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Leben vor Gott

von Wolfdietrich Rasp (Pirmasens)

Predigtdatum : 09.07.2017
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : 3. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle : 1. Mose 50,15-21
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Predigttext 1. Mose 50, 15 - 21
Josefs Edelmut und sein Tod
„Die Brüder Josefs aber fürchteten sich, als ihr Vater gestorben war, und sprachen: Josef könnte uns gram sein und uns alle Bosheit vergelten, die wir an ihm getan haben.
Darum ließen sie ihm sagen: Dein Vater befahl vor seinem Tode und sprach: So sollt ihr zu Josef sagen: Vergib doch deinen Brüdern die Missetat und ihre Sünde, dass sie so übel an dir getan haben. Nun vergib doch diese Missetat uns, den Dienern des Gottes deines Vaters! Aber Josef weinte, als man ihm solches sagte.
Und seine Brüder gingen selbst hin und fielen vor ihm nieder und sprachen: Siehe, wir sind deine Knechte.
Josef aber sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Stehe ich denn an Gottes statt?
Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten ein großes Volk.
So fürchtet euch nun nicht; ich will euch und eure Kinder versorgen. Und er tröstete sie und redete freundlich mit ihnen.“


Liebe Geschwister in Christus,

seht, wie fein und lieblich ist es, wenn Geschwister friedlich beieinander wohnen - nicht immer war es zwischen Joseph und seinen Brüdern so, wie es der Psalm 133 formuliert.

Lange Zeiten hindurch war es anders: Die Brüder beneideten Joseph, ihren Halbbruder. Er war der Sohn Jakobs und Rahels, seiner Lieblingsfrau. Er wurde vom Vater bevorzugt. Die Brüder rächen sich eines Tages: Sie kidnappen Joseph, verkaufen ihn als Sklaven nach Ägypten.

Er aber macht am Hof des Pharao Karriere mit Gottes Sup-port. Sein Ruf dringt bis in die Randprovinz, bis nach Kanaan. Und als dort Hungersnot herrscht, in Ägypten aber die Menschen zu Essen haben, flüchtet die Familie, der Clan des Jakob dorthin - Hungerflüchtlinge. Sie gehen nach Ägypten, treffen dort auf den Kanzler des Pharao, erkennen ihn nicht. Aber Joseph erkennt seine Familie, begegnet ihnen wohlwollend. Er rettet sie.

Siehe, wie schön und lieblich es ist, wenn Geschwister einträchtig beieinander wohnen - für Joseph bestimmt diese Idee sein ganzes Handeln.

Er will mit seinen Brüdern, seiner Familie in Frieden wohnen, er schafft es, ihnen in Ägypten sicheren Aufenthalt zu gewährleisten. Und doch bleibt bei den Brüdern eine Grundangst, fehlendes Vertrauen in den Bruder, dem sie so übel mitgespielt hatten. In ihre Unsicherheit, in ihre Angst hinein stirbt der alte Jakob, das Bindeglied zwischen den Geschwistern. Jakob wird begraben in Kanaan, er ruht an der Seite seiner Vorväter und Vormütter. Joseph begräbt den alten Vater. Damit entfällt das Bindeglied zwischen den Geschwistern. Sie haben Angst. Aus Angst trauen sie sich nicht, Joseph unter die Augen zu treten. Sie handeln „diplomatisch“: sie delegieren, sie schicken jemand, der Joseph ihre Unterwerfung anbietet.

Siehe, wie schön und lieblich es ist, wenn Geschwister einträchtig beieinander wohnen - oft, gerade auch in Zeiten der großen Mobilität sind Eltern, die fest an einem Platz wohnen, die vielleicht sogar noch dort wohnen, wo die Kinder groß wurden, ein letztes Bindeglied. Die Kinder sind lang aus dem Haus, haben inzwischen eigene Heimat, eigene An-sichten gewonnen und sich auseinander entwickelt. Im besten Fall haben sie sich was zu sagen, tragen Sorgen und Verantwortungen miteinander, im schlimmsten Fall sind die älter werden Eltern das alleinige Bindeglied zwischen den sehr unterschiedlichen Kindern. Sterben sie, gibt es keine Basis mehr zwischen den sich fremd gewordenen Ge-schwistern und ihren Familien.


Die Familie hat sich gewandelt, geteilt. Gespräche, Wie-derannäherungen, vielleicht sogar das Wiedererstehen der alten Familie sind sicherlich auch möglich - vielleicht sogar jetzt im Sommer, in dem die längeren Tage, das mehr an Sonne, an Wärme und auch die Ferien manches leichter erscheinen lassen, als es in der dunklen Jahreszeit aussieht.
[PARKPLATZ für Beispiele gelingender Versöhnung in der Familie - bitte anonymisiert]

Siehe, wie schön und lieblich es ist, wenn Geschwister einträchtig beieinander wohnen - für Joseph ist ihre Unter-werfungsgeste ein Unding. Für ihn sind und bleiben es seine Geschwister. Er fühlt sich verkannt, ist enttäuscht, innerlich leer, vielleicht auch gedemütigt. Er fällt aus der Rolle: Er weint. Denn für ihn sind und bleiben sie seine Geschwister, seine Brüder auch ohne ihren gemeinsamen Vater Jakob.

Ihre tatsächliche Unterwerfungsgeste, als sie ihn treffen, muss Josephs Leere, seine Enttäuschung verstärken. Und jetzt kann Joseph reagieren. Er outet sich als Mensch unter Menschen, er lehnt es ab, über alles das, was hinter ihnen liegt, er lehnt es ab, über die Menschen, die seine Ge-schwister sind, zu richten. Er, der Kanzler des großen Pharao, er stellt sich mit ihnen auf eine Stufe, er steht dann mit ihnen auf einer Stufe. Das Entscheiden, das Richten über das, was hinter ihnen liegt, was er sehr wohl noch erinnert - das überlässt er Gott. Als Mensch tritt er Menschen gegenüber, vielleicht sogar mit dem Satz im Hinterkopf, der im Psalm 133 König David in den Mund gelegt wird:

Siehe, wie schön und lieblich es ist, wenn Geschwister einträchtig beieinander wohnen - Joseph versteht sich als Werkzeug Gottes, als ein Mensch, der Gottes Willen respek-tiert, der Gottes Gerechtigkeit akzeptiert. Er sieht und an-erkennt, dass Menschen planen, dass Menschen handeln - nicht immer zum Besten für sich selbst und andere. Und er nimmt deutlich wahr, dass alles Planen, alles Handeln in Gottes Willen aufgehoben ist. Das war, das ist Herausfor-derung:

Es war herausfordernd für die Menschen, die die Josephs-geschichte als Schlusspunkt der Geschichte der Väter und Mütter im Glauben lasen. Planten sie doch schließlich mit ihren Möglichkeiten und Grenzen auch ihr Leben und das ihrer Familie.

Es ist für jede und jeden von uns, liebe Mitchristinnen und Mitchristen, Herausforderung. Planen wir doch jeden Tag aufs Neue, führen wir doch mehr oder weniger umfangreiche Ka-lender, papiergestützt oder elektronisch. Auch heute noch, wie zu den Zeiten, als die Geschichte des Joseph aufge-schrieben wurde, der im Glauben gerecht handelt, ist alles Planen, ist alles Tun in Gott aufgehoben.

Denn, so beten wir Christinnen und Christen es in jedem Gottesdienst: „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.“ Ja, wir stellen unser Planen unter den Vorbehalt, dass es Gottes Wille sein könnte. Erst im Rückblick lässt sich dann sagen, ob unser Planen und Handeln tatsächlich Gottes Willen entsprochen haben könnte.

Und das kann schon Zeit in Anspruch nehmen. Aber: Das ent-hebt, entlässt uns nicht aus der Aufgabe, unsere Zeit, unsere Wege im Hier und Jetzt zu gestalten. Wir haben die Freiheit, wir haben die Pflicht, dies zu tun. Dazu hat Gott uns alle, so verschieden wir auch immer sind, mit Phantasie, mit Krea-tivität, mit unseren sechs Sinnen und dem freien Willen begabt, dazu hat Gott uns als Menschen geschaffen, als seine Abbilder - und das ist gut so!

Siehe, wie schön und lieblich es ist, wenn Geschwister ein-trächtig beieinander wohnen - es ist das Beste, was uns in den Familien, in unserer Gemeinde passieren kann - dass wir auf Augenhöhe in den unterschiedlichen Funktionen mit-einander leben und arbeiten, entwickeln und gestalten, feiern, beten und hören.

Und dabei darauf trauen, dass wir planen und wirken in aller Freiheit, mit aller Kraft und mit der Sicherheit, dass all unser Tun und Lassen in Gottes unendlicher Freiheit, Liebe und Gerechtigkeit aufgehoben ist. Dazu hilft uns Gott.
Amen.

Verfasser: Pfarrer Wolfdietrich Rasp
Hauptstraße 58, 66953 Pirmasens

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