Wochenspruch: Der Menschensohn muss erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben. (Johannes 3,14b.15)
Psalm: 69,2-4.8-10.14.21b-22.30
Reihe I: Jesaja 50,4-9
Reihe II: Markus 14,(1-2)3-9
Reihe III: Hebräer 11,1-2(8-12.39-40);12,1-3
Reihe IV: Johannes 17,1-8
Reihe V: Johannes 12,12-19
Reihe VI: Philipper 2,5-11
Eingangslied: EG 445 Gott des Himmels und der Erden
Wochenlied: EG 97 Holz auf Jesu Schulter
Predigtlied: EG 16,4-5 Die Nacht ist vorgedrungen
Schlusslied: EG 74 Du Morgenstern
1 Solches redete Jesus und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist gekommen: Verherrliche deinen Sohn, auf dass der Sohn dich verherrliche;
2 so wie du ihm Macht gegeben hast über alle Menschen, auf dass er ihnen alles gebe, was du ihm gegeben hast: das ewige Leben.
3 Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.
4 Ich habe dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, damit ich es tue.
5 Und nun, Vater, verherrliche du mich bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.
6 Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort bewahrt.
7 Nun wissen sie, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir kommt.
8 Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und sie glauben, dass du mich gesandt hast.
1. Eine Rede mitten in der Nacht
Spät ist es geworden in Jerusalem. Es ist Nacht. Jesu festlicher Einzug in die Stadt ist schon ein paar Tage her. Die Stimmen der Menschen hatten die Jünger noch im Ohr: „Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ Jesus ritt auf einem Esel, herrlich anzusehen und er sprach auch von Herrlichkeit, von seiner Verherrlichung.
An diesem Abend am Gründonnerstag, saßen die Jünger beieinander, Judas fehlte. Schon vor Stunden hatte er sie verlassen. Es würde etwas passieren, etwas Entscheidendes, das lag in der Luft. Die Jünger wussten nicht, was geschehen würde. Der Abend hatte damit begonnen, dass Jesus ihnen die Füße wusch. Ungeheuerlich: er, der Herr, wäscht seinen Freunden, seinen Jüngern die Füße – wie ein Sklave. Dann aßen sie gemeinsam. Jesus sagte: Einer von euch wird mich verraten, der, dem ich den Bissen Brot gebe. Und Jesus gab Judas, seinem Freund und Weggefährten das Stück Brot in die Hand. Judas verstand, er musste gehen. Jesus und Judas, nur sie beide erkannten, was jetzt getan werden musste. Für die anderen blieb es ein Rätsel.
Und dann redete Jesus, er hielt seine Abschiedspredigt. Die Jünger hingen an seinen Lippen. Nicht, dass sie alles verstanden hätten, was er sagte. Aber sie spürten: Diese Worte hatten eine große Kraft. Es sollten seine letzten Worte an seine Freunde sein. Es war ein besonderer Moment: wie ein Vermächtnis, wie ein Testament, das sie da vernommen hatten. Worte, die sich ins Gedächtnis einbrennen und die sie nie vergessen werden:
„Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt.“ (Joh 13,34)
„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, denn durch mich.“ (Joh 14,6)
Tröstende Worte spricht Jesus. Seine Weggefährten bleiben nicht allein, auch wenn er geht. Sie können nicht folgen. Er wird den Tröster senden, der sie in seinem Namen führen und leiten wird.
Aber sie hören auch Worte, die ihnen Angst machen. Sie haben mehr Fragen als Antworten. Sie fragen: Wo gehst Du hin? Können wir nicht bei Dir bleiben? Jesus sagt:
„In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Joh 16,33)
Starke Worte. Worte für die Ewigkeit. Mit diesen letzten Worten beendete er seine Rede. Stille tritt ein.
In diese Stille hinein spricht er sein Gebet. Und so hört den Beginn dieses Gebetes:
(Predigttext verlesen)
2. Jesus betet nach seiner Predigt
Jesus betet mit erhobenem Blick, er hebt in feierlicher Gebetshaltung die Hände zum Himmel. Es ist ein Gebet, das wie ein Schlussgebet wirkt, eine Fürbitte für sich selbst, für Gott und für die Menschen, die ihm anvertraut sind, die sich ihm anvertraut haben. Nach diesem Gebet geht Jesus in den Tod. Er geht erhobenen Hauptes, aus freien Stücken, es ist sein Weg. Und dieser Weg beginnt mit einem Gebet. Es nimmt die Ängste der Jünger auf, ein Gebet, das tröstet. Hier ist die starke Verbundenheit zu spüren zwischen Jesus und Gott, zwischen Jesus und seinen engsten Vertrauten.
Er spricht davon, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen ist: „Vater, gekommen ist die Stunde“, so beginnt Jesus. Er betet zu seinem Vater, dem er in Liebe verbunden ist. Er weiß, jetzt ist sie da, die Stunde, die alles entscheidet. Er fasst zusammen, was ihm wichtig ist – es ist kein zerknirschtes Bittgebet, kein Klagelied, sondern ein Gebet, in dem er einwilligt in alles, was geschehen wird. Ein öffentliches Gebet, so können seine Jünger hören, was Jesus bewegt.
Was betet er? Es geht um die Herrlichkeit (1), um das ewige Leben (2) und um den Glauben (3).
(1) Er bittet, dass die Herrlichkeit Gottes sichtbar wird. Sie ist durch sein Leben schon sichtbar geworden, nun soll sie vollends sichtbar werden.
„Herrlich!“ rufen wir aus, wenn uns etwas besonders gut gefällt. Das Leben ist herrlich – das meint, es ist schön, voller Freude und Licht. Die Herrlichkeit Gottes ist all das Schöne, was in seiner Schöpfung aufleuchtet. Aber es ist noch viel mehr. Das Johannesevangelium beginnt mit den Worten, die wir an Weihnachten lesen: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ Herrlichkeit ist Ehre, ist Macht, ist Lichtglanz. Alles Vollkommene, das von Gott kommt. Diese Herrlichkeit ist auf die Erde gekommen mit Jesus und sie wird durch Jesu Tod und seine Auferstehung noch deutlicher werden. Eigentlich absurd, dieser Gedanke, dass durch Leiden und Tod Herrlichkeit hervortritt. Zu verstehen ist das nur, wenn man von der Auferstehung herdenkt. Vom Anbeginn der Welt war die Herrlichkeit Gottes da und Jesus mit ihr. Weil der Tod das schrecklichste ist, was Menschen erfahren können, wird die Auferstehung zum mächtigsten Zeichen der Herrlichkeit Gottes. Das Leiden wird nicht verherrlicht. Jesus nimmt aus Liebe das Leiden auf sich und diese Liebe wird verherrlicht.
Wo ist heute die Herrlichkeit Gottes zu entdecken? Hier bei uns, wenn wir beisammen sind, beten und singen, dann können sich Herzen öffnen und ein Lichtstrahl dieser Herrlichkeit kann unser Herz erreichen. Wenn wir uns ergreifen lassen von der Schönheit der Welt, jetzt, wenn der Frühling erwacht. In jeder Blume ist ein Stück von Gottes ewiger Herrlichkeit zu finden! Wenn die Kinder lachen, wenn die kranke Nachbarin wieder neuen Mut findet, wenn eine verfeindete Familie Frieden schließt, wenn in ausweglosen Situationen plötzlich die Hoffnung hereinstrahlt und die Trauer der Freude weicht.
Wann haben Sie diese Herrlichkeit in Ihrem Leben zuletzt gespürt? Bestimmt fallen Ihnen Situationen ein.
(2) Jesus betet weiter, dass er Macht hat, das ewige Leben zu schenken.
Gott hat ihm diese Macht verliehen. Wir werden in die ewige Herrlichkeit Gottes mithineingenommen, wenn wir zu seiner Gemeinde gehören, an ihn glauben wollen, uns von seinen Worten berühren lassen und unser Leben hier auf der Erde nach ihm ausrichten.
Er hat den Willen seines Vaters erfüllt, die Menschen glauben an ihn und bilden eine Gemeinschaft. Das ewige Leben ist nicht etwas, das erst nach unserem Tod beginnt. Es beginnt heute, wenn wir unser Leben in Gottes Hände legen, dann sterben wir nie ganz, sondern wir bleiben bei Gott.
(3) Im letzten Satz seines Gebetes berichtet Jesus Gott von seinen Jüngern. Er sagt zu Gott: „Sie glauben, dass Du mich gesandt hast.“ Für seine Jünger war es bis zu diesem Zeitpunkt einfach, an Jesus zu glauben, sie haben ihn täglich gesehen. Ihr Glaube wurde auf eine harte Probe gestellt, als Jesus getötet wurde und dann später nicht mehr bei ihnen war. Für uns ist es auch schwer, diesen Glauben durchzuhalten und dranzubleiben. - Was kann uns helfen? Vielleicht die Vorstellung, dass die Erde von der Herrlichkeit Gottes durchdrungen ist. Wir werden sie finden: in der Kirche, bei uns zu Hause, auf unserer Arbeitsstelle, überall in der Welt. Die Herrlichkeit Gottes lässt sich auch dort entdecken, wo es schwierig für uns wird: wenn wir Angst haben, wenn wir krank sind, wenn wir von Sorgen niedergedrückt werden. Gerade dann kann es geschehen, dass Gottes herrliches Licht in unsere Dunkelheit strahlt.
3. Das immerwährende Gebet
Wenn wir dieses Gebet im Johannesevangelium weiterlesen, merken wir: Jesus hält immerwährende Fürbitte für die Seinen. Auch jetzt, Jesus denkt an uns, er betet für uns. Wir sind nicht allein gelassen in dieser Welt.
Wenn wir beten, dann beten wir nie allein, sondern wir beten mit Jesus. Wir stellen uns an seine Seite, gern mit erhobenen Händen. Wir sprechen mit ihm, sprechen ihm nach und legen unsere eigenen Worte in das Gebet hinein. Wenn uns die Worte fehlen, wissen wir, dass Jesus für uns spricht. Und mitten im Gebet wird Jesus uns nahekommen. Wir werden merken, dass er nie aufgehört hat, für uns zu beten, auch dann, wenn uns die Worte fehlen.
Die Jünger damals in Jerusalem haben Jesu Gebet gehört und mitgebetet. Ihr Herz ist voller Trauer, das gemeinsame Leben mit Jesus wird enden. Aber sie fühlen sich jetzt gerüstet für alles, was kommen wird.
Die Nacht ist schon weit fortgeschritten. Da mahnt Jesus zum Aufbruch. Nach seinem Gebet geht er an den Ölberg, zum Garten Gethsemane. Er weiß, was ihn dort erwartet. Er weiß, dass im Dunkel, gerade durch das Dunkel des Todes hindurch Gottes Herrlichkeit aufstrahlen wird. Jesus hat seinen Jüngern den Glauben geschenkt. Bis zu uns heute ist dieser Glaube an die Herrlichkeit Gottes weitergegeben worden.
Wir gehen in der Karwoche den Weg Jesu in den Tod mit. Jesus kannte seinen Weg und ging ihn gefasst, er wusste, am Ende wird die Herrlichkeit Gottes groß werden. Gott wird siegen. Das Leben wird siegen.
Amen
Verfasserin: Pfarrerin Sissy Maibaum, Klostergarten 6, 38871 Ilsenburg OT Drübeck
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