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Lohn und Gnade

von Rudolf Stein (Paulusgemeinde Wiesbaden)

Predigtdatum : 16.02.2014
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Septuagesimae
Textstelle : Römer 9,14-24
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Predigt

von Präd. Rudolf Stein, Wiesbaden)
Datum: 16.02.2014
Lesereihe: VI
Feiertag: Septuagesimae
Textstelle: Römer 9,14-24

Lohn und Gnade

Wochenspruch:
Wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit. (Daniel 9, 18)
Psalm: Ps 31 / EG 716 Sei mir ein starker Fels

Lesungen
Altes Test.: Jeremia 9, 22 - 23
Epistel: 1. Korinther 9, 24 - 27
Evangelium: Matthäus 20, 1 - 16a

Liedvorschläge
Eingangslied: 440, 1-4 All Morgen ist ganz frisch und neu
Wochenlied: EG 342 Es ist das Heil uns kommen her
oder 262, 1-3, 6-7 Sonne der Gerechtigkeit (ökumenische Fassung)
Predigtlied: 372, 1-2, 4-5 Was Gott tut, das ist wohlgetan
Schlusslied: 171, 1-3 Bewahre uns, Gott

Liebe Gemeinde,
Was sollen wir dazu sagen? Ist Gott ungerecht? Wer hat sich diese Frage noch nicht gestellt angesichts der ins Auge springenden Ungerechtigkeiten in der Welt. Hoffnungen werden enttäuscht, Beziehungen zerbrechen. Der eine wird krank in jungen Jahren, der andere bleibt gesund noch in hohem Alter. Der eine kommt zu Wohlstand mit dubiosen Methoden, der Ehrliche aber bleibt der Dumme. Naturkatastrophen bringen Leid über alle ohne Ansehen der Person. Haben die vom Leid Betroffenen verdient, was ihnen widerfährt? oft können wir es nicht verstehen, aber wir müssen es aushalten. Bitter genug.
Auch Paulus treibt diese Frage um. Er setzt sich damit auseinander im Römerbrief, Kap. 8,14-24:
14 Was sollen wir nun hierzu sagen? Ist denn Gott ungerecht? Das sei ferne!
15 Denn er spricht zu Mose (2. Mose 33,19): »Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig; und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.«
16 So liegt es nun nicht an jemandes Wollen oder Mühen, sondern an Gottes Erbarmen.
17 Denn die Schrift sagt zum Pharao (2. Mose 9,16): »Eben dazu habe ich dich erweckt, damit ich an dir meine Macht erweise und damit mein Name auf der ganzen Erde verkündigt werde.«
18 So erbarmt er sich nun, wessen er will, und [er] verstockt, wen er will.
19 Nun sagst du zu mir: Warum Warum zieht er uns dann noch zur Rechenschaft?(NGÜ) Wer kann seinem Willen widerstehen?
20 Ja, lieber Mensch, wer bist du denn, daß du mit Gott rechten willst? Spricht auch ein Werk zu seinem Meister: Warum machst du mich so?
21 Hat nicht ein Töpfer Macht über den Ton, aus demselben Klumpen ein Gefäß zu ehrenvollem und ein anderes zu nicht ehrenvollem Gebrauch zu machen?
22 Da Gott seinen Zorn erzeigen und seine Macht kundtun wollte, hat er mit großer Geduld ertragen die Gefäße des Zorns, die zum Verderben bestimmt waren,
Spr 16,4: 4 Der HERR macht alles zu seinem Zweck, auch den Gottlosen für den bösen Tag.
23 damit er den Reichtum seiner Herrlichkeit kundtue an den Gefäßen der Barmherzigkeit, die er zuvor bereitet hatte zur Herrlichkeit.
24 Dazu hat er uns berufen, nicht allein aus den Juden, sondern auch aus den Heiden.
Das sind harte Brocken. „Gott schenkt Gnade, wem er will und er macht starrsinnig, wen er will, sogar damit der ins Verderben läuft. ... Wer kann Gottes Willen widerstehen?“ Das klingt arg nach Willkür. Selbst die Motive, aus denen ein Pharao handelt, der Inbegriff der Macht im alten Ägypten, bestimmt Gott nach seinem Willen und läßt ihn ins Unglück rennen. Ist das nicht ungerecht? Herzlos? Überheblich? Anscheinend kommt es auf das, was ein Mensch tut, überhaupt nicht an. Paulus spricht uns gar das Recht ab, mit Gott zu rechten, obwohl umgekehrt Gott von uns Rechenschaft fordert. Sind wir Menschen nichts als Ton in der Hand des Töpfers, den der Meister allein nach seinem Gutdünken formt?
Ich komme da schon ins Grübeln. Liege ich denn noch richtig mit meinem Glauben, daß wir Christen einen guten Gott haben, einen der uns liebt?
Ja sage ich und folge Paulus mit seinem »Das sei mir ferne.«. Zwar kann unser Verstand nicht ergründen, was Gott mit uns vorhat, wozu er uns berufen hat, das bleibt verborgen. Stattdessen haben wir ein anderes Unterpfand. Denn Gott hat uns seinen eigenen Sohn geschickt, damit hat er uns den Weg zum Heil geöffnet. Jesus Christus ist unser Garant seiner Liebe. Er ist Mensch geworden, er ist durchs Kreuz gegangen und hat den Tod besiegt – für uns.
Deshalb dürfen wir gewiß sein, daß Christus an unserer Seite steht, ganz gleich wie es uns geht. Deshalb können wir den Platz ausfüllen und gestalten, an den Gott uns gestellt hat in der Welt, auch wenn wir lieber einen anderen Platz hätten. Dietrich Bonhoeffer hat gesagt, daß Gott aufrichtige Taten von uns erwartet und auch darauf antwortet. Er fordert also, daß wir uns aktiv ins Leben stellen und darauf vertrauen, daß wir so geführt werden, wie es zu unserem Besten ist, auch wenn wir das nicht immer einsehen können.
Für die Vielen, die sich plagen in den Schattenseiten des Lebens, ist das sicher schwer. Denn im öffentlichen, mehr noch im veröffentlichen Leben ist immerzu von Wachstum, von Erfolgen, von Siegen die Rede. Aber machen wir uns nichts vor. Wo Wachstum ist, da heißt es kämpfen um den Platz an der Sonne; wo Erfolge sind, das sind auch Niederlagen; wo ein Sieger ist, da bleiben viele Verlierer auf der Strecke. Wir haben die Neigung, nur die glänzenden Seiten im Leben zu bewundern und die Rückseite auszublenden. Im Sport erleben wir es hautnah wie gerade bei der Olympiade in Sochi.
Aber auf Erden hat alles seinen Preis, wir wollen nur nicht wissen, wieviel Schweiß und Tränen hinter der glänzenden Fassade stehen. Wer z.B. eine große Eiskunstläuferin werden will, muß schon als Kind, mit 4, 5 Jahren fast täglich mehrere Stunden trainieren, Gymnastik, Kondition, Kraft, Ballet, natürlich Eislaufen. Das ist oft verbunden mit gewisser Einsamkeit, weil die junge Eisprinzessin privat unterrichtet werden statt gemeinsam mit Gleichaltrigen in der Schule zu lernen. Eltern, die ihre Kinder zu Spitzenathleten erziehen wollen, rauben damit ihren Kindern das Erleben der naturgemäßen Kindheit im Spiel. Athlet
Auch bei Paulus klingt diese Doppeldeutigkeit von Sieg hier und Niederlage dort an, wenn er auf die Pharaonen verweist: Der Auszug aus Ägypten, der Exodus, war für die Juden ein Triumph, für die Ägypter war er aber ganz bitter. Denn ihre erstgeborenen Kinder wurden getötet und der Pharao selbst und sein ganzes Heer ertranken im Schilfmeer. Das ist die Kehrseite des jüdischen Triumphs. In Ps 136,10+15 heißt es dazu sogar »... denn seine Güte währet ewiglich.« Dorothee Sölle bringt es auf einen anderen Punkt: »Man kann sich nicht mit dem Willen Gottes eins wissen auf Kosten derer, die diesen Willen als grausam und lebenszerstörend erfahren« Auch wir können das wohl nicht verstehen. Wir müssen es hinnehmen und ertragen. Deshalb ist es gut, wenn wir den Platz annehmen und ausfüllen, auf den uns der Herr gestellt hat.
Freilich soll das nicht fatalistisch oder resignativ geschehen. Jeder hat Aufgaben in der Welt, jeder hat Menschen um sich, da sind wir gefordert zu erfüllen und zu gestalten mit Phantasie, mit Umsicht, mit Tatkraft, alles mit Freude. Indem wir das tun, entwickeln wir zugleich unsere eigenen Fähigkeiten, entdecken neue Erkenntnisse und formen letztlich uns selbst. Jeder Rückblick auf ein Lebensjahrzehnt macht offensichtlich, wie wir als Mensch an unseren Aufgaben und in unseren Gemeinschaften gewachsen sind, auch wenn manches nicht gelungen scheint.
Freilich, die Welt ist voller Verlockungen und Menschen können uns täuschen. Nicht immer greifen wir die richtigen Aufgaben auf, nicht immer hören wir auf den richtigen Rat, wir machen Fehler und wir können in die Irre gehen. Wo finden wir Orientierung?
Schauen wir auf Jesus. Alles, was er getan hat, hat er aus Liebe getan. Er hat auf sein Herz gehört und dann barmherzig und klug gehandelt. Was alles steckt in dem wunderbaren Wort: »Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.« (Joh 8,1-11) Bevor Jesus sein Wirken begann, mußte aber auch er, der Sohn Gottes, die Versuchungen der Welt bestehen, von denen die Evangelien leider nur kurz berichten (Mt 4,1-11; Mk 1,12-13; Lk 4,1-13). Erst nachdem er die Versuchungen in der Wüste bestanden hatte, begann sein Weg für die Menschen und die Welt. Und dieser Weg führte zum Kreuz. Selbst die Jünger konnten Jesus am Ende nicht mehr verstehen und ließen ihn gerade bei seinem schwersten Gang im Stich. Und doch war es dieser Weg, der die Menschheit, der uns alle gerettet hat. Wenn wir uns das vor Augen stellen, dürfen wir dann noch fragen: Ist Gott gerecht? [oder wie Paulus sagt »Wer bist du, Mensch, daß du mit Gott rechten willst?«]
Vielleicht ist es doch besser, wir fragen nach bei Paulus, wie wir den Verlockungen der Welt entgehen und unseren rechten Weg finden. In Röm 8,28 sagt er »Wir wissen aber, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen, denen, die nach seinem Ratschluß berufen sind.« Oder wir erinnern uns ganz einfach an das höchste Gebot im NT: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt« und »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (Mt 22,39; Mk 12,31; Lk 10,27) Das genügt.
Wo wir auch hinschauen: Der wahre Quell des guten, des richtigen, des erfüllten Lebens ist die Liebe und den Zugang öffnet uns Gott, wenn wir ihn bitten. Gott hat uns geschaffen. Wir sind seine Kinder. Und wie alle Kinder lernen wir durch Erfahrung, durch eigene Erfahrung. Christus lehrt uns »Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben« (Joh 14,6) Wer darauf vertraut, findet den Weg, den er zu gehen hat, findet die Kraft, die er braucht, um auszuhalten und um tätig zu sein, findet auch den Mut, ohne den es nicht geht gegen die vielen Widerstände und Verlockungen in der Welt. Wer so voranschreitet, der wird seine Aufgaben erkennen, er wird sie annehmen und in Demut erfüllen; er wird keine Ansprüche stellen im Stolz; er kann guten Gewissens beten »Dein Wille geschehe«.
So wie Christus in unserer irdischen Welt sich mit den irdischen Problemen auseinandergesetzt hat, so dürfen auch wir uns nicht abgrenzen von den Nöten der Menschen um uns herum. Wir dürfen im Vertrauen auf unsere eigene Erlösung die Augen nicht verschließen vor dem Unheil, dem Leid, dem Haß und der Zerstörung in dieser Welt. Das alles spaltet.
Freilich kommt das Trennende aus dem Egoismus der Einzelnen und der Gruppen, die mehr haben möchten als sie brauchen, die Macht für sich fordern ohne Legitimation , die besser dastehen wollen als sie sind, die Privilegien sichern wollen zulasten Bedürftiger, die hohe Zäune aufrichten um ihr Land gegen die Schreie der Hungernden abzuschirmen (wie die EU). Zur Rettung der durch diesen Egoismus Beschnittenen braucht es zumindest Signale der Barmherzigkeit, eigentlich aber tatkräftige Hilfe.
[Wer seinen eigenen Egoismus ein Stück weit überwindet und dann Nächstenliebe und Verantwortungsbewußtsein praktisch lebt, der wird sich verständigen können mit den Gutwilligen anderer Völker und Religionen, denn er geht den Weg der Toleranz und der Versöhnung. Das ist eine Notwendigkeit in unserer eigenen Nachbarschaft. Diese moralische Haltung, eine Grundtugend des Christentums, beschneidet unseren Glauben nicht, sie spaltet auch nicht, sondern sie läßt das Verbindende und Versöhnende zwischen den Menschen aufscheinen und ausstrahlen, sie baut Vertrauen auf. Es dient zum Wohle aller, auch derer, die gerne Öl ins Feuer gießen. Denn wenn die Liebe spricht, schweigt die Gewalt.]
Ein Vorbild für ein soziales Denken hat uns die heutige Lesung von den Arbeitern im Weinberg gezeigt. Jeder arbeitet nach seinen Möglichkeiten und Fähigkeiten, und alle bekommen genug zum Leben, um ihr Leben in Würde und Freiheit zu gestalten. Schon der Prophet Micha, 700 v.Chr., erinnert uns: »Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.« (Mi 6,8)
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen
Verfasser: Prädikant Rudolf Stein, Berliner Str. 197, 65205 Wiesbaden