Leben aus der Taufe
von Johannes Jochemczyk (65599 Dornburg-Frickhofen)
Predigtdatum
:
19.07.2009
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
5. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Matthäus 28,16-20
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Wochenspruch:
So spricht der Herr, der dich geschaffen hat: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ (Jesaja 43,1)
Psalm: 139,1-16.23-24 (EG 754)
Lesungen
Altes Testament:
Jesaja 43,1-7
Epistel:
Römer 6,3-8 [9-11]
Evangelium:
Matthäus 28,16-20
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 440
All Morgen ist ganz frisch und neu
Wochenlied:
EG 200
Ich bin getauft auf deinen Namen
Predigtlied:
EG 136, 1-4
O kmm,du Geist der Whrheit
Schlusslied:
EG 590
Herr, wir bitten, komm und segne uns
PREDIGTTEXT MATTHÄUS 28, 16-20
Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten. Und Jesus trat herzu und sprach zu ihnen: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.
EINLEITENDE BEMERKUNGEN – DER WEG ZUR PREDIGT
Bei dem vorliegenden Predigttext handelt es sich um den sog. Tauf- oder Missionsbefehl, einen der klassischen wichtigen Texte, die im liturgischen Vollzug des Gemeindelebens immer wieder vorkommen, üblicherweise bei jeder Taufe. In der Gemeinde des Predigtautors gehört dieser Abschnitt darüber hinaus zum Memorierstoff der Konfirmanden.
Eine Parallelstelle des Missionsbefehls steht bei Markus (Mk 16,15.16) in einem Kapitelabschnitt, welcher von früheren Textzeugen nicht überliefert wird. Im Allgemeinen geht man davon aus, dass es sich hier um einen späteren Nachtrag handelt, vielleicht um den Schluss an das Matthäusevangelium anzugleichen.
Dieser Umstand macht den Umgang mit dem Predigttext delikat und stellt vor besondere Herausforderungen, denn es stellt sich die Frage nach der Entstehung und Echtheit des Predigttextes. Auch die Verwendung der trinitarischen Formel im Predigttext weist auf eine spätere Entstehung des Textes innerhalb der Gemeindekontextes hin. Kurz gefragt: Stammen diese Worte eigentlich von Jesus? – Diese Frage hat den Pedigtautor während der Predigtvorbereitung vor allem beschäftigt. Darum kreist die Predigt auch um dieses Problem und bietet nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, eine Taufexegese.
Von der Art her könnte man diese Predigt als eine Lehrpredigt bezeichnen, da sie bei der Beantwortung dieser Frage in weiten Teilen anerkannt gültige Ergebnisse der historisch-kritischen Exegese präsentiert und verarbeitet.
Die Predigt steigt ein, indem sie die Besonderheit der Perikope im liturgischen Vollzug und der geschichtlichen Entwicklung betont, sie stellt aber dann die Frage nach der Echtheit des Textes, die im folgenden bezweifelt wird. Eine Befreiung aus diesem Dilemma wird zunächst versucht durch die Darstellung der Entstehung neutestamentlicher Texte, anhand gängiger Ergebnisse historisch-kritischer Exegese.
Des weiteren wird durch die Gegenüberstellung der Begriffe Echtheit und Wahrheit bzw. Menschenwort und Gotteswort eine Lösung des Problems versucht. Die Unechtheit eines Textes ist nicht Kriterium und Maßstab der Wahrheit des Wortes Gottes, dies bleibt davon unberührt.
Diese Einsicht ist Ziel der Predigt.
Predigt
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, der Friede Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. AMEN
Verlesen der PT
Christus spricht! Von wichtigen Texten und wichtigen Worten
Haben Sie auch als Konfirmand / Konfirmandin in ihrer Konfirmandenzeit Texte auswendig lernen müssen? Bibelverse oder Liedtexte, vielleicht Gebete, eventuell sogar den Kleinen Katechismus Martin Luthers?
Das ist heute meist immer noch so. Vielleicht nicht mehr in diesem Ausmaß und von Gemeinde zu Gemeinde mit verschiedenen Schwerpunkten - aber immer noch gibt es Lernstoff, den Konfirmanden memorieren sollen. Das „Vater unser“ gehört dazu oder das Glaubensbekenntnis, aber auch liturgische Stücke des Gottesdienstes z.B.: Es gibt eben Texte, die wichtig sind.
In all diesen Texten spiegelt sich wieder, was wir glauben, wie wir glauben und wie wir unseren Glauben verstehen können. Es sind Texte, die uns Halt geben können, Formulierungen, an denen man sich immer wieder orientieren kann und die einem Heimat werden können. Manches geht einem dabei in Fleisch und Blut über, einiges jedoch bleibt vielleicht immer fremd und man reibt sich ein ganzes Leben daran.
Einer dieser wichtigen klassischen Texte ist auch der sogenannte Tauf-oder Missionsbefehl, der das Matthäusevangelium abschließt - „bei Matthäi am letzten“, wie man so schön sagt. Wir haben ihn eben gehört. Es handelt sich um oft zitierte Zeilen, die es in sich haben: Bei jeder Taufe wird dieser Taufbefehl genannt. Jede Taufe wird vollzogen „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Bei jeder Taufe hören wir erneut die Aufforderung Jesu Christi, alle Völker zu Jüngern zu machen.
Im griechischen Text steht das Wort ??????? (exusia), das sich mit den Worten „Macht, Vollmacht, Befugnis oder Herrschaft“ übersetzen lässt. Luther verwendet zur Übersetzung allerdings den Begriff „Gewalt“.
Es handelt sich im wahrsten Sinne des Wortes also um eine gewaltige Aufforderung, verbunden mit einem hohen universalen Anspruch auf die Welt. „Ich habe Gewalt im Himmel und auf Erden. Macht alle Völker zu Jüngern. Tauft sie alle auf den Namen des dreieinigen Gottes und lehret sie alles, was ich euch befohlen habe.“ – diese Zeilen haben ein großes Gewicht im Laufe der Kirchengeschichte entfaltet.
Allerdings hat die Aufforderung Jesu nicht nur Gutes bewirkt und hinterlassen - wen wundert es. So wurde der Missions-befehl immer wieder zur Legitimation der Macht einer christlichen Kirche benutzt, die die Botschaft der Nächsten-liebe verwechselte mit einem Anspruch auf Territorium, auf Einfluss und Zugewinn. Als nötiges Korrektiv wurde der Inhalt Jesu Botschaft oft vergessen. Jesu Botschaft war und ist aber immer eine Botschaft der Liebe und der Versöhnung: "Du sollst den Nächsten lieben wie dich selbst.“ - Das ist ihr Kern und davon handelt Jesu Leben und Sterben.
Christus spricht! – Spricht Christus? Echt oder wahr, das ist hier die Frage!
Gewaltige Zeilen aber, trotz sanfter Botschaft. Doch – und hier möchte ich an dieser Stelle einmal nachhaken – stammen diese Zeilen überhaupt von Jesus?
„Christus spricht“, lesen wir – aber spricht er da wirklich?
Diese Frage mag irritieren. Von wem sollten diese Worte denn sonst stammen? Und außerdem: Wie kommt man in diesem Zusammenhang überhaupt auf solch eine Frage!?
Lassen sie mich zur Beantwortung der Frage ein wenig ausholen. Der Bibeltext, den wir heute vorfinden, den wir lesen und mit dem wir leben, ist das Ergebnis eines langen Entstehungsprozesses. Die Evangelien sind ja keine direkten Erlebnisberichte, die zur Zeit Jesu entstanden sind, sondern sie sind erst in einem zeitlichen Abstand von mindestens 40 Jahren verfasst worden. Die Bibel im Ganzen und auch das Neue Testament ist dementsprechend nicht über Nacht entstanden. Die Bibel besteht auch nicht aus einem Guss: In ihr sind viele Traditionen verarbeitet worden, an ihr haben viele Hände mitgewirkt.
Sich mit der Entstehung der Evangelien wissenschaftlich auseinander zu setzen, ist ein spannendes Unternehmen. Allerdings stößt es auch auf große Kritik, bei jenen, die von der Verbalinspiration der Bibel überzeugt sind. Damit meint man die Überzeugung, jedes Wort sei von Gott dem Schreiber einzeln diktiert worden. Dem ist aber nicht so.
Es gibt in diesem Zusammenhang z.B. immer wieder zu denken, dass das Leben Jesu in 4 Evangelien überliefert wird. Markus ist das kürzeste, aber auch das älteste Evangelium. Um 70. n. Chr. ist es verfasst worden. Das jüngste Evangelium ist das Johannesevangelium. Auf 100 n.Chr. datiert man dessen Entstehungszeit. Dazwischen liegen Matthäus und Lukas.
Markus, Matthäus und Lukas überliefern sehr ähnlichen Stoff, aber sie unterscheiden sich alleine schon in der Länge und in manchen Details der überlieferten Geschichten. Johannes spielt eine Ausnahme.
Man geht bei der Entstehung der Evangelien seit einigen Jahrzehnten schon von einer sog. Zwei-Quellen Theorie aus. Man ist der Meinung, Matthäus und Lukas haben bei der Verfassung ihrer Evangelien sich zweier Quellen bedient: 1. dem Markusevangelium und 2. einer Textsammlung, in der sich Reden Jesu befinden (man nennt sie „Logienquelle Q“). Darüber hinaus kennen beide Evangelisten eigene Geschichte, die sie in ihrem jeweiligen Evangelium verarbeitet haben; in diesen Fällen spricht man vom Sondergut des jeweiligen Evangelisten.
Wie kommt man aber auf diese Entstehungstheorie? Man hat festgestellt, dass die Geschichten, die der Evangelist Markus berichtet, in der Regel auch Lukas und Matthäus berichten und zwar so genau, dass sie sogar in der Reihenfolge der Stücke mit Markus übereinstimmen.
Daneben gibt es aber auch viele Stücke, vor allem Reden, die sich im Markusevangelium nicht finden lassen, aber dafür im Matthäus- und Lukasevangelium. Diese wurden der Redenquelle Q zugeordnet. Darüber hinaus gibt es eben auch noch einzelne Erzählungen, die sich nur in einem Evangelium finden. Z.B das bekannte Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Dieses Gleichnis erzählt nur Lukas.
Schon zur Lebenszeit Jesu haben die Menschen weiter erzählt, was sie von Jesus gehört und gesehen haben: Gleichnisse, die er erzählt hat und Wunder, die er getan hat. Jesu Tod am Kreuz und sein Sieg über den Tod lassen diese Erzählungen nicht verstummen, mehr noch: Sterben und Auferstehung bestätigen, dass Jesus Gottes Sohn ist und dieser Jesus von Nazareth auf die Seite Gottes gehört. Darüber hinaus müssen Tod und Auferstehung auch gedeutet werden, so werden sie verknüpft mit dem Leben und Reden Jesu vor seinem Tod.
In der Folge werden zu wichtigen Worten Jesu durch die frühe Gemeinde Rahmenerzählungen geschaffen und es entstehen kleine Sammlungen. Ähnliche Erzählungen z.B. Gleichnisse werden zu kleinen Blöcken zusammengefasst. Vor allem die Passionsgeschichte, also die Geschichte von Jesu Leiden, Sterben und Tod, lag schon sehr früh als ein Block in schriftlicher Form vor und floss später in die Evangelien mit ein.
Im Detail lassen sich diese Entstehungsprozesse nicht feststellen. Aber man kann davon ausgehen, dass die Evangelien und die Redenquelle in einem längeren Überlieferungsprozess entstanden sind.
Das bedeutet aber: Die Evangelien sind keine biographischen historischen Nacherzählungen von Jesu Leben und Sterben, sondern bewusst gestaltete Literatur, mit unterschiedlichen theologischen Schwerpunkten und der Absicht, die Botschaft von Jesus, dem Christus, als eine Gute Nachricht weiter zu verbreiten, Menschen damit anzusprechen und zu überzeugen.
In Predigt, Liturgie und Verkündigung griffen die Gemeinde sowohl auf Worte Jesu zurück, als auch auf in der damaligen Zeit gebräuchliche Formulierungen. Manches wurde auch innerhalb der Gemeinde selbst formuliert, um in feste Formen zu fassen, was man glaubte.
Dazu gehört z.B. auch die trinitarische Formel, die in unserm Predigttext heute steht: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes.“ Diese Formel ist Gemeindebildung, entstanden im liturgischen Gebrauch der Gemeinden. Auch der Taufbefehl ist darum eine Formulierung, die ihre Geschichte hat und die darum von Jesus selbst damals gar nicht verwendet worden ist.
Der Taufbefehl stammt also gar nicht von Jesus selbst.
Was aber nun?
Behalten die Kritiker Recht, die in einer historisch-kritischen Bibelauslegung ein Teufelswerk vermuten, weil sie die Wahrheit der Bibel in Frage stellt?
Echt wahr: Gotteswort zeigt sich im Menschenwort
Auch wenn ein wissenschaftlich verantworteter Umgang mit Bibeltexten dazu führt, dass die Historizität einzelner Texte bezweifelt wird, ist über den Wahrheitsgehalt dennoch nichts gesagt. Denn die historische Echtheit einzelner Textpassagen ist kein Kriterium für deren Wahrheitsgehalt. Die historische Echtheit und die Wahrheit der Bibel sind verschiedene Dinge, die man immer gut trennen muss.
Paulus hat dies durch die Unterscheidung von Menschenwort und Gotteswort schon früh auch selbst getan. An die damalige Gemeinde in Thessaloniki formuliert er: "Und darum danken wir Gott ohne Unterlaß dafür, dass ihr das Wort der göttlichen Predigt, das ihr von uns empfangen habt, nicht als Menschenwort aufgenommen habt, sondern als das, was es in Wahrheit ist, als Gottes Wort, das in euch wirkt, die ihr glaubt."
In unechtem Menschenwort kann sich echtes Gotteswort verbergen. Auch was sich als historisch unecht erweist, kann trotzdem Gottes Wahrheit transportieren. Denn es gilt trotz aller wissenschaftlichen Forschung an den Bibeltexten:
Gottes Wort zeigt sich im Menschenwort. Nur so können wir es lesen und hören. Sein Wort wurde im Laufe einer Geschichte durch Menschen aufgeschrieben und von Menschen zusammengestellt. Dies ist kein Mangel, sondern Zeichen der Nähe und Zugewandtheit Gottes zum Menschen, der durch uns, mit Hilfe unserer Worte, und seien sie noch so zaghaft oder fehlerhaft, zu uns spricht.
Der Taufbefehl mag also in dieser Form kein historisches Wort von Jesus sein. Aber trotzdem bleibt wahr, dass Jesus sich durch die Taufe mit uns verbindet. Wahr bleibt auch, dass er sich in der Trinität Vater, Sohn und Heiliger Geist zeigt. Wahr bleibt außerdem, dass er bis zum Ende der Welt uns nicht verlässt. Und wahr bleibt, dass in diesen Menschenworten Gottes Wort steckt, welches uns beauftragt und Mut macht, ihm zu vertrauen und sein Wort der Liebe in dieser Welt weiter zu verkünden. AMEN
Und der Friede...
Joachim Jochemczyk, Sportplatzweg 1, 65599 Dornburg
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