Wochenspruch: Christus spricht: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. (Matthäus 11,28)
Psalm: 36,6–10 (EG 719)
Reihe I: Jesaja 55,1-5
Reihe II: Matthäus 11,25-30
Reihe III: 1. Korinther 14,1-12(23-25)
Reihe IV: Jona 3,1-10
Reihe V: Lukas 14,(15)16-24
Reihe VI: Epheser 2,(11-16)17-22
Eingangslied: EG 322 Nun danket all und bringet Ehr
Wochenlied: EG 256,1.2.5 Einer ist’s, an dem wir hangen
Predigtlied: EG 289,1-4 Nun lob, mein Seel, den Herren
Schlusslied: EG 289,5 Sei Lob und Preis
1 Und es geschah das Wort des HERRN zum zweiten Mal zu Jona: 2 Mach dich auf, geh in die große Stadt Ninive und predige ihr, was ich dir sage! 3 Da machte sich Jona auf und ging hin nach Ninive, wie der HERR gesagt hatte. Ninive aber war eine große Stadt vor Gott, drei Tagereisen groß. 4 Und als Jona anfing, in die Stadt hineinzugehen, und eine Tagereise weit gekommen war, predigte er und sprach: Es sind noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen. 5 Da glaubten die Leute von Ninive an Gott und riefen ein Fasten aus und zogen alle, Groß und Klein, den Sack zur Buße an. 6 Und als das vor den König von Ninive kam, stand er auf von seinem Thron und legte seinen Purpur ab und hüllte sich in den Sack und setzte sich in die Asche 7 und ließ ausrufen und sagen in Ninive als Befehl des Königs und seiner Gewaltigen: Es sollen weder Mensch noch Vieh, weder Rinder noch Schafe etwas zu sich nehmen, und man soll sie nicht weiden noch Wasser trinken lassen; 8 und sie sollen sich in den Sack hüllen, Menschen und Vieh, und heftig zu Gott rufen. Und ein jeder kehre um von seinem bösen Wege und vom Frevel seiner Hände! 9 Wer weiß, ob Gott nicht umkehrt und es ihn reut und er sich abwendet von seinem grimmigen Zorn, dass wir nicht verderben. 10 Als aber Gott ihr Tun sah, wie sie umkehrten von ihrem bösen Wege, reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und tat's nicht.
1. Der kleine Prophet Jona – für Kinder?
Liebe Gemeinde,
wenn Sie von Jona hören, woran denken Sie zuerst? Vielleicht … an den …großen Fisch? An den kleinen Mann im Riesenfisch? Und erinnern Sie sich an die Christenlehre, an den Religionsunterricht. Flanellbilder zeigen das Meerestier, das Schiff, den kleinen Jona. Den kleinen Jona. Ist er ein kleiner Mann? Ein „kleiner“ Prophet? Wie sieht Ihr Jona aus, wie guckt er aus der nassen Wäsche?
Und kennen Sie vielleicht die Jona-Geschichte in Reimen, von Klaus-Peter Hertzsch? Den Jona aus Jena. „Da hilft nur eine kräftige Predigt, sonst ist die schöne Stadt erledigt!“ Oder sehen Sie vor sich eine mehr oder weniger naive Emporenmalerei, die mit dem Walfisch die Exotik der Weltmeere in unsere nördlichen Gefilde bringen soll. (z. Bsp. St. Martin, Mihla). Oder haben Sie einmal das Kindermusical gehört und den aufsteigenden Gesang mit dem Jazzpiano? „Und Gott schaut aus von seiner Höh‘ …“ Ich denke, er ist immer noch recht bekannt, der „kleine“ Prophet Jona. Seine Geschichte ist aufregend und großes Kino. Eine tolle Geschichte für Kinder. Nur für Kinder? Weil der große Fisch so faszinierend ist und alle Erinnerung an Jona überstrahlt?
2. Jona für Kinder und Erwachsene
Heute hören wir also wieder einmal von Jona, seien wir nun kleine oder große Kinder. Gott spricht zu ihm, am Anfang der Geschichte: „Jona, geh in die große Stadt Ninive und predige gegen sie; denn ihre Bosheit ist vor mich gekommen.“ Die große, böse Stadt braucht seine Predigt, sonst ist sie erledigt. Der kleine Jona aber flieht in die Gegenrichtung. Er flieht vor Gott und dessen Auftrag. Aufs Schiff, aufs Meer. In den Sturm. Matrosen werfen ihn über Bord. Jona auf der Flucht vor Gott droht zu versinken. „Aber der Herr ließ einen großen Fisch kommen, Jona zu verschlingen. Und Jona war im Leib des Fisches drei Tage und drei Nächte.“ Jona betet zu Gott. „Du hast mein Leben aus dem Verderben geführt!“ „Und der Herr sprach zu dem Fisch, und der spie Jona aus ans Land.“ Gott war voller Gnade und Jona wird vor dem Untergang gerettet. (Am 3. Tag, wie Jesus, der nach 3 Tagen auferstand von den Toten.)
Direkt hier setzt unser heutiger Predigttext an. Kein Tadel von Gott, kein Vorwurf. Es geht einfach weiter. Die Aufgabe ist noch nicht erledigt. Es fehlt immer noch die Predigt, („sonst ist die schöne Stadt erledigt“):
(Predigttext)
3. Ninive, die große böse Stadt
Ninive, die große Stadt. Die sehr große Stadt. Sogar eine große Stadt vor dem großen Gott. Drei Tagesreisen groß, also 60 bis 90 km lang. Die übertriebene Größe der Stadt betont deren Bosheit. „Weh der Stadt voll Blutschuld; sie ist nichts als Lüge. Voll von Raffgier ist sie, vom Rauben lässt sie nicht ab.“ (Nahum 3,1). In diese Stadt hinein spricht Jona: „Es sind noch 40 Tage, so wird Ninive untergehen.“ Wortkarg, kurz und bündig erledigt er seinen Auftrag und wir verlieren ihn auch gleich wieder aus dem Blick.
Die große Stadt ist angesprochen. Die ganze Stadt. Junge, Alte. Reiche, Arme. Der König. Sogar die Tiere. Eine ganze Welt auf dem Weg in den Untergang. Eine globale Katastrophe droht. Und alle sollen es wissen.
Erinnern wir uns an die ersten Frühlingstage im Februar? Wir hatten noch gehofft, endlich in den Nachrichten nicht mehr nur von Corona zu hören. Da begann der Krieg gegen die Ukraine. Wochenlang folgte eine Schreckensmeldung der anderen. Und die Klimakrise gibt es auch noch. Manche fragen sich, ob jetzt die Welt wohl untergeht.
Blut, Schuld, Raffgier, Rauben und Lügen. Und diese dreisten offenen Lügen, die einem den Atem rauben, die gabs in Ninive damals bestimmt auch schon. Und dieses Verschwörungsgeschwurbel voller Bosheit. Diese blinde Gewalt gegen Frauen und Kinder. Nichts Neues unter der Sonne.
In uns wirken die letzten Jahre nach. Wir brauchen nur wenig Phantasie und wir sehen Ninive vor uns. Groß und böse. Das versteht jedes Kind, dass das nicht gut ist und nicht gut gehen kann. Wir müssen die Krisen nicht länger beschreiben, wir erleben sie mit.
Sind alle in Ninive böse? „Ihre Bosheit“ ist vor mich gekommen, spricht Gott zu Jona. Vielleicht war es gar nicht die ganze Stadt, waren es gar nicht alle, waren viele auch unschuldig. Aber untergehen wird die ganze Stadt, wie ein Schiff versinkt und alle mit sich reißt, die nicht ins Rettungsboot passen.
4. Große Wende, große Gnade
Jona kündigt den Untergang an. Es sind noch 40 Tage! Nur noch? Oder kann das auch als Motivation gehört werden: Noch habt ihr eineinhalb Monate Zeit?
Sagenhaft ist das, was jetzt passiert. Der Traum einer jeden Predigerin, eines jeden Predigers wird wahr. Neun Worte - und die Welt steht auf dem Kopf. Keiner diskutiert! Keine fragt: „Woher hat er das?“ Niemand ruft: „Alles Fakenews, falsche Nachrichten, die wollen uns nur klein halten!“ Es gibt keine Debatte darüber, ob sie wirklich böse waren. Es fehlt nicht an Wissen, es fehlt nicht an Bildung. Plötzlich ist alles klar. Jona hat kaum ausgesprochen, da - glauben sie an Gott! Alle glauben Sie an Gott.
Sogar der König steigt von seinem Thron, legt sein prächtiges Gewand ab, hüllt sich in einen Sack und setzt sich in die Asche. „In Sack und Asche“ ruft, nein schreit er den Fastenbefehl an alle heraus, nicht einmal die Tiere werden verschont. „Jeder bekehre sich von seinem bösen Weg“! Jede lasse ab von der großen Sünde! Die hier verwendeten Worte erinnern an die Schandtaten der Menschen, die damals zur großen Flut geführt hatten.
Alles kommt in Bewegung. „Macht euch auf, denn: Wer weiß schon, ob da nicht doch noch eine Chance ist und Gott seinen Plan bereut und seinen Zorn vergisst – und die Menschen weiterleben können! Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. 40 Tage bleiben uns immerhin noch. “
Liebe Gemeinde! Wenige Worte des kleinen Propheten Jona entfalten hier eine große Dynamik. So groß die Bosheit Ninives, so groß ist die Bewegung, die hier einsetzt. [Ich schreibe diese Zeilen und der Krieg gegen die Ukraine geht in die 2. Woche. Die Sehnsucht ist unendlich groß, nach solch einer Dynamik, in der sogar Könige von ihrer Bosheit lassen. Dieser Abschnitt muss in drei Monaten konkretisiert werden.]
Am Ende unseres Predigttextes, im hebräischen Urtext wird das noch deutlicher, wird kunstvoll mit den Begriffen Abkehr und Umkehr gearbeitet. Die Leute aus Ninive kehren um und lassen ab vom bösen Tun, da wendet sich Gott ihnen zu und lässt ab von seinem Zerstörungswillen. Hier geschieht ZU-WENDUNG auf allen Seiten. Ich lese die Geschichte so. Vielleicht will ich die Geschichte auch so lesen, weil die Sehnsucht in unserer Zeit gerade so groß ist, danach, dass Menschen einander wieder zuwenden und dass sie sich zu Gott bekehren…
5. ZU-WENDUNG
Liebe Gemeinde,
mehr und mehr staune ich über unsere Geschichte. Was fällt mir besonders auf? Das böse Tun der Menschen wird auch böse genannt. Da ist eine Klarheit, die Mut erfordert. Und wenn das Böse so groß ist, dann ist der Weg vorgezeichnet in den Untergang. Entweder erledigen die Menschen das selbst oder Gott spricht das unvermeidliche, vermeintlich gerechte Urteil. Die Bosheit muss ein Ende haben. Auf böses Tun folgt böses Ergehen, so war es immer schon.
Nicht in unserer Geschichte. Sie erzählt davon, dass die Menschen Handlungsspielräume haben in ihrer Beziehung zu Gott, die sie zur Umkehr nutzen können. Die Menschen haben die Freiheit, etwas zu ändern. Neu anzufangen. Wenn sie denn glauben.
Jesus wird das später aufgreifen, wenn er zu der Frau, die gesteinigt werden soll, sagt: „Geh hin und sündige in Zukunft nicht mehr.“
Die Menschen in Ninive glauben Gott. Und obwohl sie eigentlich keine Chance haben, nutzen sie sie. Das Böse ist unverzeihlich. Da ist nicht die Rede davon, dass die Menschen von einem Tag auf den anderen alles besser machen. Ihre Schuld abtragen und Versöhnungswerke tun. Nein, dafür ist es zu spät. Da ist zu viel vorgefallen.
Unverdient ist das, was der großen bösen Stadt an Heil widerfährt. Und die Antwort ist nur, zu glauben und Buße zu tun, das Böse zu lassen. - Wie oft haben wir uns in den letzten Monaten der Pandemie gewünscht, manche Entscheidung wäre nicht gefällt worden und manches Wort nicht gefallen.
Die Menschen in Ninive: hätten sie Gott nicht vergessen, hätten sie sich erinnert, dass der lebendige Gott immer schon ansprechbar und gnädig war. Schon gleich nach der Rettung des Volkes Israel aus der Sklaverei haben sie seine Gebote missachtet und tanzten ums Goldene Kalb. Und? - hat er sich beirren lassen? Er bleibt seinem Volk treu und macht sein Handeln nicht abhängig vom Wohlverhalten der Menschen. Gott bleibt sich treu.
Er bleibt der Befreier, der Bewahrer und der, der zornig wird, wenn Menschen sich ins Verderben stürzen, wo sie doch die Möglichkeiten haben, Großartiges zu leisten und wunderbar zusammenzuleben. Das Herz blutet, denkt man in diesen Tagen an die grandiose russische und ukrainische Kultur, die Musik, den Tanz, Architektur und Kunst und wie alles gefährdet wird durch sinnlosen Tod. Der Krieg in Europa beweist aufs Neue: Auf die Menschen ist kein Verlass, nur Gott bleibt gnädig, barmherzig, langmütig, von großer Güte. Allein auf Gottes Gnade setzt Martin Luther und arbeitet an der Reformation. Auf Rechtfertigung durch Glauben setzt er alle Hoffnung.
„Da glaubten die Leute von Ninive an Gott.“ „Und Gott schaut auf von seiner Höh“ – und sein ZUWENDUNGSWEG geht weiter. Kein Untergang, sondern Liebe, von Anfang an. Wie konnte es nur Zweifel geben? Der kleine Jona, gerettet vom großen Fisch. Ninive, groß und böse, gerettet vom großen Gott. Wie konnten da nur Zweifel aufkommen?
Jona dachte das schon immer: „… ich wusste, dass du gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte bist und lässt dich des Übels gereuen.“
Warum Jona trotzdem sauer ist und sterben will? Um das zu klären, brauchts noch eine neue Predigt. Nur so viel: Der Jona ist noch nicht erledigt. Gott schaut nach ihm!
Also, das war Jona, nicht nur für Kinder. Der kleine Jona, mindestens so wichtig wie der große Fisch. Denn Jona erinnert an die übergroße Gnade und Güte Gottes, die größer ist als die größte Bosheit der Menschen und die größer ist als all unsere Vernunft! Amen.
Verfasser: Pfarrer Georg-Martin Hoffmann, Hinter der Kirche 1, 99826 Mihla
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