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Mitten unter uns

von Rudolf Gümbel (Flecken Zechlin)

Predigtdatum : 10.11.2013
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres
Textstelle : Lukas 18,1-8
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Wochenspruch:
Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils. 2. Korinther 6, 2
Psalm: Psalm 90, 1 - 14.(15 - 17)

Lesungen
Altes Testament: Hiob 14, 1 - 6
Epistel: Römer 14, 7 - 9
Evangelium: Lukas 17, 20 - 24.(25 - 30)

Liedvorschläge
Eingangslied: EG 256 Einer ist’s, an dem wir hangen
Wochenlied: EG 152 oder EG 518 Wir warten dein, o Gottes Sohn Mitten wir im Leben sind
Predigtlied: EG 262, 1. 4 -6 Sonne der Gerechtigkeit
Schlusslied: EG 388 O Durchbrecher aller Bande

Kurze Hinführung:
Das Gleichnis legt ein Missverständnis nahe: Du musst nur heftig genug und hartnäckig Gott bitten, dann wird er deine Wünsche erfüllen. Es geht aber nicht ums Bittgebet. Es geht um das Beten ums Reich Gottes. Das Kirchenjahresende (die nächsten Sonntage sind der vorletzte Sonntag [Volkstrauertag] und der letzte Sonntag im Kirchenjahr [Ewigkeitssonntag/Totensonntag]), der Eingangs-psalm, die Epistel (Leben und Sterben) und ausdrücklich das Evangelium (Text vor unserem Predigttext) stellen die Frage nach dem Kommen des Reiches Gottes. Dies in der Geschichte der Kirche und bei uns aufzuspüren, sollte zuerst ganz wichtig sein. Dann kann das Gleichnis nacherzählt werden. (Dabei die beiden „Rollen“ schön kräftig ausmalen!) Und zum Schluss soll deutlich werde, was mit dem „allezeit Beten“ gemeint ist.

Liebe Gemeinde,
ein Gleichnis unseres Herrn Jesus ist heute unser Predigttext. Ein Gleichnis, das selten benutzt wird. Eigentlich ein sperriges und pro-vozierendes Gleichnis: Gott wird mit einem selbstherrlichen und willkürlich urteilenden Richter verglichen, der am Ende einer hart-näckigen, gewaltbereiten Frau nachgibt.

E regt sich Abwehr in uns. Ich will keinen willkürlichen und unge-rechten Gott. Und ich will schon gar nicht mit dieser penetranten, lästigen Frau verglichen werden.

Nun kommt es aber bei allen Gleichnissen Jesu auf zwei Dinge an, die für das richtige Verständnis wichtig sind:
Einmal: In welcher Situation, in welchem Zusammenhang sind sie von Jesu erzählt worden? Und zum andern: Was ist der Vergleichs-punkt, sozusagen der „springende Punkt“ um den es in diesem be-stimmten Gleichnis geht?

Die Gleichnisse Jesu haben alle einen bestimmten Sitz im Leben. Sie sind niemals eine allgemeine Lebensweisheit und sie sind nicht 1:1 in mein Leben umzusetzen.
Also: Du sollst keine quengelnde Witwe werden und Gott ist auch kein willkürlicher Richter. Sondern: In einem einzigen Punkt sollen wir Gott gegenüber einer lästigen Witwe gleichen.

Fragen wir also zunächst nach der Situation, in der Jesus dieses Gleichnis erzählt hat. Der Zusammenhang im Lukasevangelium, in dem unser Gleichnis steht, hat die Überschrift: „Vom Kommen des Gottesreiches“. Jesus wird von den Pharisäern gefragt: Wann kommt das Reich Gottes?“ Einen Teil seiner Antwort haben wir vorhin als Evangelium gelesen. Mit dem interessanten Satz: „Das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ Luther hat es übersetzt: „Das Reich Gottes ist inwendig in euch.“

Lukas und seine Leser waren umgetrieben von der Frage nach dem Kommen des Gottesreiches. Es ist die Frage der Jünger – Lukas er-zählt das in der Apostelgeschichte -, die Jesus nachstarren in den Himmel, als er von ihnen weggenommen wird durch eine Wolke.
Es ist die Frage der ersten Christengemeinden, die in Jerusalem und im römischen Reich verfolgt werden und bitter leiden müssen am Verlust ihrer Heimat, ihres Besitzes, ja sogar ihres Lebens.

In der Offenbarung kommen sie zu Wort: „Sie schrieen mit lauter Stimme: ‚Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, wie lange richtest du nicht und rächst nicht unser Blut an denen, die auf der Erde woh-nen?’“ (Offb 6, 10)

Gott wird Recht schaffen. Das ist die Hoffnung, die sich mit Reich Gottes verbindet. Die „Königsherrschaft Gottes“ nennt Jesus dieses Reich. Vom „tausendjährigen Reich“ ist in der Offenbarung die Rede. Wie die zweite Bitte des Vaterunsers –„Dein Reich komme“-, wie das Jesuswort: „Trachtet zuerst nach den Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen!“; so begleitet die Erwartung des Reiches Gottes, die Hoffnung auf das kommende Reich, die Kirche zu allen ihren Zeiten, als Bild des vollkommenen Friedens und der vollkommenen Gerechtigkeit. Als Werk Gottes aber auch als Inspiration für ihr eigenes Tun.

Auch heute ist es eine brennende Frage von Christen: Herr, wann richtest du deine Herrschaft auf? Und sie wird brennender da, wo Menschen an den Ungerechtigkeiten der Welt leiden, wo politische Regime Menschen verfolgen, unterdrücken und ausbeuten, wo Kriege ihre Blutspuren hinterlassen.

„Herr, wie lange noch?“ „Herr, wann zeigst du dich in der Welt?“ „Herr, wann kommt dein Reich?“ In der Geschichte der Kirche war es immer umstritten, ob Gott sein Reich nach eigenem Ermessen und nur durch sein Tun aufrichtet. Oder ob wir Menschen es bauen können oder gar herbeizwingen können.

In der Reformationszeit hat man es in Münster mit politischer Gewalt versucht. Die christliche Heidenmission im 17. und 18. Jahrhundert zog mit diesem Ziel aus. Auch ein Mann wie Albert Schweitzer ver-stand sein Wirken als ein Herbeizwingen des Gottesreiches.

Wann kommt das Reich Gottes und wie kommt das Reich Gottes? Das ist der Zusammenhang, in dem Jesus unser heutiges Gleichnis erzählt. Auf diese Frage geht er ein. Dazu – und nur dazu! – erzählt das Gleichnis etwas.

Einer Witwe ist unrecht getan worden. Denkt nur – einer Witwe! Sie hat keinen Mann mehr, der für sie sorgt, der für sie eintreten könnte. Sie ist arm. Sie ist rechtlos. Sie lebt ohnehin auf der Schattenseite. Aber sie gibt nicht klein bei.

Ihr ist Unrecht getan worden, und sie führt Klage beim Richter. Sie hofft auf Gerechtigkeit, oder wenigstens Barmherzigkeit. Der Richter ist ein Schuft. Er kennt nur seinen eigenen Vorteil. Gottes Gebote und menschlicher Anstand sind ihm fremd. Er weist die Klage ab.
Die Frau bleibt hartnäckig. Sie klagt erneut. Er lehnt wieder ab. Es geht lange hin und her. Es gibt Menschen, hier ist es zufällig eine Frau, die, wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt haben, dann lassen sie nicht locker. Dann können sie auf die Nerven gehen. Und das wollen sie auch. Steter Tropfen höhlt den Stein.

Endlich gibt der Richter nach. Nicht, weil er etwas eingesehen hätte. Die Frau ist ihm einfach lästig. Wer weiß, wozu sie noch alles fähig ist. Widerwillig, mürrisch und verächtlich spricht er Recht für die Frau. Aber wie er das tut, ist ja ganz egal. Wichtig ist dass er es tut, um ihres nicht aufgebenden Drängens und Verlangens willen. Und das ist der springende Punkt: Die recht- und einflusslose Witwe hat den skrupellosen Richter überwunden. Sie hat ihn mit ihrem Bitten und Hoffen und Durchhalten dazu gebracht, ihr Recht zu geben.

So, sagt Jesus, müsst ihr eure Hoffnung auf die Herrschaft Gottes festhalten. So unerschütterlich, so gegen allen Augenschein. So gegen alle angeblichen Realitäten. So gegen die Mächtigen. So gegen den Schmerz und die Angst und die Verzweiflung.

Und eins ist doch klar: Ihr könnt Gott nicht mit diesem Fiesling von Richter vergleichen. Gott ist mit seiner Menschenliebe und Men-schenfreundlichkeit, seiner Gerechtigkeit und Barmherzigkeit unserem Hoffen immer schon voraus!

Ihr fragt: Wann kommt das Reich Gottes? Es ist ja schon da! Mitten unter euch! Wie denn? Wenn ihr euch Gott zuwendet, wenn ihr euch Gott öffnet, wenn ihr betet.

Und mit einem letzten Satz bringt es Lukas auf den Punkt: auf den Punkt, mit dem Gottes Reich schon längst angefangen hat: „Doch wenn der Menschensohn kommen wird, meinst du, er werde Glauben finden auf Erden?“

Mit dem „Menschensohn“ hat Gottes Reich auf unserer Erde begon-nen. Jesus hat mit diesem Wort von sich selbst gesprochen. Mit Jesus hat die Herrschaft Gottes in unserer Welt Gestalt angenommen. Jesus ist der König der Königsherrschaft Gottes. Pilatus fragt Jesus: „Bist der der Juden König?“ Und Jesus antwortet: „Du sagst es... Aber mein Reich ist nicht von dieser Welt.“

Der Theologe Dietrich Bonhoeffer, im Widerstand gegen die Nazi-herrschaft und in den letzten Apriltagen 1945 hingerichtet, hat das
eine „völlige Umkehr“ genannt. Er schreibt: „Eine völlige Umkehr tritt hier ein. Nicht in unserem Leben muss sich Gottes Hilfe und Gegenwart erst noch erweisen, sondern im Leben Jesu Christi hat sich Gottes Gegenwart und Hilfe für uns erwiesen. Unser Heil ist außerhalb unser selbst, nicht in meiner Lebensgeschichte, sondern allein in der Geschichte Jesu Christi finde ich es. Nur wer sich in Jesus Christus finden lässt, in seiner Menschwerdung, seinem Kreuz und seiner Auferstehung, der ist bei Gott und Gott bei ihm.“ Gottes Reich ist nicht unsere Traumwelt, ist auch keine Republik der Guten.

Nein, es ist das Leben mit Jesus und durch Jesus. Darum konnte Luther übersetzen: es ist „inwendig in euch“. Und Luther meint da-mit nicht einen heiligen Bezirk in uns oder einen göttlichen Licht-funken in uns, sondern die Verbundenheit mit Jesus. Das unaufhör-liche Gespräch mit ihm mitten im Alltag, das Fragen nach seinem Willen und die Ausrichtung unserer Wege und Entscheidungen auf ihn.

Merken wir, dass das eigentlich alles Umschreibungen dessen sind, was „Beten“ heißt? Diese lästige Frau, die dem Richter nicht von der Pelle geht, ist ein Bild dafür, dass wir allezeit unsere Verbindung zu Gott durch Jesus nicht locker werden lassen sollen, dass wir „allezeit beten und nicht nachlassen sollen“.

Leben an der Seite Jesu – das ist das Reich Gottes, dann kommt es und so kommt es.
Amen.


Verfasser: Pfr. i.R. Rudolf Gümbel
Weinbergsring 9, 16837 Flecken-Zechlin

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