Wochenspruch:
Wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit. (Daniel 9, 18)
Psalm: Psalm 31, 20 – 25
Lesungen
Altes Testament: Jeremia 9, 22 - 23
Epistel: 1. Korinther 9, 24 - 27
Evangelium: Matthäus 20, 1 - 16a
Liedvorschläge
Eingangslied: EG 363 Kommt her zu mir, spricht Gottes Sohn
Wochenlied: EG 342 oder
EG 409 Es ist das Heil uns kommen her
Gott liebt diese Welt
Predigtlied: EG 265 Nun singe Lob du Christenheit
Schlusslied: EG 70 Wie schön leuchtet der Morgenstern
Kurze Hinführung:
Der Blick von der Weihnachtszeit wendet sich nun hin zur kommenden Passionszeit. Der Predigttext öffnet den Blick zur grenzenlosen Güte Jesu, die allen Menschen gilt.
Liebe Gemeinde,
es gibt ganz besondere Momente in jedem Leben, in denen man spürt: jetzt ist alles gut. Alles ist rund und ein Gefühl der Verbundenheit mit allem, was lebt, ist da. Es klingt ein bisschen paradiesisch – und das ist es ja auch. Solche Momente dauern nicht lange, aber hinterlassen in jedem Menschen ein ganz besonderes Wohlgefühl.
So einen Moment hat Matthäus, der Zöllner, erlebt, als Jesus seine Wege kreuzte. Jesus hatte zuvor einen Gelähmten geheilt. Einen, der auf einer Liege zu ihm gebracht wurde, unfähig sich zu rühren, unfähig zu leben. Dem schenkt er Vergebung für all das, was ihn lähmte und er konnte frei und aufrecht nach Hause gehen. Nun kommt er auf dem Weg von dort an einer Zollstation vorbei, bei Matthäus. Ein Zöllner: in der Kindervorstellung der verachtete Mann, der andere an seinem Zollhäuschen betrog und im Namen der Mächtigen Gelder einzog. Leiden mochte Zöllner wohl niemand. Sie dienten den römischen Besatzern und manch einer mag sich in dieser Machtposition so eingefunden haben, dass „Zöllner“ insgesamt einen schlechten Ruf bekamen. Sie gehörten nicht mehr in die soziale Gemeinschaft, sie galten als die, die man verachtet, weil sie Zöllner waren. Darüber hat sich keiner mehr gewundert.
Die Leute ziehen mehr oder weniger freundlich an ihnen vorbei und müssen zahlen. Doch Jesus sieht, dass da nicht ein Zöllner sitzt, sondern ein Mann Namens Matthäus. Er sieht ihn, nimmt ihn wahr, wie es wohl schon lange keiner mehr getan hat.
Denken Sie sich die Geschichte einmal in unserem heutigen Kontext: wie viele Menschen arbeiten in Tätigkeiten, die ihnen wenig angenehm sind, nur um Geld zu verdienen. Sie tun das tagaus, tagein und denken vielleicht nicht mehr darüber nach. Sie stumpfen ab, werden nicht mehr gesehen oder in manchen Berufsgruppen sogar verachtet. Das schwankt in den Medien zwischen den Politikern, die sich die Diäten erhöhen und den auf staatliche Unterstützung Angewiesenen, denen man Faulheit unterstellt und etlichen anderen, je nach vervielfachter Einzelgeschichte. Manager gelten oft pauschal als reich auf Kosten anderer.
So ähnlich kann man sich das bei Matthäus vorstellen. Er fällt unter eine Berufsgruppe, die man verachtet, weil das einfach so ist. Die Person hat schon lange keiner mehr gesehen. Der Politiker, der sich nach Kräften müht, eine sinnvolle Politik voranzubringen und Hilfsprojekte zu unterstützen nimmt kaum einer wahr. Die von Unterstützung lebende zweifache allein erziehende Mutter, die ihren Mann beim Verkehrsunfall verloren hat und schwer wieder auf die Füße kommt, fällt auch pauschal unter das Vorurteil. Und: es gibt etliche Manager, die Gutes tun! – Mit solchen Leuten aber wollen wir nichts zu tun haben. Sollen sich andere mit ihnen beschäftigen, nicht wir!
Nicht wenige „Zöllner“ gibt es auch um uns herum!
Solch einen Menschen sieht Jesus an und er spricht zu ihm: „Folge mir nach, komm mit!“ Und das tat Matthäus. Da sind die Geschichten der Bibel so faszinierend knapp. Wir wissen nicht, was er noch erledigt hat, wem er Bescheid sagte, was es für ihn bedeutete. Es heißt schlicht: „Matthäus stand auf und folgte ihm“. Welch unglaublich liebevolle, wertschätzende Weise Jesus gehabt haben muss, um diesen Menschen aus seiner Zollstelle heraus zu bewegen! Wie viel Verständnis und Güte muss da in seinen Worten und Gesten mitgeschwungen sein!
Diese Grenzenlosigkeit der Güte Jesu sprengt all unsere Vorstellungskraft. Da gibt es kein Oben und Unten. Keine Pflicht, keine Norm. Da gibt es kein: „Wie du mir, so ich dir“.
So geht Jesus mit Matthäus ins Haus und isst mit ihm. Und da kamen viele der Verachteten dazu, Sünder und Zöllner. Menschen, einfach nicht mehr zur Gesellschaft dazu gehörten, Ausgestoßene, am Rande stehende. Sie trauten sich zu ihrem Freund, dem Zöllner und diesem Gast Jesus, der keine Hemmungen kannte, mit ihnen zu essen und Gemeinschaft zu pflegen.
Doch nichts bleibt ungesehen! Natürlich gibt es Menschen, - hier sind es die Pharisäer, - die alles und jeden beobachten und entsetzt sind über das, was sie da sehen. Dass Jesus in das Haus eines Zöllners geht und mit Zöllnern und Sündern isst und erzählt, das darf in ihren Augen doch nicht sein! Und dann geschieht etwas, das zu einer hohen Belastung jeglicher Beziehungen werden kann: Statt Jesus zu fragen: ‚Erzähl uns, warum tust du das?’, gehen die Pharisäer zu seinen Jüngern und fangen an mit ihnen zu diskutieren. „Wie kann das sein, dass Jesus mit den Sündern und Zöllnern isst?“ Auch das bleibt Jesus natürlich nicht verborgen, sodass er anstelle der Jünger mit einem Verständnis suchenden Satz reagiert:
„Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken.“ Man kann den Gedanken Jesu nachvollziehen, dass er ihr Verständnis sucht. „Versteht ihr denn immer noch nicht? Dies hier sind die Bedürftigen, die Kaputten, die an Leib oder Seele Erkrankten! Seht ihr das immer noch nicht?“ Er, Jesus, kann sie heilen. Durch seine Nähe und Zugewandtheit holt er sie zurück in die Gemeinschaft. Er schenkt ihnen durch seine Nähe wieder Würde. Sie sind es wert, dass er mit ihnen zusammensitzt, auch wenn oder gerade wenn andere die Sünder und Zöllner verachten oder sie als unwert empfinden.
Wie wäre das bei uns? Gibt es nicht viele, die wir gern außen vor lassen? Die wir als schwierig empfinden und mit denen wir uns lieber nicht an einen Tisch setzen würden?
Ja, Jesu Güte sprengt unsere Vorstellungskraft und auch unsere Lebensart. Wir bewegen uns gern in „unseren Kreisen“. Es ist nicht leicht, da hineinzukommen. Jesus lässt sich durch keinen Gedanken an „das ist nun einmal so“ abhalten. Er hat keine Grenzen. Er trägt so viel Liebe in sich, dass er sie nicht begrenzt, sondern gerade denen schenkt, die sie brauchen.
Ein Arzt ist einer, der hilft. Jesus braucht nach keiner Karte zu fragen, keiner Befürwortung. Er schaut nur: Was braucht dieser Mensch? Und er handelt. Im zweiten Schritt sucht er Verständnis für sein Tun. In diesem Text wird nicht erzählt, wie es ausgeht. Ob die Pharisäer es verstehen: Aha, darum tut er das, in Ordnung. Oder ob sie erbost und in ihren Vorurteilen bestätigt davonziehen.
Eine neue Geschichte wird im Anschluss erzählt.
Zuvor aber wird das Alte Testament zitiert mit einem Satz aus dem Buch des Propheten Hosea (6, 6): „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer.“ Das ist Jesus wichtiger als alles. Das ist es, was uns alle tief berührt, sehen wir die Geste der Barmherzigkeit im Film oder lesen davon im Märchen. Barmherzigkeit ist es, die Jesus die Sabbatgesetze übertreten lässt, weil Menschen Hilfe brauchen. Barmherzigkeit ist es, was vielen in dieser Welt fehlt, den Armen und Ausgestoßenen, aber auch den Reichen und Schönen. Auch denen fehlt es. Man kann Barmherzigkeit nicht kaufen. Freundliches Ansehen, Wahrnehmen einer Person, der Gaben, der Nöte und Bedürfnisse – wir alle brauchen das.
„So nehmet euch eins um das andere an“... (EG 17, 2), das haben wir in der Adventszeit gesungen. Das ist Jesu ganzes Tun. Er nimmt Menschen an, so wie sie sind. Das soll aber nicht nur für die emotional öffnende Advents- und Weihnachtszeit gelten, sondern in jedem Alltag. Mit Menschen, die uns schräg und fremd sind. Mit Menschen, die gesellschaftlich Außenstehende sind.
Jesu Ansatz ist radikal. Er geht in die Tiefen unserer Persönlichkeiten und fordert uns heraus. Seinem Anspruch zu entsprechen, ist nicht leicht. Es kostet Kraft – und es ist richtig. Denn: Leben ist Beziehung. Ausgrenzung macht krank. Das wissen wir selbst. Erbarmen ist ein Weg und unerschöpfliche Liebe. Wenn jeder Liebe gibt, bekommt auch jeder etwas zurück. Der Zöllner Matthäus ist in dieser Geschichte in den Kreis der Jünger Jesu aufgenommen worden. Was später aus ihm geworden ist, ist nicht bekannt. Jesu grenzenlose Güte hat ihm einen Neuanfang ermöglicht. Warum nicht auch uns?
Einen guten Weg in die neue Woche und Aufmerksamkeit für die, die neben und mit uns versuchen in guter Weise zu leben. Amen.
Verfasserin: Pfarrerin Kerstin Höpner-Miech
Schulplatz 3, 04931 Mühlberg/Elbe
Referat Ehrenamtliche Verkündigung
Markgrafenstraße 14, 60487 Frankfurt/Main,
Telefon: 069.71379-140
Telefax: 069.71379-131
E-Mail: predigtvorschlaege@zentrum-verkuendigung.de
in Kooperation mit dem
Pfarrer Dr. Matthias Rost
Zinzendorfplatz 3 (Alte Apotheke), 99192 Neudietendorf
Telefon: 036202.7717-97