Nachfolge
von Christian-Erdmann Schott (55124 Mainz)
Predigtdatum
:
03.03.2002
Lesereihe
:
ohne Zuordnung
Predigttag im Kirchenjahr
:
Reminiszere
Textstelle
:
1. Könige 19,1-8.(9-13a)
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Wochenspruch:
Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes. (Lukas 9,62)
Psalm: 34,16-23 (EG 718)
Lesungen
Altes Testament:
1. Könige 19,1-8 (9-13a)
Epistel:
Epheser 5,1-8a
Evangelium:
Lukas 9,57-62
Liedvorschläge
Eingangslied:
EG 440
All Morgen ist ganz frisch und neu
Wochenlied:
EG 82
oder EG 96
Wenn meine Sünd’ mich kränken
Du schöner Lebensbaum des Paradieses
Predigtlied:
EG 355
Mir ist Erbarmung widerfahren
Schlusslied:
EG 75,1
Ehre sei dir, Christe
Hinführung:
Die für die Predigt entscheidende Frage ist: Ist das ein Amtsträger-Text? Ein „Kirchen“-Text? Oder handelt es sich um Erfahrungen, die verallgemeinert, demokratisiert werden können? Geht man den ersten Weg, besteht die Gefahr, dass Menschen, die sich für die besonderen Berufsprobleme eines Propheten weniger interessieren, abschalten. Geht man den zweiten Weg, besteht die Gefahr, dass die Grenze zur Banalität – ‚immer wenn du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her’, ‚auf Regen scheint Sonne’- schwer zu bestimmen ist.
Darum ist hier ein mittlerer Weg versucht worden, bei dem die Erfahrung der Gottesmüdigkeit und ihre Überwindung thematisiert ist.
Da die Verse 19,1-3 späterer Zusatz sind und für diese Thematik nicht viel beitragen, sind sie weggelassen. Damit die Hörer den Text auf Anhieb verstehen, erfolgt die Lesung nach einer Einleitung.
Liebe Gemeinde!
In der Bibel kommt beides zur Sprache: Klagen, Zorn Gottes über die Menschen, aber auch Klagen von Menschen über Gott. Es hat gar nicht so wenige Menschen gegeben, die auch unter Gott gelitten haben; nicht ständig, aber eben auch. Unser heutiger Predigttext handelt von einem Mann, dem es so gegangen ist. Es war Elia, der Mann Gottes und Prophet, der um 900 vor Christus in Nordisrael gelebt hat. Er musste die schmerzliche Erfahrung machen, dass die Menschen seiner Zeit seine Botschaft und seinen Namen „Gott ist der Herr. Er ist der einzige Herr“ nicht hören wollten. Sie lehnten ihn ab. Sie verfolgten ihn. Sie trachteten ihm nach dem Leben. Um sein Leben zu retten, floh Elia schließlich in die Wüste. Ich lese I. Könige 19,4-8:
1 Ahab sagte Isebél alles, was Elia getan hatte und wie er alle Propheten Baals mit dem Schwert umgebracht hatte. 2 Da sandte Isebel einen Boten zu Elia und ließ ihm sagen: Die Götter sollen mir dies und das tun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue, wie du diesen getan hast! 3 Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beerscheba in Juda und ließ seinen Diener dort. 4 Er aber ging hin in die Wüste eine Tagereise weit und kam und setzte sich unter einen Wacholder und wünschte sich zu sterben und sprach: Es ist genug, so nimm nun, HERR, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter. 5 Und er legte sich hin und schlief unter dem Wacholder. Und siehe, ein Engel rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iss!
6 Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser. Und als er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen. 7 Und der Engel des HERRN kam zum zweiten Mal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor dir. 8 Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis zum Berg Gottes, dem Horeb.
[9 Und er kam dort in eine Höhle und blieb dort über Nacht. Und siehe, das Wort des HERRN kam zu ihm: Was machst du hier, Elia? 10 Er sprach: Ich habe geeifert für den HERRN, den Gott Zebaoth; denn Israel hat deinen Bund verlassen und deine Altäre zerbrochen und deine Propheten mit dem Schwert getötet und ich bin allein übrig geblieben, und sie trachten danach, dass sie mir mein Leben nehmen. 11 Der Herr sprach: Geh heraus und tritt hin auf den Berg vor den HERRN! Und siehe, der HERR wird vorübergehen. Und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, kam vor dem HERRN her; der HERR aber war nicht im Winde. Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben; aber der HERR war nicht im Erdbeben. 12 Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der HERR war nicht im Feuer. Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen. 13 Als das Elia hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und ging hinaus und trat in den Eingang der Höhle.]
Elia ist so verzweifelt, dass er am liebsten sterben würde: „ Es ist genug“ – nicht, weil er lebensmüde wäre. Elia ist es leid, ständig für Gott eintreten und seinen Kopf hinhalten zu müssen - ohne Erfolg. „Ich bin nicht besser denn meine Väter“, wie Mose oder Aaron vor ihm, wie Jona, Jesaja, Jeremia nach ihm. Sie alle haben die bittere Erfahrung machen müssen, dass der Einsatz für den Glauben an Gott nichts bringt und obendrein noch gefährlich ist. So ist Elia totmüde, bis zum Tod gottesmüde.
Es ist tröstlich, dass solche Erfahrungen in der Bibel festgehalten sind. Denn so ähnliche Gedanken kennen wir auch: Eltern, die mitansehen müssen, wie ihr Kind alle Erinnerungen an Gott in den Wind schlägt; LehrerInnen, ErzieherInnen, HeimleiterInnen, die das Gefühl haben, dass sie gegen Wände reden, wenn es um den Glauben geht; Fernsehbenutzer, die miterleben, wie leichtfertig in manchen Sendungen über die tiefsten Dinge unseres Glaubens gesprochen wird. Da kann Trauer, Sorge uns ergreifen, da kann Müdigkeit aufkommen: Es hat ja doch alles keinen Zweck. Lohnt es heute überhaupt noch, sich für den Glauben zu engagieren? Und immer wieder gibt es ja auch Menschen, die sich wegen solcher Zweifel lieber in anderen Organisationen engagieren und nicht in der Kirche, weil sie meinen, dort sinnvollere Dinge tun zu können. Wenn man dann noch sieht, welcher Sog von anderen Mächten – vom Geld bis zu den Drogen – ausgeht, wie angenehm Menschen ohne Gott leben können und wie nicht selten der Ehrliche eben doch der Dumme ist, dann fragt man sich noch einmal mehr: Macht es wirklich Sinn sich heute noch für den Glauben einzusetzen; ganz abgesehen davon, dass die sogenannten kirchlich Gebundenen mit sich und untereinander ja auch nicht ohne Probleme sind!
Verglichen mit dem, was Elia und andere Gottesmänner durchstehen mussten, sind unsere Anwandlungen von Gottesmüdigkeit harmlos. Dennoch sind sie da, und wir müssen lernen, mit ihnen umzugehen. Dazu können die Erfahrungen, die in dieser Geschichte festgehalten sind, helfen. Sie stellen einen dreigeteilten Zusammenhang dar:
1. Beendigung, Rückzug, Ausstieg aus zu viel Engagement, zum Beispiel in einer Kirchengemeinde, darf kein Tabu sein. Von Jesus Christus wissen wir, dass er sich immer wieder zurückgezogen, zurückgenommen, die Einsamkeit gesucht hat, ja vor der Vereinnahmung durch Menschen und Gruppen geradezu geflohen ist. Es muss nicht so weit kommen wie hier bei Elia, dass er nur noch alles hinschmeißen und weglaufen kann – bloß weg von den Leuten. Es wird ihm hier keinerlei Vorwurf gemacht. Im Gegenteil, er wird behandelt wie ein tapferer Krieger, der müde in die Etappe zieht und dort von Gott persönlich wieder aufgebaut wird. Diese liebevolle Zuwendung Gottes ist hier repräsentiert durch den Engel. Er übernimmt die Versorgung dieses zusammengebrochenen Gottesmannes. Trotzdem: Auch wenn nichts von einem Vorwurf zu verspüren ist. So weit wie Elia sollte man es nicht kommen lassen.
2. Der Engel gibt Elia zwei sehr gute Ratschläge: Schlaf dich erst mal aus. Schlaf lange. Und dann iss und trink etwas. Erhol dich. Komm zu dir. Man kann nicht ständig im Einsatz sein, auch für Gott nicht. Und - Gott will das auch gar nicht. Das gerade signalisiert der Engel als liebevollen, aber hochautorisierten Befehl: Gott will nicht, dass du so runterkommst und dich so runterwirtschaftest.
3. Schließlich gibt der Engel Elia einen Anstoß, der halb Befehl, halb guter Rat ist: Mach dich auf den Weg und geh zum Berg Horeb. Warum gerade zum Horeb? Horeb ist ein anderer Name für Sinai. Das ist der Berg, auf dem Gott mit Mose gesprochen und ihm die Zehn Gebote diktiert hat. Horeb war für die Menschen damals der Wohnort Gottes in dieser Welt. „Geh zum Horeb“ heißt hier so viel wie: Versuche, mit Gott ins Reine zu kommen. Denn mit Grollen im Herzen gegen Gott kannst du kein froher Mensch sein. Damit vergiftest du dich und dein Leben. Und so hat sich Elia auf den Weg zum Horeb gemacht.
Ich denke, dass die Maßnahmen des Engels sehr einfühlsam und dem Zustand des Elia angepasst waren. Sie können auch für uns wichtig sein – jedenfalls die ersten beiden – mit ihrem Rat: Immer wieder Rückzug, Schlaf und richtiges Essen und Trinken. Den dritten Anstoß müssen wir anders fassen. Horeb-Sinai liegt nicht mehr in unserem Gesichtsfeld. Der Grundgedanke aber ist bleibend gültig, dass wir versuchen, mit Gott (wieder) ins Reine zu kommen und unseren Frieden zu machen.
Dazu könnte uns zum Beispiel jetzt die Passionszeit helfen. Sie ist ja als stille Zeit gedacht, als Zeit ruhiger Besinnung über den Weg Jesu zum Kreuz. Dabei könnte unsere Besinnung schon bei der sehr bedenkenswerten Beobachtung einsetzen, dass Jesus diesen Weg überhaupt gegangen ist. Das Wissen um das, was in Jerusalem auf ihn wartet, die Gefangennahme, der Prozess, die Verhöre, die Folterungen, die Schmerzen, die Enttäuschung über seine Jünger, die öffentliche Verhöhnung, die Kreuzigung, das Sterben, müssten eigentlich den Gedanken an Flucht und Aussteigen in ihm aufkommen lassen.
Er hätte ja in Galiläa, fernab von Jerusalem, bleiben können. Dort wäre ihm wahrscheinlich nichts passiert. Jesus aber geht diesen Weg. Er geht all dem Schlimmen ruhig und entschlossen entgegen -, weil er glaubt, dass es Gottes Wille ist. Und weil er darauf vertraut, dass das, was Gott tut, zuletzt gut ausgeht. Dieses Bild des ruhig nach Jerusalem hingehenden Jesus Christus kann uns wieder bewusst machen, welche Kraft im Glauben steckt.
Sicher, Jesus hat um diesen Glauben kämpfen müssen. Die Szene im Garten Gethsemane zeigt es. Sie zeigt aber auch, auf welche Weise er mit Gott und sich ins Reine gekommen ist - durch das Gebet. Ich denke, dass Elia auf dem Horeb auch gebetet hat. Durch das Beten festigt sich die Seele. Durch das Beten werden wir Gottes, des Glaubens, unserer selbst gewiss. Es ist seit Jahrtausenden das stärkste Mittel auch zur Überwindung der Gottesmüdigkeit.
Die Wiederkehr von Kraftlosigkeit, Mutverfall, Gottesmüdigkeit ist niemals ausgeschlossen. Realistisch werden wir davon ausgehen müssen, dass auch Elia, auch Jesus Christus immer wieder damit zu kämpfen hatten und natürlich auch wir wieder in solche Tiefen fallen können. Martin Luther nannte sie Anfechtungen und meinte sogar, dass sie vom Teufel sind. Aber wenn sie wiederkommen, wissen wir etwas besser, was wir von ihnen zu halten haben; dass sie nicht ganz ungewöhnlich sind und dass es erprobte Mittel gibt, um gegen sie anzugehen.
Das ist auch die Botschaft des heutigen Sonntags. Er trägt den alten lateinischen Namen Okuli = „Die Augen“. Das ist doppelsinnig und heißt beides: „Meine Augen sehen stets auf den Herrn; denn er wird meinen Fuß aus dem Netze ziehen“ (Ps. 25,15); aber auch: „Siehe, des Herrn Auge achtet auf alle, die ihn fürchten, die auf seine Güte hoffen“ (Ps. 33,18). Beides ist tröstlich. Amen.
Verfasser: Pfr. Dr. Christian-Erdmann Schott, Elsa-Brandström-Str. 21, 55124 Mainz
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