Liebe mutet neue Weg zu
von Matthias Rost (Neudietendorf)
Predigtdatum
:
16.10.2016
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
20. Sonntag nach Trinitatis
Textstelle
:
Epheser 6,10-17
Wenn Sie diese Predigt als Word-Dokument erhalten möchten, tragen Sie bitte Ihre E-Mail-Adresse ein und klicken Sie auf "Abschicken"
Wochenspruch:
"Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem." (Römer 12, 21)
Psalm: 119, 10-15
Lesungen
Altes Testament: Jeremia 29, 1.4 - 7. 10 - 14
Epistel: Epheser 6, 10 - 17
Evangelium: Matthäus 5, 38 - 48
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 414 Lass mich, o Herr, in allen Dingen
Wochenlied: EG 377 Zieh an die Macht, du Arm des Herrn
Predigtlied: EG 358 Es kennt der Herr die Seinen
Schlusslied: EG 373, 3.4 Jesu, hilf siegen
Predigttext Epheser 6, 10 - 17
„Zuletzt: Seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke. Zieht an die Waffenrüstung Gottes, damit ihr bestehen könnt gegen die listigen Anschläge des Teufels. Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel. Deshalb ergreift die Waffenrüstung Gottes, damit ihr an dem bösen Tag Widerstand leisten und alles überwinden und das Feld behalten könnt.
So steht nun fest, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit und an den Beinen gestiefelt, bereit einzutreten für das Evangelium des Friedens. Vor allen Dingen aber ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösen, und nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes.“
Predigt
Liebe Gemeinde,
Der Verfasser des Epheserbriefes, vermutlich ein Paulusschüler, will, dass wir uns Paulus in folgender Situation vorstellen: der Apostel sitzt im Gefängnis.
So müssen wir uns Paulus vorstellen, wenn wir den Epheserbrief lesen. Der Missionar, der das Evangelium des Friedens kreuz und quer durchs Römische Imperium in verschiedenen Städten verkündet hat, sitzt im Arrest. Von seiner Zelle aus kann er durch die Gitterstäbe in den Kasernenhof blicken. Da sieht er römische Legionäre beim Exerzieren. In voller Montur: mit einem Gürtel – der hält das Untergewand zusammen, damit es beim Laufen nicht hinderlich ist. Ein Brustpanzer gegen die Schwerthiebe, stabile Sandalen, ein Helm auf dem Kopf, ein Schild in der Linken, um gefährliche Brandpfeile abzufangen. Alles zum Schutz. Einzig das Kurzschwert in der Rechten ist auch zum Angriff geeignet. So sind die Soldaten ausgerüstet. So üben sie.
Ahhh, denkt der Apostel. So gut geschützt müssten meine Brüder und Schwestern in den Gemeinden auch sein. So kampffähig, in der Lage, sich zu verteidigen, aber auch zu streiten, wenn es nötig ist. Damit sie sich wehren können gegen die Angriffe auf den Glauben.
Und er geht wieder an seinen Tisch und schreibt seinen Brief an die Gemeinde in Ephesus weiter:
[Hier den Text verlesen!]
Wir haben gemerkt: der Apostel hat die ganze militärische Ausstattung „getauft“. Draußen die Legionäre im Kasernenhof bereiten sich darauf vor, Land zu besetzen und dem Imperium Romanum einzuverleiben. Drinnen der Apostel beim Schreiben seines Briefes hat die Begriffe neu besetzt.
Schauen wir uns an, wie der Apostel die Christen bewaffnet sehen möchte, geschützt gegen die Angriffe auf den Glauben. Die Waffen, die der Apostel aus dem himmlischen Zeughaus holt, sind absolut ungeeignet zum Draufhauen und Totschlagen. Was für ein Arsenal! Keine Schützengräben, keine Festungsmauern, sondern ein Gürtel aus Wahrheit. Und kein Maschinengewehr, keine Mittelstreckenraketen, sondern ein Brustpanzer aus Gerechtigkeit. Ein Schild, der aus Glauben besteht. Der des Heils. Keine Schlagringe, keine Springerstiefel, sondern das Schwert des Geistes, welches das Wort Gottes ist. Von Kopf bis Fuß ausgestattet ist er schon, der Kämpfer, aber womit: mit dem Wahrheitsgürtel, mit dem Gerechtigkeitspanzer, mit Friedensstiefeln, mit dem Glaubensschild, dem Heilshelm und dem Geistesschwert. So steht er da, bekleidet mit den schönsten und feinsten Gaben, die Gott zu vergeben hat.
Ich gebe zu: Auf den ersten Blick ist das trotzdem eine merkwürdige, befremdliche Spannung zwischen dem „Evangelium des Friedens“, von dem hier die Rede ist, für das der Kämpfer eintreten soll, und einer solchen Bewaffnung „bis an die Zähne“.
Aber schließlich geht es auch um etwas: Wo diese Waffen zum Einsatz kommen, geht es auch ums Überleben, ums Überleben des Glaubens. Hier geht der Kampf nicht gegen Menschen, sondern gegen Mächte, schreibt der Apostel. Nicht mit „Fleisch und Blut“ haben wir es zu tun, sondern mit diabolischen Kräften. Ein Kampf, der eher im Verborgenen geführt wird, aber nicht weniger unerbittlich. Ein Kampf gegen Unsichtbar, aber gerade das macht ihn so gefährlich. Ein Gegner, den ich nicht konkret packen kann, der ist mir ziemlich überlegen. Der kann mich an meinem wundesten Punkt treffen, wenn ich nicht geschützt bin.
Und der Gegner ist durch die ganze Menschheitsgeschichte hindurch für seinen Listenreichtum und seine Verschlagenheit bekannt. Kaum stellt er sich je offen, meist ist er gut getarnt, oft harmlos verpackt. Aber unversehens schlägt er zu.
Zu kämpfen haben wir mit ihm immer wieder, weil er den Frieden mit Gott zerstört. Genau da zielt er immer wieder hin, der Feind, von dem der Apostel spricht. Auf Gottes Freundschaft mit uns.
Damit kommt etwas in den Blick, was wir ziemlich gern aus-blenden: Glauben ist kein Spaziergang - unser Weg hat auch etwas mit Kampf, mit Konflikt zu tun, und das kann manchmal ziemlich ungemütlich werden. Nur: Die schlimm-ste und gefährlichste Täuschung ist gerade, wenn wir meinen, wir könnten uns da heraus halten. Wer meint, auf diesem Felde Pazifist sein zu können, den wird es am allerschnellsten umhauen. Der Gegner wartet ja bloß drauf, dass wir uns heraushalten wollen und alles Beschützende ablegen. Nein, Pazifismus gibt es auf diesem Felde nicht. Der Angreifer, Diábolos, „Durcheinanderwerfer“ heißt er im Neuen Testament, der nutzt jede Schwachstelle bei uns aus.
Hier wird also ein Glaubenskämpfer vor unseren Augen eingekleidet, aber es ist keine Spezialausrüstung, es ist auch keine Spezialausbildung nötig. Nein, es ist vielmehr die Grundausrüstung, die für jede und jeden bereitliegt. Damit bekleidet euch, sagt der Apostel, nehmt das, zieht es an, ihr werdet es brauchen, bestimmt. Und ihr werdet wirklich froh und dankbar sein, wenn ihr so gewappnet seid.
„Schild des Glaubens“ hieß ein Buch, mit dem Generationen von Kindern in der DDR den christlichen Glauben gelernt haben. Eine Auswahl biblischer Geschichten und die Grundlagen des Glaubens, zu lernen, um „stark zu werden an dem inwendigen Menschen“ und fähig, den Glauben zu vertreten und zu verteidigen. – Solch ein „Schild des Glaubens“ war manchmal bitter nötig, wenn der Lehrer die Kinder, die in die „Christenlehre“ oder in den Konfirmandenunterricht gingen, vor den anderen lächerlich machen wollte.
„Kampf und Kontemplation“ hieß ein Motto der Brüder von Taizè in den 80er Jahren. Wir sehen sie sitzen in ihren weißen Kutten „wie die neugeborenen Kinder“, mitten in der der großen Kirche. Sie schwiegen und beteten. Und um sie herum hunderte, tausende junger Menschen schweigend, singend, betend. Sie holten sich Kraft aus der Stille, Kraft für das Leben im Alltag. Um gewaltlos zu leben inmitten gewalttätiger Strukturen und Systeme. In Freundschaft mit dem Leben inmitten einer Welt voller Feindschaften. Das „Evangelium des Friedens“ zu leben in einer von Kriegen und Konflikten zerrissenen Welt. „Kampf und Kontemplation“, Gebet und Engagement, das gehört seit jeher zusammen. Und das Gebet kann ein „Helm des Heils“ sein, ein Schutz, damit einer im Kampf nicht jähzornig wird oder verbissen im Engagement.
„Schwerter zu Pflugscharen“ war die Losung der kirchlichen Friedensbewegung in der DDR. Es gab diese kleinen Fließtücher, darauf stand das Motto zu lesen und abgebildet war das Denkmal, das ausgerechnet die Sowjetunion der UNO geschenkt hatte, das zeigt, wie ein Schmied ein Schwert zu einem Pflugschar um schmiedet und damit die prophetische Vision ins Bild setzt. Diese kleinen Tücher haben in der Zeit des atomaren Wettrüstens in den 80er Jahren, junge Leute, die besorgt waren um den Frieden, sich auf den Jackenärmel genäht. Und dann forderte der Schuldirektor, dass man das abmachen soll – oder man wird von der Schule verwiesen. Da war es gut, wenn man wenigstens die Bibelstelle aus dem Propheten Micha kannte. Ausgestattet mit dem „Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes“ war man gewappnet für ein notwendiges Streitgespräch.
„Einzutreten für das Evangelium des Friedens“, das brauchte zu verschiedenen Zeiten, dass einer sich wehren konnte, und manchmal bedeutete es auch Kampf.
Es muss zwar nicht so sein, dass wir ständig in der vordersten Linie stehen - Gott sei Dank, aber bereit zur Verteidigung sollen wir sein, und nicht erst im Aufwachen, noch schlaftrunken und völlig überrascht nach unserer Ausrüstung zu suchen anfangen. „Wo ist denn bloß mein Wahrheitsgürtel wieder hin? Wo hab ich denn nur den Schild des Glaubens?“ Wenn es so liefe, gäben wir vermutlich eine ziemlich traurige Figur ab, hätten wir uns vermutlich unversehens in den Falten unseres Gewandes verheddert oder wären schon von den ersten feurigen Pfeilen den Bösen getroffen.
Hätten die Christen sich dabei doch nur öfter an ihre Ursprünge erinnert, dann wäre uns manche Blutspur in der Geschichte der Christenheit erspart geblieben. Sie hätten doch wissen können, dass es ein Kampf mit Worten und nicht mit dem Schwert ist. Non vi, sed verbo, wie es zu Beginn der Reformationszeit hieß: Nicht mit Gewalt, sondern mit der Kraft der Worte. Das musste die Christenheit in bitteren Lektionen lernen, und manche haben es bis heute nicht begriffen. Und auch die muslimische Welt wird es lernen müssen, dass „Djihad“ nicht ein Kampf mit Kalaschnikows und Sprengstoffgürteln ist, sondern ein spiritueller Kampf, ein Kampf mit sich selbst, mit dem eigenen Ego, ein tägliches Sich-Beugen unter die Autorität des „Allerbarmes“.
Aber wir heute. Uns ist meist gar nicht nach Kämpfen zumute. Wir wollen lieber in Ruhe gelassen werden. Wir müssen den Kampf ja nicht freiwillig suchen, aber wir kriegen ihn gelegentlich aufgedrängt. An die Möglichkeit des Rückzuges hat der Apostel übrigens nicht einen Augenblick gedacht. Einfach dem Kampf auszuweichen, kommt für ihn gar nicht in Betracht. Widerstand wird einfach nötig sein, wenn unser Glaube angegriffen wird.
Einige Beispiele:
Die größte Lüge, die der Diabolos, der Durcheinanderbringer uns einflüstert, die lautet: Gott ist nicht da. Gott hat sich zurückgezogen, er hat die Welt sich selbst überlassen, er hat sich da herausgenommen, er ist nicht mächtig. Damit sind wir an einer empfindlichen Stelle getroffen. Oft sieht es ja wirklich so aus in der Welt, als sei die Welt von Gott und allen guten Geistern verlassen. Dagegen, sagt der Apostel, legt den „Gürtel der Wahrheit“ an. Der Gürtel beim antiken Soldaten war dazu da, das Gewand hochzuraffen, damit er nicht stolperte. Der „Gürtel der Wahrheit“ wird uns davor bewahren dass wir stolpern, dass wir uns verfangen in der großen Lüge. Wahr ist: Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen Sohn, dass er sich selbst hineingegeben hat, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.
„Wer andauernd in die Kirche rennt, ist auch kein besserer Mensch.“ Das ist so ein Stammtisch-Satz, der uns manchmal vor den Latz geknallt wird. Dann werden wir ganz kleinlaut oder halten beschämt den Mund, weil er ja Recht hat. Auch in der Gemeinde gibt es Konflikte. Auch in der Kirche gibt es Machtspiele. Auch Ehen von Christen scheitern. Und bei frommen Menschen ist das Ego manchmal besonders groß. Dagegen, rät der Apostel, tut den „Panzer der Gerechtigkeit“ an: Ihr müsst euch gar nicht selbst ins rechte Licht setzen. Müsst euch nicht besser darstellen oder schön reden. Allein aus Gnade, um Christi willen seid ihr Gott recht. Das ist der „Panzer der Gerechtigkeit“. Die Sünder sind deshalb schön, weil sie geliebt werden, sie werden nicht deshalb geliebt, weil sie schön sind. So hat es Martin Luther auf den Punkt gebracht. Und weil ich weiß, dass ich nicht besser bin, darum „renne ich andauernd in die Kirche“.
„Feurige Pfeile“ gibt es jede Menge, die uns empfindlich treffen können: Warum lässt Gott das zu? Wozu soll das gut sein, dass ein unschuldiges Kind leidet? Oder: Was ist ein Leben noch wert, wenn ein noch gar nicht so alter Mensch völlig dement ist? Und dergleichen Fragen mehr, die ja oft genug im eigenen Herzen brennen. Dagegen, sagt der Apostel, ergreift den „Schild des Glaubens“. In dem Glaubensbekenntnis, das Dietrich Bonhoeffer in der Gefängniszelle aufgeschrieben hat, heißt es: „Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen. Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im Voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.“ Das ist der „Schild des Glaubens“.
Der „Helm des Heils“ schützt den Kopf des Kämpfers. Was aber wäre besser geeignet, den Kopf zu schützen als die Gewissheit, dass der Ausgang des Kampfes schon längst entschieden ist. Der entscheidende Befreiungskampf ist schon gewonnen. Das befreit mich von dem Druck, als ob der Ausgang des Kampfes allein von mir abhinge. Der „Helm des Heils“ ist eine Mutmachmütze. Du kannst gewiss sein, daß du auf der Seite des Lebens kämpfst.
Noch einmal im Bild: Gürtel, Panzer, Stiefel, Schild - das sind alles Verteidigungswaffen, geeignet zum Widerstand. Einzig das Schwert des Geistes, das Wort Gottes, das vollmächtige, wirkende Wort, das ist auch offensiv zu gebrauchen. Sicher, das Wort kann eine scharfe Waffe sein, kann treffen. Aber es gehört offenbar zum Christsein dazu, dass wir auf eine solche Waffe nicht gut werden verzichten können. Und wohlgemerkt, mit dem Wort, nicht mit Gewalt streiten wir. Gut geschliffene Argumente, die im Wort Gottes gründen, sind manchmal unerlässlich.
Und damit wir unterwegs durchs Leben nicht fußlahm werden, müssen wir auch gut beschuht sein. Denn das bleibt unser Auftrag: Das Evangelium des Friedens weitertragen. „Bevor du über einen Menschen urteilst, musst du mindestens 3 Monde in dessen Mokassins gehen!“ sagt ein indianisches Sprichwort. Also keine Kampfstiefel, sondern die „Mokassins des anderen“, das könnte das richtige Schuhwerk sein, um „einzutreten für das Evangelium des Friedens.“
Also: Stiefel an. Und auf geht’s.
Amen
Verfasser: Pfarrer Dr. Matthias Rost,
Zinzendorfplatz 3, 99192 Neudietendorf
© Copyright:
Herausgegeben vom

Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de
in Kooperation mit dem
Gemeindedienst der
Evangelischen Kirche
in Mitteldeutschland
Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97
Pfarrer Thomas Borchers
Missionarisch-Ökumenischer Dienst
Westbahnstraße 4
76829 Landau
Telefon: 06341.928912
E-Mail: info@moed-pfalz.de
Die „Predigtvorschläge“ sind auch auf CD-ROM (Text- und MS WORD-Datei) erhältlich
(Bestellformular).