Wochenspruch: Dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe. (1. Johannes 4,21)
Psalm: 1 (EG 702)
Reihe I: Jakobus 2, 14 - 26
Reihe II: 5. Mose 30, 11 - 14
Reihe III: Markus 10, 17 - 27
Reihe IV: Epheser 5, 15 - 20
Reihe V: 2. Mose 20, 1 - 17
Reihe VI: 1. Petrus 4, 7 - 11
Eingangslied: EG 295 Wohl denen, die da wandeln
Wochenlied: EG 414 Lass mich, o Herr, in allen Dingen
Predigtlied: EG 389 Ein reines Herz, Herr, schaff
Schlusslied: EG 172 Sende dein Licht und deine Wahrheit
15 So seht nun sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise, 16 und kauft die Zeit aus, denn die Tage sind böse. 17 Darum werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist. 18 Und sauft euch nicht voll Wein, woraus ein unordentliches Wesen folgt, sondern lasst euch vom Geist erfüllen. 19 Ermuntert einander mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen Liedern, singt und spielt dem Herrn in eurem Herzen 20 und sagt Dank Gott, dem Vater, allezeit für alles, im Namen unseres Herrn Jesus Christus.
Sorgfältig leben
Nutze die Zeit – mit Hilfe von Gottes Geist
Liebe Gemeinde,
stellen Sie sich vor, jeder Mensch würde mit exakt gleicher Lebenszeit geboren. Es gäbe kein Geld mehr und stattdessen würden wir in Lebenszeit entlohnt, würden auch mit Lebenszeit einkaufen. Wir könnten Lebenszeit verschenken oder mit Entzug von Lebenszeit bestraft werden.
Es gibt einen Film, der auf solch einer Vorstellung beruht. Er heißt im Original „In time“ und bekam den deutschen Untertitel „Deine Zeit läuft ab“. Der Film kam vor ziemlich genau 11 Jahren in die Kinos, wurde aber weder ein Mega-Kassenschlager noch als künstlerisch besonders wertvoll wahrgenommen. Und ich muss gestehen, ich habe ihn auch nie wirklich gesehen.
Doch fasziniert mich die Grundidee des Films. Mich beschäftigt der Gedanke, wie es wäre, eine genau bemessene Zeit zum Leben zu haben, eine Art innerer Uhr, die unerbittlich rückwärtsläuft. Wobei ich durchaus Gelegenheit hätte, meine Lebenszeit zu verlängern – wodurch auch immer – oder Lebenszeit zu verlieren – wodurch auch immer.
[Dieser Predigt-Einstieg ist natürlich austauschbar. Es geht darum, zu illustrieren, wie kostbar doch unsere Lebenszeit ist.]
Stellen Sie sich das mal vor! Sie könnten womöglich sogar zusehen, wie ihre Lebenszeit abläuft.
Wie kostbar wäre doch jeder Tag, jede Stunde, jede Minute!
Würden wir nicht versuchen, die Zeit auszukosten, sie jederzeit bestmöglich zu nutzen?
Oder würde uns das Wissen um die ablaufende Zeit lähmen?
[Kleine Pause]
In dem erwähnten Film kann jeder durch einen Blick auf seinen Unterarm genau sehen, wie lange er noch zu leben hat. Da gibt es genau diese Reaktionen: Die einen feiern Partys, andere werden kriminell, um für sich möglichst viel herauszuholen und wieder andere sind wie gelähmt und machen gar nichts mehr.
Wie gut, dass wir nicht wissen, wieviel Zeit uns zum Leben gegeben ist!
Andererseits wissen auch wir, dass unser irdisches Leben irgendwann endet, dass unsere innere Lebensuhr abläuft. Ziehen wir daraus Konsequenzen? Und wenn ja, welche?
[Pause]
Viele von uns Menschen sind ja Weltmeister im Verdrängen – ich nehme mich da überhaupt nicht aus.
Auch wenn wir gerade in den letzten zwei, drei Jahren deutlich vor Augen geführt bekommen haben, wie schnell ein Menschenleben enden oder zumindest in völlig andere Bahnen gelenkt werden kann, schieben wir im Alltag die Gedanken daran schnell beiseite.
Das ist einerseits ein Schutz für uns, denn wer könnte schon ständig in dem Bewusstsein leben, dass sein Leben jederzeit enden kann!
Doch ist es andererseits nicht auch ein Stück Bequemlichkeit und eine Flucht vor der Realität, wenn wir so gar nicht an unsere Endlichkeit denken wollen?
Haben wir denn aber andererseits nicht wirklich schon genug damit zu tun, durch unseren Alltag zu kommen?
Für diese gar nicht so leichte Aufgabe entwickelt wahrscheinlich jede und jeder von uns eine ganz eigene Strategie, eine ganz eigene Vorgehensweise, über die Runden, sprich: durch den Tag, durch die Zeit zu kommen.
Die einen leben ihr Leben in ständiger Opposition, sind immer dagegen, wenn andere etwas sagen und lassen sich auch durch Argumente nicht überzeugen. Die anderen ziehen den Kopf ein, sind still und wollen am liebsten gar nicht auffallen.
Manche sehen sich als geborene Anführer, müssen immer das erste und das letzte Wort haben. Andere laufen mit, wenn jemand auch nur so tut, als wüsste er oder sie, wo es langgeht. Und die meisten Menschen bewegen sich irgendwo dazwischen, passen sich meist an und werden nur dann aktiv, wenn irgendein Nerv bei ihnen getroffen wird.
Seht sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt, nicht als Unweise, sondern als Weise.
So schreibt Paulus an die Epheser. Die hatten zu ihrer Zeit ja im Grund das gleiche Probleme wie wir heute.
Wie kann ich mein Leben sinnvoll leben? Wie kann ich leben im Bewusstsein meiner Sterblichkeit, ohne daran zu zerbrechen?
Als Christinnen und Christen haben wir für eine Antwort auf diese Fragen erst einmal gar keine bessere Ausgangsposition als alle anderen Menschen.
Als Christinnen und Christen glauben wir aber immerhin, dass es einen Gott gibt, der unser Leben in seiner Hand hält, und, der es gut mit uns meint.
Wie aber können wir diesen Glauben in unseren Alltag übertragen, ihn gewissermaßen übersetzen und alltagstauglich machen?
[Kleine Pause]
Auf den ersten Blick wollen mir im Hinblick darauf die Ermahnungen des Paulus aus seinem Epheserbrief so gar nicht helfen. Sie erscheinen streng und unnahbar, wollen selbst erst einmal übersetzt werden.
Doch dann bleibe ich schon beim zweiten Wort hängen: sorgfältig. Lebe ich mein Leben sorgfältig, achtsam? Oder lasse ich es laufen, nehme nur mit, was kommt? Agiere ich in meinem Leben oder reagiere ich nur?
Seht sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt.
Es ist doch nicht egal, was ich tue. Mein Leben ist kostbar, weil einzigartig und begrenzt. Dann sollte ich es auch so behandeln – eben als etwas Kostbares. Dann sollte ich auch achtsam leben.
Und kauft die Zeit aus.
Wenn ich schon um die Begrenztheit meines Lebens weiß, dann will ich doch auch entsprechend leben, will diese begrenzte Lebenszeit nutzen – gut nutzen. Eine echte Lebensaufgabe!
Ich kann und werde sicher nicht jede Minute darüber nachdenken, was ich als nächstes tue, um die Zeit gut zu nutzen. Nach wie vor gibt es Alltag, gibt es Schule und Beruf mit ihren Routinen, gibt es Haus- und andere Arbeit zu erledigen. Alltag kann ja durchaus auch etwas Entlastendes an sich haben.
Aber was ich mit der verbleibenden, mit meiner freien Zeit anstelle, das ist die große Herausforderung.
Meine freie Zeit muss nicht ständig mit Arbeit, auch nicht mit ehrenamtlicher Arbeit angefüllt sein. Ich kann die Zeit auch mal bewusst genießen, entspannt mit einem Buch und einer Tasse Tee oder mit Freunden, mit guter Musik und vielleicht auch mit einem guten Film.
[Hinweis: In obigem Abschnitt ist Platz für eigene Beispiele, am besten mit persönlichem Bezug.]
Aber ich soll meine freie Zeit nicht vertreiben oder sie totschlagen – schon diese Ausdrücke sind ja entlarvend.
Sicher muss ich mich nicht ständig selbst unter Kontrolle haben.
Aber ich kann auch mal innehalten, mich gewissermaßen neben mich stellen und mich selbst beobachten. Wie gehe ich mit meiner Zeit um?
Kauft die Zeit aus, denn es ist böse Zeit.
So schreibt es Paulus.
O ja, es ist böse Zeit, könnten wir jetzt mit Fug und Recht sagen.
Nach wie vor ist das Corona-Virus in der Welt, und die Gelehrten streiten sich immer noch, ob wir schon auf der sicheren Seite sind oder doch damit rechnen müssen, dass eine neue Variante uns den nächsten schweren Winter beschert.
Und auch sonst liegt vieles im Argen: Krieg – selbst in Europa – lauert ständig. Auch Naturkatastrophen bedrohen Leben, Gesundheit und Auskommen der Menschen.
Und nimmt nicht auch in der Gesellschaft die Toleranz gegen andere Meinungen immer mehr ab? Hören wir einander eigentlich noch zu oder wollen wir nur unsere eigene, vermeintlich einzig richtige Haltung in die Welt hinausposaunen?
[Hinweis: Gesellschaftspolitische Beispiele gegebenenfalls aktualisieren! Im obigen Abschnitt könnten auch lokale Bezüge Platz finden.]
Ja, es ist böse Zeit.
Aber – mal ehrlich – ist das wirklich alles neu? Haben nicht Menschen aller Zeiten ihre Zeit immer wieder einmal als böse Zeit wahrgenommen?
Vermutlich hat ja Paulus gar keine bestimmte Zeit gemeint. Es gab und gibt doch immer Zeiten, in denen das Böse sich breit macht, breit machen konnte. Genau darauf gilt es denn auch zu achten: Was geschieht gerade? Wann kann ich nur zuschauen? Wann ist es Zeit zu handeln?
Auch das ist ein Aspekt der Sorgfalt, mit der wir unser Leben führen sollten. Auch das heißt, die Zeit auszukaufen: Den richtigen Moment für eigenes Handeln oder eben auch für eigenes Stillhalten zu erkennen.
Dazu kann uns auch der nächste Satz des Paulus helfen:
Werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist.
Den richtigen Moment für das jeweils richtige Handeln zu erkennen – das klingt ja gut, aber wie mache ich das?
Vielleicht hilft es mir, mich gelegentlich zu fragen, wie wohl Jesus die Situation sehen, was er sagen, wie er handeln würde, was also sein Wille für unser Handeln ist.
Wir finden einige Hinweise und Beispiele für sein Denken und Handeln in der Bibel. Gleichwohl gibt es keine richtige oder falsche Antwort. Ich kann zu einer ganz anderen Sichtweise kommen als jeder andere Mensch, und das ist trotzdem gut.
Wichtig ist allein die Fragestellung und damit der Versuch, eine andere Sichtweise, eine andere Perspektive auf mein Leben und meine gegenwärtige Situation zu bekommen. Wie würde Jesus die Situation sehen, wie würde er mich und mein Handeln sehen?
Jedenfalls sollte ich nicht ständig davonlaufen, mich davonstehlen wollen, weder durch Alkohol, noch durch andere Ablenkungen, die mir doch nur die Sinne vernebeln und mich letztlich von Gott wegführen.
Ich darf mich aber begeistern lassen – durchaus begeistern lassen von Gott und seinem Geist, statt von diversen, höchst irdischen Geistern. Geistern, zu denen neben Alkohol und anderen Drogen auch so manche Ideologie gehört.
Ich darf und will mich begeistern lassen von Gott, denn das hilft mir, den richtigen Weg für mein Leben zu finden. Gottes Geist will uns doch führen, uns auf den richtigen Weg zu Gott bringen.
Wo aber könnte ich besser Gottes Geist finden als in seiner Gemeinde. Es gilt halt immer noch – und daran wird sich nichts ändern –, dass der Gottesdienst mit gemeinsamen Liedern, mit Psalmen und Gebeten und auch mit Predigt und Musik das Zentrum des gemeinsamen Lebens und Glaubens der Gemeinde ist.
Er ist das Kraftzentrum, aus dem ich als einzelne Christin, als einzelner Christ lebe. Hier gewinne ich am leichtesten die andere Sichtweise auf mein Leben und auf die Aufgaben, die vor mir liegen.
Abseits des Gottesdienstes aber ist es eine Haltung der Dankbarkeit, die mir zu einem nüchternen Blick auf mein Leben und meine Zeit verhilft. Wofür bin ich dankbar, wofür kann ich dankbar sein in meinem Leben?
Was auch immer geschehen ist, wie auch immer es mir geht. Wenn ich mich bemühe, wenigstens etwas zu finden, wofür ich dankbar sein kann, führt mich das genau zu dem, der mein Leben in seiner Hand hält.
[Pause]
Unsere Lebenszeit ist begrenzt, auch wenn wir – anders als in dem eingangs angesprochenen Film – nicht wissen, zum Glück (!) nicht wissen, wie viel Zeit uns bleibt.
Beten wir zu Gott, dass er uns hilft, unsere Zeit gut zu nutzen, sorgfältig zu leben. Beten wir zu Gott im gemeinsamen Gottesdienst, aber auch für uns allein – im dankbaren Blick auf unser Leben.
Gottes Heiliger Geist schenke uns die nötige Weisheit zu einem erfüllten Leben.
Amen.
Verfasser: Prädikant Karlheinz Saltzer
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