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Leben in Christus

von Wolfgang Herrmann (56379 Geilnau)

Predigtdatum : 15.08.2010
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 10. Sonntag nach Trinitatis - Israelsonntag: Kirche und Israel
Textstelle : Epheser 2,4-10
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Wochenspruch:

"Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade." (1. Petrus 5, 5)

Psalm: 113, 1 - 8

Lesungen

Altes Testament:
2. Samuel 12, 1 - 10.13 - 15 a
Epistel:
Epheser 2, 4 - 10
Evangelium:
Lukas 18, 9 - 14

Liedvorschläge

Eingangslied:
450, 1 - 3
Morgenglanz der Ewigkeit
Wochenlied:
299, 1 - 3
Aus tiefer Not schrei ich zu dir
Predigtlied:
354, 1 - 3 + 7 396, 1 - 3 + 6
Ich habe nun den Grund gefunden Jesu, meine Freude
Schlusslied:
157, 395, 1 - 3
Laß mich dein sein und bleiben Vertraut den neuen Wegen

4 Aber Gott ist reich an Erbarmen. Er hat uns seine ganze Liebe ge-schenkt. 5 Durch unseren Ungehorsam waren wir tot; aber er hat uns mit Christus zusammen lebendig gemacht. – Bedenkt: Aus reiner Gnade hat er euch gerettet! – 6 Er hat uns mit Jesus Christus vom Tod auferweckt und zusammen mit ihm in die himmlische Herr-schaft eingesetzt. In den kommenden Zeiten soll das enthüllt werden. Dann soll der unendliche Reichtum seiner Gnade sichtbar werden: die Liebe, die Gott uns durch Jesus Christus erwiesen hat.
8 Eure Rettung ist wirklich reine Gnade, und ihr empfangt sie allein durch den Glauben. Ihr selbst habt nichts dazu getan, sie ist Gottes Geschenk. 9 Ihr habt sie nicht durch irgendein Tun verdient; denn niemand soll sich mit irgendetwas rühmen können. 10 Wir sind ganz und gar Gottes Werk. Durch Jesus Christus hat er uns so geschaffen, dass wir nun Gutes tun können. Er hat sogar unsere guten Taten im Voraus geschaffen, damit sie nun in unserem Leben Wirklichkeit werden. (Gute Nachricht Bibel)

Vorbemerkungen: Empfehlung: Erst einmal Kapitel 2 ganz lesen. Das dient dem besseren Verständnis des Predigttextes, der ja ein Ausschnitt aus einem größeren Zusammenhang ist. Übersetzung: Die Gute Nachricht Bibel bietet einen leichteren Zugang für die Hörenden, u. a. durch kürzere Sätze. (In der Luther-Übersetzung sind die Verse 7 bis 7 ein einziger langer Satz.)

Der Predigttext kommt erst nach einer Einstimmung zu Gehör; sie soll die Gottesdienstgemeinde neugierig machen, worum es heute wohl gehen wird. - Während das inklusive „Wir“ („Wir wissen doch alle...“) in einer Predigt mit Recht gemieden werden sollte, ist hier das „Wir“ des Textes aufgenommen. Dort schließt es den Apostel mit den Ephesern zusammen; in der Predigt verbindet es die/den Prediger/in und die Hörenden mit den Ephesern in einer Gemeinde aller Getauften - damals und heute.

Aus der Zusammenhang des Textes wird ersichtlich, dass der Apostel Heidenchristen anspricht. Ihre Taufe liegt noch nicht lange zurück. Der Text liest sich wie ein nachträglicher Konfirmandenunter-
richt. Bekenntnis fasst er zusammen, was die einschneidende Wende ihres Lebens bedeutet und worum es im „Leben in Christus“ geht.

Liebe Gemeinde,

von einem alten Pfarrer wird erzählt, er sei ein wenig schrullig gewesen. Gelegentlich habe er seine Predigt mit dem lauten Ruf begonnen: „Trari, trara, die Post ist da! – Und was bringt sie uns heute? Einen Brief vom Apostel Paulus.“ Nun hat der Apostel gewiss nicht an unsere Gemeinde geschrieben, wie denn auch. Und der Weg durch zwei Jahrtausende ist ziemlich lang. Aber die werdende Kirche hat gemeint, dass die apostolischen Briefe so wertvoll sind, dass sie für spätere Zeiten aufbewahrt werden sollten. So kamen sie in die Bibel und damit zu uns. Zu diesen Briefen gehört auch der Brief nach Ephesus.

Ephesus war damals eine der bedeutendsten Städte im Mittelmeerraum. Der Handel blühte und trug zum Reichtum der Bürger bei; außerdem aber auch die Tatsache, dass sich in Ephesus eines der sieben Weltwunder der Antike befand. Das war der berühmte Tempel der Artemis. Viele Pilger besuchten ihn. In dieser Stadt hielt sich Paulus drei Jahre lang auf. Seine Predigten führten zur Bildung einer christlichen Gemeinde. Wer dazu gehörte, wurde zuvor feierlich getauft. Das waren einerseits Mitglieder der dortigen jüdischen Gemeinde, anderseits aber auch Nichtjuden, die sogenannten Heidenchristen.

Aber dann war der Apostel weitergereist, und die Gemeinde musste ohne ihn zurecht kommen. Woran sollte man sich nun halten, wenn unklare Fragen auftauchten? Damit das zarte Pflänzchen des neuen Glaubens nicht verkümmerte, erhielten die Epheser einen Brief. Darin ist wie in einem Katechismus für Erwachsene zusammengefasst, worum es im christlichen Glauben geht.

Nun sind auch wir gewissermaßen Heidenchristen, und es kann nicht schaden, dass wir immer wieder einmal daran erinnert werden, was das eigentlich heißt: christlich zu leben. Manche Menschen sagen: „Na ja, dass man eben ein guter Mensch ist.“ Aber das gilt wahrhaftig nicht allein für Christen. Andere sagen: „Dass man die Zehn Gebote hält.“ Aber auch das ist eher eine Selbstverständlichkeit, als dass es schon den Kern des christlichen Glaubens ausmachen würde. Was dann? Der heutige Predigttext aus dem zweiten Kapitel des Epheserbriefes gibt uns eine Antwort. Da hören wir:
(Eph 2, 4 - 10)

4 Aber Gott ist reich an Erbarmen. Er hat uns seine ganze Liebe ge-schenkt. 5 Durch unseren Ungehorsam waren wir tot; aber er hat uns mit Christus zusammen lebendig gemacht. Bedenkt: Aus reiner Gnade hat er euch gerettet! 6 Er hat uns mit Jesus Christus vom Tod auferweckt und zusammen mit ihm in die himmlische Herrschaft eingesetzt. 7 In den kommenden Zeiten soll das enthüllt werden. Dann soll der unendliche Reichtum seiner Gnade sichtbar wer-den: die Liebe, die Gott uns durch Jesus Christus erwiesen hat.
8 Eure Rettung ist wirklich reine Gnade, und ihr empfangt sie allein durch den Glauben. Ihr selbst habt nichts dazu getan, sie ist Gottes Geschenk. Ihr habt sie nicht durch irgendein Tun verdient; denn niemand soll sich mit irgend etwas rühmen können. 10 Wir sind ganz und gar Gottes Werk. Durch Jesus Christus hat er uns so geschaffen, dass wir nun Gutes tun können. Er hat sogar unsere guten Taten im Voraus geschaffen, damit sie nun in unserem Leben Wirklichkeit werden.

„Aber Gott“ – So beginnt der Predigttext. Das ist eigentlich gar kein Anfang. Ein „Aber“ bedeutet: es gibt einen Wendepunkt. Gemeint ist hier der Wendepunkt vom früheren Leben der Getauften zum jetzigen Leben. Ihr früheres Leben war eigentlich der Tod. Davon ist in den vorangehenden Versen die Rede gewesen. Der Apostel schreibt aus seinem eigenen Leben: „Wir waren Gefangene böser Mächte, die die Welt regieren. Sie hatten uns in ihrer Gewalt. Und so haben wir uns von unseren selbstsüchtigen Wünschen leiten lassen. Wir haben getan, was unsere Triebe und unser Egoismus verlangten.“ Kurzum, es war eine gnadenlose Welt, eine Welt der Gleichgültigkeit und Kälte, des Hasses, der Gewalt.

Und jetzt das „Aber“ – aber Gott hat uns von diesem Unheil befreit. Und endlich leben wir wirklich, nämlich in Christus. Aus der Hölle der Sünde hat uns Gott in den Himmel seiner Barmherzigkeit versetzt. Zwar bleiben wir mit den Füßen schön auf der Erde; aber wir haben eine neue Perspektive. Es gibt eine Alternative zum Egois-mus und eine Alternative zu dem, was „man“ eben so tut. „Leider, leider. Aber schließlich machen das alle so. Und man muss sich eben anpassen.“ - Aber nun, - in Christus öffnet sich eine ganze neue Sicht der Dinge.

Und das ist ein Geschenk. Doch womit haben wir das Geschenk göttlicher Liebe verdient? Mit gar nichts. Wir denken ja gern, wenn wir nur recht brav sind, dann ist Gott uns auch gnädig. Total daneben! schreibt der Apostel. Zweimal hören wir in seinem Brief: „Aus reiner Gnade hat er euch gerettet“. Ihr müsst nicht alles richtig machen. Frommer Leistungsdruck ist sinnlos. Im Himmel gibt es keine Siegertreppchen.

Ein eifriger Theologiestudent hat das auf folgende Weise begriffen. Sein Professor fragte ihn: „Na, was haben Sie denn heute schon für ihre Glückseligkeit getan?“ Er hätte fleißig im Lehrbuch des Professors gelesen, antwortet der Student. Der Professor: „Das reicht nicht.“ „Ich habe aber auch in der Bibel gelesen,“ sagt der Student. Der Professor wieder: „Das reicht nicht.“ „Na ja,“ sagt der Student, „gebetet habe ich auch.“ Und wieder der Professor: „Das reicht nicht!“ „Aber sonst habe ich nichts getan,“ sagt der Student kleinlaut. „Richtig!“ freut sich der Professor. „Denn Gott hat schon alles für uns getan.“

Deshalb ist es sinnlos, sich auf seine guten Taten zu berufen. „Was ich alles für die Kirche tue! Und für notleidende Menschen. Und dann erst meine Spenden!“ - „Eigenlob stinkt,“ sagt der Volksmund. Der Apostel sagt es etwas vornehmer, aber genauso deutlich. Vor Gott haben Angeber keine Chance. Und wären sie noch so fromm. Im heutigen Evangelium ist das Gebet vom frommen Pharisäer zu hören: „Gott ich danke dir, dass ich nicht so habgierig, unehrlich und verdorben bin wie andere Leute, zum Beispiel wie dieser Zöllner.“ Das ist ja gut und schön. Aber warum erzählt er das Gott? Der Zöllner, - damals jemand, der für die verhasste Besatzungsmacht, die Römer, arbeitete und dabei oft auch in die eigene Tasche wirtschaftete, - er steht mit leeren Händen vor Gott, ganz hinten in der Ecke. Er kann nur eins tun: Er bittet Gott um Erbarmen. Leere Hände und leere Herzen aber kann Gott füllen.

Und wer würde das nicht kennen: Da gibt es Tage, da geht alles schief, Tage an denen man sozusagen mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden ist. Alles scheint so sinnlos zu sein, egal was ich mache, es kommt nichts Gescheites dabei heraus. Das sind die kleinen grauen Tage. Und es gibt die großen schwarzen Zeiten, Zeiten des Scheiterns. Große Pläne sind geplatzt wie Seifenblasen. Oder ein Schicksalsschlag vernichtet unser Glück. Da bleibt tatsächlich nur Gottvertrauen. Und das ist ein unverdientes Geschenk, - ganz umsonst, wie jedes gute Geschenk. A propos „umsonst“, wir könnten auch sagen: „gratis“. „Gratis“ ist eine Zwillingsschwester des lateinischen „Gratia“. Und das heißt Gnade. Gnade ist gratis.

Die Antwort auf ein Geschenk ist Dankbarkeit. Dankbarkeit ist eine Quelle, aus der man immer wieder trinken kann. Denn es gibt soviel, wofür man danken kann, selbst in grauen oder schwarzen Zeiten. Die frisch Getauften in Ephesus haben das offenbar erfahren. Ihr Leben in Christus ist eine Befreiung von sinnlosen und quälenden Forderungen, von „du müsstest doch eigentlich“ und „wehe, wenn du nicht...“ Aber sie können und sollen nun nicht die Hände in den Schoß legen. Im Gegenteil: Sie können und sollen durchaus Gutes tun: gute Taten aus Dankbarkeit und aus Freude am Leben. Vollkommen müssen sie nicht sein. Denn solange wir leben sind wir Werdende. Wir werden immer wieder schuldig an uns selbst, an unseren Mitmenschen, an der Natur.

Aber die andere, die neue Perspektive bleibt. In Christus wachsen wir mehr und mehr in unser wahres Menschsein hinein. Und das Schöne daran ist: niemand muss allein sein. Denn da sind viele ver-wandte Seelen, Menschen, die den gleichen Weg gehen. Manche können uns Vorbild sein; anderen sind wir ein Vorbild. So entsteht eine lebendige Gemeinschaft von Geben und Empfangen. Verbunden sind wir einander im Glaube, in der Liebe, in der Hoffnung. Und immer dann, wenn einer für den anderen betet. Unsere Gebete knüpfen ein unsichtbares Netz der Zuneigung, und wenn es rund um den Erdball ist (wie beispielsweise in diesem Winter bei der Erdbebenkatastrophe von Haiti). - Das Schlusswort soll Martin Luther haben. Wie hat er um einen gnädigen Gott gekämpft, hat sich gequält bis zur Verzweiflung. Und plötzlich die Erleuchtung: Gnade ist gratis. Und das sind Luthers schöne Worte:

„Dies Leben ist nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden;
nicht ein Gesundsein, sondern ein Gesundwerden;
überhaupt nicht ein Wesen, sondern ein Werden;
nicht eine Ruhe, sondern eine Übung.
Wir sind’s noch nicht; wir werden’s aber.
Es ist noch nicht getan und geschehen,
es ist aber im Schwang.
Es ist nicht das Ende, es ist der Weg.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.





Verfasser: Dr. Wolfgang Herrmann
Austraße 6 56379 Geilnau
Wochenspruch:

"Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade." (1. Petrus 5, 5)
Psalm:
113, 1 - 8


Lesungen

Altes Testament:
2. Samuel 12, 1 - 10.13 - 15 a
Epistel:
Epheser 2, 4 - 10
Evangelium:
Lukas 18, 9 - 14




Liedvorschläge

Eingangslied:
450, 1 - 3
Morgenglanz der Ewigkeit
Wochenlied:
299, 1 - 3
Aus tiefer Not schrei ich zu dir
Predigtlied:
354, 1 - 3 + 7 396, 1 - 3 + 6
Ich habe nun den Grund gefunden Jesu, meine Freude
Schlusslied:
157 395, 1 - 3
Laß mich dein sein und bleiben Vertraut den neuen Wegen





4 Aber Gott ist reich an Erbarmen. Er hat uns seine ganze Liebe ge-schenkt. 5 Durch unseren Ungehorsam waren wir tot; aber er hat uns mit Christus zusammen lebendig gemacht. – Bedenkt: Aus reiner Gnade hat er euch gerettet! – 6 Er hat uns mit Jesus Christus vom Tod auferweckt und zusammen mit ihm in die himmlische Herr-schaft eingesetzt. In den kommenden Zeiten soll das enthüllt werden. Dann soll der unendliche Reichtum seiner Gnade sichtbar werden: die Liebe, die Gott uns durch Jesus Christus erwiesen hat.
8 Eure Rettung ist wirklich reine Gnade, und ihr empfangt sie allein durch den Glauben. Ihr selbst habt nichts dazu getan, sie ist Gottes Geschenk. 9 Ihr habt sie nicht durch irgendein Tun verdient; denn niemand soll sich mit irgendetwas rühmen können. 10 Wir sind ganz und gar Gottes Werk. Durch Jesus Christus hat er uns so geschaffen, dass wir nun Gutes tun können. Er hat sogar unsere guten Taten im Voraus geschaffen, damit sie nun in unserem Leben Wirklichkeit werden. (Gute Nachricht Bibel)

Vorbemerkungen: Empfehlung: Erst einmal Kapitel 2 ganz lesen. Das dient dem besseren Verständnis des Predigttextes, der ja ein Ausschnitt aus einem größeren Zusammenhang ist. Übersetzung: Die Gute Nachricht Bibel bietet einen leichteren Zugang für die Hörenden, u. a. durch kürzere Sätze. (In der Luther-Übersetzung sind die Verse 7 bis 7 ein einziger langer Satz.)

Der Predigttext kommt erst nach einer Einstimmung zu Gehör; sie soll die Gottesdienstgemeinde neugierig machen, worum es heute wohl gehen wird. - Während das inklusive „Wir“ („Wir wissen doch alle...“) in einer Predigt mit Recht gemieden werden sollte, ist hier das „Wir“ des Textes aufgenommen. Dort schließt es den Apostel mit den Ephesern zusammen; in der Predigt verbindet es die/den Prediger/in und die Hörenden mit den Ephesern in einer Gemeinde aller Getauften - damals und heute.

Aus der Zusammenhang des Textes wird ersichtlich, dass der Apostel Heidenchristen anspricht. Ihre Taufe liegt noch nicht lange zurück. Der Text liest sich wie ein nachträglicher Konfirmandenunter-
richt. Bekenntnis fasst er zusammen, was die einschneidende Wende ihres Lebens bedeutet und worum es im „Leben in Christus“ geht.

Liebe Gemeinde,

von einem alten Pfarrer wird erzählt, er sei ein wenig schrullig gewesen. Gelegentlich habe er seine Predigt mit dem lauten Ruf begonnen: „Trari, trara, die Post ist da! – Und was bringt sie uns heute? Einen Brief vom Apostel Paulus.“ Nun hat der Apostel gewiss nicht an unsere Gemeinde geschrieben, wie denn auch. Und der Weg durch zwei Jahrtausende ist ziemlich lang. Aber die werdende Kirche hat gemeint, dass die apostolischen Briefe so wertvoll sind, dass sie für spätere Zeiten aufbewahrt werden sollten. So kamen sie in die Bibel und damit zu uns. Zu diesen Briefen gehört auch der Brief nach Ephesus.

Ephesus war damals eine der bedeutendsten Städte im Mittelmeerraum. Der Handel blühte und trug zum Reichtum der Bürger bei; außerdem aber auch die Tatsache, dass sich in Ephesus eines der sieben Weltwunder der Antike befand. Das war der berühmte Tempel der Artemis. Viele Pilger besuchten ihn. In dieser Stadt hielt sich Paulus drei Jahre lang auf. Seine Predigten führten zur Bildung einer christlichen Gemeinde. Wer dazu gehörte, wurde zuvor feierlich getauft. Das waren einerseits Mitglieder der dortigen jüdischen Gemeinde, anderseits aber auch Nichtjuden, die sogenannten Heidenchristen.

Aber dann war der Apostel weitergereist, und die Gemeinde musste ohne ihn zurecht kommen. Woran sollte man sich nun halten, wenn unklare Fragen auftauchten? Damit das zarte Pflänzchen des neuen Glaubens nicht verkümmerte, erhielten die Epheser einen Brief. Darin ist wie in einem Katechismus für Erwachsene zusammengefasst, worum es im christlichen Glauben geht.

Nun sind auch wir gewissermaßen Heidenchristen, und es kann nicht schaden, dass wir immer wieder einmal daran erinnert werden, was das eigentlich heißt: christlich zu leben. Manche Menschen sagen: „Na ja, dass man eben ein guter Mensch ist.“ Aber das gilt wahrhaftig nicht allein für Christen. Andere sagen: „Dass man die Zehn Gebote hält.“ Aber auch das ist eher eine Selbstverständlichkeit, als dass es schon den Kern des christlichen Glaubens ausmachen würde. Was dann? Der heutige Predigttext aus dem zweiten Kapitel des Epheserbriefes gibt uns eine Antwort. Da hören wir:
(Eph 2, 4 - 10)

4 Aber Gott ist reich an Erbarmen. Er hat uns seine ganze Liebe ge-schenkt. 5 Durch unseren Ungehorsam waren wir tot; aber er hat uns mit Christus zusammen lebendig gemacht. Bedenkt: Aus reiner Gnade hat er euch gerettet! 6 Er hat uns mit Jesus Christus vom Tod auferweckt und zusammen mit ihm in die himmlische Herrschaft eingesetzt. 7 In den kommenden Zeiten soll das enthüllt werden. Dann soll der unendliche Reichtum seiner Gnade sichtbar wer-den: die Liebe, die Gott uns durch Jesus Christus erwiesen hat.
8 Eure Rettung ist wirklich reine Gnade, und ihr empfangt sie allein durch den Glauben. Ihr selbst habt nichts dazu getan, sie ist Gottes Geschenk. Ihr habt sie nicht durch irgendein Tun verdient; denn niemand soll sich mit irgend etwas rühmen können. 10 Wir sind ganz und gar Gottes Werk. Durch Jesus Christus hat er uns so geschaffen, dass wir nun Gutes tun können. Er hat sogar unsere guten Taten im Voraus geschaffen, damit sie nun in unserem Leben Wirklichkeit werden.

„Aber Gott“ – So beginnt der Predigttext. Das ist eigentlich gar kein Anfang. Ein „Aber“ bedeutet: es gibt einen Wendepunkt. Gemeint ist hier der Wendepunkt vom früheren Leben der Getauften zum jetzigen Leben. Ihr früheres Leben war eigentlich der Tod. Davon ist in den vorangehenden Versen die Rede gewesen. Der Apostel schreibt aus seinem eigenen Leben: „Wir waren Gefangene böser Mächte, die die Welt regieren. Sie hatten uns in ihrer Gewalt. Und so haben wir uns von unseren selbstsüchtigen Wünschen leiten lassen. Wir haben getan, was unsere Triebe und unser Egoismus verlangten.“ Kurzum, es war eine gnadenlose Welt, eine Welt der Gleichgültigkeit und Kälte, des Hasses, der Gewalt.

Und jetzt das „Aber“ – aber Gott hat uns von diesem Unheil befreit. Und endlich leben wir wirklich, nämlich in Christus. Aus der Hölle der Sünde hat uns Gott in den Himmel seiner Barmherzigkeit versetzt. Zwar bleiben wir mit den Füßen schön auf der Erde; aber wir haben eine neue Perspektive. Es gibt eine Alternative zum Egois-mus und eine Alternative zu dem, was „man“ eben so tut. „Leider, leider. Aber schließlich machen das alle so. Und man muss sich eben anpassen.“ - Aber nun, - in Christus öffnet sich eine ganze neue Sicht der Dinge.

Und das ist ein Geschenk. Doch womit haben wir das Geschenk göttlicher Liebe verdient? Mit gar nichts. Wir denken ja gern, wenn wir nur recht brav sind, dann ist Gott uns auch gnädig. Total daneben! schreibt der Apostel. Zweimal hören wir in seinem Brief: „Aus reiner Gnade hat er euch gerettet“. Ihr müsst nicht alles richtig machen. Frommer Leistungsdruck ist sinnlos. Im Himmel gibt es keine Siegertreppchen.

Ein eifriger Theologiestudent hat das auf folgende Weise begriffen. Sein Professor fragte ihn: „Na, was haben Sie denn heute schon für ihre Glückseligkeit getan?“ Er hätte fleißig im Lehrbuch des Professors gelesen, antwortet der Student. Der Professor: „Das reicht nicht.“ „Ich habe aber auch in der Bibel gelesen,“ sagt der Student. Der Professor wieder: „Das reicht nicht.“ „Na ja,“ sagt der Student, „gebetet habe ich auch.“ Und wieder der Professor: „Das reicht nicht!“ „Aber sonst habe ich nichts getan,“ sagt der Student kleinlaut. „Richtig!“ freut sich der Professor. „Denn Gott hat schon alles für uns getan.“

Deshalb ist es sinnlos, sich auf seine guten Taten zu berufen. „Was ich alles für die Kirche tue! Und für notleidende Menschen. Und dann erst meine Spenden!“ - „Eigenlob stinkt,“ sagt der Volksmund. Der Apostel sagt es etwas vornehmer, aber genauso deutlich. Vor Gott haben Angeber keine Chance. Und wären sie noch so fromm. Im heutigen Evangelium ist das Gebet vom frommen Pharisäer zu hören: „Gott ich danke dir, dass ich nicht so habgierig, unehrlich und verdorben bin wie andere Leute, zum Beispiel wie dieser Zöllner.“ Das ist ja gut und schön. Aber warum erzählt er das Gott? Der Zöllner, - damals jemand, der für die verhasste Besatzungsmacht, die Römer, arbeitete und dabei oft auch in die eigene Tasche wirtschaftete, - er steht mit leeren Händen vor Gott, ganz hinten in der Ecke. Er kann nur eins tun: Er bittet Gott um Erbarmen. Leere Hände und leere Herzen aber kann Gott füllen.

Und wer würde das nicht kennen: Da gibt es Tage, da geht alles schief, Tage an denen man sozusagen mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden ist. Alles scheint so sinnlos zu sein, egal was ich mache, es kommt nichts Gescheites dabei heraus. Das sind die kleinen grauen Tage. Und es gibt die großen schwarzen Zeiten, Zeiten des Scheiterns. Große Pläne sind geplatzt wie Seifenblasen. Oder ein Schicksalsschlag vernichtet unser Glück. Da bleibt tatsächlich nur Gottvertrauen. Und das ist ein unverdientes Geschenk, - ganz umsonst, wie jedes gute Geschenk. A propos „umsonst“, wir könnten auch sagen: „gratis“. „Gratis“ ist eine Zwillingsschwester des lateinischen „Gratia“. Und das heißt Gnade. Gnade ist gratis.

Die Antwort auf ein Geschenk ist Dankbarkeit. Dankbarkeit ist eine Quelle, aus der man immer wieder trinken kann. Denn es gibt soviel, wofür man danken kann, selbst in grauen oder schwarzen Zeiten. Die frisch Getauften in Ephesus haben das offenbar erfahren. Ihr Leben in Christus ist eine Befreiung von sinnlosen und quälenden Forderungen, von „du müsstest doch eigentlich“ und „wehe, wenn du nicht...“ Aber sie können und sollen nun nicht die Hände in den Schoß legen. Im Gegenteil: Sie können und sollen durchaus Gutes tun: gute Taten aus Dankbarkeit und aus Freude am Leben. Vollkommen müssen sie nicht sein. Denn solange wir leben sind wir Werdende. Wir werden immer wieder schuldig an uns selbst, an unseren Mitmenschen, an der Natur.

Aber die andere, die neue Perspektive bleibt. In Christus wachsen wir mehr und mehr in unser wahres Menschsein hinein. Und das Schöne daran ist: niemand muss allein sein. Denn da sind viele ver-wandte Seelen, Menschen, die den gleichen Weg gehen. Manche können uns Vorbild sein; anderen sind wir ein Vorbild. So entsteht eine lebendige Gemeinschaft von Geben und Empfangen. Verbunden sind wir einander im Glaube, in der Liebe, in der Hoffnung. Und immer dann, wenn einer für den anderen betet. Unsere Gebete knüpfen ein unsichtbares Netz der Zuneigung, und wenn es rund um den Erdball ist (wie beispielsweise in diesem Winter bei der Erdbebenkatastrophe von Haiti). - Das Schlusswort soll Martin Luther haben. Wie hat er um einen gnädigen Gott gekämpft, hat sich gequält bis zur Verzweiflung. Und plötzlich die Erleuchtung: Gnade ist gratis. Und das sind Luthers schöne Worte:

„Dies Leben ist nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden;
nicht ein Gesundsein, sondern ein Gesundwerden;
überhaupt nicht ein Wesen, sondern ein Werden;
nicht eine Ruhe, sondern eine Übung.
Wir sind’s noch nicht; wir werden’s aber.
Es ist noch nicht getan und geschehen,
es ist aber im Schwang.
Es ist nicht das Ende, es ist der Weg.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Verfasser: Dr. Wolfgang Herrmann, Austraße 6, 56379 Geilnau

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