Nach draußen gehen
von Elke Burkholz (Messel)
Predigtdatum
:
09.03.2008
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Lätare
Textstelle
:
Hebräer 13,12-14
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Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn Jesus Christus!
Liebe Gemeinde,
unser Predigttext heute verheißt uns eine Zukunft. Eine sehr gute Zukunft. Eine Zukunft, die besser ist als die Gegenwart. Diese Zukunft kommt von Gott her. Und sie wirkt schon jetzt auf unsere Gegenwart. Es ist wie bei einem Licht. Ich sehe es schon aus einiger Entfernung. Ich gehe darauf zu und ich weiß, dass dieses Licht für mich da sein wird. Es ist wie das Licht am Ende des Tunnels. Mag meine Zeit jetzt auch grau und dunkel sein. Es ist mir eine Zukunft versprochen, die heller wird. Und die Helligkeit des zukünftigen Lichts wirkt jetzt schon. Das Dunkel ist nicht völlig dunkel. Das Grau macht nicht alles grau. Die Zukunft ist schon da. In der Hoffnung kann ich sie schon sehen. In der Hoffnung kann ich mir die Zukunft schon ausmalen. Ich kann manchmal schon so leben als wäre sie da, diese bessere Zukunft. Manchmal macht das Licht mein Dunkel jetzt schon hell. Manchmal macht das Licht mein Grau jetzt schon farbig, farbenfroh, lebendig.
Unser Predigttext steht im Hebräerbrief Kapitel 13 in den Versen 12-14.
Auch Jesus hat außerhalb des Tores gelitten, um durch sein eigenes Blut das Volk Israel zu heiligen. Somit lasst uns zu ihm vor das Zeltlager ziehen und seine Schande mit ihm tragen. Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern suchen nach der zukünftigen.
Wir haben hier keine bleibende Stadt. Liebe Gemeinde, das wissen wir. Aber darunter leiden wir. Selbst in den Momenten unseres Lebens wissen wir doch: dieses Leben ist vergänglich. Jeder Geburtstag macht es uns klar, wie erschreckend schnell das geht mit dem Älterwerden.
Wir haben hier keine bleibende Stadt. Wir haben hier kein bleibendes Messel. Messel gibt es seit 1200 Jahren. Und Messel wird es auch nach uns geben. Aber wir werden einmal nicht mehr da sein. Alles, was wir tun, steht unter diesem Vorzeichen. Wir können ein Haus bauen, und das wird es nach uns geben. Wir können Kinder und Enkel und Urenkel haben und die wird es nach uns geben. Wir können etwas sparen und damit unseren Nachkommen helfen. Wir können versuchen, von unseren Erfahrungen etwas weiterzugeben und in der Familie da zu helfen, wo es nötig ist, damit das Leben von allen möglichst gelingt. Und doch – all das, was wir an bleibendem schaffen können, steht ja selbst unter dem Vorbehalt, dass es vergänglich ist. Auch ein Haus wird einmal zu alt und umgebaut. Auch unsere Nachkommen werden einmal sterben. Und von uns bleibt nur bestenfalls eine schwache Erinnerung.
Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern streben nach der zukünftigen.
Unser Predigttext, der uns heute zu Gottes Stimme an uns werden will, sagt uns zu: nach dem Tod gibt es eine Zukunft. Und es wird sogar eine Stadt sein. Wir werden zusammenleben. Am Ende der Bibel heißt es vom himmlischen Jerusalem, dass es dort keinen Tempel mehr gibt, weil Gott überall ist. Das heißt, dann in der Ewigkeit werden wir Menschen wirklich erfüllt sein von Gott. Wir werden erfüllt sein von der Fülle der Liebe, der alles überwindenden Kraft der Hoffnung und der Berge versetzenden Kraft des Vertrauens.
Hier in diesem Leben lernen wir notgedrungen, misstrauisch zu sein. Wir haben ja schließlich zu viel schlechte Erfahrungen gemacht mit anderen Menschen. Hier in diesem Leben lernen wir notgedrungen, uns zu verschließen für andere Menschen, denn sie verletzen uns so oft. Hier in diesem Leben lernen wir, ängstlich und zynisch zu sein und anzunehmen, dass die Lage immer nur schlechter wird.
Vor uns aber liegt Gottes Zukunft. Und das Erstaunliche ist: diese Zukunft Gottes kommt uns jetzt schon entgegen. Diese Zukunft Gottes kommt schon jetzt in unsere Herzen und verändert uns. Jetzt schon gibt es Lichtfunken aus der Ewigkeit, die unser Herz hell machen und Dunkel und Grauheit vertreiben. Jetzt schon lernen wir, neu zu lieben und uns zu öffnen. Jetzt schon lernen wir, neu zu hoffen und die Angst zu überwinden. Jetzt schon lernen wir, neu zu vertrauen und das Misstrauen abzulegen.
Liebe Gemeinde, wenn wir unser Leben betrachten, dann gilt immer beides. Wir verschließen uns – und manchmal gelingt es uns, uns zu öffnen für neue Liebe. Wir igeln uns ein in Angst und Zynismus – und manchmal gelingt es uns, neue Hoffnung zu fassen. Wir sind misstrauisch gegenüber anderen Menschen, einfach weil sie so anders sind – und manchmal gelingt es uns, aufeinander zu zu gehen, Brücken zu bauen, uns zu verständigen über Unterschiede hinweg.
Dieses manchmal – darauf kommt es an. Ich wünsche uns, dass dieses manchmal öfter passiert. Nicht immer, aber immer öfter. …(Lacher abwarten). Wo geschieht so etwas? Ich glaube, die Chancen steigen, wenn wir offen, freundlich und zugewandt aufeinander zugehen. Und wenn wir es erwarten, dass dieses manchmal passiert.
Wir Christinnen und Christen wissen: dieses manchmal heißt Heiliger Geist. Gott wirkt in uns, oft ohne dass wir es merken. Aber im Nachhinein spüren wir: da ist etwas tolles passiert. Etwas unerwartetes. Etwas, das meine Lebendigkeit fördert. Eine neue Lebendigkeit mitten in der Vergänglichkeit. Ein neues Miteinander mitten in dem Jeder-Für-Sich. Eine neue, zukünftige Stadt eben, die jetzt schon anfängt.
Liebe Gemeinde,
unser Predigttext fordert uns auf, nach draußen zu gehen, uns nicht einzuigeln. Nicht nur voller Angst nach unten zu sehen. Nicht nur auf den eigenen Weg zu sehen. Wir sollen den Blick heben. Wir sollen anderen Menschen ins Gesicht schauen. Wir sollen eine neue Gemeinschaft werden, in der schon die zukünftige Stadt sichtbar wird.
Draußen vor dem Tor ist Jesus gestorben. Deshalb sollen auch wir nach draußen gehen, um seine Schande mit ihm zu tragen.
Das ist das Merkwürdige an der Leidenszeit Jesu und an seinem Kreuz. Aus dem absolut Schrecklichen entsteht etwas Gutes. Aus der brutalen Gewalt entsteht etwas Heilsames. Jesus wurde ausgestoßen, verstoßen, gekreuzigt, in unseren heutigen Worten gemobbt, ins Abseits gestellt, links liegen gelassen. Und gerade so hat er sein Volk geheiligt. Gott hat ihn nicht im Tod gelassen. Sondern seine Lebenskraft kam durch seine Auferstehung in diese Welt. Und sie erfasst sogar die Übeltäter.
Auch wir sollen nach draußen gehen. Wir sollen uns nicht nur im eigenen Sumpf schmoren. Die Gemeinschaft, die von Jesus her lebt, muss auf andere zugehen. Wenn wir Jesus richtig nachfolgen wollen, dann dürfen wir uns dem Schlimmen in unserem Leben stellen. Dem, was uns ungerechterweise geschehen ist. Und dem, wo wir nicht richtig gehandelt haben und uns vor uns selbst schämen. Und dann werden wir geheiligt durch Jesus. Er nimmt uns an, die wir so oft andere ausschließen. Und er beginnt mit uns jetzt schon die zukünftige Stadt. Ein Miteinander, in dem man anders miteinander umgeht. Ein Gemeinwesen, in dem das Misstrauen besiegt wird. Eine Gemeinde, in der man gefahrlos der Liebe Raum geben kann, ohne verletzt zu werden. Eine Gesellschaft, die zu Hoffnung Anlass gibt, weil die Probleme nicht unter den Teppich gekehrt werden, sondern angegangen werden, ohne dass man alle anderen verantwortlich macht, nur nicht sich selbst.
Liebe Gemeinde,
ich bin sehr zufrieden mit dem, was in dieser Kirchengemeinde in letzter Zeit geschieht. Der Gottesdienstbesuch steigt und die Beziehungen untereinander verbessern sich. Wir sollten auf diesem Weg weitergehen. Und das, was innen gut läuft, einladend nach außen richten. Wir sind nicht damit zufrieden, dass es innen gut läuft. Wir wollen, dass möglichst viele Menschen das Gute, das von Gott her kommt, spüren können. So viele Menschen sehnen sich nach einer lebendigen Kraft, die den Frust verwandelt, die Hoffnung stärkt, die Liebe erneuert, das Vertrauen fördert und zu einem neuen Zusammenleben befähigt, das die Zukunft in sich trägt.
Ich spüre diese Sehnsucht bei sehr vielen Menschen. Und ich wünsche mir, dass wir als Gemeinde noch viel stärker nach draußen gehen, zu anderen Menschen, die eben anders sind. Und deshalb für uns erst mal schwierig zu erreichen. Denn wir sind ja auch anders für sie. Und wir wissen ja, Kommunikation ist Glücksache, selbst wenn man sich sehr ähnlich ist und über ähnliche Dinge redet. Das ist ein Abenteuer, das Gespräch über das Anderssein hinweg. Manchmal gelingt es, dass da eine wirklich Brücke entsteht. Manchmal ist der Geist Gottes in uns wirksam – Gottes lebendige Kraft, die uns verzaubert. Die uns dazu bringt, Dinge zu tun, die wir uns bisher nicht zugetraut haben. Gottes lebendige Kraft ist manchmal da, die uns dazu bringt, Dinge zu erleben, von denen wir noch nicht einmal zu träumen gewagt hätten.
Wir streben nach der zukünftigen Stadt Gottes, die uns jetzt schon entgegenkommt. Und damit hat unser Leben Ewigkeitswert. Damit ist die Vergänglichkeit schmerzlich, traurig, erschreckend. Aber nicht mehr alles. Es gibt ein Licht am Ende des Tunnels. Und es macht jetzt schon die Dunkelheit hell und das Grau farbig und bunt und lebendig. Manchmal. Nicht immer, aber immer öfter.
Und der Friede Gottes…