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Mitten unter uns

von Hartmut Scheurich (99094 Erfurt)

Predigtdatum : 12.11.2006
Lesereihe : ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr : Drittletzter Sonntag des Kirchenjahres
Textstelle : Hiob 14,1-6
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Wochenspruch:

Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade; siehe, jetzt ist der Tag des Heils.
(2. Kor. 6,2b)
Psalm: Psalm 90,1-14 (15-17) (EG 735) oder Psalm 139

Lesungen

Altes Testament:
Hiob 14,1-6
Epistel:
Römer 14,7-9
Evangelium:
Lukas 17,20-24 (25-30)

Liedvorschläge

Eingangslied:
EG 450
Morgenglanz der Ewigkeit
Wochenlied:
EG 152
oder EG 518
Wir warten dein, o Gottes Sohn
Mitten wir im Leben sind
Predigtlied:
EG 364
Was mein Gott will, das gescheh allzeit
Schlusslied:
EG 152
Wir warten dein, o Gottes Sohn

1 Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe,
2 geht auf wie eine Blume und fällt ab, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht. 3 Doch du tust deine Augen über einen solchen auf, dass du mich vor dir ins Gericht ziehst. 4 Kann wohl ein Reiner kommen von Unreinen? Auch nicht einer! 5 Sind seine Tage bestimmt, steht die Zahl seiner Monde bei dir und hast du ein Ziel gesetzt, das er nicht überschreiten kann: 6 so blicke doch weg von ihm, damit er Ruhe hat, bis sein Tag kommt, auf den er sich wie ein Tagelöhner freut.

Liebe Gemeinde!
Hier klagt ein Mensch. Er klagt über die Vergänglichkeit des Lebens. „Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruhe, geht auf wie eine Blume und fällt ab, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht“. Tiefe Trostlosigkeit spricht aus diesen Worten. Solche Gedanken überfallen uns wohl auch hin und wieder. Vielleicht, wenn wir an einem trüben Novembertag über den Friedhof gehen. Die langen Reihen der Gräber sprechen ihre eigene Sprache. Sie predigen auf ihre stille, aber eindrucksvolle Weise von der Vergänglichkeit unseres Lebens. Und die Tränen, die wir an den Gräbern unserer Lieben weinen, sind wohl auch immer Tränen darüber, dass wir selbst einmal sterben müssen.
Immer wieder werden wir in unserer Welt mit dem Tod konfrontiert. Die Todesanzeigen in den Zeitungen, Fernsehen und Radio bringen uns fast täglich Nachrichten darüber ins Haus, dass der Tod wieder in unserer Nähe oder irgendwo in der Welt reiche Ernte gehalten hat.
Wir denken an Menschen, die durch einen Unfall mitten aus dem Leben gerissen wurden, an junge Leute, die durch eine schwere Krankheit innerhalb von wenigen Wochen starben oder auch an Menschen, die sich aus Verzweiflung das Leben nahmen. „Mitten wir im Leben sind von dem Tod umfangen“, so haben wir es mit den Worten des Wochenliedes gerade gesungen. Das ist die bedrängende Wirklichkeit unseres Lebens.
Diese bittere Wahrheit erfährt und durchleidet auch Hiob, dessen Klage wir gerade gehört haben. Hiob, von dem uns in dem gleichnamigen Buch der Bibel erzählt wird, war einst gesegnet mit vielen Gütern und Lebensglück. Und er war ein frommer Mann. Es war ihm sehr wohl bewusst, dass Gott der Geber aller dieser guten Gaben und seines Glückes ist. Aber dann brach wie aus heiterem Himmel das Unglück über ihn herein. Eine „Hiobsbotschaft“ nach der anderen erreichte ihn. Am Ende ist alles verloren, was er hatte. Seine Herden sind vertrieben, seine Angehörigen in Krieg und Naturkatastrophen umgekommen.
Alles, was Gott ihm gegeben hatte, hat er ihm auch wieder genommen. Es blieb ihm nur noch sein nacktes Leben. Aber auch an dem hatte er keine Freude mehr. Zu allem Unglück wurde er nun noch geplagt von einem schrecklichen Ausschlag, der über und über seinen Körper bedeckte.
Da. bricht es aus ihm heraus: Er klagt über sein Elend, er klagt über die Vergänglichkeit des Lebens, ja er klagt auch über Gott. Er kann Gott nicht mehr begreifen. Er versteht nicht, warum Gott ihn so tief stürzen ließ. Den barmherzigen Gott kann er in all diesem Elend, das ihn betroffen hat, nicht mehr erkennen. Viele Fragen quälen ihn.
So fern und fremd ist uns Hiob wohl nicht. Eigenes und fremdes Leid stellt ja auch unseren Glauben auf eine harte Probe. In unserer Welt geschieht so vieles, was wir mit Gottes Barmherzigkeit nicht in Einklang bringen können: Krieg und Terror, verhungernde und geschändete Kinder, Naturkatastrophen gerade in Ländern, in denen das Elend ohnehin schon groß genug ist. Die Frage, wie kann das Gott zulassen, quält uns Glaubende immer wieder, wenn der Tod Angst und Schrecken um sich verbreitet. Sie lässt sich mit ein paar frommen Worten nicht erledigen.
Wie gehen wir mit unseren Ängsten, mit unseren Todesgedanken und den vielen ungelösten Fragen um? Lassen wir sie zu oder verdrängen wir sie? In unserer Gesellschaft wird das Thema „Tod“ möglichst umgangen. Und selbst da, wo es unumgänglich ist - wie zum Beispiel auf Beerdigungen - wird es meist nur sehr diskret angesprochen. Der Tod soll die Hinterbliebenen möglichst wenig berühren und beunruhigen. Das ernsthafte Bedenken des Todes, so meint man, stört unsere Vitalität und bringt nur unnötige Unruhe in unser Leben.
Darum ist es so wichtig, dass wir als Gemeinde Jesu Christi besonders in den letzten Wochen des Kirchenjahres immer wieder durch biblische Texte, Lieder und Gebete herausgefordert werden über Tod und Sterben nachzudenken. Die Gemeinde ist eine gute Schule, in der wir lernen können, unsere Ängste, Trauer, Zweifel und Glaubenserfahrungen einander mitzuteilen.
Hiob, so hörten wir, klagt nicht nur über das Leben, das ihm so kurz und vergänglich wie das einer Feldblume erscheint, er klagt auch über Gott. Er hält Gott vor, dass er uns Menschen nicht aus den Augen lässt. Gottes Blick wirkt auf ihn wie eine Bedrohung. „Schau weg von mir, lass mich in Ruhe, du schaust nur nach mir, um dann am Tage des Gerichtes mir all meine Sünden vorzuhalten.
Können wir diese Angst Hiobs nicht auch nachvollziehen? Macht uns nicht der Gedanke hin und wieder unruhig, dass Gott alle unsere Wege und selbst unsere geheimsten Träume und Wünsche kennt? Denn in unser aller Leben gibt es wohl manches, was wir vor anderen Menschen und darum auch vor Gott verborgen halten möchten. Da gibt es Lügen, mit denen wir andere und uns selbst belügen. Da gibt es Wege und Entscheidungen, deren wir uns schämen, verratene Liebe und vieles andere, das wir sorgsam unter der Decke halten, damit es nicht ans Licht kommt.
Aber gerade das Unaufgedeckte und Unklare in unserem Leben, macht uns das Sterben so schwer und vermehrt unsere Angst vor dem Tod. Denn die Frage, wie kann ich mit meinem Leben vor Gott bestehen, lässt sich wohl immer wieder verdrängen, aber ganz zum Schweigen bringen wir sie nicht. Auch der Psalm, den wir zu Beginn des Gottesdienstes gehört haben, erinnert uns daran: „ Denn unsere Missetaten stellst du vor dich und unsere unerkannte Sünde ins Licht vor deinem Angesicht.“
Hiob wehrt sich in seiner Verzweiflung gegen Gottes durchdringenden Blick und doch klammert er sich an Gott fest. Er weiß ja, ein Leben ohne Gott, das wäre die absolute Trostlosigkeit und Leere. In all den Widersprüchlichkeiten des Lebens bleibt für ihn Gott die einzige Zuflucht.
„Herr, du bist unsere Zuflucht für und für.“ So steht es als Überschrift über dem Psalm, in dem der Beter die Klage über die Vergänglichkeit unseres Lebens vor Gott ausbreitet. Wir haben eine Zuflucht, das gilt auch für unser Leben und Sterben. Diese Zuflucht ist Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat. Es ist Gott, der in Jesus Christus in die Abgründe unseres Lebens hinabgestiegen ist und unseren Tod durchlitten hat. Es ist Gott, der Christus von den Toten auferweckt und so dem Tod das letzte Wort für immer genommen hat. Ostern wirft ein neues Licht auf unser ganzes Leben. Es ist unendlich viel mehr als das einer Blume, die kurz blüht, verwelkt und dann vergessen wird.
Gewiss wir müssen sterben, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Die ganze Wahrheit ist: Gott lässt uns nicht im Abgrund des Todes versinken. Er gibt uns Anteil an seinem Leben „Ich lebe und ihr sollt auch leben, sagt Christus. Wir sind Gottes geliebte Töchter und Söhne. Jeder Tag ist ein Geschenk Gottes. Kein Tag unseres Lebens ist vergeblich. Wir dürfen gespannt sein, was Gott uns noch alles zeigen, sagen und schenken will. Dieser Gott ist unsere Zuflucht. Zu ihm können wir fliehen in unserer Angst vor dem Tod.
Zu ihm können wir fliehen mit unserer Schuld und mit allen unseren Zweifeln und Fragen, die uns quälen. Gott gibt uns eine Zuflucht, die der Strom der Vergänglichkeit nicht wegreißen und die auch der Tod nicht zerstören kann.
Die Türen zu dieser Zuflucht stehen weit offen - für jeden Menschen - auch für uns. Amen.

Verfasser: Sup. i. R. Dr. Hartmut Scheurich, Hochheimerstr. 3, 99094 Erfurt

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