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Mitten unter uns

von Martin Vorländer (60594 Frankfurt)

Predigtdatum : 09.11.2014
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres
Textstelle : 1. Thessalonicher 5,1-6.(7-11)
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Wochenspruch:
"Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils." (2. Korinther 6, 2)

Psalm: 90, 1 - 14.(15 - 17) (EG 735)


Lesungen
Altes Testament: Hiob 14, 1 - 6

Epistel: Römer 14, 7 - 9

Evangelium: Lukas 17, 20 - 24.(25 - 30)


Liedvorschläge
Eingangslied: EG 450 Morgenglanz der Ewigkeit
Wochenlied: EG 152 Wir warten dein, o Gottes Sohn
Predigtlied: EG 153 Der Himmel, der ist
Schlusslied: EG 147 Wachet auf, ruft uns die Stimme


Wie kann ich mit Ungewissheit leben?

Kanzelgruß:
Gnade sei mit euch und Friede!
(Anmerkung: Das ist der Gruß des Paulus, 1. Thessalonicher 1, 1)

Der Predigttext für den heutigen drittletzten Sonntag des Kirchenjahres steht im 1. Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Thessalonich. Der Brief ist eine der ältesten Schriften des Neuen Testaments. Ich lese aus dem 5. Kapi-tel:

Von den Zeiten und Stunden aber, liebe Geschwister, ist es nicht nötig, euch zu schreiben; denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. Wenn sie sagen werden: Es ist Friede, es hat keine Gefahr –, dann wird sie das Verderben schnell überfallen wie die Wehen eine schwangere Frau und sie werden nicht entfliehen. Ihr aber, liebe Geschwister, seid nicht in der Finsternis, dass der Tag wie ein Dieb über euch komme. Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis. So lasst uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns wachen und nüchtern sein. Denn die schlafen, die schla-fen des Nachts, und die betrunken sind, die sind des Nachts betrunken. Wir aber, die wir Kinder des Tages sind, wollen nüchtern sein, angetan mit der Rüstung des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung auf das Heil. Denn Gott hat uns nicht bestimmt zum Zorn, sondern dazu, das Heil zu erlangen durch unsern Herrn Jesus Christus, der für uns gestorben ist, damit, ob wir wachen oder schlafen, wir zugleich mit ihm leben. Darum ermahnt euch unterei-nander und einer erbaue den andern, wie ihr auch tut. (1. Thessalonicher 5, 1-11)

Gott segne unser Hören und Reden.

Amen.

Liebe Gemeinde,

„Wann kommst du wieder?“
„Wann kommst du wieder?“, fragt der Vater seine heran-wachsende Tochter, die an der Tür steht und Samstagabend ausgehen will. Sie verdreht die Augen: „Papa, du nervst!“ „Wann kommst du wieder?“, fragt eine Frau den geliebten Menschen. Wenn man liebt, fühlt sich ein Tag ohne den an-deren wie eine Ewigkeit an. Man will wissen, auf welche Stunde des Wiedersehens man sich freuen kann.

Wann kommt Christus wieder?
„Wann kommst du wieder?“, fragen die ersten Christinnen und Christen in Thessalonich Jesus Christus. Wir schreiben das Jahr 50 nach Christus. Thessalonich, das heutige Thes-saloniki ist eine rege Hafenstadt. Ein Verkehrsknotenpunkt im weiten römischen Reich direkt an der Hauptstrecke zwi-schen Rom und Byzanz. Hier hat der Apostel Paulus eine christliche Gemeinde gegründet. Menschen griechischer, römischer und jüdischer Herkunft haben zum Glauben ge-funden, dass Jesus gestorben und auferstanden ist. Sie hof-fen, dass Jesus die Welt erlöst.

Alles nur vorläufig
Sie können es kaum erwarten: Wann passiert das, woran sie glauben? Alles um sie herum ist doch nur vorläufig: der Handel in der Stadt Thessalonich, Waren, die im Hafen an-kommen und verschifft werden, Kaufen und Verkaufen, das tägliche Leben mit Terminen und Geschäften. Das alles ist nicht von Dauer. Denn diese Welt geht zu Ende, wenn Jesus Christus wiederkommt. Aber wann? Die Zeit des Wartens wird lang. Die ersten Mitglieder der Gemeinde sind gestor-ben. Dabei haben alle fest erwartet, dass der Tag des Herrn noch zu Lebzeiten von allen Mitgliedern kommt. Wie können sie mit dieser Ungewissheit leben?

Weltuntergangsstimmung?
Hand aufs Herz: Anders als die Christen in Thessalonich er-warten wir nicht, dass Jesus Christus morgen oder sogar jetzt schon mitten in dieser Predigt wiederkommt. Ausge-schlossen ist es nicht. Aber wir leben nicht so, als könnte die Welt in jedem Moment untergehen. Allerdings gibt es auch heute Menschen, die meinen, sie könnten den Weltuntergang auf den Tag genau vorhersagen und berechnen. Vor zwei Jahren hieß es, laut dem Maya-Kalender wäre am 21. Dezember 2012 alles vorbei. Nun, inzwischen ist es Novem-ber 2014 geworden. Wir sind noch da und die Welt auch.

Mit Ungewissheit leben
Wie die Christen damals in Thessalonich müssen auch wir mit Ungewissheiten leben: Wann geht etwas wie aus? „Wann kommt der Tag, an dem ich wieder unbeschwert ohne ständige Sorge leben kann?“, fragt sich jemand, der wie aus heiterem Himmel mit einer schlechten Diagnose konfrontiert ist. Eben noch war er ganz normal in seinem Leben unterwegs. Auf einen Schlag findet er sich in Kliniken und Krankenhausbetten wieder.

„Wann erfahre ich endlich, wie es weitergeht?“, fragt sich eine Frau, die nach einer Arbeitsstelle sucht. Die laufenden Bewerbungen kosten Kraft. Pläne machen ist schwierig, denn es könnte alles so oder auch ganz anders kommen. Sie lebt mit der Ungewissheit: Werde ich zum Vorstellungsgespräch eingeladen? Wie geht es aus?

Anfang und Ende ungewiss
Ein Mann ist alt geworden. Mit guten Zeiten und schlechten Zeiten ist er insgesamt dankbar für sein Leben. Aber nun reicht es. Er ist lebenssatt. So viele Weggefährten sind ge-storben. Er ist noch da und fühlt sich wie übrig geblieben. Er klopft mit seinem Becher auf den Tisch: „Hat Gott mich ver-gessen? Wann kommt meine Stunde?“

Ein junges Paar erwartet ein Kind. Klar, die beiden wissen, sie haben bis zu neun Monaten Zeit, sich vorzubereiten: Geburtskurse besuchen, das Babyzimmer einrichten. Ir-gendwann ist der Geburtstermin ganz nahe herangerückt. Die Tasche mit allen wichtigen Dingen ist gepackt und steht griffbereit. Die Aufregung wächst mit jedem Tag: Wann kommt das Kind? Was erwartet uns?

Gott nicht terminierbar
Damit vergleicht der Apostel Paulus den Tag des Herrn, an dem Jesus Christus wiederkommt und die Welt erlöst: Der Tag kommt wie bei einer schwangeren Frau, die vorher nicht weiß, wann genau die Wehen einsetzen. „Von den Zeiten und Stunden aber, liebe Geschwister, ist es nicht nötig, euch zu schreiben“, meint Paulus. So schwer es fällt, mit Ungewissheit zu leben: Wir haben die Zukunft nicht in der Hand. Sie kommt ganz von Gott her.

Das kann beunruhigen. Denn normalerweise haben wir die Dinge gerne im Griff. Der Beruf und das Privatleben fordern von uns, zu planen, Termine zu machen, vorbereitet zu sein. Aber Gott und sein Kommen lassen sich nicht auf einen Termin festlegen. Darin liegen Hoffnung und Trost: Wir müssen unsere Zukunft, den Sinn und die Erfüllung unseres Lebens nicht selber machen. Das kommt ganz von Gott her.

Wende zum Guten
Wenn wir durch Zeiten mit ungewissem Ausgang gehen, darf Platz bleiben für Gottes Einfälle in unser Leben. Uns wird manche Last auferlegt. Letztlich sind wir aber immer unterwegs hin auf das Heil, das Gott für uns bereithält. Pau-lus schreibt: „Gott hat uns nicht bestimmt zum Zorn, son-dern dazu, das Heil zu erlangen durch unsern Herrn Jesus Christus.“ Wir stehen unter dem Vorzeichen von Gottes Heil. Das macht Mut zum Leben und gibt Hoffnung für die Zu-kunft. Jetzt schon hier und dann einmal für den Tag, der kommt und alles Ungewisse zum Guten wendet.

Wende vor 25 Jahren
Die Wende zum Guten kann sich ganz überraschend einstel-len, manchmal auf eine Weise, die wir nie für möglich ge-halten hätten. Vor 25 Jahren deuteten die Zeichen in der damaligen DDR schon seit Monaten in Richtung Veränderung. Doch es war ungewiss, wie es ausgeht: Lässt das Regime die Panzer aus den Kasernen und beendet gewaltsam die friedlichen Montagsdemonstrationen? Dass die Grenzen geöffnet werden und die Mauer fällt, damit hat kaum je-mand gerechnet.

Kinder des Lichts und Kinder des Tages
Der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht. Er kommt überfallartig wie die Wehen bei einer schwangeren Frau, schreibt Paulus. Wie können wir mit Ungewissheit le-ben? Paulus stellt seiner Gemeinde in Thessalonich helle, leuchtende Bilder vor Augen: Ihr seid nicht in der Finsternis, sodass Ihr wie vom Dieb überfallen werden könnt. Ihr seid Kinder des Lichts und Kinder des Tages.

Die Gefahr, das Leben zu verschlafen
Paulus schreibt weiter: Man kann sein Leben verschlafen oder betrunken verbringen. Bewusstlos dahinleben, die ei-genen Sinne betäuben. Plötzlich wird man herausgerissen und stellt fest: An dieser Stelle in meinem Leben, schon viel früher ist etwas schief gegangen. Eine Entwicklung zum Schlechten hat ihren Anfang genommen, ohne dass man es bemerkt hat – in der Beziehung oder Familie, im Berufsle-ben, im Umgang mit anderen und mit mir selbst.

Wach und nüchtern
Paulus schreibt: „Lasst uns nicht schlafen wie die anderen! Lasst uns wach und nüchtern sein, angetan mit der Rüstung des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung auf das Heil.“ Wach und nüchtern leben. Der eine schwört auf die kalte Dusche am Morgen. Die andere joggt. Ein dritter hält Fastenzeiten, so wie der vor uns liegende Advent ursprünglich eine Fastenzeit war.

Paulus meint nicht nur äußeres, körperliches Wach- und Nüchtern-Sein. Er meint eine Geisteshaltung, eine Lebens-einstellung. Wach und nüchtern ist, wer weiß: Diese Welt ist nicht alles. In Gottes Namen gibt es mehr als alles. Von Gott dürfen wir Großes erwarten: Das Heil, für das er uns bereitet hat. Mit der Rüstung des Glaubens und der Liebe und dem Helm der Hoffnung können wir uns munter in das Getümmel der Welt begeben.

Eine Gemeinde in Schweden formuliert ihre Abkündigungen im Gottesdienst immer so: „Wir treffen uns wieder am nächsten Sonntag um 10 Uhr – so der Herr ausbleibt. Chor-probe ist Montagabend – so der Herr ausbleibt. Bibelkreis ist am Donnerstagabend – so der Herr ausbleibt.“ Die Gemeinde lebt wach und nüchtern mit der Ungewissheit, wann Jesus Christus kommt, und zugleich mit der festen Hoffnung, dass er kommt. Die Gemeinde rechnet mit Gott in ihrem Leben.

So der Herr ausbleibt, ist dies nicht das Ende der Welt, aber das Ende der Predigt. Auch wenn der Tag des Herrn noch ausbleibt, so ist Christus doch mitten unter uns bei unseren Gebeten und Liedern. Auf unseren Wegen dem Heil entgegen stärke er unseren Glauben, unsere Liebe und unsre Hoffnung. Amen.

Verfasser: Pfarrer Martin Vorländer
Oppenheimer Straße 5, 60594 Frankfurt

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