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Leben aus der Taufe

von Arno Kreh (64823 Groß-Umstadt)

Predigtdatum : 30.07.2000
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 5. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Apostelgeschichte 8,26-39
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Wochenspruch:

So spricht der Herr, der dich geschaffen hat: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!” (Jesaja 43,1)

Psalm: 139,1-16.23-24 (EG 754)

Lesungen

Altes Testament:
Jesaja 43,1-7
Epistel:
Römer 6,3-8 [9-11]
Evangelium:
Matthäus 28,16-20

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 444
Die güldene Sonne
Wochenlied:
EG 200
Ich bin getauft auf deinen Namen
Predigtlied:
EG 342
oder EG 614
Es ist das Heil uns kommen her
Lass uns in deinem Namen, Herr
Schlusslied:
EG 171
Bewahre uns, Gott

Hinführung:
Die Erzählung vom Kämmerer aus Äthiopien ist für mich die Geschichte eines Weges, auf dem einer zum Glauben kommt. In der Predigt möchte ich an dieser Geschichte nacherzählend entlang gehen und dabei unsere eigene Situation mit reflektieren.
Die Geschichte wird für uns nachvollziehbar, wenn sie nicht als eine Glanznummer der frühen Christenheit weitergegeben wird, sondern als schlichte Erzählung einer “geistesgegenwärtigen” Begegnung. Ziel ist nicht das Staunen über das, was damals (noch) möglich war, sondern die Frage, wie wir anderen geistesgegenwärtig begegnen können. Ich versuche deshalb, die Lebenswelt dieser beiden Männer darzustellen und zu zeigen, wie sie aufeinander zugehen, so dass schließlich ein Stück geistlicher Lebensbegleitung gelingen kann. Dabei sind durchaus Identifikationen mit beiden möglich: einerseits etwa die Bedeutung von “Wüstenaufenthalten”, das Auf-der-Suche-Sein und Nicht-Verstehen und andererseits das Gefragtsein und Rechenschaft-Ablegen über den eigenen Glauben sowie die Notwendigkeit, eine gemeinsame Ebene mit einem Fragenden zu suchen.

Liebe Gemeinde!
Sommerzeit ist Reisezeit. Viele von uns sind oder waren unterwegs in den Ferienwochen. Man möchte für einige Wochen einmal ausbrechen aus dem gewohnten Trott des Alltags, Neues, Anderes erleben. Man möchte Dinge tun, für die sonst keine oder zu wenig Zeit ist. Manche möchten vielleicht auch einfach nur einmal in Ruhe nachdenken über sich selbst und über das Leben. Auch unser heutiger Predigttext erzählt von einem Menschen, der sich auf einer Reise befindet und der über sich und das Leben nachdenkt. Eine wichtige Begegnung verändert sein Leben. Es hat ihn allerdings an einen ungewöhnlichen Ort verschlagen - nämlich in die Wüste.
26 Der Engel des Herrn redete zu Philippus und sprach: Steh auf und geh nach Süden auf die Straße, die von Jerusalem nach Gaza hinabführt und öde ist. 27 Und er stand auf und ging hin. Und siehe, ein Mann aus Äthiopien, ein Kämmerer und Mächtiger am Hof der Kandake, der Königin von Äthiopien, welcher ihren ganzen Schatz verwaltete, der war nach Jerusalem gekommen, um anzubeten. 28 Nun zog er wieder heim und saß auf seinem Wagen und las den Propheten Jesaja. 29 Der Geist aber sprach zu Philippus: Geh hin und halte dich zu diesem Wagen! 30 Da lief Philippus hin und hörte, dass er den Propheten Jesaja las, und fragte: Verstehst du auch, was du liest? 31 Er aber sprach: Wie kann ich, wenn mich nicht jemand anleitet? Und er bat Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen. 32 Der Inhalt aber der Schrift, die er las, war dieser (Jesaja 53,7-8): »Wie ein Schaf, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Lamm, das vor seinem Scherer verstummt, so tut er seinen Mund nicht auf. 33 In seiner Erniedrigung wurde sein Urteil aufgehoben. Wer kann seine Nachkommen aufzählen? Denn sein Leben wird von der Erde weggenommen.«
34 Da antwortete der Kämmerer dem Philippus und sprach: Ich bitte dich, von wem redet der Prophet das, von sich selber oder von jemand anderem? 35 Philippus aber tat seinen Mund auf und fing mit diesem Wort der Schrift an und predigte ihm das Evangelium von Jesus. 36 Und als sie auf der Straße dahinfuhren, kamen sie an ein Wasser. Da sprach der Kämmerer: Siehe, da ist Wasser; was hindert's, dass ich mich taufen lasse? 38 Und er ließ den Wagen halten, und beide stiegen in das Wasser hinab, Philippus und der Kämmerer, und er taufte ihn. 39 Als sie aber aus dem Wasser heraufstiegen, entrückte der Geist des Herrn den Philippus, und der Kämmerer sah ihn nicht mehr; er zog aber seine Straße fröhlich.
Das ist eine eigenartige Geschichte vom Finanzminister aus Äthiopien, der sich taufen lässt. Auf geheimnisvolle Weise treibt der Geist Gottes diese Geschichte voran und sorgt so dafür, dass erstmals ein Heide getauft wird. Ich möchte Sie einladen, den Weg dieses Mannes zum Glauben ein wenig nachzugehen und nachzuvollziehen.
1. Wüstenerfahrungen
Die Geschichte beginnt in der Wüste. Philippus erhält den Auftrag, auf die Straße von Jerusalem nach Gaza zu gehen, und die ist “öde.” Er wird sozusagen “in die Wüste” geschickt. Eine unscheinbare Bemerkung, die doch viele Erinnerungen wachruft: Israels Weg durch die Wüste, 40 Jahre, ein langwieriger, trockener Weg, immer wieder bedroht und immer wieder durch Gottes Nähe gerettet.
Die Wüste - das ist der Ort der Verlassenheit und der Versuchung. Ein “Wüstenaufenthalt” - das kann auch die Zeit sein, in der eine wichtige Entscheidung ansteht eine Zeit, in der wir auf der Suche sind oder eine Durststrecke in unserem Leben. In der Wüste ist ein Mensch sich selbst ausgesetzt, auch neuen Erfahrungen, die er von sich aus vielleicht gar nicht machen will. Und doch erzählen viele Menschen im Rückblick davon, dass solch ein “Wüstenaufenthalt” für sie mit wichtigen Erfahrungen verbunden war.
Und geht es uns dann nicht ähnlich wie Philippus? Anfangs wissen wir nicht, was wir da sollen, empfinden uns abgestellt und überflüssig. Die Situation, in die wir da geraten sind, und die Menschen, denen wir begegnen, erscheinen uns erst einmal fremd, bis wir merken: genau hier gehöre ich in diesem Moment hin, hier kann ich ganz bei mir selbst sein, hier geschieht etwas Wichtiges für mich. Und etwas Wichtiges geschieht auch mit diesen beiden Männern.
2. Auf einer Ebene
In dieser Einöde begegnet Philippus dem Kämmerer. Auch für ihn ist dieser Ort kein Vergnügen - und dazu kommt: Er steckt fest! Diesmal sind es keine Finanzberichte oder Haushaltspläne die er zu lesen hat, was man vielleicht erwartet hätte, sondern dieser rätselhafte, geheimnisvolle und ihn doch so fesselnden Prophetentext. Der Kämmerer versteht nicht, was er da liest. Offenbar geht es ihm, wie es uns auch oft geht: er bemüht sich, aber er kommt nicht weiter. Da ist kein glanzvolles Licht, das ihn umstrahlt, keine plötzliche Gewissheit, kein großes Bekehrungserlebnis. Es ist ernüchternd, Öde, Wüste auch im Innern.
Doch da taucht plötzlich Philippus auf. Zwei Männer aus verschiedenen Welten treffen hier aufeinander. Der eine hat es weit gebracht, bis zum Finanzminister der Königin. Aber er hat auch einen hohen Preis dafür zahlen müssen. Wie so oft, wo Königinnen regierten, konnten auch hier nur Eunuchen, also zeugungsunfähige Männer, in so hohe Ämter kommen. In der Heimat tat das allerdings seiner Anerkennung keinen Abbruch.
Aber er sympathisierte offenbar auch mit dem Gott Israels. Er ist auf der Suche. Nun hat er eine Wallfahrt gemacht und fährt sicher mit gemischten Gefühlen wieder heim. Gleich mehrfach muss ihm deutlich gemacht geworden sein, dass er kein Jude ist: Als Nicht-Jude darf er den Tempel nicht betreten, und als Eunuch kann er nicht zum Judentum übertreten - er durfte diesen Gott, für den er Sympathien empfand, nur aus der Ferne verehren.
So ist er ein Mensch, der zwischen allen Stühlen sitzt. Eigentlich hat er alles erreicht, aber jetzt macht er die Erfahrung: Nirgends gehört er richtig dazu! Der andere: Philippus. Geborener Jude, bewandert in den Heiligen Schriften und jetzt im Auftrag Jesu unterwegs, der diesen Glauben ganz neu gelebt und ausgelegt hatte. Es sind zwei ganz verschiedene Welten, aus denen diese beiden Männer kommen, die sich hier in der Wüste begegnen. “Und er bat Philippus aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen.” (V 31)
Das klingt keineswegs wie ein Befehl eines Ministers an einen Untergebenen. Der Mächtige zeigt sich hilfsbedürftig. Er weiß sich angewiesen auf einen, der ihm diesen Text entschlüsseln kann. Und Philippus missioniert nicht von oben herab. Er sagt nicht: “Du musst erst einmal von deinem hohen Ross herabsteigen, wenn du etwas hören und lernen willst.” Auch er überschreitet eine Grenze, springt über seinen Schatten: Als gläubiger Jude steigt er in den Wagen eines “Unreinen”.
Entscheidend ist hier der Fragende, Suchende. Auf seiner Ebene treffen sich die beiden. Er gibt die Richtung an, seine Fragen sind maßgebend. Die beiden sind nun auf einer Ebene - so können sie zusammenkommen. Verständigung ist möglich über alles Trennende hinweg. Was hier geschieht, ist schon ein Stück Wegbegleitung, Lebensbegleitung.
Vielleicht müssen wir das wieder neu lernen als Christen: unaufdringlich auf Menschen zuzugehen und zur Nachfolge einladen. Sicher warten viele darauf, vor allem die, denen die Kirche zu einer “fremden Heimat” geworden ist. Ob das nicht auch oft an missglückter Wegbegleitung liegt, wo ihnen die Wahrheit von oben herab eingetrichtert werden sollte, statt dass sich einer auf ihre Ebene wagte?
Philippus zeigt uns, wie echte Wegbegleitung aussehen kann: im Zugehen auf Menschen, indem ihre Suche ernst genommen und wahrgenommen wird, indem ihre Fragen und Bitten aufgenommen werden.
3. Im Gespräch über den Glauben
Philippus und der Kämmerer kommen miteinander ins Gespräch über den Glauben. Es ist das Lied vom Gottesknecht des Propheten Jesaja, das der Kämmerer gelesen hat und nun erklärt haben möchte: “Wie ein Schaf, das zur Schlachtbank geführt wird, und wie ein Lamm, das vor seinem Scherer verstummt, so tut er seinen Mund nicht auf.” (Jesaja 53,7) Philippus, so heißt es nun, “fing mit diesem Wort der Schrift an und predigte ihm das Evangelium von Jesus.”
Der leidende Gottesknecht, das ist für die Christen der leidende Christus, der Mensch Jesus, der am Kreuz den Verbrechertod gestorben ist, der Tod und Sterben getragen hat, zu dem aber Gott “Ja” sagte und den er vom Tod auferweckte. Und er lädt nun ein, den Weg der Liebe in seiner Nachfolge weiterzugehen. Aber ist das genug? Welche Inhalte des christlichen Glaubens hat er ihm vermittelt? Geht es hier wirklich so ganz ohne Tauf- oder Konfirmandenunterricht, dass sich einer taufen lassen kann? Kann man einem anderen einfach mal so kurz von Christus erzählen und ihn dann taufen?
Offenbar vermittelt Philippus dem Kämmerer keine fertigen Glaubenssätze, keinen Katechismus, den er nun zu lernen hätte. Entscheidend ist vielmehr das Vertrauen, der Glaube, bei Gott angenommen zu sein! Entscheidend ist, dass er dem Gott begegnet ist, der in seinem Wesen Liebe ist. Entscheidend sind nicht die auswendig gelernten Texte und Lieder - so hilfreich sie manchmal sein können - sondern dass sich in seinem Herzen etwas bewegt hat und dass er nun eine Hoffnung mit sich trägt.
Und zum Glück vertragen es unsere heutigen kirchlichen Ordnungen - dass man sich auch einmal über sie hinwegsetzt, wenn ein Mensch oder die Situation es erfordern! Jedenfalls sieht der Kämmerer nun keine Hindernisse mehr für seine Taufe. Und wieder ist er es, der den nächsten Schritt wagt: “Was hindert‘s, dass ich getauft werde? Und er ließ den Wagen halten, und beide stiegen in das Wasser hinab, Philippus und der Kämmerer, und er taufte ihn.” (V 36.38) So stehen die beiden auf einmal gemeinsam im Wasser. Der Kämmerer kommt aus dieser Begegnung nicht trocken heraus.
Das Wasser der Taufe steht für die Veränderung, die bei ihm stattgefunden hat: Seine Situation hat sich grundlegend gewandelt: er gehört nun zu Christus. Und ist nicht Philippus auch ein anderer? Einer, der als Missionar anerkennen muss, dass der Geist Gottes Schranken überwindet und das Heil für alle “Heiden” eröffnet - also auch für uns mit unseren Zweifeln und unserer Mutlosigkeit, mit unserem Versagen, unseren Begrenzungen und Verletzungen.
4. “Er zog seiner Straße fröhlich”
“Als sie aber aus dem Wasser heraufstiegen, entrückte der Geist des Herrn den Philippus, und der Kämmerer sah ihn nicht mehr; er zog aber seine Straße fröhlich.” (V 39) Der Kämmerer ist wieder allein. Aber er ist nicht traurig. Er wird etwas aus dieser Begegnung mitnehmen. Er, der auf der Suche war, hat in der Wüste Wasserquellen entdeckt. Die Nähe Gottes und die Zugehörigkeit zu Christus wurden ihm zugesprochen.
Vor ihm liegt die Aufgabe, die sich aus seiner Taufe ergibt: mit diesem Glauben auf den eigenen Füßen zu stehen und mit Liebe und Hoffnung im Herzen eigene Schritte zu gehen. Wie er dies tun wird, darüber erfahren wir in dieser Geschichte nichts. Bleibt er allein mit seinem neuen Glauben, findet er Gleichgesinnte?
Keiner von uns weiß das am Beginn des Glaubensweges. Aber wir können hoffen, dass es immer wieder Menschen geben wird, die uns zum Engel werden, zum Wasser in der Wüste. Dem Kämmerer ist nicht bange vor dem Weg, den er gehen muss - von ihm heißt es: “Er zog seiner Straße fröhlich.” Können wir das nicht auch? Amen.

Auch die Zeit der Wüste,
das Leiden am Mangel
und das Gefühl von Trostlosigkeit
haben ihren Sinn.
Der Weg führt
- durch die Wüste hindurch -
in neues Land,
wo jeder satt wird
in seinem Lebenshunger
und jede Sehnsucht gestillt wird.
Auch du
bist auf dem Weg
dorthin.
(Christa Spilling-Nöker, Jeder Augenblick zählt,
Glück- und Segenswünsche, S. 16)

Verfasser: Pfr. Arno Kreh, Wallstrasse 9, 64 823 Gross-Umstadt

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