Wochenspruch: Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. (Epheser 5,8b.9)
Psalm: 48,2-3a.9-15
Reihe I: Jesaja 2,1-5
Reihe II: Johannes 9,1-7
Reihe III: 1. Korinther 6,9-14(15-18)19-20
Reihe IV: Markus 12,41-44
Reihe V: Matthäus 5,13-16
Reihe VI: Epheser 5,8b-14
Eingangslied: EG 288 Nun jauchzt dem Herren, alle Welt
Wochenlied: EG 262 Sonne der Gerechtigkeit
Predigtlied: EG 302, 1.4-6 Du, meine Seele, singe
Schlusslied: EG 193 Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort
1 Jesus ging vorüber und sah einen Menschen, der blind geboren war.
2 Und seine Jünger fragten ihn und sprachen: Rabbi, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren ist?
3 Jesus antwortete: Es hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern, sondern es sollen die Werke Gottes offenbar werden an ihm.
4 Wir müssen die Werke dessen wirken, der mich gesandt hat, solange es Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wirken kann.
5 Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt.
6 Als er das gesagt hatte, spuckte er auf die Erde, machte daraus einen Brei und strich den Brei auf die Augen des Blinden
7 und sprach zu ihm: Geh zu dem Teich Siloah – das heißt übersetzt: gesandt – und wasche dich! Da ging er hin und wusch sich und kam sehend wieder.
Liebe Schwestern und Brüder,
eher am Rande spielt sich die Szene ab, von der Johannes in seinem Evangelium berichtet. Jesus und seine Jünger sind unterwegs und begegnen einem Menschen, der blind ist. Vielleicht ist der gerade selbst unterwegs, tastend Schritt vor Schritt. Er merkt wohl gar nicht, was sich da in seiner Nähe abspielt. Er hört und spürt die Menschengruppe, die sich ihm nähert. Nichts Besonderes findet er dabei. Ihm begegnen immer wieder Menschen und er hat von klein auf gelernt, wie er sich verhalten muss, wenn er auf der Straße unterwegs ist. Er hat ein feines Gespür dafür, wenn ihm jemand begegnet. Wer das aber ist, das weiß er nicht und spürt er nicht. Es mag sein, dass er noch nichts von diesem Jesus gehört hat. Jedenfalls will er einfach nur weitergehen um an seinem Ziel anzukommen.
Die Jünger nehmen ihn wahr und – wer weiß, woher? - sie scheinen zu wissen, dass er nicht durch einen Unfall oder eine Krankheit erblindet war, sondern, dass er nie in seinem Leben hat sehen können. Für die Jünger Jesu ist die Welt eigentlich sehr einfach: Krankheit, Blindheit – das ist eine Strafe Gottes für die Sünde. Wer blind ist, der muss irgendwie etwas getan haben, was Gott missfällt.
Aber bei diesem Menschen will die Erklärung nicht passen. Von Geburt an blind – er kann doch da noch gar nichts getan haben. Vielleicht ist es die Strafe für die Sünde der Eltern, aber das wäre von Gott doch ehrlich sehr ungerecht. Für Jesus spielt die Frage keine Rolle. Für ihn ist es wichtig, dass dieser Mensch sehend werden soll. An ihm soll man sehen können, was es heißt, dass Gott sich eines Menschen an-nimmt.
Der blind geborene Mensch richtet keine Bitte an Jesus. Kein Flehen um Heilung aus der eigenen Ohnmacht heraus, kein Schrei nach Hilfe in der Ausweglosigkeit. Für den Menschen, dem Jesus das Augenlicht schenkt, war es ja auch normal, blind zu sein. Nie hatte er zuvor erlebt, wie es ist, zu sehen. Die Finsternis, die ihn umgab und die in ihm war, er hat sie wohl nie gespürt als jemand, der das Licht nicht kannte. Und doch heilt Jesus diesen Menschen, er macht sein Leben weit, schenkt ihm ungeahnte Möglichkeiten. Über alles Hoffen und Bitten entsteht neues Leben da, wo Gott eingreift. Das erlebt dieser eine Mensch und das sehen darum auch viele andere.
Im Anschluss an den Abschnitt, der uns als Predigttext vorgeschlagen ist, wird dann auch davon berichtet. Die Menschen drum herum wundern sich, wie denn dieser eine auf einmal sehen kann. Sie glauben an eine Verwechslung und schließlich beginnt ein Fragen hin und her um die eine Frage herum: Wer ist dieser Jesus, der dem Blinden die Augen auftun kann?
Ein Mensch ist Gott begegnet, hat seine Zuwendung gespürt in der Person Jesu. Er sitzt nicht länger in einer Finsternis, die er selber gar nicht wahrgenommen hat. Er ist nicht weiter in den Begrenzungen gefangen, die er selbst schon nicht mehr als solche erkennt. Dieser Mensch hat nie gewusst, wie es ist, zu sehen. Er hat es vielleicht gar nicht vermisst für sein eigenes Leben. Als Jesus ihm die Augen öffnet, da wird ihm etwas geschenkt, etwas, was er selbst nie hätte suchen können.
In der Epistel für diesen Sonntag hören wir von dem Licht, zu dem wir gehören, aus dem wir leben. Und ein Stück davon soll uns auch als Wochenspruch durch die neue Woche begleiten: Wandelt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.
Der vorher Blinde ist nun ein Kind des Lichtes geworden, das Licht ist in sein Leben eingezogen, es strahlt in sein Leben hinein und damit erschließt sich ihm das Leben neu, erschließt sich für ihn überhaupt erst.
In der Erzählung von dem blind geborenen Menschen hören wir auch die Frage: In welcher Finsternis sitze ich, die ich vielleicht gar nicht als solche erfahre? Wo habe ich mich in den Grenzen so eingerichtet, dass ich gar nicht mehr daran denke, mal dahinter zu schauen? Wo ist es für mich Normalität geworden, was mich doch eigentlich einengt?
Großartig ist es, dass Jesus nicht nur die Finsternis vertreibt, aus der heraus ich verzweifelt schreie, sondern eben auch die, die mir schon zum helllichten Tag geworden ist. Er löst auch die Verstrickungen auf, in die ich ganz unbemerkt geraten bin. Er tut es, um meinem Leben immer wieder neue Dimensionen hinzuzufügen. So kann ich auch mich selbst immer wieder neu erleben, kann Seiten an mir und meinem Miteinander entdecken, die mir vorher verschlossen waren. Dadurch wird mein Leben reich und weit, kann ich dann auch Neues erschließen.
An diesem neuen Licht kann und soll ich dann auch andere teilhaben lassen. Weil Gott mir den Blick öffnet für sich selbst, für mich und für die Menschen neben mir, kann ich auch neu auf die Welt sehen. Wo ich erkannt habe, was mein Leben ausmacht und wie es mit Gottes Hilfe gelingen kann, da strahlt dieses Licht auch aus.
Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit folgen diesem Licht, sagt der Wochenspruch. Das heißt ja auch: Wenn Gott mir die Augen geöffnet hat, dann soll und darf ich die Augen nicht mehr verschließen. Ich soll vor der Dunkelheit in der Welt die Augen nicht verschließen und mich so nicht wieder einreihen in die Finsternis. Gerechtigkeit und Wahrheit kann ich so leben. Ich bin der, dem Gott dieses große Geschenk gemacht hat, ihn zu kennen und zu wissen: Bei ihm bin ich wert geachtet, er tut für mich alles und noch mehr. Das ist große Güte, die ich erfahre und die kann auch durch mein Leben weiterstrahlen.
Gott schenkt mir seine Nähe und schenkt mir immer wieder auch neues Leben. Er kennt mich und steht mir bei, weil er mich als sein Kind liebt. Er macht mein Leben hell. Darum kann und will ich ihn loben.
Amen
Gott, wir hören, wie du mit uns redest,
wir spüren, wie du uns die Augen öffnest,
wir schauen danach aus, dass du recht behältst.
Vor dir breiten wir die Bilder aus, die um uns und in uns sind: Die Menschen sehen, wie sie wirklich sind, wie du sie geschaffen hast, nicht entstellt durch das, was sie getan oder andere ihnen angetan haben. Im fremden Kind die Träume wiederfinden, die wir vergessen haben.
Im Menschen, der uns hasst oder den wir verachten, das Kunstwerk entdecken, als den du ihn schufst.
Im zerstörten Gesicht eines Schwerkranken die Liebe aufspüren, die dieser Mensch früher den Seinen geschenkt hat.
Was für ein Wunder, wenn das gelingt.
Wie blind sind wir doch oft!
Die Welt sehen, wie sie wirklich ist,
wie du sie geschaffen hast.
Ohne die Schatten, die unsere babylonischen Türme darauf werfen. Und ohne die Schrottplätze unseres entsorgten Glücks mitten im Grünen.
Aber auch: Den drohenden Krieg nicht kleinreden als unbequeme, aber unvermeidliche Reparatur.
Vor den Gefahren für unser Klima nicht nur den Kopf einziehen. Oder ihn besserwisserisch schütteln über andere. Den wissenschaftlich-technischen Fortschritt aufmerksam verfolgen, auch wenn das Verstehen schwerfällt. Und dann klar Ja oder Nein sagen. Nicht: Mal sehen. Oder: Davon verstehe ich nichts.
Deiner Schöpfung zärtliche Aufmerksamkeit schenken,
Gott, im Alltag wie in der Freizeit.
Was für ein Wunder, wenn das gelingt.
Wie blind sind wir doch oft!
Dich sehen, Gott, wie du dich uns offenbarst.
Nicht die Bilder anbeten, die andere oder wir selbst von dir gezeichnet haben.
Oder achselzuckend an dir vorübergehen, weil uns die überlieferten Bilder nichts mehr sagen.
Auch die auf den ersten Blick oft so überzeugenden Schattenrisse der Gottlosigkeit — ich will mich von ihnen nicht einfangen lassen.
Ich will da genau hinschauen, wo dein Wort und unser alltägliches Erleben auf einander prallen.
Beim Vaterunser an die Mutter denken, die am Bett ihres kranken Kindes wacht.
Beim Wort Vergebung an den Sportler, der auf der Zielgerade stürzt und einen Konkurrenten mit zu Boden reißt — und der Sieg geht an andere.
Oder bei Tod an den farbenprächtigen Schmetterling denken, der kürzlich noch eine hässliche Raupe war.
Wie oft begegnen wir dir doch und merken's nicht!
Du willst, dass wir sehen, wer wir sind, was wir tun können und was auf uns wartet. Du willst keinen blinden Gehorsam, sondern einen wachen Verstand. Wir danken dir und loben dich.
Klaus von Mehring
In: ders., Fürbitten für alle Gottesdienste im Kirchenjahr, Bd. II, Trinitatis bis Ewigkeitssonntag (Dienst am Wort 131), Göttingen 2012, S. 49 f.
Verfasser: Pfarrer Matthias Cyrus, Obere Kirchstraße 3, 99991 Unstrut-Hainich
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