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Leben aus Gottes Gnade

von Christina Lang (06618 Naumburg)

Predigtdatum : 12.08.2018
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 11. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : Galater 2,16-21
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Wochenspruch: "Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade."  (1. Petrus 5, 5)

Psalm: 113, 1 – 8

Lesungen

Reihe I: Lukas 18, 9 - 14
Reihe II: Epheser 2, 4 - 10
Reihe III: Matthäus 21, 28 – 32
Reihe IV: Galater 2, 16 - 21
Reihe V: Lukas 7, 36 - 50
Reihe VI: 2. Samuel 12, 1 - 10. 13 - 15a

Liedvorschläge

Eingangslied: EG 441, 1 – 5 Du höchstes Licht, du ewger Schein
Wochenlied: EG 299 Aus tiefer Not schrei ich zu dir
Predigtlied: EG 356 Es ist in keinem andern Heil
Schlusslied: EG 175 Ausgang und Eingang

Predigttext Galater 2, 16 – 21

Die Auseinandersetzung in Antiochia

16 Doch weil wir wissen, dass der Mensch durch Werke des Gesetzes nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, sind auch wir zum Glauben an Christus Jesus gekommen, damit wir gerecht werden durch den Glauben an Christus und nicht durch Werke des Gesetzes; denn durch des Gesetzes Werke wird kein Mensch gerecht.

17 Sollten wir aber, die wir durch Christus gerecht zu werden suchen, sogar selbst als Sünder befunden werden – ist dann Christus ein Diener der Sünde? Das sei ferne!

18 Denn wenn ich das, was ich niedergerissen habe, wieder aufbaue, dann mache ich mich selbst zu einem Übertreter.

19 Denn ich bin durchs Gesetz dem Gesetz gestorben, damit ich Gott lebe. Ich bin mit Christus gekreuzigt.

20 Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dahingegeben.

21 Ich werfe nicht weg die Gnade Gottes; denn wenn durch das Gesetz die Gerechtigkeit kommt, so ist Christus vergeblich gestorben.

Liebe Gemeinde,

es gab Streit. Handfesten Krach. Es ging nicht nur um Kleinigkeiten, sondern um Grundsätzliches. Und in der Bibel lesen wir davon. Nichts von Friede, Freude, Eierkuchen. Weder war alles schön harmonisch noch „waren sie einmütig beieinander“ (Apg 2, 46) nein, hier mussten erst mal die Grund-sätze geklärt werden.

Wir befinden uns in Galatien, im Zentrum Kleinasiens. Paulus hatte hier die Gemeinden gegründet. Durch seine Verkündigung, durch sein Wirken waren Menschen Christen geworden. Vorher hatten sie Zeus verehrt. Oder Dionysos, den Gott des Weines und der Freude. Oder Diana, die Göttin der Jagd. Nun hatten sie ihre Religion gewechselt.

Es gab natürlich auch Christen, die vorher Juden gewesen waren. Sie glaubten nun, dass mit Jesus, einem der ihren, selbst Jude, der erhoffte Messias gekommen ist. Der war für alle Menschen gekommen, nicht nur für sie. Das war klar. Aber ganz selbstverständlich gingen sie davon aus, dass die griechischen Christen zunächst einmal Juden werden. Und das hätte bedeutet, dass sich die Männer beschneiden lassen, dass sie die jüdischen Speisegebote einhalten und die jüdischen Feier- und Festtage.

Viele der griechischen Christen wollten das nicht, insbesondere nicht die Beschneidung, aber sie wollten Christ sein und als solche leben.

Für Paulus, auch Jude, war klar: Man muss nicht zum Judentum konvertieren, man muss sich nicht beschneiden lassen und nicht nach den jüdischen Speisegesetzen leben, um vollwertiges Mitglied des Gottesvolkes zu sein. Christus war für alle gestorben, für Juden und Nichtjuden. Die Erlösung galt und gilt jedem Menschen, ohne dass wir dazu eine Bedingung erfüllen müssten. Die Apostel waren sich, nach heftigen Diskussionen jedenfalls, darin einig.

Nun aber waren andere Missionare in diese Gemeinden gekommen und fordern erneut die Einhaltung der jüdischen Rituale und der jüdischen Fest- und Feiertage und schienen damit auch Erfolg zu haben. Deshalb schreibt Paulus nun, da er nicht mehr in Galatien ist, einen Brief. Daraus ein Ausschnitt:

Doch weil wir wissen, dass der Mensch durch Werke des Gesetzes nicht gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus, sind auch wir zum Glauben an Christus Jesus gekommen, damit wir gerecht werden durch den Glauben an Christus und nicht durch Werke des Gesetzes; denn durch Werke des Gesetzes wird kein Mensch gerecht.

Sollten wir aber, die wir durch Christus gerecht zu werden suchen, auch selbst als Sünder befunden werden – ist dann Christus ein Diener der Sünde? Das sei ferne! Denn wenn ich das, was ich abgebrochen habe, wieder aufbaue, dann mache ich mich selbst zu einem Übertreter. Denn ich bin durchs Gesetz dem Gesetz gestorben, damit ich Gott lebe. Ich bin mit Christus gekreuzigt. Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dahingegeben.

Ich werfe nicht weg die Gnade Gottes; denn wenn die Gerechtigkeit durch das Gesetz kommt, so ist Christus vergeblich gestorben. (Gal 2, 16 - 21)

Paulus betont noch einmal vor seiner Gemeinde in Galatien: Christus war für alle gestorben und auferstanden, für Juden und Nichtjuden. Zu Gott gelangen wir nur durch unser Vertrauen auf Christus, unseren Glauben an ihn, nicht durch die Einhaltung ritueller Vorschriften und auch nicht durch „Werke des Gesetzes“, also durch unser Handeln, das sich an Vorschriften und Gebote hält.

Ihm ging es um das Zusammenleben jüdischer und nichtjüdischer Christen.

In der Geschichte aber, vor allem durch Luther, haben seine Zeilen noch eine andere Auslegung erhalten, nämlich zu der Frage: Wie verhalten sich Glauben und Handeln zueinander. Der Abschnitt aus dem Brief des Paulus ist zum Paradebeispiel für evangelisches Denken geworden:

Der Mensch wird vor Gott nicht durch Werke des Gesetzes gerecht, sondern durch den Glauben an Jesus Christus.

Luther war wichtig, dass wir unsere Existenz, unsere Identität als Menschen, als Christen allein Gott verdanken. Und dass wir dem nichts durch eigene Leistung und Bemühung hinzusetzen. Das müssen wir nicht, das sollen wir nicht, das können wir nicht.

Das war nun nicht nur ein Thema zu Zeiten, in denen der Ablasshandel florierte, sondern ist schlichtweg das Thema unserer Zeit.

Ich möchte Ihnen deshalb einen weiteren Ausschnitt aus einem Brief vorlesen. Es ist der Brief eines Vaters an seine Tochter. Der Vater ist Journalist und arbeitet für die Wochenzeitung DIE ZEIT.

Hier der Ausschnitt: „Liebe Marie, erinnerst Du Dich noch an den Tag, an dem wir das letzte Mal im Kino waren? An diesen Tierfilm, den Du so gerne sehen wolltest?... Tiger, Bären und Vulkane … Wir sind danach alle zusammen mit dem Auto in die Stadt gefahren: Mama, Henri, Du und ich. Es war Sonntag – und wir beide saßen mit Karteikarten auf der Rückbank und haben gelernt. Wie viel ist 172? Wie viel 56? Wie viel 28? Auf dem Weg nach Hause dann noch mal: 27, 56 Und noch mal. Und zur Sicherheit gleich noch mal. … Wir hätten so viel Sinnvolleres tun können auf unserem Heimweg! Den Bildern der Bären nachhängen und Bonbons lutschen zum Beispiel. In dem Zauber verweilen, den jeder kennt, der aus dem Kinodunkel ins Licht tritt – als laufe man erwachend durch einen Traum. Aber noch nicht mal an einem Sonntag ist es mir gelungen, Dich das Kind sein zu lassen, das Du sein solltest mit zehn Jahren ….

Du hast jeden Tag sieben Stunden Schule und weißt nicht, dass ich als Kind niemals täglich sieben Stunden hatte, in keinem einzigen Schuljahr. Dass ich nachmittags allenfalls vor dem Abitur so viel gelernt habe wie Du jetzt in der fünften Klasse, und niemals auf dem Weg ins Kino. Und dass ich heute manchmal so tue, als müsste ich noch arbeiten, wenn ich abends nach Hause komme und sehe, wie Du über Grammatik-Arbeitsblättern sitzt … Ich hefte dann Rechnungen ab, schreibe E-Mails und sortiere Zeugs. Ich will nicht freihaben, solange Du noch arbeitest. Ist das nicht verrückt … Irgendwann haben wir Deutschen gemerkt, dass die Kinder in anderen Ländern noch schneller lernen als unsere. Dass sie in China früher damit anfangen und in Amerika früher damit aufhören. Und gleich arbeiten. Da hat uns die Angst gepackt. Wir haben uns nicht gefragt, ob es klug ist, zu lernen wie die Chinesen. Wir haben nur gedacht: Bevor die uns einholen, beeilen wir uns auch ….

Deshalb hast Du jetzt eine 40-Stunden-Woche voller Unterricht und Hausaufgaben. Deshalb hast Du vor wenigen Monaten das Gitarre spielen aufgegeben. Deshalb telefonierst Du die halbe Klassenliste rauf und runter, bis Du jemanden zum Spielen findest. Alle sind beschäftigt.

So kommt ein kleiner Raub an Freizeit und Freiheit zum anderen, jeder für sich kaum der Rede wert. … In Baden-Württemberg hat sich die Zahl der Fünft- und Sechstklässler, die nachmittags Nachhilfe nehmen, fast verdreifacht. … In Internetforen werden »Pillen fürs Abi« empfohlen: … Und an Deinem Gymnasium hat eine »Wirtschaftspsychologin« uns Eltern vor einigen Tagen erklärt, woran wir bei Euch einen Burn-out erkennen. Das bedeutet, dass manche Kinder jetzt schon ausgebrannt sind – wie überarbeitete Erwachsene.“ 1

Soweit der Brief.

Liebe Gemeinde, das Leben, Gottes Nähe – das ist ein Geschenk.

Aber - Was machen wir nur daraus?

Offenbar fällt es uns schwer, es einfach anzunehmen. Dieses Geschenk ist – so meinen wir – unvollkommen, wir müssen es noch verbessern, wir möchten noch schneller, effektiver, gesünder, länger, glücklicher, reicher leben und arbeiten. Und wir müssen früh damit anfangen, wenn wir das schaffen wollen.

Gerade uns Protestanten ist wichtig zu wissen, dass Gott mich annimmt, mir seine Gnade schenkt. Ich muss weder fromme noch andere Leistungen erbringen, um vor Gott oder irgendjemandem zu bestehen.

Aber, obwohl wir das betonen, scheint das gerade für uns ein Problem zu sein. Wir sind der fromme Pharisäer, der sein regelmäßiges Fasten und seine Gabe des Zehnten angehäuft hat wie religiöses Kapital, das er nun vor Gott stolz vorweisen will. Unwillkürlich sind wir dauernd mit dem Anhäufen beschäftigt. Dadurch entsteht diese Hast, die der Vater im Brief beschreibt, die immer neuen Herausforderungen, noch mehr in kürzerer Zeit zu leisten – alles, weil wir meinen, dass wir nur so erfüllt leben können. In nahezu allen Lebensbereichen erfasst uns dieser Leistungsdruck.

Auch die protestantische Arbeitsethik hat die Erkenntnis von der zuvorkommenden Gnade Gottes oft untergraben.

Und dazu noch als Deutsche, wo uns Fleiß die höchste Tugend ist. Burnout ist ja schon fast wieder eine Auszeichnung, die die Achtung vor dem Patienten erhöht. Ich höre die leise Anerkennung heraus, wenn es am Lebensende über jemanden heißt: der hat ja nur gearbeitet. Arbeit war sein ganzes Leben.

Das Geschenk Gottes als solches zu begreifen fällt uns schwer. Die eigenen Grenzen anzuerkennen, fällt schwer. Wir nehmen es wie eine Bankrott-Erklärung. Dabei ist es ein Schatz.

Hören, lesen wir es also immer wieder: Erfülltes Leben ist kein Ergebnis unserer Fitnessübungen oder Weiterbildungen oder der richtigen Partnerwahl, des beruflichen Erfolgs, unserer Anstrengung. Es wird uns einfach geschenkt.

Und dazu gehört, dass ein Kind, ja sogar wir selbst auch einmal wieder Langeweile haben dürfen. Da kann etwas Kreatives daraus werden.

Kinder und auch wir Erwachsenen können zweckfrei Musik hören oder selber machen: also nicht, um ein vielseitig gebildeter Mensch zu werden, sondern zweckfrei, einfach so, aus Freude an der Musik, am Leben. Zweckfrei Sport treiben gehört dazu, aus Freude an der Bewegung, nicht, um etwas damit zu erreichen.

Ich bin Gott wichtig und recht. Ich als Mensch, nicht jede meiner Handlungen.

Die grundsätzliche Anerkennung meines Lebens muss ich mir nicht mehr selbst verdienen. Das macht frei. Ich bin die Sorge um mich selbst los.

Wer das für sich erkannt hat, hat plötzlich ganz viele Möglichkeiten, etwas zu tun, zu handeln: Er kann sich um andere kümmern. Er kann auf die achten, die oft achtlos übersehen werden. Er kann für die sprechen, die sonst keinen Fürsprecher finden.

Und er kann nach dem Kinobesuch den Bildern der Bären nachhängen und Bonbons lutschen zum Beispiel. In dem Zauber verweilen, den jeder kennt, der aus dem Kinodunkel ins Licht tritt – als laufe man erwachend durch einen Traum.

So sind wir zum Glauben an Christus Jesus gekommen, damit wir gerecht werden durch den Glauben an Christus und nicht durch Werke des Gesetzes; denn durch Werke des Gesetzes wird kein Mensch gerecht.

Und der Frieden Gottes, der weiter reicht als alle unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus.

Amen

Verfasserin: Pfarrerin Christina Lang, 06618 Naumburg, Moritzberg 31

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Anmerkungen

1 Henning Sußebach: Brief an seine Tochter. In: Die Zeit 22/2011, Zur Schulzeitverkürzung

Verwendete Literatur:

Maschmeier, J.-Chr.: Vom Leben beschenkt – Zum Handeln befreit. In: Göttinger Predigtmeditationen. 2. Vierteljahrheft, 66. Jahrgang, Heft 3, 2012, S. 364-369


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