Leben aus der Taufe
von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)
Predigtdatum
:
23.07.2006
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
5. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Apostelgeschichte 8,26-39
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Wochenspruch:
So spricht der Herr, der dich geschaffen hat: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ (Jesaja 43,1)
Psalm: 139,1-16.23-24 (EG 754)
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 43,1-7
Epistel:
Römer 6,3-8 [9-11]
Evangelium:
Matthäus 28,16-20
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 452
Er weckt mich alle Morgen
Wochenlied:
EG 200
Ich bin getauft auf deinen Namen
Predigtlied:
EG 320
Nun lasst uns Gott dem Herren
Schlusslied:
EG 590
Herr, wir bitten: Komm und segne uns
26 Der Engel des Herrn redete zu Philippus und sprach: Steh auf und geh nach Süden auf die Straße, die von Jerusalem nach Gaza hinabführt und öde ist. 27 Und er stand auf und ging hin. Und siehe, ein Mann aus Äthiopien, ein Kämmerer und Mächtiger am Hof der Kandake, der Königin von Äthiopien, welcher ihren ganzen Schatz verwaltete, der war nach Jerusalem gekommen, um anzubeten. 28 Nun zog er wieder heim und saß auf seinem Wagen und las den Propheten Jesaja. 29 Der Geist aber sprach zu Philippus: Geh hin und halte dich zu diesem Wagen!
30 Da lief Philippus hin und hörte, dass er den Propheten Jesaja las, und fragte: Verstehst du auch, was du liest? 31 Er aber sprach: Wie kann ich, wenn mich nicht jemand anleitet? Und er bat Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen. 32 Der Inhalt aber der Schrift, die er las, war dieser (Jesaja 53,7-8): »Wie ein Schaf, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Lamm, das vor seinem Scherer verstummt, so tut er seinen Mund nicht auf. 33 In seiner Erniedrigung wurde sein Urteil aufgehoben. Wer kann seine Nachkommen aufzählen? Denn sein Leben wird von der Erde weggenommen.«
34 Da antwortete der Kämmerer dem Philippus und sprach: Ich bitte dich, von wem redet der Prophet das, von sich selber oder von jemand anderem? 35 Philippus aber tat seinen Mund auf und fing mit diesem Wort der Schrift an und predigte ihm das Evangelium von Jesus. 36 Und als sie auf der Straße dahinfuhren, kamen sie an ein Wasser. Da sprach der Kämmerer: Siehe, da ist Wasser; was hindert's, dass ich mich taufen lasse? 38 Und er ließ den Wagen halten und beide stiegen in das Wasser hinab, Philippus und der Kämmerer, und er taufte ihn. 39 Als sie aber aus dem Wasser heraufstiegen, entrückte der Geist des Herrn den Philippus und der Kämmerer sah ihn nicht mehr; er zog aber seine Straße fröhlich.
Liebe Schwestern und Brüder!
Was ist das für eine Geschichte - wer sie ausschöpfen wollte, der müsste wohl tagelang an ihr sitzen und sie durchdenken. Es ist eine Reisegeschichte - sie passt in die Urlaubszeit. Es ist eine Taufgeschichte und darum steht sie an diesem Sonntag. Und es ist eine Geschichte vom Suchen eines Menschen nach seinem Gott – und ich hoffe, dass sie darum dem etwas zu sagen hat, der unter uns sucht und nach Gott fragt.
3000 km fährt da ein Mensch durchs Land - nicht irgendeiner: ein Finanzminister, ein Angehöriger der Oberschicht. Aber er fährt nicht mit Diplomatengepäck, fährt nicht zu einer Finanz-Konferenz oder zu einem großen Geschäft: er fährt, um Gott anzubeten. Was sind das für Strapazen - von Nubien nach Jerusalem. Was sind das für Gefahren - vor Wegelagerern, vor Unfällen, vor Stürmen sind auch Minister nicht sicher. Und was sind das für Unbequemlichkeiten: das eigene Bett fehlt, die Dienerschaft, das gewohnte Essen - und alles nur, um in Jerusalem anzubeten!
Muss man denn nach Jerusalem, um anzubeten? Ist Gott denn nicht überall? So werden ihn wohl manche Freunde gefragt haben. Und er hat vielleicht nur hilflos gezuckt mit den Achseln und gesagt: Ich muss nach Jerusalem. Was ich bis jetzt von diesem Gott Abrahams und Isaaks und Jakobs gehört habe - das zieht mich dorthin.
Ihr Konfirmanden, könnt ihr euch das vorstellen: dass es Euch in den Gottesdienst zieht - so sehr, dass ihr Strapazen auf euch nehmt, freiwillig euer warmes Bett vergesst, ein Fußballspiel ausfallen lasst? Oder ihr Erwachsenen: kann euch die Anbetung Gottes so viel kosten, dass ihr früher aufsteht, dass der Wecker eine halbe Stunde vor der Zeit rappelt, dass der Samstagabend so früh auf hört, dass man am Sonntag in die Kirche kann?
Das ist eine Frage, der wir in einer stillen Minute einmal nachgehen können: Darf mich die Suche nach der Erfahrung Gottes, das Fragen nach dem Wort Gottes in mein Leben hinein so viel kosten, dass es meinen Lebensrhythmus bestimmt?
Aber zurück zu unserem Minister. Er ist auf der Heimfahrt - 3000 km zurück. Und was ist die Bilanz dieser Reise? Er ist in Jerusalem an unüberwindliche Grenzen gestoßen: Halt, haben die Tempelwachen gerufen - nicht in das Heiligtum, du bist „nur“ ein Nubier. Halt, haben sie gerufen, nicht aus dem Vorhof: du bist kein vollwertiger Mann.
Und einer wird es ihm erklärt haben, vielleicht sehr feinfühlig, vielleicht auch hart: im Gesetz steht, dass kein Verschnittener, kein Eunuch zum Volk Gottes gehören darf. Das Volk Gottes ist nur etwas für Gesunde. Was für eine bittere Botschaft ist das: Zutritt nur für Gesunde, für geistig und körperlich wohlgeratene Menschen. Was für ein Schmerz muss das im Herzen dieses Mannes gewesen sein - so weit getrieben von seiner Sehnsucht nach Gott - und dann doch nur Grenzen. Und jetzt auf der Heimfahrt die neue Grenze: Er versteht nicht, was er liest, Für teures Geld hat er eine Jesaja-Rolle gekauft. Er ist noch nicht fertig mit diesem Gott, aber er versteht sein Wort nicht.
Wir sind keine Nubier, wir sind keine Eunuchen, wir sind auch keine Minister, aber diesen Schmerz kennen wir auch! Wir sind in einen Gottesdienst gekommen – und bleiben doch „draußen vor“ mit unseren Hoffnungen und Erwartungen. Der Funke springt nicht über. Die Lieder finden keinen Widerhall in unserer Seele. Und die Worte, die wir singen und hören, bleiben zu groß! Was bleibt, ist die Erfahrung von Fremdheit, von Abstand und Fragen über Fragen.
Der Heimweg von solchen Erfahrungen wird auch uns manchmal zum öden Weg durch die Wüste. Aber Gott lässt diesen Mann nicht in eine öde Wüste hineinfahren. Jesus der Menschen sucht, hat längst einen auf die Suche geschickt. Und doch: wie seltsam ist auch dieser Weg...
Szenenwechsel. Philippus hatte alle Hände voll zu tun in Samarien. Die Menschen hingen an ihm: Sie nahmen das Wort Gottes auf. Und dann ein Befehl Jesu - im Traum, durch das Wort eines Menschen, durch ein inneres Erleben – wir wissen es nicht. Philippus aber findet sich an der Straße wieder, in der Mittagshitze. „Was soll ich hier? Den Steinen predigen? Den Hyänen von Jesus erzählen?“
Nur wer warten lernt, wird nicht ständig den Plänen Gottes davonlaufen, wird nicht ständig mit den eigenen Vorstellungen beschäftigt sein und keine Zeit haben für Gottes manchmal rätselhafte Führungen. Als der Wagen kommt, da ist es ganz schnell klar: Für diesen Menschen stehst du hier, Philippus. Für diesen einen Menschen hat Gott dich hier hergeschickt.
Das ist keine alte Geschichte, nur von damals, das gibt es heute. Fast wie eine Kalenderblatt-Geschichte klingt das: Vor Jahren wurde eine Frau krank. Sie war einfach ausgebrannt von der Arbeit zuhause, von den Kindern, dem Mann, von den Aufgaben in ihrer Gemeinde. Der Arzt schickte sie in die Kur. Aber sie saß ständig da und fragte sich: Was soll ich hier? Meine Arbeit…. Und dann begegnete ihr in der Kur eine alte Dame, schon über 80. Und im Gespräch wurde ihr klar: Ein Leben lang hat diese Frau nach Jesus gefragt und nie hat ihr einer gesagt: Er ist da für Dich! Und als sie ihr das sagte, da ist ein Menschenkind mit 80 Jahren nach Hause gekommen zum Vater.
Ihr hier im Gottesdienst, die Ihr Mitarbeiter in der Gemeinde seid - wenn Ihr euch fragt: Warum bin ich hier, wo doch anderswo die Arbeit drängt: An manche Stellen stellt uns Gott nur für ein Wort. In manche Aufgaben ruft uns der Herr nur um eines Menschen willen. Das dürfen wir als Mitarbeiter Jesu doch auch für uns glauben: Er wird uns den Wagen entdecken lassen, zu dem er uns hinschickt. Er wird es uns verstehen lassen, wenn da unsere Stunde gekommen ist. Bis dahin gibt es nur eines: Sich wirklich der Führung das Geistes anvertrauen, sich offen zu halten für sein Reden in unser Leben hinein.
Plötzlich geht alles ganz schnell: Philippus hat von Jesus gesprochen - und der Kämmerer hat gehört. Er hat wohl auch nachgefragt und in ihm entsteht ein Wunsch: Ich will zu diesem Jesus gehören. Und nun merken wir noch einmal, wie verwundet er ist! Kann ich dazu gehören? Gibt es irgendein Hindernis? So fragt der, der zurückgestoßen worden ist. So fragt der, der an seine Grenzen gekommen ist. Und in dieser Frage liegen Angst, und Sehnsucht ganz eng beieinander.
So darf jeder von uns auch fragen. Kann ich zu diesem Jesus gehören? Gibt es irgendein Hindernis, das mich von ihm trennen kann? Und die Antwort ist so unendlich schlicht: Nichts kann dich hindern, wenn du ihm glaubst. Nichts kann dich von Jesus trennen, wenn du ihn in dein Leben hineinrufst. Keine Vergangenheit und keine Zukunft, keine Schuld und kein Zweifel, keine Krankheit und kein Schmerz, keine Hautfarbe und keine Rasse nichts. Und alle deine Fragen und alle deine ungeklärten Gedanken können es auch nicht.
Was mag dem Kämmerer nach einigen Stunden „Unterweisung“ noch alles unklar gewesen sein. Aber er hatte genug gehört: Da ist eine unendlich große Liebe, die mir das Leben eröffnen will. Da tritt mir der Eine entgegen, der mein zerbrochenes und zerschnittenes Leben heil macht. Da tritt mir der Eine entgegen, der mich trägt, auch wo ich keine Zukunft mehr habe. Da tritt mir der Eine entgegen, der mir die Ewigkeit aufschließt. Und ich darf zu ihm gehören - und es braucht nichts dazu als die Taufe: Hineingegeben in seinen Tod, auferstanden in ein Leben mit ihm.
Ihr alle seid getauft, ich auch. Und damit steht uns der gleiche Weg offen wie diesem Mann, dessen Namen wir nicht wissen. Wir dürfen den Weg unseres Lebens gehen im Glauben an Jesus: Alles, was er getan hat, ist für uns getan, für dich und für mich. Es gehört alles Dir: Die Vergebung und das Heil, die Gnade und das ewige Leben.
Wer so geliebt wird, wer so beschenkt wird - wie sollte der nicht fröhlich werden? Wie sollte der sich nicht freuen – so beschwerlich auch der Reiseweg noch werden mag, der vor ihm liegt. Es ist ein guter Weg, den Jesus, mit uns geht - lasst uns doch wirklich diesen Weg der Freude auch mit ihm gehen. Amen.
Verfasser: Pfr. Paul-Ulrich Lenz, Leonhardstr. 20, 61169 Friedberg
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