Leben aus Gottes Gnade
von Christoph Schweikle (Kirchheim unter Teck)
Predigtdatum
:
31.08.2014
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
10. Sonntag nach Trinitatis - Israelsonntag: Kirche und Israel
Textstelle
:
2. Samuel 12,1-10.13-15a
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Wochenspruch:
"Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade." (1. Petrus 5, 5)
Psalm: 51 (EG 727)
(eventuell Psalm 51, 1.2 als Einleitung)
Lesungen
Altes Testament: 2. Samuel 12, 1 - 10. 13 - 15 a
Epistel: Epheser 2, 4 – 10
Evangelium: Lukas 18, 9 – 14
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 263 Sonne der Gerechtigkeit
Wochenlied: EG 299 Aus tiefer Not schrei ich zu dir
Predigtlied: EG 236, 1 – 6 oder EG 355, 1 – 3 Ohren gabst du mir oder
Mir ist Erbarmung widerfahren
Schlusslied: EG 295 Wohl denen, die da wandeln
Hinführung
David ist eine strahlende Figur in der Geschichte Israels. Vielseitig begabt, voller Gottvertrauen, erfolgreicher König, Psalmendichter. Er ist Gottes Gesalbter wie keiner vor ihm und keiner nach ihm. Der verheißene Messias wird als „Davids Sohn“ besungen. Doch David hat auch gefehlt. Die Batseba-Geschichte wie auch Natans Parabel sind vielen bekannt, dennoch sollten sie nicht einfach vorausgesetzt werden.
In unseren Tagen werden gefallene Prominente erbar-mungslos und voller Häme demontiert. Diese Predigt ent-steht in den Tagen, in denen Uli Hoeneß den „Fehler seines Lebens“ eingestehen musste und verurteilt wurde. Wahr-scheinlich gibt es aktuell weitere Beispiele dafür. Aber das ist nicht die Methode, die Nathan im Auftrag Gottes anwen-det. Wohl deckt er Davids Schuld auf. Aber daraus folgt nicht das „Fallenlassen“, sondern der Ruf zur Umkehr.
Auf den ersten Blick leben die PredigthörerInnen jenseits jener Sphäre der Macht, die Davids Fehltritt so folgenschwer werden ließ. Und doch, das will die Predigt zeigen, gehören wir global gesehen zu den Mächtigen. Aber auch im Kleinen gilt es, Verantwortung und Gerechtigkeit zu üben.
Die in der Perikope ausgelassenen Verse 11 und 12 kündi-gen an, dass Gott David aktiv bestraft. Was damals als die frohe Botschaft gehört wurde, dass über dem König noch ein Richter steht, wirft für heutige Hörer einen Schatten auf das Gottesbild, als würde Gott im Affekt handeln. Daher halte ich diese Auslassung für berechtigt.
Gliederung
David ist König von Israel, Gesalbter Gottes
Nathans Parabel und ihr Hintergrund
Nathans Spiegel zeigt schonungslos eine andere Perspekti-ve, auch uns
Von Schuld und Reue
Gott ruft zur Verantwortung, weil er Leben in Fülle schenken will
Predigt
(David ist König von Israel, Gesalbter Gottes)
Liebe Gemeinde,
David sitzt auf seinem Königsthron und ist guter Dinge. Sei-nem Volk geht es gut. Sein Reich ist solide gegründet. Nach innen herrscht Ordnung und nach außen Friede. Die Nach-barvölker achten Israels Grenzen. Aus schierem Übermut genehmigt David seinem Heer jedes Jahr einen kleinen Feldzug. Zurzeit sind die Ammoniter dran, der östliche Nachbar. Bald wird Joab, sein tüchtiger und getreuer Feld-hauptmann, sie besiegt haben. David kann derweil ruhig in Jerusalem bleiben. Die Stadt hat er schön ausgebaut. Die Hetiter, die Ureinwohnern von Jerusalem, respektieren seine Herrschaft und denken nicht an einen Aufstand. Davids Pa-last ist auch ganz ordentlich geworden. Nur eines hat er nicht geschafft: der Lade Gottes, ja Gott selbst einen Tempel zu bauen. Der Herr wollte nicht, dass David ihm ein Haus baut, stattdessen will Gott ihm, David, ein „Haus“ bauen. Seine Nachkommen sollen also eine Dynastie von Königen werden. So etwas hatte es unter Saul noch nicht gegeben. Gerade erst hat Batseba, seine neue Ehefrau, ihm einen Sohn geboren.
(Nathans Parabel und ihr Hintergrund)
David ist also rundum zufrieden und regiert gut gelaunt vor sich hin. Da wird ihm Natan gemeldet. Er lässt den Prophe-ten kommen, der ihn stets gut beraten hatte. Diesmal er-zählt er ihm eine Geschichte von haarsträubendem Unrecht. Ein Reicher bekommt Besuch. Fürs Gastmahl schlachtet er das einzige Schaf seines armen Nachbarn, weil er seine vie-len eigenen Schafe schonen will. Der Arme hatte an dem Schäflein seine ganze Freude gehabt, es war sein einziger Besitz. Wie eine Tochter hatte er’s in seinem Haus gehalten. Nun ist es verspeist vom kaltherzigen Reichen.
Das ist ein Fall für David. Hier kann er seinen Gerechtig-keitssinn beweisen. Er empört sich über die Maßen und ent-scheidet: der Reiche muss das Schaf vierfach erstatten und wird mit dem Tod bestraft. Alles, was Recht ist, hier muss ein Exempel statuiert werden. So etwas wird nicht geduldet. Nach Moses Gesetz hätte der Reiche nur Schadensersatz leisten müssen, aber David verhängt die Todesstrafe. Kalt-herzigkeit und Arroganz sollen in seinem Reich keinen Platz haben.
--- „Du bist der Mann!“ --- Ertappt! --- Die leidige Geschichte vom letzten Jahr holt den König jetzt jäh ein. Ja, damals verliebte er sich an einem lauen Frühlingsabend in die hüb-sche Nachbarin. Sie wusch sich auf dem Dach ihres Hauses, und er konnte alles sehen. David holte Erkundungen ein. Sie hieß Batseba, und ihr Mann, der Hetiter Uria, kämpfte als einer von Davids Elitesoldaten gerade gegen die Ammoniter. David ließ sie holen und schlief mit ihr. Sie wurde schwanger. Da ließ er Uria holen und schickte ihn zu seiner Frau, um den Ehebruch zu vertuschen. Aber Uria ging nicht zu seiner Frau. Da wies David den Joab an, dafür zu sorgen, dass Uria im Kampf fällt. Der Plan ging auf. Allerdings hatte Joab gleich mehrere seiner besten Männer in den Tod geschickt, damit nicht ruchbar wurde, dass es nur um Uria ging. David nahm Batseba in seinen Harem. Sie wird erleichtert gewesen sein, dass er, der König selbst, für sie, die Witwe, sorgte. Und eine Verbindung, aus der ein so süßes Knäblein hervorging, kann doch so falsch nicht sein.
(Nathans Spiegel zeigt schonungslos eine andere Perspekti-ve, auch uns)
Schlagartig ist Schluss mit dem Schönreden. Nathan hält David den Spiegel vor. Aus der Perspektive des Uria sieht David, was er getan hat. Ehebruch und Mord. Er kann sich nicht damit herausreden, dass er andere vorgeschickt hatte. Seine Dienstboten hatten Batseba geholt. Joab schickte Uria vor in der Schlacht. Aber der Täter war er. Gott schickt Na-than, um David sein ganzes brutales Unrecht vor Augen zu führen. Der Gesalbte Gottes hatte der Versuchung nachge-geben und, um seinen Ruf zu retten, die Kaltherzigkeit und Arroganz seiner Macht ausgespielt bis zum tödlichen Ende.
Wir sind allesamt keine Könige. Und ich habe auch nicht von Gott den Auftrag bekommen, irgendjemandem heute auf den Kopf zu zusagen „Du bist der Mann!“ oder „Du bist die Frau!“. Aber heißt das, dass wir hier ganz bequem sitzen bleiben können und der Geschichte ungerührt weiter zuhö-ren? Wir sind doch auch Söhne und Töchter Gottes, Kinder und Gesalbte des höchsten Königs. Wir wollen uns darum nicht wegducken, sondern neben David stellen. Und auch in Nathans Spiegel schauen. Erkennt unser Gewissen darin dann auch Zusammenhänge, die wir lieber im Dunkeln lassen würden? Im persönlichen Bereich, in unserer Partnerschaft, in der Familie, in der Nachbarschaft, im Beruf, wo wir gehen und stehen. Sehen wir da nicht auch Menschen, denen wir nicht gerecht geworden sind, die auf unser gerechtes Handeln warten? Auf ein gutes Wort, auf ein Zeichen der Versöhnung, auf unsere handfeste Unterstützung, auf unsere Toleranz und Zivilcourage?
Und auch im „Großen“: Sehen wir die Familie mit den vielen Kindern in Vietnam, die sich von ihrem Stückchen Land mehr schlecht als recht ernährt, bis der Bürgermeister es enteignet und an einen Exporteur verkauft? Der pflanzt da-rauf jetzt Mangos, Kaffee oder Rosen für Deutschland. Und bekommt auf dem Weltmarkt so wenig dafür, dass er seinen Arbeitern nur Hungerlöhne zahlt. Und sie ohne Schutz den Pestiziden aussetzt, bis sie vor Haut- und Atemwegserkran-kungen nicht mehr können. Und der nach wenigen Jahren die Plantage wieder aufgibt, weil der Boden ausgelaugt ist und vergiftet.
Sehen wir den Präsidenten von Ecuador, der jahrelang mit den Wirtschaftsmächten dieser Welt verhandelt hatte? Sie sollten sein Land dabei unterstützen, die tropischen Wälder zu erhalten, die so vielen Tier- und Pflanzenarten Heimat bieten und den Boden fruchtbar erhalten. Die den Sauerstoff erzeugen, den wir zum Atmen brauchen. Die den Treibhaus-effekt mildern und das Weltklima im Lot halten helfen. Und der sich jetzt gezwungen sieht, für das Überleben seiner Be-völkerung doch die Wälder abzuholzen und die darunter lie-genden Erdölvorkommen auszubeuten, weil unsere Regie-rungen für den Erhalt der Wälder keine Mittel aufbringen wollen.
Sehen wir die Flüchtlinge aus Afrika, die verzweifelt dem Elend in ihrer Heimat entkommen wollen? Die alles aufgeben und sich skrupellosen Schleppern anvertrauen, die sie mit jämmerlichen Booten aufs Mittelmeer schicken. Die sich vor Glück weinend um den Hals fallen, wenn sie die Strapazen überstanden haben und am Horizont Europa erblicken. Und die dann doch von der Küstenwache wieder zurück geschickt werden, weil die EU beschlossen hat, dass unsere Sozialsysteme gerade ihnen nicht helfen sollen.
Solches Unrecht geschieht in unserem Namen. Im großen Maßstab der Globalisierung. Wir „lassen“ das die Politiker entscheiden, aber wir haben sie gewählt. Wir „lassen“ den Weltmarkt entscheiden, wie viel die Erzeuger unserer Waren bekommen, aber wir sind die Kunden. Es ist unser Geld, unser Konsumverhalten, das die Welt regiert und den Nie-dergang ganzer Weltregionen besiegelt.
(Von Schuld und Reue)
Nathans Spiegel blendet unsere Beschwichtigungen aus, er zeigt uns Gottes Gerechtigkeit. Gottes Gerechtigkeit will uns auf ihre Seite holen. Da gehören wir hin. Wenn wir die Kreisläufe von Kaltherzigkeit, Arroganz und Gleichgültigkeit durchschauen, in die wir verstrickt sind, können wir nicht anders als die Seite zu wechseln. Nicht aus Angst vor Gottes Strafe. Die braucht es gar nicht. Nathan zeigt David ganz nüchtern die Konsequenzen seines eigenen Handelns auf. Du hast zum Schwert gegriffen, um dein Unrecht zu kaschieren, und dieses Schwert wird sich nun auch gegen dich wenden. Du hast dein eigenes Leben und das deiner Familie vergiftet mit deinem Tun. Du musst umkehren.
Genau das tut David, und damit weist er auch uns einen verheißungsvollen Weg. Er bekennt seine Schuld. Er geht in Sack und Asche, fastet und bereut. Er wendet sich Gott zu. Der Psalm 51, den wir vorhin gebetet haben, gilt als Davids Bußgebet. David rechtfertigt sich nicht, er bittet Gott um sein Erbarmen. Er bittet um ein reines Herz und einen neuen, beständigen Geist. Und Gott akzeptiert Davids Reue. Er gewährt ihm Gnade. Er lässt David leben, obwohl der sich mit seiner Schwertlogik selber zum Tod verurteilt hatte. Gott steht zu seinem Gesalbten. Die Folgen von Davids Tun sind dadurch freilich nicht einfach weggewischt. Batsebas Kind wird krank und stirbt. Missgunst und Gewalt greifen um sich unter Davids Söhnen. Aber Gott eröffnet daneben auch eine andere Linie. Ein weiteres Kind von David und Batseba, Salomo, wird später König von Israel. Er darf Davids unerfüllten Wunsch vollenden und Gott einen Tempel bauen.
Nathans Spiegel zeigt uns in aller Klarheit, dass wir verant-wortlich sind für unser Tun. Wir sind nicht die Spielbälle unserer Triebe, von undurchschaubaren Verflechtungen und globalen Zusammenhängen. Wir sind verantwortlich. Der Mensch ist „wenig niedriger gemacht als Gott“, wie Psalm 8 sagt. Gott hat uns die Würde zugesprochen, Verantwortung zu tragen.
(Gott ruft zur Verantwortung, weil er Leben in Fülle schen-ken will)
Nathans Spiegel zeigt aber noch etwas. Er erinnert David daran, was Gott ihm schon alles geschenkt hat: er hat ihn vor Sauls Nachstellungen bewahrt, er hat ihm Wohlstand und Glück gegeben, Weisheit und Einfluss. Sogar einen ganzen Harem von Frauen hat er ihm gegeben, das wird aus-drücklich erwähnt. „Und ist das zu wenig, will ich noch dies und das dazutun.“ Gott schenkt Leben in Fülle, nicht blutleere Moral oder saure Pflichterfüllung. Diese Fülle können wir dankbar annehmen. Und Gott die Ehre geben, indem wir uns ihm ganz anvertrauen und nach seiner Gerechtigkeit trachten. Amen.
Gebet zum Eingang
Guter Gott,
wir haben uns heute hier versammelt,
um miteinander zu hören, was du uns sagen willst,
und um Weisung für unseren Alltag zu bekommen.
Hilf uns dazu, dass dein Wort uns Kraft gibt und Trost spen-det und unser Herz erfreut und berührt.
Amen. Ellen Klass , 2010
Fürbittengebet
Barmherziger Gott,
dass wir nie fertig sind, mit uns selber, mit unserem
Glauben,
mit anderen Menschen und mit dem Leben, das macht uns manchmal zu schaffen.
Aber es macht uns auch lebendig.
Darum danken wir auch dafür.
Hilf uns, dass wir uns nicht auf Positionen und Standpunkten ausruhen,
unsere Urteile nicht absolut setzen und uns selbst und andere darauf festnageln.
Gib uns die Fähigkeit, einmal getroffene Entscheidungen zurückzunehmen,
wenn wir eines Besseren belehrt werden.
Lass uns dankbar annehmen,
dass wir nicht mehr unter dem Zwang stehen,
unser Gesicht zu wahren, Irrtümer zu vertuschen und immer erfolgreich zu sein.
Hilf uns, dass wir uns nicht an deine Stelle setzen,
und tun, als wären wir allwissend, fehlerlos, unbelehrbar und unbekehrbar.
Gib uns deinen Geist, damit wir uns gegenseitig bestehen lassen
und uns in unserer Verschiedenheit annehmen können.
Du allein bist unsere Vollkommenheit.
Wir alle leben von deiner Gnade.
Lass uns unfertige, wandlungsfähige Menschen sein,
die sich auf dich angewiesen wissen bis zuletzt.
Amen.
formuliert nach Helge Adolphsen, Minutengebete,
Stuttgart, 2000, Seite 79
Verfasser: Pfarrer Christoph Schweikle
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