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Lohn und Gnade

von Karsten Müller (Halle /Saale)

Predigtdatum : 16.02.2014
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Septuagesimae
Textstelle : Römer 9,14-24
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Wochenspruch:
Wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit. (Daniel 9, 18)
Psalm: Psalm 31, 20 – 25

Lesungen
Altes Testament: Jeremia 9, 22 - 23
Epistel: 1. Korinther 9, 24 - 27
Evangelium: Matthäus 20, 1 - 16a

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 168, 1 - 3 Du hast uns, Herr, gerufen
Wochenlied: EG 342 oder EG 409 Es ist das Heil uns kommen her Gott liebt diese Welt
Predigtlied: EG 355 Mir ist Erbarmung widerfahren
Schlusslied: EG 168, 4 - 6 Wenn wir jetzt weitergehen

Hinführung
Es geht heute um die Barmherzigkeit Gottes. Für diese Barmherzigkeit, die „gute Zuwendung“ werden in den Lesungen Bilder zur Verdeutlichung herangezogen: Die Einstellung von arbeitslosen Tagelöhnern oder Sportler, die in der Kampfbahn laufen. Der Predigttext konfrontiert die HörerInnen auf seine ganz eigene Weise mit dieser Thematik und führt uns in das Zentrum der Rechtfertigungslehre.

Die Predigt versucht, die Dinge durch Perspektivenwechsel deutlicher werden zu lassen, etwa in dem die Sicht des Pharao eingenommen wird, der Gottes Handeln ausgesetzt ist.
Außerdem soll den Hörenden deutlich werden, dass wir nicht im Besitz der Gnade sind – und dadurch vielleicht besser als die anderen. Wir sind, wie allen anderen Menschen auch auf die Barmherzigkeit Gottes angewiesen, wir brauchen sie zum Leben.

Liebe Gemeinde,
was sollen wir nun hierzu sagen? Hier wird schwere Kost serviert. Es geht hier nicht um einen Wohlfühlglauben. Diese Art von Glauben, der einem mit dem Gedanken: „Weil Gott das und das zulässt, kann ich nicht mehr glauben.“ abhanden kommt.

Hier wird schwere Kost serviert, während der Karneval auf seine Höhepunkte zustrebt. Wir bekommen es mit den Schwergewichten des Verhältnisses von Gott zu uns Menschen zu tun. Unsere Gottesbeziehung wird vom Kopf auf die Füße gestellt. Dabei werden die Fragezeichen, die wir, die die Welt an diese Beziehung nicht selten setzen, nicht umschifft. Nein, sie werden in aller Klarheit thematisiert. Weil die Beziehung Gottes zu den Menschen und natürlich auch der Menschen zu Gott keine einfache ist, so ist auch die Reflexion dieser Beziehung durch den Apostel keine leichte Kost.
Wäre die Beziehung Gottes zu uns Menschen einfach, so ganz klar, wie wir das manchmal wünschen, dann säßen wir nicht hier und die Bibel wäre nur eine dünne Broschüre von drei Seiten, wahrscheinlich längst im himmlischen Papierkorb gelandet. Die Geschichte Gottes mit den Menschen wäre am Abend des Sündenfall-Tages zu Ende gewesen. Denn der Genuss vom Baum der Erkenntnis war ursprünglich mit einer Todesandrohung belegt: Und Gott der HERR gebot dem Menschen und sprach: Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm issest, musst du des Todes sterben. (1. Mose 2, 16.17)

Ganz soweit holt Paulus nicht aus, aber auch er nimmt den Faden der Geschichte Gottes mit seinem Volk auf. Ehe wir diesen Faden mit aufgreifen und den Text zu uns sprechen lassen, soll gleich deutlich gesagt werden, was die Worte des Apostels nicht meinen:

Wir sollen nicht zum Fatalismus verführt werden: Man kann sich ja mit Gott beschäftigen und auseinandersetzen – er macht ja doch, was er will. Ja, lieber Mensch, wer bist du denn, dass du mit Gott rechten willst? Dagegen stehen ganz klar Geschichten wie die vom Goldenen Kalb, als Mose mit einem klugen Argument Gott den schon gefassten Vernichtungsplan für das Volk ausredet: Mose flehte vor dem HERRN und sprach: Warum sollen die Ägypter sagen: Er hat sie zu ihrem Unglück herausgeführt, dass er sie umbrächte im Gebirge und vertilgte sie vom Erdboden. Gedenke an deine Knechte Abraham, Isaak und Israel, denen du verheißen hast. Ich will eure Nachkommen mehren wie die Sterne am Himmel. Da gereute den HERR das Unheil, das er seinem Volk zugedacht hatte. (2. Mose 32, 11 - 14 i. A)

Wir sollen auch nicht zur Überheblichkeit verführt werden: Wir sind die Erwählten, die verstockten Werkzeuge des HERRN, die Verworfenen, die keine Chance mehr haben, das sind natürlich die anderen. „Herr, ich danke dir, dass ich nicht bin wie die anderen Leute, Räuber, Betrüger Ehebrecher oder wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme.“ Wir wissen, wie peinlich und vor allem auch wie anstrengend solche Zeitgenossen sind.

Auch wenn wir es nicht gern zugeben: Wir leben von Voraussetzungen her, die wir nicht selbst geschaffen haben. In dieser schlichten Tatsache spiegelt sich wider, dass wir die Gefäße der Barmherzigkeit sind, an denen Gottes Herrlichkeit offenbar wird. Das bedeutet nicht, dass es uns besonders gut geht, alles im Leben gelingt, dass sich an uns unsere Vorstellungen von Gerechtigkeit erfüllen, nein, es bedeutet zunächst und vor allem: Dass wir sind – berufen nicht allein aus dem Volk Abrahams, Isaaks und Jakobs – sondern aus allen Völkern unter dem Himmel. Wir alle leben in der Gemeinschaft derer, die die Zuwendung Gottes nicht unbedingt haben, wohl aber auf sie angewiesen sind.

In den Lutherbibeln trägt unser Abschnitt die Überschrift: Gottes freie Gnadenwahl. Er knüpft an die Urgeschichte Gottes mit seinem Volk an: Wie soll man das denn hören, wenn davon die Rede ist, dass nur die, die von Isaak abstammen Gottes Geschlecht genannt werden sollen. „Jakob habe ich geliebt, Esau habe ich gehasst, spricht der Herr“ Im Anschluss daran fragt Paulus: Ist Gott denn ungerecht?

Man liest über solche Stellen ja schnell hinweg, solange man nicht Esau oder der verstockte Pharao ist, der mit seinen Truppen im Schilfmeer versinkt. Das ist für die Betroffenen an Bitternis nicht zu überbieten und doch ist es nur eine Illustration dafür, dass menschliches Handeln eben immer wieder ein Ausweis dafür ist, wie wenig wir Gott vertrauen, wie sehr wir immer wieder in Gottes Geschäft eingreifen wollen und dabei gar nicht merken, wie sehr wir von ihm wegkommen. Wenn dann die Wagen unserer Selbstverwirklichung im Schilfmeer versinken, dann sind wir schnell mit Unverständnis, der Frage, wie Gott das zulassen konnte zur Hand. Es liegt nicht an jemandes Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Erbarmen, an Gottes Zuwendung.

Wir leben nicht in der Gemeinschaft derer, die diese Zuwendung haben, die sie für sich durch die Taufe oder die Beschneidung reklamieren könnten. Vielleicht sähe die Welt oder wenigstens erst einmal unsere Kirche oder wenigstens erst einmal unsere Gemeinde schon ganz anders aus, wenn wir unsere Gemeinschaft von der Einsicht her gestalten, dass wir Gottes Zuwendung nicht haben, sondern brauchen.
Wir brauchen sie, weil wir nun von ihr her leben können, weil wir nur unter ihrem Vorzeichen Leben über unser Leben hinaus haben werden.

Es ist nichts darüber gesagt, wie sich unser Leben gestaltet. Gestalte es so, dass du den Siegespreis erlangst, schreibt Paulus in seiner Sport-Metapher. Dieses Bild beinhaltet ja auch, dass vieles geschieht, was uns umsonst vorkommt: Alle treten an - aber nur einer gewinnt.

Ich möchte zu einem anderen Bild greifen: Alle tippen um den Jackpot, die Chance etwas zu gewinnen, ist verzweifelt klein. Und doch habe ich, wenn ich auch verliere, Geld für die Förderung von Kultur oder auch Kirche oder soziale Zwecke ausgegeben, also war es doch nicht umsonst.

Aber das muss ich mir schon in einem gesonderten Gedankengang klar-machen. Und ich muss mir auch klarmachen, dass es unter der Überschrift: „Ist Gott gerecht?“ Fragen gibt, die sich nicht beantworten lassen, wo jede Antwort eine Farce ist.

Die Rede vom Pharao liest man solange leicht, wie man nicht selbst der Pharao ist. Dass den Arabern als Kindern Ismaels und nicht Isaaks die Gotteskindschaft streitig gemacht werden kann, findet man nicht wichtig oder von weit hergeholt, solange man selbst kein Araber ist. Das alles seinen Sinn hat, kann man nachvollziehen, solange nichts für das eigene Schicksal Sinnloses geschieht, etwa ein Kind stirbt oder man aus heiterem Himmel von einer schweren Krankheit überrascht wird.

Und trotzdem gilt: Gott wendet sich uns zu, auch wenn es verborgen ist. Einer, der das am eigenen Leib erfahren hat, hat gedichtet:
“Er segnet, wenn du kommst und gehst, er segnet, was du planst, er weiß auch, dass du’s nicht verstehst und oft nicht einmal ahnst.“.

In diesem Gefühl leben wir und indem wir leben, sind wir berufen, den Reichtum der Herrlichkeit Gottes, wie es Paulus schreibt widerzuspiegeln in der Welt - denn dazu hat uns Gott berufen - wie die Arbeiter in seinen Weinberg. Amen.

Verfasser: Pfarrer Karsten Müller,
An der Johanneskirche 1, 06110 Halle (Saale)

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