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Mitten unter uns

von Paul-Ulrich Lenz (63679 Schotten-Einartshausen)

Predigtdatum : 06.11.2005
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres
Textstelle : Lukas 11,14-23
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Wochenspruch:

Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade; siehe, jetzt ist der Tag des Heils. (2. Kor. 6,2b)

Psalm: 90,1-14 (15-17) (EG 735) oder Psalm 139

Lesungen

Altes Testament:
Hiob 14,1-6
Epistel:
Römer 14,7-9
Evangelium:
Lukas 17,20-24 (25-30)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 526,1-3
Jesus, meine Zuversicht
Wochenlied:
EG 152
oder EG 518
Wir warten dein, o Gottes Sohn
Mitten wir im Leben sind
Predigtlied:
EG 384,1-2
Lasset uns mit Jesus ziehen
Schlusslied:
EG 384,3-4
Lasset uns mit Jesus sterben

14 Jesus trieb einen bösen Geist aus, der war stumm. Und es geschah, als der Geist ausfuhr, da redete der Stumme. Und die Menge verwunderte sich. 15 Einige aber unter ihnen sprachen: Er treibt die bösen Geister aus durch Beelzebul, ihren Obersten. 16 Andere aber versuchten ihn und forderten von ihm ein Zeichen vom Himmel. 17 Er aber erkannte ihre Gedanken und sprach zu ihnen: Jedes Reich, das mit sich selbst uneins ist, wird verwüstet und ein Haus fällt über das andre. 18 Ist aber der Satan auch mit sich selbst uneins, wie kann sein Reich bestehen? Denn ihr sagt, ich treibe die bösen Geister aus durch Beelzebul. 19 Wenn aber ich die bösen Geister durch Beelzebul austreibe, durch wen treiben eure Söhne sie aus? Darum werden sie eure Richter sein. 20 Wenn ich aber durch Gottes Finger die bösen Geister austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen. 21 Wenn ein Starker gewappnet seinen Palast bewacht, so bleibt, was er hat, in Frieden. 22 Wenn aber ein Stärkerer über ihn kommt und überwindet ihn, so nimmt er ihm seine Rüstung, auf die er sich verließ, und verteilt die Beute. 23 Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich; und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.

Liebe Schwestern und Brüder!
Jesus ist kommen, der starke Erlöser, davon haben wir gesungen, davon erzählt uns diese Geschichte heute morgen: und sie will uns hineinziehen in den Kreis dieses starken Erlösers, sie will uns für ihn gewinnen weil wir ohne ihn nicht leben können.
Sie stehen um einen stummen Menschen herum. Er ist Opfer, er ist gebunden, er ist nicht von sich aus stumm geworden. Wir kennen das: da ist einer auf das Krankenlager geworfen, die Krankheit greift nach dem Leben, und sie verändert den Menschen. Sie verändert ihn so sehr, dass er an nichts anderes mehr denken kann als an seine Krankheit. Er wird stumm, er hat nichts mehr zu sagen, das Leben ist weit weg: ein Gefangener seiner Krankheit, einer, der nicht mehr loben und nicht mehr klagen kann, der wie eingemauert, lebendig begraben ist.
Der Bericht des Evangeliums lässt keinen Zweifel daran: diese Krankheit ist eine böse Störung der Schöpfung. Sie ist eine Macht, die den ganzen Menschen ergreift und wie ein Diktator ihn knechtet. Es ist böse und widernatürlich, wenn ein Mensch so unfähig gemacht wird zu reden, wenn er sich nicht mehr mitteilen, nicht mehr vertrauen, nicht mehr aussprechen kann.
Liebe Gemeinde: solches Verstummen unter Bindungen, unter bösen Mächten gibt es nicht nur in Krankheiten: wir erleben es in diesen Tagen wieder, wie der Hass Menschen stumm machen kann: solange ist Hass in Herzen eingepflanzt worden, Hass auf den Staat, Hass auf die, die diesen Staat schützen sollen, bis da einer Menschenleben für nichts achtet und schießt: stumm, besessen von seinem Hass, besessen von seiner Ideologie.
Und vielleicht haben Sie auch das schon erlebt: dass Sie mit einem Menschen zu tun bekommen haben, dem Unrecht widerfahren ist. Er ist tief verwundet worden, missbraucht, geschändet und das hat sich festgefressen in seiner Seele. Und nun steht nur noch dies eine vor seinen Agen: Strafe für den, der mich so misshandelt hat. Kein anderes Thema mehr, kein anderer Gedanke mehr, kein anderes Empfinden mehr hat Raum: ein Mensch ist verstummt, er kann nichts mehr mitteilen außer seinen Hass: er ist besessen, geknechtet, versklavt.
Und Jesus tritt in den Kreis, der um den Stummen steht. Er sieht die Not, er sieht sie in seiner ganzen Krisengeschichte, und er greift rettend hinein in dieses Leben: Der böse Geist muss weichen. Die Macht der Sprachlosigkeit verliert ihre Herrschaft über den geplagten Mann. Der Stumme kann wieder reden. Das Netz, in dem er gefangen war, ist zerrissen. Was für eine Befreiung!
Alle sehen das Wunder, niemand kann es bestreiten. Und bis heute ist es immer wieder geschehen: unzählige Menschen sind durch den Geist Jesu getröstet worden, befreit worden aus ihren Gefangenschaften, herausgeführt aus der Knechtschaft unter den Hass, aus der Bindung an die Macht. Unzählige sind auf einen neuen Weg gekommen, befähigt zur Liebe, zurechtgebracht in ihren Gewissen. Nein, diese Wunder Jesu kann auch heute niemand ernsthaft bestreiten.
Und doch entsteht Streit an diesem Wunder, so wie an vielen Wundern Streit entstanden ist. Und doch schafft dieses Wunder keine eindeutige Situation: die einen stehen und staunen – aber Staunen ist noch kein Glaube. Und die anderen stehen und fragen: sie fragen nach der Macht, aus der Jesus handelt, denn sie wissen: auch andere haben Macht, Wunder zu tun. Es gibt nicht nur Wunder von Gott her, es gibt auch Wunder von unten her.
Die Frage nach der Wahrheit, liebe Gemeinde, lässt sich nicht durch den Verweis auf Wirkungen, auf Wunder beantworten. Weder die Leistungen des Christentums sind Beweis für seine Wahrheit noch die Irrtümer der Christenheit im Lauf der Geschichte Beweise gegen die Wahrheit des Evangeliums.
Der Streit um Jesus, die Frage: wer ist der, der so etwas tut, dies muss so sein! Es gehört zu Jesus, zu seiner Menschlichkeit, dass er so befragbar ist. Aber nun ist eines wichtig: dass die Fragen offen gestellt werden, dass sie nicht von vornherein die Antworten einsch1ießen. Wenn die Leute damals auf die Frage „Wer ist Jesus?“ sagen: „einer, der durch Belzebub Macht ausübt, der mit dem Teufel im Bund ist“, dann ist das keine offene Frage mehr. Sie haben sich längst festgelegt. Und wenn andere sagen: Zeige uns ein Zeichen, lass die Sonne still stehen, dann haben sie sich längst festgelegt: Du musst dich unserem Denken unterwerfen.
Liebe Schwestern und Brüder, ich habe den Eindruck, dass unzählige Menschen nicht mit einer offenen Frage an Jesus herantreten, sondern festgelegt sind: Wir akzeptieren einen Jesus fürs Herz, fürs Gemüt aber einen, der uns frei machen will aus unseren Bindungen, den können wir uns nicht vorstellen. Wir akzeptieren einen Jesus, der uns etwas über Gott sagt, über den Vater im Himmel, aber einen Jesus, der uns sagt: Du musst befreit werden aus der Macht des Widersachers – das geht uns zu weit. Wir akzeptieren einen Jesus, der uns gute Dinge über Gott sagt – aber einen, der sagt: an mir entscheidet sich dein Leben, an mir entscheidet sich, ob Du in Ewigkeit bei Gott sein wirst oder in Ewigkeit ohne Gott und das heißt: verloren sein wirst, der geht uns zu weit.
Fragen an Jesus, Streit um Jesus, das muss sein. Und darin sind die Leute damals unserer müden, läppischen Gleichgültigkeit weit voraus. Darin sind sie unserem Volkskirchen-Einheitsglauben, der nichts wagt und nichts mehr fragt, weit voraus.
Aber dieser Streit um Jesus, dieses Fragen nach Jesus braucht die Offenheit: Wenn ich in meinen Herzen überwunden werde, dann will ich den Weg Jesu auch gehen. Wer nur so zum Spaß einmal fragen und einmal streiten will, der wird hängen bleiben bei Meinungen. Nur wer sich selbst riskiert, nur wer mit dem Risiko der eigenen Umkehr fragt, der erfährt, wer Jesus ist.
Das gilt nicht nur nach außen, zu den Heiden hin. Das gilt auch in den Raum der Kirche hinein. Oft genug sind wir doch genauso festgelegt auf ein bestimmtes Jesus Verständnis: Er ist uns der Heiland, aber mit dem Weg unseres Volkes hat er nichts zu tun. Er ist uns der Sündenvergeber, aber mit der Frage nach Gerechtigkeit hat er nichts zu tun. Er ist uns der Lehrer, aber die Antwort auf das Leben nach dem Tod, die darf er uns nicht geben. Er ist uns ein Wegweiser, aber die Krankheiten und Bindungen aller Art, die bewältigen wir auf unsere Weise. Nein, liebe Gemeinde, auch Christen stehen immer neu vor dieser Frage: wer bist Du, Herr, und werden von ihm über die engen Grenzen ihres Denkens und Glaubens hinausgeführt.
Was bleibt, ist dies, das wir in die Entscheidung gestellt werden: wo stehst du, so fragt uns Jesus. Bist du einer, der für mich ist oder bist du einer, der gegen mich ist? Wo gehst du hin – gehst du deinen Weg oder gehst du mit mir zu den Stummen? Alle Zeichen Jesu, alle Predigt Jesu ruft hinein in ein Leben mit ihm oder eben in ein Leben ohne ihn.
„Der menschliche Wille ist ein Reittier: hat sich Gott darauf gesetzt, so will und geht es, wohin Gott will; hat der Satan sich darauf gesetzt, so will und geht es, wohin der Satan will. Und es steht nicht in der Willkür des Menschen, zu dem einen oder dem anderen zu laufen, sondern die Reiter selbst streiten darum, es zu gewinnen und zu besitzen“, so hat Luther gesagt.
Aber wir, um die der Streit geht, wir werden durch Jesus gerufen, zu ihm zu treten. Dass er da ist, dies allein schafft die Möglichkeit, zu ihm zu treten. Und dass er nach uns ruft, dass er sein Wort an uns richtet, dies verlangt dann auch, dass wir diese Möglichkeit ergreifen. Es geht nicht über unsere Köpfe hinweg in diesem Kampf, sondern es geht darum, dass wir unser Herz gewinnen lassen – gewinnen lassen von dem, der sich hingegeben hat für uns. Jesus, der uns ruft, sagt von sich selbst: Ich bin der Stärkere. Auf die Seite des Siegers sollen wir treten – auf die Seite des Siegers, der seinen Sieg am Kreuz errungen hat.
Und da wird auch ganz deutlich, mit welchen Mitteln dieser Sieg errungen ist: mit der Liebe, die sich selbst aufopfert und die gerade darin all die vermeintliche Macht der Welt überwindet und gefangen nimmt. Und wo Menschen sich ihm anvertrauen, wo wir uns ihm anvertrauen, da können wir den bösen Geistern auch in unserer Zeit siegend begegnen in der Kraft seines Geistes. Amen.

Verfasser: Pfr. Paul-Ulrich Lenz, Leonhardstr. 20, 61169 Friedberg

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