Lebendige Hoffnung
von Uwe Wiegand (64287 Darmstadt)
Predigtdatum
:
01.05.2011
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Ostermontag
Textstelle
:
Johannes 21,1-14
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Wochenspruch:„Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten.“ (1. Petrus 1, 3)
Psalm: 116,1 – 9 (EG 746)
Lesungen
Altes Testament: Jesaja 40, 26 – 31
Epistel: 1. Petrus 1, 3 – 9
Evangelium: Johannes 20, 19 – 29
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 114, 1-4 Wach auf, mein Herz, die Nacht ist hin
Wochenlied: EG 102, 1-3 Jesus Christus, unser Heiland
Predigtlied: EG 108, 1-3 Mit Freuden zart
Schlusslied: EG 99 oder
116 Christ ist erstanden
Er ist erstanden
Einführung
Der Text gehört zum Nachtrag des Johannesevangeliums, der nicht mehr in Jerusalem, sondern in Galiläa spielt. Die Geschichte enthält Sprünge und ungelöste Fragen. Vermutlich sind eine nachösterliche Berufung und eine Speisungsgeschichte miteinander verwoben. Eine Woche nach Ostern ist für die meisten Gottesdienst-Teilnehmer/innen der Alltag wieder eingekehrt. Die Predigt widmet sich der Frage, wie die Freude von Ostern mit dem Alltag zu vereinbaren ist. Sie nutzt dabei aus, dass am Sonntag Quasimodogeniti das Evangelium aus Johannes 20, 19 - 29 zu lesen ist, also (bis auf den vermutlich ursprünglichen Schluss Joh 20, 30-31) die besondere Chance dieses Gottesdienstes auch darin liegt, zwei aufeinander folgende Texte zu hören. Deshalb knüpfe ich an der Schriftlesung an und verbinde sie mit dem Predigttext im Sinne des Übergangs vom Fest zum Alltag bei den Jüngern Jesu.
Predigt: Text Johannes 21, 1 - 14
als Schriftlesung ist Johannes 20, 19 - 29 (Evangelium zum Sonntag) vorausgesetzt
Hinführung zum Text:
Liebe Gemeinde,
„Mein Herr und mein Gott“ – das war zweifellos der Höhepunkt. Die Ostereignisse, wie sie Johannes schildert, finden in diesen Worten ihr Ziel. Feierlicher konnte es nicht mehr gesagt werden, was der auferstandene Christus für seine Jünger bedeutete. Mit Thomas war auch der letzte Zweifler überzeugt worden. Das Licht von Ostern hatte seinen Platz in den Herzen aller Männer und Frauen gefunden, die zu Jesus gehörten. Wenn das der Höhepunkt war, wie konnte es dann weitergehen? Vom Gipfel eines Berges führen bekanntlich alle Wege bergab. Deshalb stellte sich auch für die Osterzeugen bald die Frage nach dem Alltag.
Wie sollte es weitergehen?
Wie passten der unvergleichliche Glanz der Auferstehung und das gewöhnliche Leben der Menschen zusammen?
Vielleicht waren diese Fragen der Grund dafür, dem Johannesevangelium noch ein weiteres Kapitel folgen zu lassen. Vielleicht gibt es deshalb im Anschluss noch die folgende Ostergeschichte, die nicht mehr in Jerusalem spielt. Sie zeigt uns, dass die Jünger dort hin zurückkehrten, wo einmal alles anfing: An den See von Tiberias, den wir auch als See Genezareth kennen:
Johannes 21, 1 – 14:
1 Danach offenbarte sich Jesus abermals den Jüngern am See Tiberias. Er offenbarte sich aber so:
2 Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger.
3 Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich will fischen gehen. Sie sprechen zu ihm: So wollen wir mit dir gehen. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts.
4 Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war.
5 Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein.
6 Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten's nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische.
7 Da spricht der Jünger, den Jesus lieb hatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich ins Wasser.
8 Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen.
9 Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot.
10 Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt!
11 Simon Petrus stieg hinein und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht.
12 Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war.
13 Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt's ihnen, desgleichen auch die Fische.
14 Das ist nun das dritte Mal, dass Jesus den Jüngern offenbart wurde, nachdem er von den Toten auferstanden war.
Spannungen und Geheimnisse im Text:
Liebe Gemeinde,
eine ungewöhnliche Atmosphäre geht von dieser Geschichte aus. Es schwingen viele Erinnerungen an andere Erzählungen mit. So ähnlich war es doch, als Jesus die Fischer zu Jüngern berufen hatte. So ähnlich war es auch, als die Jünger mit Jesus auf dem See waren und dachten, er wäre ein Gespenst. So ähnlich war es oft mit Petrus gewesen, der immer etwas sagen oder tun muss. So ähnlich war es häufig, wenn Jesus mit den Seinen Brot und Fisch geteilt hat. Viele Erinnerungen, aber auch geheimnisvolle Informationen enthält die Geschichte.
Warum sind es genau 153 Fische? Wieso muss es die rechte Seite sein, wo die Netze ausgeworfen werden? Warum lässt Jesus seine Jünger Fisch fangen, wo er doch am Ufer schon ein Kohlefeuer mit Brot und Fisch bereit hat?
Wer genau liest, merkt, dass hier mindestens zwei alte Geschichten miteinander verschmolzen sind. Eine Begegnung mit wunderbarem Fischfang am See und eine Mahlzeit des Auferstandenen mit seinen Jüngern. Nicht alle Widersprüche werden aufgelöst und manches Geheimnis bleibt offen. Osterglanz leuchtet auf, aber er schimmert hier ganz anders als zuvor in Jerusalem. Jesus erscheint einerseits geheimnisvoll, andererseits seinen Jüngern nahe wie zu Lebzeiten, als sie so oft miteinander Brot und Fisch gegessen haben. Ostern leuchtet auf, aber als ein Licht, das sich wieder dem Alltag nähert. Die sieben Jünger, die hier erwähnt werden, befinden sich wieder in ihrer vertrauten Umgebung. Dennoch ist für sie alles anders geworden und sind sie nicht mehr dieselben wie damals, als sie mit Jesus am See unterwegs waren. Osterglanz und Alltag – wie kann das zusammen kommen? Ich glaube, dazu gibt uns diese Geschichte mehrere wichtige Fingerzeige, denen wir im Folgenden nachgehen wollen.
Zwischen Osterglanz und Alltag:
Den ersten Hinweis gibt uns schon der Ort. Der See steht für die Herkunft der Jünger Jesu. Dort hatte sich ihr Leben abgespielt bis sie auf Jesus getroffen waren. Dort hatten sie auch mit ihm gelebt und waren durch die anliegenden Ortschaften mit ihm gewandert. Diese Ostergeschichte lässt sie wieder dorthin zurückkehren, in die Nähe ihrer Familien, ihrer Häuser ihrer Freunde. Sie tragen nun die Osterfreude auch dorthin, wo sie herkommen.
Bestimmt war es spannend, als sie erstmals wieder in die vertrauten Gesichter schauten und erzählten, von dem, was sie erlebt hatten. Vielleicht haben sie es zunächst auch nicht gewagt, vielleicht ist es aber auch aus ihnen herausgesprudelt: Jesus ist gestorben, aber er ist nicht mehr tot! Wir haben den Auferstandenen gesehen! Ostern wird Teil des Alltages an vertrautem Ort und mit vertrauten Gesichtern, auch wenn es nicht einfach ist, beides zu verbinden. Was wir hier in der Kirche feiern, hat auch seinen Platz zu Hause in unseren Häusern oder Wohnungen. Das Osterlicht will auch in unserem Alltag leuchten.
Das zeigt auch unser zweiter Hinweis: Es ist eine Geschichte voller Arbeit. Nicht nur heute, am Tag der Arbeit, lohnt es sich, darauf einen Blick zu werfen. Petrus ist der erste, der wieder die vertraute Arbeit aufnimmt. Er will fischen gehen und die anderen folgen ihm dabei. Viele Menschen die Aufregendes erlebt haben, wissen, wie schwer es sein kann, den Kopf klar zu bekommen. Ob es nun Trauer und Leid oder auch besondere Freude ist: Viele Menschen müssen etwas tun, sich bewegen, mit dem Kopf oder besser noch mit den Händen aktiv sein, damit alles verarbeitet werden kann. Die Arbeit ist ein Teil der Bewältigung und ein Stück Normalität, wenn etwas sehr Ungewöhnliches geschehen ist. Allerdings ist das Tun der Jünger zunächst vergeblich. Sie fangen nichts und kehren trotz arbeitsreicher Nacht mit leeren Händen heim. Umsonst war es dennoch nicht gewesen. Ich glaube, dass schon das Ausfahren mit dem Boot und die Gemeinschaft bei der Arbeit mit dem Netz gut getan haben. Erfolgreich wird ihr Fang aber erst, als Jesus sie noch einmal ausschickt.
Das gibt uns den dritten Hinweis, wie sich Ostern mit dem Alltag verbindet: Jesus handelt so wie zu Lebzeiten. Er wird am Vertrauten erkannt. Ostern im Alltag bedeutet, sich an die Geschichten, die zu seinen Lebzeiten spielen, zu erinnern. Wenn wir wiederentdecken, dass eine alltägliche Situation uns an seine Worte erinnert, haben wir Ostern im Alltag. Wenn uns klar wird, dass seine Art auf die Menschen zuzugehen mit seinem Tod nicht zu Ende ist, kann österliche Freude zwischen uns aufkommen. Ja, er ist es, entdecken die Jünger – und fangen viele Fische. Genau wie damals, als sie sich das erste Mal begegnet waren, finden sie Vertrauen zueinander und werden überzeugt, weil seine Worte wirken. Dennoch bleibt da etwas zwischen ihnen. Noch sind sie einander nicht so nahe wie sie das früher waren.
Hier hilft unser vierter Hinweis weiter: Er hat schon Brot und Fisch für sie bereit als sie ans Ufer kommen. Das Mahl am Feuer bringt sie einander wieder wirklich nahe. Nirgends wird es so deutlich wie hier, dass Jesus und die Seinen vor allem eine Mahlgemeinschaft sind. Es war schon vor dem Kreuz die Mitte des gemeinsamen Lebens gewesen und es bewährt sich auch nach der Auferstehung. Eine andere Geschichte, die Lukas erzählt, weiß, dass sie den Auferstandenen beim Brechen des Brotes in Emmaus erkannten. Es ist wichtig, dass die Gemeinde nach Ostern immer noch durch leibhaftiges Essen miteinander verbunden war. Jesus war kein Gespenst, sondern immer noch der Bruder und Herr, der mit den Seinen gegessen und getrunken hat. Ostern und Alltag verbinden sich an seinem Tisch. Bis heute sind wir eingeladen mit ihm zu feiern, Brot und Wein oder auch den Fisch zu teilen.
Schluss: Ostern im Alltag
Liebe Gemeinde,
vier Hinweise konnten wir verfolgen, um zu sehen wie Ostern und Alltag zusammen finden. Das Neue, das Unfassbare, das mit Ostern geschehen ist, steht in Spannung zu den alltäglichen Erfahrungen unseres Lebens. Dass am Ende nicht der Tod, son-dern das Leben steht, durchbricht alle menschlichen Erfahrungen. Das Wunderbare der Auferstehung ist ein Widerspruch zur Wirklichkeit von Leid, Schmerz und Tod in unserem Leben. Zugleich hat das Wunder Verbindungen zu dem, was uns vertraut ist und was wir kennen. Ostern geschieht nicht isoliert an einem herausragenden Ort wie Jerusalem, sondern in der Alltäglichkeit. Es geschieht an vertrautem Ort, wo gewohnt, wo gelebt, wo geliebt, wo gearbeitet wird. Es geschieht im Angesicht der vertrauten, gar nicht so besonderen Menschen, die miteinander tun, was sie immer tun. Ostern geschieht und es verändert diesen Alltag. Es wirft ein neues Licht auf den vertrauten Boden. Es lässt auf einmal bei einer einfachen Mahlzeit bei Brot und Fisch die Gegenwart Jesu spüren.
Wie ist das möglich? Wie kann das geschehen, dass er wirklich bei uns ist? Es bleiben in unserem Leben, ebenso wie in dieser Geschichte, ein paar Geheimnisse. Aber in ihnen schimmert ein Licht, das auch den Alltag verändert. Es lebt, es arbeitet, es isst sich anders in der Gemeinschaft mit ihm. Die Freude über seine Auferstehung kann unsere Herzen bewegen – damit wir leben können und unseren Alltag bestehen können auf den vertrauten Wegen, aber in einem neuen Licht.
Amen.
Verfasser: Pfarrer Uwe Wiegand, Flotowstraße 29 A, 64287 Darmstadt
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