Jesus wird begrüßt wie ein König, geht aber den Weg des Leidens
von Joachim Meyer (Reinheim)
Predigtdatum
:
13.04.2014
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Judika
Textstelle
:
Hebräer 12,1-3
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Wochenspruch:
"Der Menschensohn muss erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben." (Johnannes 3, 14 b.15)
Psalm: 69, 2 - 4.8 - 10, 21 b - 22.30
Lesungen
Altes Testament: Jesaja 50, 4 - 9
Epistel: Philipper 2, 5 - 11
Evangelium: Johannes 12, 11 - 19
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 440, 1 - 4 All Morgen ist ganz frisch und neu
Wochenlied: EG 87, 1, 3 + 4 Du großer Schmerzensmann
Predigtlied: EG 552, 1 - 5 Einer ist unser Leben
Schlusslied: EG 361, 11 + 12 Befiehl du deine Wege
Der Palmsonntag ist der letzte Sonntag in der Passionszeit und steht am Beginn der Karwoche. Sein Name kommt aus der Geschichte vom Einzug Jesu nach Jerusalem: Die Menge heißt Jesus mit Palmzweigen willkommen. Auch im Johannesevangelium, das im Gottesdienst gelesen wird, wird davon erzählt. Traditionellerweise trägt der Palmsonntag einen festlichen Charakter, mancherorts wird er im Brauchtum als ein deutlicher Hinweis auf das Osterfest begangen: so kommt im hessischen Ried, in Rheinhessen und im Odenwald der sogenannte Palmhase und bringt ein bis zwei gekochte braune Eier, eine kleine Nascherei und auch Geldgeschenke. Längst wird mit dem Verzehr von Schokoladenosterhasen oder auch von Ostereiern nicht mehr bis zum Osterfest gewartet. Die Fastenzeit hat kaum noch eine Bedeutung in der Konsumgesellschaft oder sie ist individualisiert. Da ist es hilfreich, dass durch das Projekt“ 7 Wochen ohne“ auf andere, phantasievolle Weise die Passionszeit gestaltet wird, unterstützt durch manche Passions- oder Fastenkalender mit nachdenklichen Texten oder Bildern und dem Angebot sich über die persönliche Fastenerfahrungen auszutauschen. Denn Fasten dient dazu, los zu lassen (Hebr. 12,1). Schließlich beginnen an diesem Wochenende die hessischen Osterferien. Einige brechen auf zu einem Osterurlaub oder befinden sich gerade in ihm und besuchen einen Gottesdienst.
In manchen Gemeinden werden in der Karwoche Passionsandachten angeboten, um Leiden und Tod Jesu zu bedenken – auch im Blick auf die eigene existentielle Situation. Dies steht auch im Blickpunkt des heutigen Predigttextes aus dem Hebräerbrief, Kap. 12, 1-3. Ein paar Sätze zu diesem neutestamentlichen Buch: Der Verfasser des Briefes ist unbekannt. Seine Zielgruppe war eine judenchristliche Gemeinde – worauf der Name hinweist. Dazu passt, dass die Evangelienlesung schon mit dem V.11 bei Johannes 12 beginnt. Die Gemeinde lebte in der vermutlich zweiten oder dritten nachchristlichen Generation. Die anfangs erwartete Wiederkunft Jesu verzögerte sich. Man musste sich mehr und mehr einrichten auf ein Leben in dieser Welt. Dazu braucht es Ausdauer und Orientierung Der Hebräerbrief denkt nach über die Frage, wie man sich das durch Christus erworbene Heil im alltäglichen Leben auch in Anfechtungen und Bedrängnis bewahren kann. Glauben und Hoffen sind Kraftquellen im Leben und verbinden mit dem auferstandenen Christus, der von Gott erhöht an seiner Seite regiert. Er ist Begründer, Brückenbauer und Vorbild des Glaubens. Er hat sich damals dem Zeitgeist widersetzt. Dafür wurde er geächtet, ausgeschlossen und hingerichtet vor den Toren der Stadt (13,12) Durch seinen Opfertod am Kreuz hat Jesus das Heil erworben. Im Hebräerbrief wird er zugleich als „Opfertier“ wie auch als „oberster Priester“ beschrieben, der für die Menschen eintritt. Zu ihm hin ist die christliche Gemeinde unterwegs, vergleichbar mit der Wanderung des Volkes Israel durch die Wüste ins gelobte Land. Sein Leben bietet Orientierung in der Welt. Sein Geschick nach dem irdischen leben, seine Herrschaft an der Seite Gottes gibt der Hoffnung Nahrung. Der Blick auf ihn ermutigt zu einem freien, unabhängigen Leben von den Verführungen und Leiden des Alltags.
Die Predigt stellt diese Aspekt in den Vordergrund: Was gibt Christen Kraft und Mut und Ausdauer – der Sportler spricht von „Kondition“- für ihr alltägliches Leben? Wie kann der Glaube Kraft entfalten? Wo sind Spuren der neuen Welt Gottes zu finden? Was nährt die Hoffnungskraft?
Kollektengebet:
Allmächtiger und barmherziger Gott, am heutigen Palmsonntag bitten wir dich: Begleite uns durch die kommende Woche, in der wir das Leiden und Sterben deines Sohnes in besonderer Weise bedenken. Gib, dass wir das Wort vom Kreuz aufnehmen, unser Heil alleine bei dir suchen und für uns selbst den Weg des Leidens nicht scheuen.
Amen
Predigt:
Liebe Gemeinde,
wer einen langen Weg zurücklegt, wird früher oder später müde. In ganz unterschiedlichen Situationen machen wir diese Erfahrungen: Wanderer, die sich eine mehrtägig Tour vorgenommen haben; Autofahrer, die stundenlang am Steuer sitzen; Hausfrauen, die von früh bis spät auf den Beinen sind; Fließbandarbeiter, die im Akkord arbeiten und laufend unter Druck stehen. Und auch die Schülerinnen und Schüler, die ein Schuljahr durchleben. Sie alle brauchen Phasen der Entspannung und Zeiten zum Ausruhen – eben Ferien. So, wie sie jetzt gerade vor der Tür stehen.
Schließlich spüren ältere Menschen den langen und beschwerlichen Weg des Lebens, den sie zurückgelegt haben, an den Gebrechen und Verschleißerscheinungen des Körpers.
Der Hebräerbrief, in dem unser Predigttext heute Morgen steht, spricht auch vom langen, mühsamen Lauf eines Lebens. Ich lese den Abschnitt Kap. 12, die Verse 1-3 (Übersetzung BasisBibel, Das Neue Testament, Stuttgart 2010):
Wir sind also förmlich umgeben von einer riesigen Wolke von Zeugen. Darum lasst uns alle Last abwerfen, besonders die Sünde, in die wir uns so leicht verstricken. Dann können wir mit Ausdauer in dem Wettkampf laufen, der vor uns liegt. Dabei wollen wir den Blick auf Jesus richten. Er hat uns zum Glauben geführt und wird ihn auch vollenden. Er hat das Kreuz ausgehalten und der Schande keine Beachtung geschenkt. Denn auf ihn wartet die große Freude, an der rechten Seite von Gottes Thron zu sitzen. Denkt doch nur daran, wie geduldig er die Anfeindungen von schuldbeladenen Menschen ertragen hat. Dann werdet ihr nicht müde werden und nicht den Mut verlieren.
Wer eine lange Strecke laufen will, macht sich dafür leichter. Jedes Kilo Last drückt auf die Beine und erschwert den Lauf. Einige unter uns kennen dieses Gefühl. Da gilt es alles Unnötige an Pfunden und Kleidung, alles, was beschwert, abzulegen und dann mit Geduld und Ausdauer los zu laufen. Sich die Kräfte einzuteilen. Das Ziel vor Augen zu haben während des gesamten Laufs. Und es ja nicht zu schnell und zu heftig an zu gehen.
Dieses eindrückliche Bild, diese Erfahrung überträgt der Verfasser unseres Predigttextes auf das Christsein. Und er fordert auf, Lasten ab zu werfen. Los zu lassen. Die Last der Sünde. Alles, was unser Leben, unser Gewissen, unsere Beziehungen beschwert. „Wir sind im Kampfe Tag und Nacht“ heißt es in einem Kirchenlied. Die Frage ist, ob und wie wir durchhalten? Wie ist dieser Lebenskampf zu schaffen, die Tretmühle des Alltags? Manch einer hat sich ein Ziel gesteckt und es doch nicht erreicht. Wer immer wieder vergeblich Anlauf nimmt, wird über kurz oder lang müde und matt. Das gilt auch für den Lebensweg eines Christen, einer Christin. Es ist schwer, ein Leben lang zu glauben, zu lieben und zu hoffen. Wer laufend frustrierende oder gar leidvolle Erfahrungen macht, dem werden die Knie weich. Nicht nur durch Anfeindungen oder Anfechtungen kann der Glaube erschüttert werden. Auch durch Gleichgültigkeit, durch Scham oder eben durch Krisen und Katastrophen. Es hat einmal jemand den Lebensweg des Christen mit dem Gang durch die Karwoche verglichen: Der Blick auf das Ziel – die Aussicht auf Ostern – sie wird verstellt durch das Kreuz –Karfreitag - das im Wege steht.
Was kann uns davor bewahren, Mut und Glauben sinken zu lassen, wenn uns das Leben hart zusetzt?
Drei Hinweise gibt uns der Verfasser des Hebräerbriefes:
Zum einen, das Leben realistisch einschätzen: nämlich wirklich als einen Langstreckenlauf. Es bedarf viel Geduld und Krafteinteilung, Durststrecken zu überwinden und immer wieder Verpflegungsstellen auf zu suchen, sich zu stärken und neue Kraft zu schöpfen. Krafteinteilung über den Augenblick auf Jahre hinaus, über die die Zeit der Jugend und des Erwachsenseins bis in Alter hinein.
Zum zweiten: von sich und seinen Lebensproblemen weg auf die anderen Christen schauen, die einen begleiten. Auf die Heiligen. Auf die Wolke von Zeugen, die einen umgibt und anfeuert.
Und schließlich zum dritten und wichtigsten: der Aufblick auf Jesus, auf den Anfänger und Vollender des Glaubens. Er hat den Kampf des Lebens ausgetragen. Er hat den Glauben an Gott, den himmlischen Vater, durchgehalten. Er ist von ihm gerettet worden durch die Auferstehung vom Tode. Von ihm kommt unser Glauben und durch ihn wird er auch vollendet.
Eine dreifache Überlebensstrategie für den Christen. Ich möchte sie mit Ihnen ein wenig genauer anschauen, liebe Schwestern und Brüder.
Wer von Ihnen schon einmal für längere Zeit im Krankenhaus lag, der weiß, was es bedeutet Geduld aufzubringen und zu kämpfen, damit das Leben zurückkehrt. Das lateinische Wort „Patient“ heißt auf Deutsch „Geduldiger“. Geduld haben. Das bedeutet doch: aushalten. Nicht aufgeben. Nicht aufgeben in der Hoffnung und im eigenen Einsatz für die Genesung – auch wenn der Weg dorthin lang erscheint, unendlich lang und die Fortschritte nur klein und unscheinbar sind. Geduld haben bedeutet aber auch: etwas mit sich machen lassen. Anderen Menschen Vertrauen schenken, die einem helfen wollen. Sich selbst ein stückweit loslassen.
„Lasst uns alle Last abwerfen, besonders die der Sünde, in die wir uns so leicht verstricken“ schreibt der Hebräerbrief. Was für einen Kranken gilt, gilt auch für den Christen. Denn dieser bleibt trotz seines Glaubens von Sünde bedroht. Von Schuld. Von Entfremdung und Trennungserfahrungen. Sich selbst, den Mitmenschen, der Welt und auch von Gott gegenüber.
Darum immer wieder: sich helfen lassen. Sich ermutigen lassen. Von denen, die auch unterwegs sind auf der Laufstrecke. Die um einen sind. Die einen anfeuern und ermutigen. „Ich bin nicht alleine unterwegs“ – welch eine begeisternde Erfahrung bei einem Langstreckenlauf. Die Zuschauer an der Strecke applaudieren und spenden Kraft. Die Wolke der Unterstützer um mich herum hilft mir.
Auf sie lenkt der Verfasser des Hebräerbriefes den Blick. Und mit ihm frage ich: Wer fällt Ihnen persönlich ein aus dieser Wolke? Von diesen Unterstützern? Wem verdanken Sie wesentliche Impulse, Bilder und Sprache für Ihren Glauben? Wer hat Sie geprägt? Zu wem könnten Sie gehen?
Bei mir waren es meine Eltern, die mir Vertrauen schenkten. Mein ehemaliger Religionslehrer. Der Jugendpfarrer, der mich prägte. Und viele, viele Christen, nah und fern. Von denen ich gehört und gelesen habe. Mit denen ich mich beschäftigte. Die meinen Glauben durch Bilder und Sprache formten. Mir halfen und helfen mein Leben zu verstehen. Mir Worte schenken für mein Gebet: Dorothee Sölle, Dietrich Bonhoeffer, Martin Luther und viele andere. Aus der Wolke der Zeugen. Durch ihr Reden und Tun haben sie Christus bezeugt. Ja, Christus bezeugt!
Denn darauf kommt es letztlich an: dass wir ihn nicht aus den Augen verlieren in allem, was wir täglich tun und lassen. In allem, was uns widerfährt. Christus. Dem wir unseren Namen verdanken: Christen. Der uns den Glauben geschenkt hat und selbst Gegenstand unseres Glaubens ist. Der uns dadurch begleitet in den unterschiedlichsten Erfahrungen des Lebens: Erfahrungen des Glücks und der Freude wie auch in den Erfahrungen des Leidens und der Trauer und des Todes. Beide Seiten hat er selbst erlebt. In beidem ist er Gott seinem himmlischen Vater treu geblieben. Und der hat ihn hindurch getragen durch Kreuz und Tod zur Auferstehung. Den Weg, den wir in dieser Woche vor uns haben. Und der uns zeigt, dass unser Leben mehr ist, als ein kurzer Moment. Eben ein Weg. Ein langer Lauf. Bis zum Licht am Ende des Tunnels.
Zu guter Letzt: Immer wieder hat man in Studien bemerkt, dass Menschen ganz verschieden reagieren auf Belastungen des Alltags. Von den gleichen oder ähnlichen Ereignissen werden die einen niedergedrückt, während die anderen als Stehaufmännchen und –weibchen reagieren. Sie verstehen die Krise nicht als Untergang, sondern als Chance zur Veränderung. Resilienz nennt man diese Art von Lebenskunst. Und man hat beobachtet, dass solche Menschen resilient reagieren, deren Leben – in aller Kürze - geprägt ist durch den Dienst an einer Sache, durch die Hingabe an einen Menschen und/oder durch ein Konzept von Lebenssinn. Alles drei entdecke ich bei Jesus.
Im Blick auf ihn wollen wir loslassen, was uns entfremdet Im Blick auf ihn wollen wir weitergehen und Orientierung suchen in den Fragen des Lebens. Im Blick auf ihn haben wir ein Ziel vor Augen. Im Blick auf ihn wünsche ich Ihnen sichere Schritte voller Vertrauen. Wünsche ich Ihnen jeden Tag von neuem Kraft und Lust zum Leben. Amen.
Fürbittgebet
Herr Jesus Christus,
Wir sehen dich aus der Ferne und über den unendlichen Abstand der Zeit hinweg.
Lass uns mit dir gehen. Du bist anders als andere Menschen, stärker und schwächer, erhabener und geringer.
Du verkündest die Ehre Gottes und begleitest die Verachteten unter den Menschen.
Lass uns mit dir gehen und gehe du mit uns, Meister des Lebens.
An dir sehen wir, was es heißt, Mensch zu sein. Durch dein Antlitz schauen wir das Antlitz Gottes. Wo du bist, verwandelt sich die Welt. Wandle auch uns und stärke uns in dem Kampf, der uns bestimmt ist. Einen jeden und eine jede von uns. Halte Du die Hand unter die und trage du, die unter zu gehen drohen. Richte sie wieder auf.
Und stärke uns durch die Schwestern und Brüder, die um uns sind in Zeit und Ewigkeit.
Und lass uns selbst stärkend für andere da sein.
Und sie hinweisen in Wort und Tat auf dich, den Heiland der Welt. Amen
Verfasser: Dekan Joachim Meyer
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