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Mitten unter uns

von Manfred Günther (35325 Mücke)

Predigtdatum : 10.11.2002
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres
Textstelle : 1. Thessalonicher 5,1-6.(7-11)
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Wochenspruch:

Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade; siehe, jetzt ist der Tag des Heils.
(2. Kor. 6,2b)

Psalm: 90,1-14 (15-17) (EG 735) oder Psalm 139

Lesungen

Altes Testament:
Hiob 14,1-6
Epistel:
Römer 14,7-9
Evangelium:
Lukas 17,20-24 (25-30)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 147
Wachet auf, ruft uns die Stimme
Wochenlied:
EG 152
oder EG 518
Wir warten dein, o Gottes Sohn
Mitten wir im Leben sind
Predigtlied:
EG 401
Liebe, die du mich zum Bilde
Schlusslied:
EG 241,1+8
Wach auf, du Geist der ersten Zeugen

1 Von den Zeiten und Stunden ist es nicht nötig, euch zu schreiben; 2 denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. 3 Wenn sie sagen werden: Es ist Friede, es hat keine Gefahr -, dann wird sie das Verderben schnell überfallen wie die Wehen eine schwangere Frau und sie werden nicht entfliehen. 4 Ihr aber, liebe Brüder, seid nicht in der Finsternis, dass der Tag wie ein Dieb über euch komme. 5 Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis. 6 So lasst uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns wachen und nüchtern sein. [7 Denn die schlafen, die schlafen des Nachts, und die betrunken sind, die sind des Nachts betrunken. 8 Wir aber, die wir Kinder des Tages sind, wollen nüchtern sein, angetan mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung auf das Heil. 9 Denn Gott hat uns nicht bestimmt zum Zorn, sondern dazu, das Heil zu erlangen durch unsern Herrn Jesus Christus,
10 der für uns gestorben ist, damit, ob wir wachen oder schlafen, wir zugleich mit ihm leben. 11 Darum ermahnt euch untereinander und einer erbaue den andern, wie ihr auch tut.]

Liebe Gemeinde!
Glauben wir das eigentlich, was wir hier hören? „Der Tag des Herrn wird kommen wie ein Dieb in der Nacht.” Gehen wir wirklich noch davon aus, dass Jesus und sein Tag zu unserer Lebenszeit erscheint? Und schließlich: Sind wir da so sicher, dass „wir alle Kinder des Lichtes und des Tages sind”, wie es hier heißt?
Mir gingen zu diesen Fragen zwei Geschichten durch den Kopf, Geschichten, die ich kurz erzählen will, so dass die wesentlichsten Gedanken deutlich werden.
Die Erzählung von Martin dem Schuster fiel mir ein, sie spielt in Russland, vor vielen, vielen Jahren. Der alte Schuhmacher Martin wurde dreimal von Jesus besucht, und er hat es gar nicht gemerkt. Weil Jesus eben nicht kam wie erwartet, sondern als erschöpfter Straßenkehrer, als arme, junge Mutter mit Kind und als kleiner Junge, der einer Bäuerin einen Apfel stiehlt. Martin - obwohl er nicht wusste, wer da zu ihm gekommen war - hat sich aller dieser Menschen in guter und christlicher Weise angenommen.
Anders die Frau, deren Geschichte sich wie eine Gegenerzählung dazu anhört: Sie hatte im Traum von Jesus selbst versprochen bekommen, dass er sie aufsuchen wird. Sie jagt am nächsten Tag drei arme Leute von ihrer Haustür, weil sie „auf ihren lieben Herrn wartet”, wie sie sagt. Am Abend dann träumt sie wieder, und Jesus lässt sie wissen, dass er in der Gestalt der drei Bettelleute zu ihr gekommen ist und sie ihn abgewiesen hat.
Was uns diese Geschichten sagen wollen: Dass wir vielleicht vergeblich auf Jesus warten, wenn wir nach ihm ausschauen, so, wie wir ihn uns vorstellen: Wie auf den Bildern vom guten Hirten etwa oder so wie am Ostermorgen mit den Wundmalen an der Seite und an Händen und Füßen oder gar als strahlende Lichtgestalt auf einer Wolke... Jesus kommt auch zu uns vielleicht ganz anders!? Und er kommt eben zu jedem für sich? Und eben nicht zu allen Menschen zu gleicher Zeit. Und dass es so ist, dafür gibt es ja viel mehr Beispiele, als die beiden Geschichten, die ich angesprochen habe.
Schon zu Paulus kam Jesus auf ganz besondere Weise. Er hat ihn mit Blindheit geschlagen und ihn gefragt, warum er ihn verfolgt. Paulus hat ihn erkannt und sein Leben von Grund auf geändert.
Ins Leben Martin Luthers ist Jesus sozusagen mit dem Evangelium in der Hand getreten. Er hat ihm eine Schriftstelle im Römerbrief vor die Augen gehalten und ihm darin neu die wunderbare Botschaft von Gottes Gnade und Liebe zum Sünder geschenkt. Und Luther hat diese Botschaft in seine Zeit hineingesagt, eine Zeit, die noch ganz verdunkelt war von der Ansicht, Gott könnte nur gerecht sein und er müsse jede Schuld heimsuchen. Und zu vielen anderen Christen ist Jesus schon gekommen, seit Menschen in dieser Welt an ihn glauben. Und jeden hat er einzeln angesprochen, zu seiner Zeit und auf seine Weise.
Und warum soll das nicht auch heute so sein? Ja, vielleicht war er ja auch schon bei uns? - Haben wir ihn aufgenommen? Haben wir gehört, was er uns sagen wollte? Haben wir ihn abgewiesen, weil wir dachten, das kann er doch nicht sein und so etwas kann er doch nicht von mir verlangen? - Doch, ich glaube fest, dass Jesus heute so zu uns kommt: Zu jeder und jedem persönlich, zu einer Stunde, da wir es nicht erwarten - eben wie ein Dieb in der Nacht. Aber wenn er kommt, dann haben wir für uns zu entscheiden, ob wir ihn aufnehmen oder abweisen und damit, ob wir - wie es hier heißt - Kinder des Lichts oder der Finsternis sind.
Liebe Gemeinde, ich weiß schon und ich spüre das wie sie, wie ernst diese Gedanken doch sind! Ich bin auch ganz gewiss, dass wir - wie etwa Martin der Schuster oder die Frau aus der Geschichte - oft nicht erkannt haben, wer da vor uns gestanden hat und uns angesprochen, etwas gefragt oder um Hilfe gebeten hat. Und wir können uns nicht darauf verlassen, dass wir dann - etwa wie Martin - so ganz aus uns selbst heraus gut und christlich gehandelt haben.
Denn unser Fleisch ist schwach, wie es im Evangelium heißt. Oft sind wir träge und unentschlossen. Meist denken wir lieber an uns, unseren Bauch und an die Mühe, die es macht, den Menschen zu helfen und zu dienen, selbst wenn er es wäre, der vor uns steht! Aber - Gott sei Dank! - er kann ja noch einmal kommen! Auch die Geschichte von der Frau, die auf ihren lieben Herrn wartet, geht ja nicht so aus, dass der liebe Herr nun sagt: „Jetzt komme ich nimmermehr!” Darum denke ich, es wäre gut, wenn wir einfach einmal ein paar Lebenssituationen betrachten, in denen es darum geht, ihn zu erkennen, ihn aufzunehmen oder fortzuschicken und damit ein Kind des Lichts zu sein oder des Dunkels. Denn eins steht ja fest: Es ist nicht gleichgültig für uns, ob wir ihn bei uns einlassen! Da steht auf dem Spiel, ob unser Leben gelingt oder ob wir es vergeuden. Ob unser Leben - bei allem Schweren, das es auch enthält - Freude und Sinn hat oder ob wir am Ende sagen müssen: Es war leer und ohne Erfüllung und es gibt wenige Menschen, die mir etwas verdanken und für die mein Leben wichtig war.
Sicher tritt Jesus an jeden Menschen auf seine Weise heran. Und gewiss hat er seine eigene Art mit jedem und jeder zu reden. Und seine Aufträge oder Bitten sind ganz unterschiedlich. Aber ich will ein paar Gelegenheiten nennen und ein paar Arten, wie es geschehen kann, vielleicht geschehen ist oder morgen geschehen wird. Mag sein, dass wir so aufmerksamer werden für ihn - wenn er das nächste Mal vor uns tritt.
Ich glaube, dass es Jesus ist, der uns dieses Gefühl der Scham und des Ärgers über uns selbst eingibt, wenn wir einem Menschen begegnen, mit dem wir aus irgend einem Grund in Streit leben. Er ist es, der macht, dass wir uns dann immer wieder dumm und vielleicht hartherzig vorkommen, wenn wir krampfhaft wegschauen oder gar die Straßenseite wechseln. - Wenn wir nun einfach hinübergingen und dem Menschen die Hand reichten, dann wären wir ins Licht getreten.
Und ich glaube, dass es Jesus ist, der mir immer wieder in Erinnerung ruft, dass es neben dem Schaffen, dem Essen, Schlafen und Ausruhen, neben Arbeit, Freizeit und Fernsehen noch seine Sache gibt. Vielleicht geschieht das dann, wenn ich durch eine Zeit der Krankheit erkennen muss, dass ich von all dem, was ich immer für so wichtig gehalten habe, ja eigentlich nicht lebe. Vielleicht geht mir auch in einem Gottesdienst, in den ich - wie ich meine: „zufällig“ - gegangen bin, ein Wort auf, das mir wie für mich gesprochen erscheint. Wenn ich dann nicht weghöre, sondern antworte und gehorche, das wäre ein Schritt ins Licht.
Und schließlich glaube ich, dass es Jesus ist, der mir vielleicht, wenn ich vor dem Spiegel stehe, sagt, wie eitel und hochmütig ich doch bin. Er ist es auch, der mir schonungslos klar macht, dass ich meinem Nachbarn neide, was er sich leisten kann und in seinem Leben erreicht hat. Er sagt mir auch ins Gesicht, dass ich mich eigentlich doch freuen müsste, wenn einem Mitmenschen mit seinen Gaben gelingt, was ich nicht kann. Er weist mich immer wieder einmal darauf hin, dass es doch mehr um die Sache geht als um die Personen, die ihr dienen sollen. Er dämpft meine Überheblichkeit, wenn ich denke, es ginge nicht ohne mich. Er zeigt mir wieder das Ziel, zu dem ich unterwegs bin, wenn ich es vor lauter Gedanken um den Weg dahin aus den Augen verloren habe. Und er bringt mir auch immer wieder vor die Augen und den Sinn, dass ich einmal sterben und Rechenschaft ablegen muss. Wenn wir in diesen Augenblicken hinhörten und aufmerksam wären, ja wenn wir sie als Chance begreifen könnten und nicht als harte oder gar böse Zurechtweisung - wir gingen ins Licht!
Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis. So lasst uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns wachen und nüchtern sein.
Liebe Gemeinde! Ich wünsche uns, dass wir für uns selbst erkennen, wo Jesus uns schon begegnen wollte, ob wir ihn abgewiesen oder aufgenommen haben. Noch mehr wünsche ich uns, dass wir beim nächsten Mal aufmerksam sind und ihn einlassen und so ein Kind des Lichtes werden! Amen.

Verfasser: Pfr. Manfred Günther, Lohgasse 11, 35235 Mücke

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