlied, um sich zu schmücken. Kostbar ist der Moment, wenn dieser Duft im Raum liegt. Er erzählt, so weiß die Bibel, von Liebe und Größe, von Großar-tigem und Nicht-Alltäglichem. Und lässt uns etwas erschnuppern von einer Wirklichkeit, die wir mit Worten kaum erfassen können. Die das überbietet, was wir kennen und uns eine Ahnung gibt von einer ganz anderen Wirklich-keit.
Lassen wir uns mitnehmen von dem Duft, den eine Frau in Betanien in das Haus von Simon gebracht hat! Einen Duft und eine Botschaft.
Was haben die Männer empfunden, die dabei waren in Betanien? Was haben sie gedacht, als ihnen dieser Duft in die Nase gestiegen ist?
Selbst wenn sie zuvor noch nie Gelegenheit dazu gehabt haben, ein so kostbares Parfüm zu riechen, war allen sofort klar, dass hier etwas Ungewöhnliches passiert.
Aus den beiden Versen, die dieser Geschichte in der Bibel vorausgehen, erfahren wir, dass nicht nur Parfümduft in der Luft liegt, sondern zugleich eine große Bedrohung. Die Hohenpriester und Schriftgelehrten planen, Jesus zu fangen und denken über eine List nach, wie sie das tun können. Das Passahfest steht kurz bevor. Jesus wird zum Fest nach Jerusalem kommen, wie viele Menschen das tun. Aber: Ist es günstig, ihn gerade dann gefangen zu nehmen?
„Ja nicht bei dem Fest! Das gibt einen Aufruhr!“ sagen sie zueinander.
Was der rechte Zeitpunkt ist - dieses Thema klingt hier schon an.
Während die Einen Pläne schmieden und wieder verwerfen, sitzen die Anderen nur wenige Kilometer entfernt in dem Dorf Betanien beim Essen und scheinen nichts von der Be-drohung zu wissen.
Allerdings hatte Jesus gerade in diesen Tagen davon ge-sprochen, dass man wachsam sein soll. So mag es denen, die die Geschichte später erzählten, in der Erinnerung vor-gekommen sein, als hätte die Anspannung schon in der Luft gelegen.
Zu den Gesten der Gastfreundschaft gehört es in jener Zeit, dass Diener den Gästen zur Begrüßung vor dem Essen die Füße waschen. An anderer Stelle in der Bibel lesen wir, dass eine Frau kommt und Jesus die Füße wäscht. Nach den da-maligen Sitten und Gebräuchen gehört sich das nicht. Frauen haben in den Räumen der Männer nichts verloren.
Noch irritierender wird es sein, wenn Jesus selbst seinen Jüngern bei ihrem letzten gemeinsamen Abendessen diesen Dienst erweist und ihnen damit ein Zeichen gibt, wie sie füreinander da sein sollen.
Aber was hier geschieht, ist nichts, was die Jünger so ein-fach wiederholen können. Als Jesus in Betanien im Haus von Simon beim Essen ist, tritt eine Frau herein mit einem Ala-basterfläschchen in den Händen. Das Gefäß ist schon auf den ersten Blick als kostbar zu erkennen. Alabaster - ein Gestein wie Marmor, aber zarter, licht-durchlässig, fast wie Glas. Es ist zugeschmolzen. Um es zu öffnen, - damit es zu seiner Bestimmung gelangt, muss man es zerbrechen. Das klingt wie eine Parallele zu dem, was mit dem Leib Jesu ge-schehen wird. Von dem die Menschen in dem Haus in Betanien zu diesem Zeitpunkt aber noch nichts ahnen kön-nen.
Die Frau öffnet das Gefäß und salbt mit dem Öl Jesus den Kopf. Diese Geste mag zunächst erinnern an die Salbung der Könige. Der Prophet Samuel salbte einst Saul und später David zum König. Dass dieser Jesus sich als so ganz anderer König erweist als Könige das sonst tun, das haben wir heute schon im Evangeliumstext zum Palmsonntag gehört.
Dass hier Außerordentliches geschieht, etwas, das irritiert und verstört, das erkennen wir an der Reaktion der Männer, die es miterleben.
Sie reagieren verärgert. Möglicherweise hat sie schon das Eindringen der Frau aufgeregt. Erst recht können sie nichts damit anfangen, was sie tut. In ihrer Empörung machen sie eine Rechnung auf: 300 Silbergroschen - so taxieren sie den Wert des Öls. Der Jahreslohn eines Arbeiters. Ein Skandal - solche Verschwendung!
Die Männer kommen mit ihrer Rechnung nicht gut weg. Je-sus weist sie zurecht und steht der Frau bei.
Und es könnte der Eindruck entstehen, dass die Fürsorge für die Armen zurückstehen muss hinter einer verschwende-rischen Geste der Verehrung für Jesus.
So ist die Erzählung von der Salbung in Betanien denn auch gerne schon benutzt worden, um manche Form der Großzü-gigkeit oder gar Verschwendung zu rechtfertigen.
Tatsächlich eignet sich die Geschichte dafür aber nicht, denn die Fürsorge für die Armen ist etwas, was Jesus ganz selbstverständlich voraussetzt als eine tägliche Pflicht: „Arme habt ihr allezeit, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun.“ Niemand hindert euch daran. Und das, was diese Frau jetzt tut, hindert euch erst recht nicht.
Und dann spricht Jesus von seinem Tod.
„Mich habt ihr nicht allezeit.“
Wenn sich die Männer schon über das Ausgießen des teuren Öls aufregen konnten, wie viel mehr muss sie das aufregen, was Jesus darin sieht: Eine vorweggenommene Totensal-bung, die ihn zugleich als den Messias, den Christus, das heißt: „den Gesalbten“ ausweist.
Vielleicht haben sie begriffen: Der Gegensatz dieser Szene heißt nicht „Arme oder Jesus“ sondern: „Allezeit und Jetzt“. Das Alltägliche, das Vertraute und Gewohnte und im Gegen-satz dazu: Das Ungewöhnliche, das Skandalöse und ein-schneidend Neue.
Jetzt bricht etwas an, das eines Tages wie eine Zeitenwende erkennbar sein wird. So wie der besondere Duft das Haus erfüllt, ein Duft, dem man sich nicht entziehen kann, so ist ein besonderes Thema hereingebrochen, ist eine neue Zeit angebrochen.
Aufgebrochen wie das Gefäß mit dem Öl.
Unumkehrbar ist dieser Moment. Wir können nicht mehr dahinter zurück.
Und im Nachhinein, im Rückblick wird man sich erinnern an diese Szene und wird verstehen, wovon hier die Rede ist.
Man wird sich dieser Frau erinnern. Nicht als Person. Wir erfahren nicht ihren Namen. Das Markusevangelium ver-schweigt auch die Namen von anderen, die herausragen und erkennen, wer Jesus ist.
Allesamt nur Hinweise, Wegweisende, Werkzeuge. Mag sein, dass nicht einmal die Frau versteht, was Jesus in ihrer Geste erkennt.
Man wird sich dieser Szene erinnern, weil sie uns hilft, Jesus als den Messias zu identifizieren, als den Gesalbten, dessen Tod in dieser Minute schon längst beschlossene Sache ist. Aber nicht von denen, die noch über die passende List nachdenken. Auch die sind offenbar nur Handlanger einer Geschichte, die größer ist als sie, bedeutender, umfassender als alles, was jeder einzelne von denen je überschaut.
„Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt“, so erklärt es Jesus am Ende der Szene und nimmt vorweg, dass die Rede von seinem Tod Evangelium sein wird, frohe Botschaft, Heil für alle Welt.
Damals in Betanien hat es begonnen, offenbar zu werden.
Ob die, die dabei waren, die Größe des Momentes verstan-den haben? Der Evangelist erzählt uns nicht, wie sie reagiert haben. Doch ist die nächste Szene der knappe Bericht über den Verrat des Judas. So unvermittelt die Szenen auf-einanderfolgen, so sehr überstrahlt die eine die andere.
Während Judas mit den Hohenpriestern über seinen Verrat schnell handelseinig wird, ist das Haus des Simon vermutlich noch lange erfüllt vom Duft des kostbaren Öls.
Wir heute und hier brauchen kein kostbares Nardenparfüm, um diesen Duft, diese Botschaft bis auf den Grund unserer Seele hinab wirken zu lassen. Auch andere Formen und Er-fahrungen schenken uns Gewissheit, dass Jesus der Messias ist und dass seine Wirklichkeit in unser Leben herüber strahlt: ein klärendes Wort, eine zärtliche Geste, eine tröst-liche Musik, ein Weg, der sich auftut nach langer Suche, vielleicht die Erfahrung von Großzügigkeit oder Befreiung –
auch sie können uns erzählen und hinein holen in diesen Raum der Gewissheit wie ein Duft, der von Liebe erzählt und von der Ewigkeit. Einer Ewigkeit, der wir begegnen in Jesus Christus.
Amen.
Verfasserin: Pfarrerin Manuela Rimbach-Sator
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