Wochenspruch: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen. (2. Korinther 13,13)
Psalm: 113 (EG 745)
Reihe I: 2. Korinther 13,11-13
Reihe II: 4. Mose 6,22-27
Reihe III: Johannes 3,1-8(9-13)
Reihe IV: Römer 11,(32)33-36
Reihe V: Jesaja 6,1-8(9-13)
Reihe VI: Epheser 1,3-14
Eingangslied: EG 450 Morgenglanz der Ewigkeit
Wochenlied: EG 140 Brunn alles Heils, dich ehren wir
Predigtlied: EG 379 Gott wohnt in einem Lichte
Schlusslied: EG 139 Gelobet sei der Herr
32 Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme.
33 O welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege! 34 Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen«? (Jesaja 40,13) 35 Oder »wer hat ihm etwas zuvor gegeben, dass Gott es ihm zurückgeben müsste?« (Hiob 41,3) 36 Denn von ihm und durch ihn und zu ihm sind alle Dinge. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen.
(Eine ausführliche Predigtmeditation des Verfassers dieser Lesepredigt zum Predigttext findet sich in: Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext – Zur Perikopenreihe IV, Herausgegeben von Studium in Israel, Berlin 2021, S.262-267, der auch die Hinführung entnommen ist)
Über Gott sprechen, führt uns schnell an die Grenzen des Sagbaren. Alle Beschreibungen, ob in Wort, in Farbe, im Klang, bleiben Annäherungen, tastende Versuche, Ahnungen einer unfassbaren Wirklichkeit. Gerade am Sonntag Trinitatis ist es gut, sich das immer wieder in Erinnerung zu rufen und in der Rede über Gott behutsam zu sein, sich der Zerbrechlichkeit jeder Beschreibung Gottes bewusst zu bleiben. Es gilt, demütig zu bleiben vor Gott, aufmerksam − und bescheiden.
Liebe Gemeinde,
von Gott reden ist gar nicht so einfach. Fragt mich jemand, glaubst du an Gott, fange ich vielleicht ein wenig an zu stottern.
Da schwirren Bilder durch meinen Kopf.
Bilder, die ich mal als Kind vor Augen hatte, vielleicht Gott mit einem langen Bart oder ich verirre mich in philosophischen Gedanken, die vielleicht Gott beschreiben oder ich habe gar kein Bild vor Augen und weiß vielleicht gerade nicht, ob ich überhaupt an Gott glaube.
Es könnten natürlich auch Bilder aus der Welt der Kunst sein, die mir einfallen.
Die Hand Gottes z. B. im Schöpfungsbild von Michelangelo in der sixtinischen Kapelle in Rom oder das Dreieck als göttliches Auge, wie es sich auf vielen Altären findet.
Vielleicht rette ich mich aber auch einfach in fest verankerte Sätze.
Vielleicht reicht mir das „Vaterunser“, um das auszudrücken, was ich unter Gott verstehe.
Vielleicht aber höre ich einfach dem Paulus zu, wie er regelrecht ausbricht in einen Lobpreis Gottes, der in Worten versucht zu beschreiben, was für ihn Gott ist.
(Lesen des Predigttextes)
Über diesen Gott hat Paulus nämlich gerade sehr intensiv nachgedacht. Sein Problem: Er glaubt, dass Jesus der Christus, der Messias aus Israel ist. Das ist für uns jetzt nicht besonders überraschend. Aber die Frage ging weiter: Gott hat doch schon sein Volk Israel erwählt. Wenn aber viele Menschen Israels eben nicht in Jesus von Nazareth den Messias erkennen, den Israel doch erwartet – bis zum heutigen Tag, was wird dann aus Israels Erwählung? Wer hat denn nun Recht, fragt sich Paulus. Kann es sein, dass Israel seiner Verheißungen verlustig geht, der Verheißungen für Abraham, der Offenbarung Gottes am Berg Sinai mit den Tafeln des Bundes? Kann es sein, dass Gott sein Volk verworfen hat? Ist es wirklich denkbar, dass Gott eine einmal ausgesprochene Verheißung wieder zurücknimmt?
Über diese Frage hat sich der Apostel Paulus in den Kapiteln 9 bis 11 des Römerbriefs den Kopf zerbrochen. Nach vielfältigen Gedanken kommt er zu der Überzeugung, dass auch ganz Israel am Ende der Zeiten gerettet wird, wie wir Christen es auch für uns erhoffen. Wie dies geschehen soll, darüber macht Paulus keine Angaben.
Dass Paulus aber zu diesem Ergebnis gekommen ist, ist für ihn etwas Großartiges, sodass alle seine Gedanken in einen Lobpreis münden. Dieser Lobpreis ist zwar gar nicht so einzigartig, wie man denken könnte. Denn es gibt ähnliche Lobpreisungen Gottes zur Zeit des Paulus. Sie alle aber eint der Versuch, in Worten etwas auszudrücken, von dem sie wissen, dass es gar nicht auszudrücken ist.
Wie soll denn Gott beschrieben, bezeichnet, dargestellt werden? Diese Frage eint alle möglichen Darstellungsformen.
In der bildenden Kunst sind es die Farben, die eine Botschaft in sich tragen. Das stimmt schon für Bilder, die gegenständlich gemalt werden. Hier gibt es Symbole, die auf Gott hinweisen und Farben, die eine Botschaft in sich tragen. Die moderne Kunst kann das vielleicht sogar leichter ausdrücken. Hier können Farben an sich schon eine Botschaft tragen. So hat der jüdische Künstler Marc Chagall, der auch in christlichen Kirchen Fenster gestaltete, wie z. B. in der Kirche St. Stephan in Mainz, in seiner „Biblischen Botschaft“ Gott selber nicht dargestellt. Seine Anwesenheit und sein Einwirken in die Welt drückt der Künstler mit bestimmten Farben aus. Mit Rot oder auch mit Gelb drückt der Künstler Liebe oder auch Eifer aus. Wenn es aber um die reine Gegenwart Gottes im Bild geht, kann die Farbe einfach Weiß sein, eine Farbe, die eigentlich gar keine Farbe ist, deshalb aber gerade die Allmacht und Allgegenwart Gottes ausdrücken kann. Während also die Gestalt selber aus dem Bild verschwindet, erzählen die Farben von der Gegenwart Gottes unter uns Menschen.
In der Musik gibt es großartige Oratorien, Kantaten und Konzerte, die die Botschaft der Bibel weitertragen. In diese Klänge kann man hineintauchen, sich in die Botschaft versenken. Manchmal allerdings kann die Kraft der Musik gerade auch im Verstummen, in der Stille, im Verzögern des Tones wahrgenommen werden.
Und so wie Bilder sprechen und Klänge malen können, so hat auch das Wort seine besondere Kraft, sich Gott anzunähern. Worte als Ausdruck menschlichen Denkens allerdings, werden Gott nicht beschreiben können. Sie sind zwar nötig, um eine Glaubenslehre zu beschreiben, um Lehrsätze zu formulieren. Aber Gott selber können sie nicht beschreiben.
Um in Worten unsere Ahnung von Gott auszudrücken, muss auch die Sprache an ihre Grenzen geführt werden, in Widersprüche, Gegensätze hinein, bis hin zur Irrationalität.
Sich Gott nähern, heißt: Mit Worten malen, mit Farben sprechen, mit Klängen schweigen.
Nachdem Paulus seine Überlegungen abgeschlossen hat mit der Erkenntnis, dass Gott sich aller Menschen erbarmt, steht ein ganz kleiner, aber dröhnender Ausruf: O!
So, wie wir es schreiben, können wir es auch sehen und hören.
O! - wie große, überraschte, hoffnungsfrohe Augen
O! - wie ein Mund, der eigentlich schweigen will, der sich aber doch verwundert öffnet
O! - wie ein Mensch, der mit seinem ganzen Körper Gottes Lob ausdrücken möchte
im Gesang
im Reden
im Malen
im Tanzen
und dann auch im Hören.
Anders ist die Tiefe des Reichtums Gottes nicht zu erfassen. Bei ihm liegen Weisheit und Erkenntnis, die wir Menschen aber kaum erfassen können. Unsere eigenen Maßstäbe gelten dann nicht mehr. Die Weisheit und Erkenntnis Gottes geht tiefer – und damit weit über unseren Verstand hinaus.
Paulus erkennt die menschlichen Grenzen im Angesicht Gottes: Unbegreiflich sind die Entscheidungen Gottes und seine Wege. Aus seiner Bibel, unserem Alten Testament, erhält er zumindest die Möglichkeit, die richtigen Fragen zu stellen. Dreimal steht ein großes „Wer“ im Raum.
- Wer hat Gottes Sinn erkannt?
- Wer ist gar sein Ratgeber gewesen?
- Wer könnte etwas von Gott zurückfordern, was er ihm gegeben hätte?
Dreimal lautet die Antwort auf diese Sätze aus Jesaja und Hiob: Niemand!
Das steht nicht im Text.
Aber es klingt, ja es dröhnt hinter jeder Frage.
Die Dimensionen, um die es hier geht, sind nur schwer zu begreifen. Vielleicht können wir sie mit dem nächtlichen Blick in den Sternenhimmel vergleichen: Da spüren wir etwas von der Unendlichkeit des Kosmos – und wissen doch, dass auch dieses Sonnensystem und alle anderen Sonnensysteme ihre Grenze haben. Die Wissenschaft sagt uns, dass der gesamte Kosmos immer weiter auseinander driftet.
Wohin, können sie nicht sagen.
Was danach kommt, können sie nicht sagen.
Aber genau an diese Grenze versucht der Apostel mit seinen Wortversuchen zu gehen.
“Von ihm und zu ihm und durch ihn“: Besser kann man die menschliche Unvollkommenheit gegenüber Gott kaum beschreiben. Es gibt keine Koordinaten, in die wir Gott einzeichnen könnten. Was bleibt, ist das Lob Gottes: Ihm sei Ehre in Ewigkeit.
Das muss uns nicht kleinlaut werden lassen, nur bescheiden. Die Tiefe der Erkenntnis Gottes staunend wahrzunehmen, kann uns selber in der Schöpfung Gottes einordnen. Wir erkennen, dass wir nicht an der Stelle Gottes stehen, dass wir nicht die sind, die ein Urteil über andere zu sprechen haben. Vielmehr leitet uns dieser Ausruf des Paulus zu großer Bescheidenheit, macht uns bewusst, dass wir Gott nicht erfassen können und schon gar nicht in sein Handeln eingreifen können.
Das allerdings hat die Kirche immer wieder vergessen. Sie hat sich sehr wohl angemaßt, Gottes Urteil vorzugreifen. Sie hat nicht die Gedanken des Paulus ernst genommen, dass das Erbarmen Gottes allein seine Sache ist und damit auch das Urteilen über die Menschen. Stattdessen hat die Kirche sich selber ermächtigt, über diejenigen, die nicht in Jesus von Nazareth den Messias erkennen, ein Urteil, allzu oft auch ein Todesurteil zu sprechen.
Solches Verhalten ist Ausdruck nicht etwa von Stärke. Vielmehr zeigt die Kirche mit ihrer über Jahrhunderte, ja Jahrtausende gepflegte Judenfeindschaft ihre eigene Angst und Unsicherheit. Es ist die Angst und Unsicherheit derer, die meinen, es könne immer nur die eine und einzige Wahrheit geben. Wobei damit natürlich immer die eigene Wahrheit gemeint ist.
Es ist Angst, die eigene Identität des christlichen Glaubens zu verlieren. Kommt sie nicht ins Wanken, wenn es neben der eigenen Wahrheit auch noch womöglich eine andere Wahrheit gibt? Doch genau das will uns der Lobpreis des Paulus sagen: Wir haben keine absolute Wahrheit, schon gar nicht die Wahrheit Gottes. Bei uns gilt es viel eher, Fragezeichen zu setzen als Ausrufezeichen. Die Ausrufezeichen führen nämlich zu Rechthaberei, Lieblosigkeit und schließlich zur Verfolgung Andersdenkender, Anderslebender und Andersglaubender.
Das gilt auch für den Glauben der Christen an den Dreieinigen Gott, der nicht die Einheit Gottes zerstören darf. Wir glauben an den einen und einzigen Gott, wie er in der Bibel Alten und Neuen Testaments verkündet wird und den wir als Gott: Vater, Sohn und heiliger Geist bekennen.
Mit Paulus können wir dann nur noch bestätigen:
O, welch eine Tiefe der Weisheit und der Erkenntnis Gottes!
Amen!
Verfasser: Pfarrer Ulrich Schwemer
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