Schriftlesung: Lukas 9,57-62
Wochenspruch:
Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes. (Luk. 9,62)
Wochenlied:
EG 82 oder 96
Weitere Liedvorschläge:
EG 76; 389; 390; 640
Liebe Gemeinde,
der heutige Predigttext skizziert mit wenigen Worten die Gegensätze von Licht und Finsternis. Er spricht von dem Licht in dem Herrn, das für die Nähe Gottes steht, und redet von der Dunkelheit, die dort entsteht, wo Menschen Gott den Rücken gekehrt haben. Wenn es um sogenannte „Moralpredigten“ geht, sind wir verständlicher-weise sehr empfindlich. Doch ich glaube nicht, daß dieser Text ein ,,erhobener Zeigefinger“ sein soll. Vielmehr habe ich den Eindruck, daß es hier darum geht, offen zu werden für Gott und seinen Geist, der mit Jesus in diese Welt gekommen ist.
Ein Gespür dafür, was das heißen kann, möchte uns der Verfasser dieser Zeilen vermitteln. Wir werden dazu ermuntert, darüber nachzudenken, und unser Leben im Spiegel dieser Worte zu beleuchten. Denn es ist unsere menschliche Würde, daß wir in der Lage sind, die Liebe Gottes zu empfangen, sie aufzunehmen und diese auch weiterzugeben.
Doch zunächst einmal der Predigttext. Er steht im Epheser-Brief im Kapitel 5, die Verse 1-8a:
1 So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder 2 und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch. 3 Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. 4 Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung. 5 Denn das sollt ihr wissen, daß kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger - das sind Götzendiener - ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes.
6 Laßt euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn [a ] um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. 7 Darum seid nicht ihre Mitgenossen. 8 Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn.
Finsternis mit ihrem bedrohlichen Charakter erleben wir moderne Menschen nur noch höchst selten. Sobald die Sonne untergeht und die Dämmerung anbricht, wissen wir zwar, daß es Nacht wird; doch mit Hilfe des elektrischen Lichtes können wir die bedrohliche Dunkelheit aussperren. Wir ziehen uns in unsere vier Wände zurück und lassen Nacht Nacht sein. Bestenfalls dann, wenn der Strom einmal ausfällt, bekommen wir eine leise Ahnung davon, was das Wort Finsternis bedeuten kann. Ängste und Gefahren rücken plötzlich in greifbare Nähe, und wir sind dankbar, wenn das Überlandwerk das Problem beseitigt hat.
Optische Finsternis brauchen wir also weniger zu fürchten. Doch mit eine Finsternis anderer Art haben wir, glaube ich, alle unsere Erfahrungen: Mit der Dunkelheit, die in uns Menschen wohnt und in unserer Seele schlummert.
Schatten dieser Nacht begegnen mir Tag für Tag auf meinem Weg zum Arbeitsplatz. Im Bahnhofsviertel von Frankfurt erlebe ich Menschen, die gefangen sind in Alkoholsucht und Drogenabhängigkeit. Deren einziger Lebensinhalt offenbar nur noch darin besteht, zur rechten Zeit an ,,Stoff“ zu kommen. Menschen, am Rande der Gesellschaft. Zwar extreme Beispiele, aber doch traurige Zeugen menschlicher Existenz und abgrundtiefer Dunkelheit. Und das stimmt mich sehr nachdenklich.
Angst und Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Resignation - die innere Not hat viele Gesichter, und die läßt sich nicht so einfach mit einem Griff zum Lichtschalter vertreiben.
Es können dunkle Gedanken sein, die wir hegen und pflegen, die uns aber den Blick für die Menschen um uns herum verschleiern. Zerstörte Träume und Hoffnungen halten uns in Selbstmitleid gefangen und rauben uns damit die Chance auf neue Lebensfreude und positive Erfahrungen. Oder wir leiden unter einer Schuld, die wir wie eine schwere Kette mit uns herumschleppen, die uns aber einsam macht, weil sie uns von Menschen fernhält, die uns wichtig sind.
Der Verfasser dieses Textes schreibt von den Gefahren dieser inneren Dunkelheit. Er legt seinen Finger dort auf die Wunde, wo das Zusammenleben und Miteinander von Menschen gelingen kann oder zum Scheitern verurteilt ist. Und er sagt klar und deutlich: Die Lebensgestaltung von Christen hat eine andere Qualität. Weil Du Licht bist, meide die Finsternis. Mache Dich nicht zum Werkzeug der Dunkelheit, sondern werde dir bewußt, wo die Triebkraft deines ganz persönlichen Lebens zu finden ist.
Wer mit Schmutz umgeht, wird selber schmutzig. Wer über Dinge des Glaubens spöttelt, trennt sich von Gott. Wer gierig ist nach Besitz, Bedeutung oder Genuß, hängt sein Herz daran und wird davon beherrscht. Die Gefahren der Finsternis sind so ernst, daß die Empfehlung lautet: Nicht nur nicht beteiligen, sondern noch nicht einmal davon reden
Doch wie leicht sind wir versucht, die Worte des Briefschreibers heute in unserer Zeit als ,,moralischer Zeigefinger“ oder ,,Eineingung der persönlichen Freiheit“ abzuwehren. Schließlich leben wir im 20. Jahrhundert im Computer-Zeitalter unter ganz anderen Umständen als seinerzeit die Empfänger dieser Zeilen. Einschüchterungstaktik und autoritäres Gehabe funktionieren nicht mehr. ,,Ihr sollt dieses nicht tun und jenes lassen..., das gehört sich nicht ..., darüber darf man bei euch noch nicht einmal reden...“. Solche Vokabeln ziehen sich wie ein roter Faden durch den Text und erinnern unmißverständlich an Erziehungsmaßnahmen. Der innere Widerstand gegen solche Aussagen ist verständlich. Was sich gehört, was möglich ist - die Maßstäbe sind doch heute ganz andere.
Doch so einfach sollten wir es uns nicht machen und die mahnenden Worte als Moralvorstellungen einer längst versunkenen Epoche abtun. Selbst wenn dies auf den ersten Blick so aussehen mag, lohnt sich das Hinterfragen nach dem ,,Warum“ dieses Anspruches an die Christen. Hören wir deshalb noch einmal auf die Worte, die diesen Textabschnitt einrahmen. Vielleicht kommen wir ins Nachdenken darüber, ob der Verfasser dieser Zeilen nicht auch den Finger auf die Wunden unserer Zeit legt. So heißt es ab Beginn: ,,So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat ...“. Und am Ende stehen die Worte: ,,Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid Ihr Licht in dem Herrn“.
Von Gottes Beispiel ist hier die Rede. Davon, Gott nachzuahmen. Doch wie soll das funktionieren, Gott nachahmen? Man kann sichMenschen zum Vorbild nehmen, sie nachahmen. Aber Gott? Ist das nicht eine utopische Vorstellung? Sind diese 2000 Jahre alten Bilder heute noch modern?
Erinnert Euch an den Mann aus Nazareth, schreibt der Verfasser. Jesus hat teuer dafür bezahlt, daß in Eurem Leben andere Maßstäbe gelten können. Mit Jesus hat Gott seinen Fuß auf dieser Erde gesetzt und ein Licht angezündet, daß unserem Leben Orientierung und Wegweisung geben will. Mit seinem Leben und Wirken in dieser Welt hat Jesus uns ein Vorbild der Liebe und Güte Gottes, seiner Barmherzigkeit und Gnade hinterlassen. Die mahnenden Worte des Verfassers erinnern uns daran, daß wir es gar nicht nötig haben, in alte Abhängigkeiten zu verfallen. Sie machen eher deutlich: Ihr seid frei für Gott, ihr seid frei so zu leben, wie Christus gelebt hat. Das gilt heute noch genauso wie damals, als diese Worte niedergeschrieben wurden.
Wie oft hat sich Jesus aus allen Aktivitäten zurückgezogen, um in der Abgeschiedenheit und im Gebet die Kraft für sein Wirken zu suchen. Nicht immer einfach, wie wir aus den Evangelien wissen. In der stillen Zwiesprache mit Gott hat er die Entscheidungen getroffen, was zu tun und was zu lassen ist.
Von dem Vorbild, daß uns Jesus mit seinem Leben und Wirken hinterlassen hat, ist also die Rede. Gottes Handeln an und in dieser Welt ist uns mit Jesus verständlich gemacht worden. Und es wird zur Nachahmung empfohlen in entsprechendem Verhalten. Im Umgang mit uns selbst, im Umgang mit anderen, im Denken und im Reden. Die Zeilen sollen uns an die Quelle erinnern, aus der sich unser Lebensgefühl speist. Uns, die wir auf den Namen Jesu Christi getauft sind.
Jesus, der als Mensch unter Menschen gelebt hat ist der Spiegel, in dem wir unsere eigene Lebensführung überprüfen können. Christen brauchen offenbar hin und wieder eine Erinnerungsspritze und Gedächtnisstütze. Der Text richtet deshalb auch an uns die Frage:
Was prägt mein Leben? Wen nehme ich mir zum Vorbild, wer imponiert mir und wen ahme ich nach? Wo liegt die Triebfeder meines eigenen, ganz persönlichen Lebens?
In unserer Zeit der Medien erfahren wir viel Schlimmes aus allerWelt. Um uns herum rückt die Bedrohung durch andere immer näher. Heutzutage wird das Menschenbild in der Öffentlichkeit stark von Gewalt und Unmenschlichkeit geprägt. Dies erzeugt für viele Menschen eine schleichende Zerstörung des Glaubens an die positiven Kräfte der anderen, es erzeugt Angst und Mißtrauen voreinander und den Wunsch, sich in seiner kleinen und heilen Welt einzuigeln.
Demgegenüber sind die Nachrichten über Positives, Ermutigendes gering. Worüber reden wir selbst mehr? Über Positives oder über Negatives? Wir erleben beides im Alltag, Erfreuliches und Trauriges, Schönes und Ärgerliches. Was davon benennen wir und reden zu anderen? Welchem Erleben verleihen wir mehr Gewicht?
Ich selbst ertappe mich auch immer wieder, gerne über das zu reden, was ich auf meinem Weg zum Arbeitsplatz in Frankfurt sehe und erlebe. Diese unschönen Erlebnisse und Erfahrungen beschäftigen mich, und ich erzähle sie weiter. Da ist an sich ja auch nicht schlimm. Aber es macht mir auch bewußt, wie schnell wir bereit sind, dunklen und trüben Episoden Raum einzuräumen und wie sehr unser Denken und Fühlen davon beherrscht werden kann.
Mitunter kann es einen schon bedrücken, wenn nicht gar deprimieren, wie wenig Glanz und Ausstrahlung normalerweise doch von unserem Glauben ausgeht. So wenig, daß wir uns - nüchtern betrachtet - eigentlich gar nicht zu wundern brauchen, wenn unser Christsein offensichtlich oft genug kaum besonders ansteckend wirkt. Weder auf unsere Familie oder den Bekanntenkreis, noch auf die Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz. Daß Christen allein durch ihr vorgelebtes Beispiel anziehend auf andere wirken, das vermag heute meist nur noch ein Gemisch von Sehnsucht nach besseren Tagen und wohl auch etwas Neid darauf auszulösen. Das wird vielen von uns heute mehr und mehr bewußt. Solch ein Glanz, solch eine Ausstrahlung kann nur dort entstehen, wo es echte, verläßliche Erfahrungen mit dem Glauben gibt - doch eben daran scheint es zu hapern.
Der indische Staatsmann, Mahatma Gandhi hat dies einmal so ausgedrückt:
„Die beste Art, das Evangelium Christi zu predigen, ist, es zu leben... Eine Rose hat es nicht nötig, Predigten zu halten. Sie verströmt ihren Duft, und das ist ihre Predigt. Laßt Euer Leben zu uns, ‘sprechen’ wie die Rose... Selbst der Blinde, der die Rose nicht sieht, wird von ihr angezogen.
Alle Formen des christlichen Glaubens entspringen derselben Quelle, dem Leben und dem Wort des Nazareners. Doch die Arten, dieses Leben und dieses Wort zu feiern, scheinen unendlich in ihrer Vielfalt.“
Gottesnähe und Gottesferne werden in den Gegensätzen von Licht und Finsternis beschrieben. Verliert ein Mensch die Beziehung zu Gott, so ist er beziehungslos dem Wirrwarr dieser Welt ausgeliefert. Dort, wo Menschen wieder offen werden für den Lebensstil Gottes, verbreiten sie Helligkeit, Wärme und eine Atmosphäre des Vertrauens.
Marion Reinhart, Prädikantin, Albrecht-Dürer-Str. 38, 65428 Rüsselsheim
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